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Franks Klassik-Blog: Sammlung von Besprechungen und Hinweisen

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Hüb'
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#51 erstellt: 26. Nov 2016, 21:05
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Johann Rufinatscha (1812-1893)
Orchesterwerke Vol. 1: Symphonie Nr. 6; Die Braut von Messina-Ouvertüre

BBC Philharmonic Orchestra, Gianandrea Noseda
Chandos, DDD, 2010

Diese CD ist wirklich klasse! Rufinatscha war mir bis dato gänzlich unbekannt. Seine romantische Musik ist groß gedacht, dramatisch und ausdrucksstark. Die 6. Sinfonie dauert rund 56 Minuten und vereinigt für mein Empfinden Anklänge an Brahms, Dvorak und vielleicht sogar Bruckner und Berlioz. Jedenfalls für meinen Geschmack eine sehr ansprechende und gelungene Sinfonie, die den Wunsch nach mehr von diesem Komponisten aufkommen lässt. Obwohl die Scheibe mit "Vol. 1" betitelt ist und bereits aus 2010 stammt, scheinen weitere Volumina nie produziert worden zu sein - sehr schade.
Das BBCPO unter Noseda spielt einmal mehr tadellos und die Produktion reiht sich qualitativ nahtlos ein in die Reihe der hervorragenden Aufnahmen, die Noseda mit Werken von Casella hinterlassen hat. Die Chandos-Klangqualität ist wieder einmal exzeptionell. Kaufen!
Hüb'
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#52 erstellt: 02. Dez 2016, 20:41
jpc.de

Peter Iljitsch Tschaikowsky (1840-1893)
Symphonien Nr.1-6
+3 Stücke aus Schneeflöckchen op. 12; Rokoko-Variationen für Cello & Orchester; Andante cantabile op. 11; Dornröschen-Suite op. 66a; Capriccio Italien op. 45; Symphonie Es-Dur (Nr. 7 / Fragment); Klavierkonzert Nr. 3

Lilya Zilberstein, Leonard Elschenbroich, Gürzenich-Orchester Köln, Dmitri Kitaenko
Oehms, DDD, 2010-2012
8 CDs

Kitaenko und das Kölner Gürzenich-Orchester haben mit dieser Gesamtaufnahme eine meiner Einschätzung nach hervorragende Sicht auf die wohlbekannten Tschaikowsky-Sinfonien – „Fred“ und ein paar Nebenwerke inklusive – vorgelegt. Mit hoher Spielkultur werden die Werke packend und spannungsgeladen vorgetragen. Dazu trägt die sehr gute Klangtechnik und dynamische Bandbreite der Aufzeichnungen ganz sicher bei. In wie weit Kitaenko in diesen Aufnahmen mit den großen, alten, russischen Einspielungen mithalten kann, vermag ich nicht zu sagen.
Der Zyklus wurde zunächst als Einzeln-(SA-)CDs veröffentlicht und liegt nun als preiswert abgepackte, reine CD-Box vor. Eine Anfrage bei Oehms meinerseits hat einmal ergeben, dass sie SACDs aus Kostengründen nicht als Box abpacken. Ich vermute hier vor allem die Lizensierungskosten des Verfahrens. Sei’s drum. Auch die normalen CDs klingen exzellent. Zudem macht die matt-schwarze Box auf mich einen wertigen Eindruck.
Ich bin kein Tschaikowsky-Experte und werde es durch diesen Zyklus (vorerst?) auch nicht werden. Die „Schuld“ verorte ich hier entweder bei mir oder aber eben doch bei P. I. höchst selbst, denn eigentlich kann ich mir keine andere, bessere Deutung vorstellen, die mir die Musik wesentlich näher bringen könnte. Tschaikowsky erreicht mich in weiten Teilen einfach nicht so recht. Die Finalsätze seiner Werke erscheinen mir oftmals beispielsweise wenig geistreich. Sie sind zu lang und unbeherrscht. Tschaikowsky lässt es in einem fort „rummsen“. Höhepunkte werden überstrapaziert, dadurch entwertet. Auch sprechen mich die Melodien gerade seiner populären sechsten Sinfonie so gar nicht an, erscheinen mir vielmehr larmoyant ohne mich berühren zu können.
Auch wenn ich es weiter mit P. I. versuchen werde, wird mein persönlicher Geschmack mit so manchem Kleinmeister a la Gernsheim, Raff, Herzogenberg, Casella etc. pp. besser (vielleicht auch qualitativ besser?) bedient, als es mit diesen Werken Tschaikowskys gelingt.
Was bleibt? Ein starkes Plädoyer der Interpreten für Tschaikowsky und eine dicke Empfehlung – wenn man denn mit der Musik etwas anfangen kann.
Hüb'
Moderator
#53 erstellt: 22. Dez 2016, 11:52
jpc.de
Hans Huber (1852-1921)
Symphonien Nr. 1-8

