FonoForum: Themen, Kritiken, Diskussionen

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Kings.Singer
Inventar
#1 erstellt: 11. Sep 2010, 17:15
Liebe Forenmitglieder.

Es ist zugegebenermaßen etwas gewagt dieses Thema zu eröffnen. Ich blättere eben durch die gerade erhaltene Ausgabe zum Oktober 2010 und stoße auf Beachtliches (was mir natürlich jeden Monat so geht, sonst wäre ich kein Abonnent). Vielleicht kann mir hier ja etwas über gewisse Beiträge diskutieren?

Der Knackpunkt: Die FonoForum haben sicherlich nur einzelne Mitglieder hier und viele werden kaum mitreden können. Aber vielleicht kann der Thread als Anregung zum Kauf von CDs oder bestimmten FonoForum Ausgaben anregen.

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Ich möchte hier nun beginnen und kurz mitteilen, was mir beim Durchblättern der Oktober 2010 Ausgabe im Gedächtnis geblieben ist:


> Interview mit Christian Thielemann
Er ist mir irgendwie unsympathisch gewesen, genährt auch durch die reichliche Kritik der Rezensenten und einiger Forenmitglieder. Aufgeblase, wenig dahinter - so dachte ich! Durch das Interview ist er mir aber wesentlich sympathischer geworden.
Er spricht darüber, dass man als Dirigent eben einen Kompromiss zwischen Fokus auf (personal)politischen Geschehnissen und Fokus auf Musik finden muss. Die Eventkultur, zu der die heutige Klassikszene heute bisweilen tendiert, findet er schrecklich. Er bezeichnet sich selbst viel lieber als Kapellmeister. Er freut sich auf die Staatskapelle Dresden und findet sogar Vergleiche zu den Wiener Philharmonikern - seine Arbeit in München empfindet er noch als angenehm und versucht im verbleibenden Jahr weiterhin konzentriert und musikalisch gut zu arbeiten.


> CD-Kritik: Bruckner #8 (Thielemann / Staatskapelle Dresden)
Seine neue CD auf Profil wird hingegen eher verrissen: Schwülstig, zu effektvoll, zu wenig Blick auf die großen Formen und Bögen.
Musik: 3 von 5 Sternen
Klang: 4 von 5 Sternen

jpc.de


> CD-Kritik: Mozart #39, #40 (Jacobs / Freiburger Barockorchester)
Begeisterte Kritik und Freude darüber, dass sich Jacobs bei solchem Kernrepertoire mit seiner Einspielung selbst profilieren kann anstatt nur wiederzukäuen. Er habe einen großen "musikalischen Instinkt" der nicht hinter alle historische Informiertheit zurücktrete.
Musik: 5 von 5
Klang: 5 von 5

jpc.de


> CD-Kritik: Rachmaninov #2 (Gergiev / LSO)
Ebenso begeistert. Gergiev schaffe es bei aller seiner Konzert- und Auftrittsdichte dennoch ein unglaublich hohes Niveau zu bieten und dabei mit allen Details der Partituren vertraut zu sein. Die perfekte Zusammenarbeit vom LSO und Gergiev wird betont (ist schließlich ein Live-Mitschnitt!): Schlägt sich in rhythmischer Präzision und der perfekten Umsetzung der rubati nieder.
Musik: 5 von 5
Klang: 5 von 5

jpc.de


Gibt es Kommentare, Ergänzungen oder Anregungen eurerseits?


Viele Grüße,
Alex.


[Beitrag von Kings.Singer am 11. Sep 2010, 17:19 bearbeitet]
kastenbier
Stammgast
#2 erstellt: 11. Sep 2010, 18:29
Hallo

Eine Mozartsinfonie mit Jacobs habe ich neulich auf B4 Klassik bei einer CD Neuvorstellung gehöhrt, weiss nicht mehr welche der beiden es war. Es hat mich nicht vom Hocker gerissen,mein Eindruck war dass es eher eine Sinfonie von Jacobs war anstatt von Mozart.
Rezensenten haben halt auch ihre Vorlieben und das ist auch gut so.
Zu Thielemann kann ich nichts sagen ausser dass ich vor ca. 1 Jahr eine Brucknersinfonie mit ihm im Radio gehöhrt habe die mir sehr gut gefallen hat.

Gruss Rainer
Hüb'
Moderator
#3 erstellt: 11. Sep 2010, 19:02
Hallo Alex,

als FF-Abonnent finde ich die Idee natürlich super. Ich habe nur das praktische Problem, dass ich die Hefte immer nur mit großem Zeitversatz lese, da ich noch einige Althefte "abarbeiten" muss und ich einfach zu wenig Zeit habe, um das Magazin zeitnah zu würdigen.

Ich versuche dennoch, am Ball zu bleiben.

Grüße
Frank
kastenbier
Stammgast
#4 erstellt: 12. Sep 2010, 10:20
Hallo

Habe gerade im F-F das Interviev mit Thielemann gelesen und muss sagen es klingt jedenfalls sehr vernünftig was er sagt.
Besonders die Antwort auf die Frage nach Eventkultur und Starrummel drückt auch meine Meinung dazu aus.
Die Aufnahme mit den Mozartsinfonien Nr.39u.40 mit Jacobs in dieser F-F Ausgabe beschrieben fallen meiner Ansicht nach unter diese Kategorie.Hier wird Musik künstlich aufgebauscht und besonders schwungvoll dargeboten nur um sich von den anderen Interpredationen zu unterscheiden und die Verkaufszahlen anzukurbeln.
Vielen Menschen mag sowas gefallen, denn Jacobs ist ja nicht der einzige der sich dieser Mechanismen mit Erfolg bedient.

Gruss Rainer
Kings.Singer
Inventar
#5 erstellt: 12. Sep 2010, 11:15
Hi.

Vielleicht zum Nachtrag:
Thielemann Kritik: Clemens Haustein
Jacobs Kritik: Peter Köster (diese unsäglichen abgekürzten Mittelnamen - "Peter T. Köster": unverständlich!)
Gergiev Kritik: Michael Kube

Viele Grüße,
Alex.
Michael_aus_LH
Stammgast
#6 erstellt: 12. Sep 2010, 13:57
Hallo,

ich bin ebenfalls Abonnent. Die Kritik der angesprochenen Mozart-CD und das anschliessende Fazit mit 5 von 5 Sternen sehe ich zwiespältig.
Der Rezensent selbst bezeichnet ja vieles als diskutabel und fragwürdig, da verstehe ich die 5 Sterne nicht wirklich.

Denoch eine interessante Ausgabe, in der ich wiederum schon mehr CDs angekreuzt habe als ich bis zum nächsten Heft auch hören könnte...

Gruß Michael
Joachim49
Inventar
#7 erstellt: 12. Sep 2010, 13:57
Ich bin kein FF-Leser und habe auch nicht die Absicht es zu werden. Aber ich möchte doch Rene Jacobs ein wenig in Schutz nehmen. Wer denkt nun ausgerechnet an Jacobs wenn es um Eventkultur, Starrummel oder ähnliches geht. Jacobs in einem solchen Zusammenhang zu nennen ist schlicht und einfach absurd. Dazu fehlen seinem sympathischen Plattenlabel (harmonia mundi france) schon die finanziellen Mittel. Wenn ich an Starrummel und Eventkultur denke, dann denke ich (und jeder) doch eher an Netrebko, Dudamel, Lang Lang, etc. - ja vielleicht sogar an Thielemann selbst, der ja weiss, wie man im Gespräch bleibt und dank der Deutschen Grammophon ja auch über eine Kommerzmaschine verfügt. Wer mit der DG arbeitet sollte sich nun nicht gerade über Starrummel beklagen und gleichzeitig sein bestes tun um davon zu profitieren. Jedenfalls durften wir es ja immer in der Presse mitlesen, wenn Herr Thielemann versuchte München loszuwerden, sich bei einem rechtskonservativen Publikum einzuschmeicheln oder in Bayreuth mitzumischen.
Rene Jacobs verdanken wir Telemanns Brockes Passion, Cavallo's La Callisto, Haydns Orlando Palantino, diverse Händel- und Monteverdiopern,- alles Stücke die ja, da sie Millionen Klassikhörer seit Jahrhunderten beeindrucken und die Kassen klingeln lassen, besonders geeignet sind, um sich im klassischen Kommerzirkus besonders zu profilieren, nicht wahr?

Nun, sein Mozart: "Hier wird Musik künstlich aufgebauscht und besonders schwungvoll dargeboten nur um sich von den anderen Interpredationen zu unterscheiden und die Verkaufszahlen anzukurbeln."