Nr. 1 d-moll op. 63 "Tellsinfonie"; Nr. 2 e-moll op. 115 "Böcklin-Symphonie"; Nr. 3 C-Dur op. 134 "Heroische"; Nr. 4 A-Dur "Akademische" in Form eines Concerto grosso für Streicher, Klavier & Orgel; Nr. 5 F-Dur "Romantische" (Der Geiger von Gmünd); Nr. 6 A-Dur op. 134; Nr. 7 d-moll "Schweizerische"; Nr. 8 F-Dur für Orgel & Orchester
+ Simplicius-Ouvertüre; Eine Lustspiel-Ouvertüre op. 50; Serenade Nr. 1 op. 86 "Sommernächte"
Schneeberger, Wächter, Stuttgart PO, Weigle
Sterling, DDD, 1996-2002
5 CDs

In den letzten Tagen hörte ich diese Gesamtaufnahme der Sinfonien von Hans Huber. In meinen Ohren sehr lohnende Musik, die sich zwar erst bei mehrmaligem Hören vollends erschließen dürfte, sich gleichwohl bereits beim Ersthören recht "süffig" in den Gehörgang ergießt. Einen Mangel an melodiösem Einfall mag ich nicht zu erkennen. Was Huber hier komponiert hat, erscheint mir sehr griffig und dürfte - zumindest nach mehrmaligem Hören - sogar Wiedererkennungswert haben. Was man ihm allerdings für mein Empfinden ankreiden kann, ist der seine sämtlichen Sinfonien durchziehende, leuchtend-heroische Gestus. Das klingt beinahe alles sehr strahlend und überwiegend positiv. Wikipedia schreibt dazu "die in den Sinfonien vorherrschenden patriotischen Elemente, die den nationalen Charakter unterstreichen, fehlen in den weitaus persönlicheren kammermusikalischen Arbeiten (...)". Das muss man schon mögen oder ausblenden können, zumal, wenn man für die Schweizer Nation nur sehr eingeschränkte Sympathien hegt... Wenn man sich mit dieser Charakterisierung anfreunden kann (oder sie so nicht empfindet), dann bleibt eine dennoch sehr hörenswerte Musik, die mich einmal mehr wundern lässt, warum es sich bei diesen Sterling-Produktionen um Erst- und im Katalog singuläre Aufnahmen handelt. Ebenso verwunderlich erscheint es mir, dass die sehr gut spielenden Stuttgarter Philharmoniker im Bereich von CD-Produktionen so wenig Beachtung erfahren. Sie erweisen sich in diesen Produktionen in meinen Ohren als sehr gut Anwälte der Huber'schen Musik und lassen an keiner Stelle den Wunsch nach Alternativen aufkommen. Letztgesagtes gilt ebenfalls für die Klangqualität der Aufzeichnungen, die, wenn zwar auch nicht explizit "audiophil", so dennoch sehr gut gelungen sind.
Wer mit triumphal klingender Romantik mit Bruckner- und Strauss-Anklängen etwas anfangen kann, sollte unbedingt mal ein Ohr riskieren. Kauftipp!


[Beitrag von Hüb' am 08. Mrz 2018, 16:26 bearbeitet]
Hüb'
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#54 erstellt: 10. Jan 2017, 11:59
jpc.de
Ludwig van Beethoven (1770-1827)
Cellosonaten Nr.1-5

Daniil Shafran, Anton Ginsburg
Melodiya, ADD, 1971
Doppel-CD

Über Daniil Shafran ist wenig hier im Forum zu finden. Etwas umfassender wird sein Stil in diesem Faden, im Tamino-Forum, besprochen.
Ich habe Beethovens Cellosonaten länger nicht gehört und war fast ein bißchen erstaunt, wie geläufig sie mir dennoch sind. Die vorliegende Einspielung ist eine Wiederveröffentlichung aus 2016. Die CD enthält nur die Sonaten, die Variationswerke fehlen leider.
Musikalisch wird Begeisterndes geboten. Shafran spielt mit warmen Ton und liefert eine hingebungsvolle, hoch emotionale Deutung. Dabei agieren er und Ginsburg absolut gleichberechtigt. Ihr Spiel greift wunderbar ineinander. In manchen Augenblicken gewinnt man beinahe denn Eindruck, Shafran rolle seinem "Begleiter" einen roten Teppich aus, auf dem Ginsburg dann brilliert. Ich habe das Gefühl, dieser Musik in dieser Auslegung ganz nahe zu kommen. Beethovens Genialität wird unmittelbar erfahrbar.
Das Remastering ist gut gelungen. Den Klang würde ich als "guten Durchschnitt" beschreiben. Eher direkt aufgenommen, handelt es sich um eine Einspielung in zeittypisch-guter Klangqualität, die zwar nicht besonders gelungen oder gar "audiophil" ist, der großen Hörfreude, welche mir die Interpretation bereitet hat, aber auch nicht im Wege steht.
Das editorische Konzept der Produktion scheint mir hingegen nicht so gelungen, gerade angesichts der High- bis Mid-Price-Positionierung. Der Beihefttext fällt tendenziell "dünn" aus (engl. franz., russ. - ein dt. Text fehlt leider). Das Cover ist nicht authentisch. Es wirkt zwar zeittypisch, ich kann allerdings keine Melodyia-LP mit diesem oder einem ähnlichen Titelbild im Netz finden (was möglich sein müsste, denn Shafran-LPs sind begehrte Sammlerobjekte). Sei's drum. Die Einspielung finde ich so großartig, dass man über diese Punkte hinwegsehen sollte. Das ist eine Deutung, die auch in viele mit diesen Sonaten gut bestückte Sammlungen passen dürfte. Sie ist individuell, wahrscheinlich sogar subjektiv, macht Beethovens Musik aber zu einer packenden Erfahrung.


[Beitrag von Hüb' am 08. Mrz 2018, 16:26 bearbeitet]
Hüb'
Moderator
#55 erstellt: 12. Jan 2017, 11:15
jpc.de

Michail Ippolitow-Iwanow (1859-1935)
Symphonie Nr. 1
+ Turkish Fragments op. 62

Singapore Symphony Orchestra, Choo Hoey
Naxos, DDD, 1984

Alten Wein in neuen Schläuchen bietet diese Naxos-CD aus 2015, die auf einer Produktion des Schwester-Labels Marco Polo des Jahres 1984 beruht. Enthalten sind Orchesterwerke des Rimski-Korsakow-Schülers Michail Ippolitow-Iwanow. Jener kann, neben Glazunow, auch als Haupteinfluss ausgemacht werden. Die Musik ist in der russischen Tradition verwurzelt, eher rückwärtsgewandt als innovativ, und bedient die gängigen Schemata des seinerzeitigen Publikums. Als Anhänger des "Sozialistischen Realismus" sind die Kompositionen wenig aufregend (verglichen mit den Modernisieren jener Zeit) aber dennoch schön gearbeitet, gut zugänglich und aus qualitativer Warte keine Zeitverschwendung.
Die erste Sinfonie wirkt "typisch russisch". Die Türkischen Fragmente op. 62 bedienen hingegen Erwartungen an "orientalische" Klänge, wie man sie vom Lehrer Rimski-Korsakow kennt.
Die Einspielung scheint mir gelungen. Das Orchester aus Singapur spielt mindestens ordentlich, selbst wenn es am Feinschliff und der delikaten Differenzierung eines Spitzenorchesters mangeln mag. Ähnliches gilt für die gute, dynamisch vielleicht etwas zurückhaltende Aufnahmetechnik, die sicher deutlich besser ist, als schlechte Naxos-/MP-Tonaufzeichnungen jener Zeit.
Aus meiner Sicht daher ein Kauftipp, zumindest für Freunde des Russischen. jpc listet keine Alternativen. Insofern muss die Produktion zumindest als gelungene Übergangsreferenz herhalten. Kann man ruhigen Gewissens kaufen.