Gut, Jacobs Mozart unterscheidet sich. Das ist wohl gut so. Oder wäre es besser, wenn es, sagen wir die Aufnahmen mit Böhm gäbe, und dann alle anderen Aufnahmen sich durch nichts unterscheiden? Nein, wir sollten uns über das Interpretationsspektrum freuen. Und warum sollten wir Jacobs unterstellen, seine dramatisierende Sicht sei geprägt von dem Bedürfnis sich zu unterscheiden und die Verkaufszahlen anzukurbeln? Vielleicht ist es der Opernkomponist Mozart,der Jacobs Sicht auf den Symphoniker Mozart entscheidend mitprägt. Warum sollten wir nicht einfach zur Kenntnis nehmen, dies sei seine Sicht, ohne ihm aussermusikalische Motive zu unterstellen? Wir können dann mit innermusikalischen Argumenten über seine Aufnahmen diskutieren.

Thielemann sieht Bruckner so wie er ihn sieht, und Jacobs sieht Mozart so wie er ihn sieht. Beide werden über ihren Interpretationsansatz nachgedacht haben, beide sind erfahren. Warum nun der eine als jedem Kommerz und Starrummel abholder Kulturpfleger dargestellt wird und dem andern künstlerische Unaufrichtigkeit nachgesagt wird, vermag ich nicht nachzuvollziehen.

Mit freundlichen Grüssen
Joachim
flutedevoix
Stammgast
#8 erstellt: 18. Sep 2010, 09:53
Auch von mir noch ein Nachtrag zu den Aufnahmen der Mozart-Sinfonien mit Jacobs.

Es ixt absolut richtig, daß Jacobs einen subjektiven, sehr dramatischen Interpretationsansatz wählt und vertritt. Und in Anlehnung an einen altbekannten Spruch möchte ich sagen: Das ist auch gut so!

Jedenfalls verläßt Rene Jacobs niemals den Boden, dessen was wir über Interpretationsansätze und Musizierhaltungen der Mozartzeit aus zeitgenössischen Quellen wissen. Daß dabei ein derart impulsiver und dramatischer Mozart herauskommt, tut der Musik gut und kommt vermutlich der Person Mozart sehr nah, wenn wir seine Biographie heranziehen. Jedenfalls war Mozart mit Sicherheit nicht der Langweiler, wie ihn uns Böhm, Karajan, etc. vermitteln wollten!

Der Widerspruch zu Aufnahmen von Jacobs, Harnoncourt oder Immerseel liegt ja oft darin begründet, daß man von liebgewonnen, teilweise Jahrzehnten geprägten Hörgewohnheiten Abstand nehmen muß. Und das fällt bisweilen eben schwer!

Ich halte jedenfalls die Aufnahmen der späten Mozart-Sinfonien, die die dreit oben genanen Komponisten vorgelegt haben, mit Abstand für die besten, die am nächsten an der Musik sind.

Und was Starrummel angeht: Herr Thielemann sollte nicht so scheinheilig die Eventkultur kritisieren, wenn er sie befeuert und ganz gut von ihr lebt. Oder wie sonst sollten man erklären, daß Herr Thielemann mit dem Festspielorchester und den Sänger aus Bayreuth nach Abu Dhabi fliegt, um den dortigen Scheichs in einer Aufführung Wagner näher zu bringen (und das ist die euphemistische Beschreibung der Angelegenheit, ich vermute die Herren in Abu Dhabi wollten einfach an der angesagten westlichen Kultur teilhaben.) Wenn Christian Thielemann sich etwas mehr der Musik widmet als seiner Karriere, dann werde ich ihn wieder als Dirigent und als Interviewten ernst nehmen, momentan fällt mir das aber schwierig, ganz im Gegensatz eben zu Dudamel. Vielleicht zu Ehrenrettung Thielemanns Das Beste an Bayreuth ist momentan Thielemann (vielleicht sollte einem das Angst machen)

Rene Jacobs jedenfalls bereitet Proben und Aufführungen akribisch vor, kennt alle Alternativfassungen zu den Werken des Programms und erklärt auch uns Musikern bisweilen gern, warum so und nicht anders. Das verstehe ich unter Probenarbeit!


[Beitrag von flutedevoix am 18. Sep 2010, 09:55 bearbeitet]
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