[Beitrag von Hüb' am 08. Mrz 2018, 16:26 bearbeitet]
Hüb'
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#56 erstellt: 13. Jan 2017, 10:02
jpc.de
Karol Szymanowski (1882-1937)
Symphonien Nr. 2 & 4 (Nr. 4 für Klavier & Orchester)
+ Konzertouvertüre op. 12

Louis Lortie, BBC Symphony Orchestra, Edward Gardner
Chandos, DDD, 2012
Super Audio CD, stereo/multichannel (Hybrid)

Szymanowskis Sinfonien sind mir bisher wenig geläufig. Es gibt ja durchaus einige Aufnahmen, eine Marktübersättigung liegt aber für mein Empfinden nicht gerade vor. Hinzu kommt, dass es sich bei den aufführenden Orchestern nicht selten um osteuropäische Orchester nicht zwingend ersten Ranges handelt (auch wenn gerade polnische Orchester natürlich eine idiomatische Besetzung sind). Das BBCSO unter Gardner kostet Szymanowski von impressionistischer Farbigkeit geprägten Stil, der durchaus modern wirkt und sich bis an die Grenzen der Tonalität vortastet, detailgenau aus. Klangschönheit scheint bei der Deutung im Vordergrund gestanden zu haben - noch vor dem seziermesserscharfen Herausarbeiten der Werksstrukturen.
Louis Lortie erweist sich in der Sinfonie Nr. 4, die auch als Klavierkonzert durchgehen könnte, als feinsinniger und brillanter Interpret, dessen Klänge ganz hervorragend mit dem Spiel des Orchesters zusammengehen. Die Chandos-Tontechnik ist einmal mehr stupend.
In meinen Augen handelt es sich daher wegen der sehr guten Orchesterleistung und des erstklassigen Klangbildes um eine absolut empfehlenswerte Einspielung, vielleicht sogar um eine moderne Referenz (um das beurteilen zu können, müsste man Szymanowski hingegen besser kennen). Ich werde diese Aufnahmereihe bei Gelegenheit in meiner Sammlung vervollständigen und diese Scheibe sicher noch häufiger hören.


[Beitrag von Hüb' am 08. Mrz 2018, 16:27 bearbeitet]
Hüb'
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#57 erstellt: 14. Jan 2017, 21:51
jpc.de
Giuseppe Martucci (1856-1909)
Klaviertrios Nr.1 & 2 (op.59 & 62)

Trio Vega
Naxos, DDD, 2014

Giuseppe Martucci war ein konservativer Tonsetzer spätromantischen Gepräges. Seine beiden Klaviertrios stehen in der Tradition von Brahms und Schumann und sind meiner Ansicht nach außerordentlich gelungen, sowohl dramatisch, als auch voll von eigenständigen melodischen Einfällen. Das ist mal wieder eine dieser Entdeckungen, die sich zu 105% mit meinem persönlichen Beuteschema decken und die mir große Freude gemacht haben. Beide Trios sind klassisch-viersätzig und mit Spieldauern von rd. 30 und rd. 40 Minuten durchaus großformatig angelegt, ohne dass man sagen kann Martucci habe sich mit Ihnen überhoben. Mich jedenfalls hat er keine Minute gelangweilt. Die Kritik scheint es ganz ähnlich wahrgenommen zu haben und attestiert eine sehr gute Interpretation durch das Trio Vega.
Diese CD ist Hinweis und Anlass genug, mich eingehender mit den weiteren Werken Martuccis zu befassen. Auf Naxos gibt es ja dankenswerter Weise mittlerweile einige Produktionen, vor allem auch in Sachen Orchesterwerke.


[Beitrag von Hüb' am 08. Mrz 2018, 16:27 bearbeitet]
Hüb'
Moderator
#58 erstellt: 19. Jan 2017, 10:44
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Nikolai Rimsky-Korssakoff (1844-1908)
Orchesterwerke: Zarenbraut-Ouvertüre; Ouvertüre über russische Themen; Wojewode-Suite; Schneeflöckchen-Suite; Christmas Eve-Suite

Malaysian Philharmonic Orchestra, Kees Bakels
BIS, DDD, 2004

Bei mir rotiert diese CD mit wohlbekannten Häppchen Rimsky-Korssakoffs im Rahmen der Einspielungen seiner Orchesterwerke durch das MPO unter Kees Bakels. Die Stücke sind überwiegend recht bekannt, teilweise orchestrale "Showpieces". Gemeinhin kein Repertoire in und mit dem man sich meiner Ansicht nach besonders auszeichnen kann, ist die Musik doch zwar alles andere als banal, andererseits aber eben auch nicht übermäßig substanzvoll. Wie bereits in den anderen mir bekannten Aufnahmen, erweist sich das MPO unter Bakels als hervorragend, kultiviert und gleichzeitig zupackend spielendes Orchester, welches - unterstützt von einer sehr guten Klangtechnik - vollauf überzeugen kann und keinen Vergleich scheuen müssen.


[Beitrag von Hüb' am 08. Mrz 2018, 16:27 bearbeitet]
Hüb'
Moderator
#59 erstellt: 27. Jan 2017, 17:46
jpc.de


Hans Gal (1890-1987)
Violinkonzert
+ Violinsonaten

Thomas Albertus Irnberger, Evgeni Sinaiski, Israel Chamber Orchestra, Roberto Paternostro
Gramola, DDD, 2010
Super Audio CD; stereo & multichannel (Hybrid)

Diese Produktion ist allein deshalb verdienstvoll, da sie die einzige Gesamtaufnahme der beiden Violinsonaten Gáls enthält. Auch das Violinkonzert liegt meiner Recherche nach lediglich in nur einer Alternativeinspielung vor (Annette Vogel, Northern Sinfonia, Kenneth Woods).
Die an manchen Stellen zu lesenden Brahms-Vergleiche kann ich in den Werken nicht nachvollziehen. Jedenfalls finde ich die Dinge, die Brahms aus meiner Sicht charakterisieren (Melancholie und sehnsuchtsvolle Emotionalität, Unterstreichung des Strukturellen, eine gewisse „Sperrigkeit“), nicht prominent in den gehörten Werken wieder. In diesen Kompositionen für Violine überwiegt ein lyrischer Ton, dem es – für mein Empfinden – aber an einer kontrastierenden Dramatik fehlt. Zumindest im Violinkonzert. Der Musik mangelt es daher etwas an Überzeugungskraft.
Das dreisätzige, 1932 vollendete und rund 25 Minuten dauernde Violinkonzert ist ganz auf den Solisten zugeschnitten, hochvirtuos, mit tendenziell begleitender Orchesterrolle. Dabei wirkt der Violinpart nicht allein als Vehikel zum zeigen des Könnens des Solisten, sondern hat durchaus musikalisches Gewicht. Diesbezüglich eine kongeniale Mischung aus Gehalt und Virtuosität. Irnberger spielt das sehr überzeugend, mit einem schönen, warmen Ton.
Diesen zeigt er auch in den beiden Violinsonaten. Hier steht der Deutung jedoch die Aufnahmetechnik im Wege, denn die Werke sind – anders als das Konzert – zu distanziert aufgenommen worden. Das Klangbild ist mir zu entfernt und diese ungünstige Mikrophonisierung stützt leider den Eindruck einer zu wenig packenden Musik. Das müsste so nicht sein, denn die Sonaten sind durchaus abwechslungsreich, sowohl mit schönen Momenten als auch mit Dramatik gesegnet. Der Toningenieur hätte sich hier besser ein Beispiel an der Arbeit vieler Rundfunk-Kollegen nehmen sollen, die zumeist näher und „trockener“ aufnehmen, damit aber auch direkter an der Musik dran sind. Die beiden Sonaten hätten dadurch sehr gewonnen und bezüglich der Werke bleibt aus meiner Sicht somit nur die Hoffnung auf weitere Einspielungen.
Hüb'
Moderator
#60 erstellt: 07. Feb 2017, 09:39
jpc.de

Jean Sibelius (1865-1957)
Eugene Ormandy conducts Sibelius:
Symphonien Nr. 1, 2,4, 5,7; Valse triste; Der Schwan von Tuonela; Finlandia; Pohjolas Tochter; Die Okeaniden; En Saga; Violinkonzert op. 47; Karelia

Philadelphia Orchestra, Eugene Ormandy
RCA, ADD, 1957-1978
8 CDs

Die gezeigte CD-Box enthält sämtliche RCA- sowie CBS-/Sony-Aufnahme von Eugene Ormandy mit dem Philadelphia Orchestra. Die Einspielungen entstanden in einer recht großen Zeitspanne, in den Jahren 1957 bis 1981. Sowohl der zeitliche Rahmen, als auch die Beteiligung zweier vormals eigenständiger Label führen zu einigen Dopplungen, so sind die Sinfonien Nr. 1, 2 und 7, das Violinkonzert, Finlandia, Valse triste, Schwan von Tuonela, En saga sowie die Karelia Suite jeweils gleich in zwei Einspielungen vertreten. Ganz interessant erscheint mir die Möglichkeit des Vergleichs insbesondere beim Violinkonzert, welches in einer klassischen Interpretation mit Isaac Stern (1969) sowie der heute weitestgehend in der discographischen Versenkung entschwundenen Dylana Jenson enthalten ist (1980), die bei ihrer damaligen Aufnahme noch keine zwanzig Jahre alt war.
Die ausführliche Besprechung von Rob Barnett auf musicweb-international fasst auch meine Eindrücke sehr gut zusammen. Dort schreibt er:
„Ormandy was a great Sibelius conductor. He is caught at his peak here and also at other less impressive moments.“
Durchaus Begeisterndes steht hier neben eher Durchschnittlichem. Diese Box erscheint mir vor allem für ausdrückliche Ormandy-Fans/-Sammler lohnenswert. Das Feld „Sibelius“ ist ja alles andere als schlecht bestellt, so dass der heutige Hörer auf eine Vielzahl exzellenter Deutungen zurückgreifen kann, von denen nicht wenige hervorragend und zeitgemäß klingen. Ein weiteres Argument für die Aufnahmen ist das Philadelphia Orchestra, dass mit Sibelius im Katalog nie präsenter war, als unter der Stabführung von Ormandy.
Hüb'
Moderator
#61 erstellt: 07. Feb 2017, 11:02
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Gustav Mahler (1860-1911)
Symphonien Nr.1-10

Christiane Oelze, Hanno Müller-Brachmann, Michaela Schuster, Gürzenich-Orchester Köln, Markus Stenz
Oehms, DDD, 2009-2014
13 CDs

Ich mag ja die (Größen-)Wahnsinnigen, die mit den dicken Brettern, den maßlosen Monsterwerken. Mahler ist zweifellos ein solcher Fall, ein Komponist großer Ambitionen, der nach den Sternen greift. Das Großartige an seinen Sinfonien ist dabei, dass sie nicht bloß „groß gedacht“ sind (wie bei manchem Kleinmeister, von denen sich einige mit allzu epischen Werken aufgrund fehlender Genialität dann doch eher „verhoben“ haben), sondern dem Hörer in ihrer Vielschichtigkeit eine solche Fülle an Stimmungen und Einfällen anzubieten haben, dass Mahler bei einigermaßen ernsthafter Beschäftigung trotz aller Epik und Länge schwerlich langweilen dürfte.
Besagte Vielschichtigkeit macht es wahrscheinlich auch so schwer, Mahlers Sinfonien als Ganzes perfekt zu deuten. Und somit bietet die vorliegende Kölner Aufnahme mit dem exzellenten Gürzenich Orchester, überwiegend aufgenommen in der Kölner Philharmonie, einen absolut gelungenen und tiefen Einblick in die Sinfonien Mahlers. Stenz und sein Orchester scheinen hier detailverliebt gearbeitet zu haben. Sie bieten einen hellwachen, fließenden und nie beliebigen Mahler an. Natürlich ist diese Produktion keine „perfekte“ Gesamtaufnahme geworden. Manche Sinfonie, mancher Moment mag innerhalb der Edition herausstechen, jedoch bewegt sich für mein Empfinden alles auf einem Niveau, welches ernsthaft negative Kritik abseits zulässiger Wahlentscheidungen der Interpreten verbietet
Dabei sind die Werke sehr gut aufgezeichnet worden, mit weiter Dynamik. Ich mag es mir einbilden, aber mir scheint, der akustische Stempel der Kölner Philharmonie habe einen gewissen Wiedererkennungswert, der in Aufnahmen gut zu hören ist (geht mir bei den DSch-Sinfonien unter Barshai mit dem WDR SO (Brilliant Classics) übrigens genau so).
Bei allem was ich in Sachen Mahler im Ohr und in der Erinnerung habe ist das hier ein Zyklus, der sich trotz überwältigender und hochkarätiger Konkurrenz nicht verstecken muss und der jeden Vergleich bestehen kann. Hut ab vor dem Gürzenich Orchester und Markus Stenz!
Insgesamt erscheint es erstaunlich, welche Schwergewichte im Oehms-Katalog mit den Gesamtaufnahmen von Mahler, Tschaikowsky sowie Rachmaninoff aus Köln nun vorliegen. Das ist ganz große Klasse!
Hüb'
Moderator
#62 erstellt: 02. Mrz 2017, 11:18
jpc.de

Joachim Raff (1822-1882)
Symphonie Nr.5 "Lenore"

+ Dame Kobold-Ouvertüre op. 154; König Alfred-Ouvertüre WoO. 14: Abends op. 163b; Dornröschen-Prelude WoO. 19; die Eifersüchtigen-Ouvertüre WoO. 54
Orchestre de la Suisse Romande, Neeme Järvi
Chandos, DDD, 2012
Super Audio CD, stereo/multichannel (Hybrid)

Raffs Sinfonie Nr. 5 scheint die Populärste seiner elf Sinfonien zu sein, gemessen an der Zahl ihrer Einspielungen. Gefunden habe ich die folgenden Aufnahmen (neben der Gezeigten/Gehörten):
  • Orchestra della Svizzera Italiana, Carthy (Dynamic)
  • Bamberger Symphoniker, Hans Stadlmair (Tudor)
  • Czecho-Slovak State Philharmonic Orchestra, Urs Schneider (Marco Polo)
  • Deutsches SO Berlin, Bamert (Koch)
  • London Philharmonic Orchestra, Bernard Herrmann (Unicorn)
  • Nishino, Philharmonia Orchestra, Butt (ASV)
Verwunderlich, dass innerhalb der stecken gebliebenen CPO-GA unter Werner Andreas Albert (3 CDs liegen vor) die 5. nicht dabei war. Ich besitze von den genannten Scheiben lediglich die Stadlmair-Version auf Tudor, die mir nach wie vor als sehr gelungen erscheint. Rein von der Deutung her mag ich die beiden Einspielungen nicht gegeneinander abwägen. Für mein Empfinden sind beide auf hohem Niveau gelungen. Für die Chandos-Produktion sprechen jedoch die einmal mehr stupende Aufnahmetechnik sowie die diversen "Füller". Die enthaltenen kleineren Orchesterwerke dürften teilweise nur schwer andernorts auffindbar sein und bringen die (SA-)CD mit einer üppigen Spielzeit von rd. 80 Minuten an ihre Kapazitätsgrenze. Auch die Kritik denkt positiv über diese Produktion: Rondo, klassik.com. Sehr bedauerlich, dass auf Chandos keine Gesamtaufnahme entstehen wird. Die Qualität der Raff'schen Musik sowie die soundtechnische "Veredelung" durch die Chandos-Toningenieure würden mich sicherlich zu einem Kauf verleiten.


[Beitrag von Hüb' am 02. Mrz 2017, 11:25 bearbeitet]
Hüb'
Moderator
#63 erstellt: 08. Mrz 2017, 12:40
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Joseph Haydn (1732-1809)
Die 43 Klaviertrios
Beaux Arts Trio
H15 Nr. 1, 2, 5-32, 34-41; H15 Nr. C1; H 15 Nr. f1; H 14 Nr. 6; H 14 Nr. C1; Trio D-dur H deest
Beaux Arts Trio
Philips, ADD, 71-78
9 CDs

Die Gesamtaufnahme der Haydn'schen Klaviertrios aufgenommen durch das Beaux Arts Trio ist ein ganz großer Wurf und fraglos einer der Meilensteine der Aufnahmegeschichte.
Die Frühwerke sind noch eindeutig durch das Klavier dominiert und Geige sowie Cello haben hier eine untergeordnete, rein begleitende Rolle, die sich oft darin erschöpft, das führende Klavier zu unterfüttern. Es ist dann spannend, die Entwicklung der Gattungsbeiträge Haydns zu beobachten und zu hören, wie sich Geige und Cello vom Klavier emanzipieren und eine eigene Rolle in der Gestaltung der Werke einnehmen.

Die bewußte Beschäftigung mit den Klaviertrios hat meine Vorurteile gegenüber dem "Vielschreiber" Haydn glückllicherweise aufgebrochen. Es ist für mich nämlich wirklich erstaunlich, wie eigenständig und unterschiedlich die verschiedenen Klaviertrios sind und welche wunderbaren Melodien und Wendungen sie enthalten. Das ist in weiten Teilen wirklich respektable Musik, die ich mit großer Freude gehört habe!

Das liegt ganz sicher auch nicht wenig am exzellenten Beaux Arts Trio, vermutlich DAS Klaviertrio schlechthin, welches sich mit seiner musikantischen Spielweise als perfekter Anwalt der Musik und der wunderbaren Melodien erweist.
Auch in klanglicher Hinsicht sind diese Analog-Aufnahmen von Anfang/Mitte der Siebziger ganz hervorragend.
Dicke Empfehlung. Diese Einspielung gehört in die Sammlung jedes Haydn- und/oder Kammermusik-Fans!

Den Kauf einer Alternativeinspielung habe ich angesichts der Qualitäten des BAT zunächst einmal verworfen. Wirklich sinnvoll wäre wohl nur die Anschaffung einer HIP-Produktion. Aber da hadere ich oft mit dem Klang der historischen Tasteninstrumente.
Hüb'
Moderator
#64 erstellt: 16. Mrz 2017, 10:41
jpc.de

Alfredo Casella (1883-1947)
Gian Francesco Malipiero (1882-1974)
Violinkonzerte

Andre Gertler, Prague Symphony Orchestra, Vaclav Smetacek
Supraphon, ADD, 1971/1974

und noch eine CD, deren Musik erst nach wiederholtem Hören gewinnt, wenn auch nicht vollends überzeugt. Kaufgrund war Casellas diskographisch unterrepräsentiertes Violinkonzert in a-moll, op. 48. Das Werk erscheint mir allerdings eines der schwächeren Kompositionen aus seiner Feder zu sein. Mir bietet es zu wenig Abwechslung und Spannung. Es ist weder ein übermäßige geeignetes "Virtuosenvehikel", noch überzeugende Spätromantik und ebenso kein wirklich "modernes" Werk. Vielleicht liege ich mit meiner Einschätzung daneben, aber die nur wenigen verfügbaren Produktionen scheinen den Rang der Komposition leider zu bestätigen. Sinnhafterweise ist Casellas op. 48 hier mit dem Violinkonzert Malipieros gekoppelt. Die beiden Komponisten verbanden sowohl die Lebensdaten, als auch eine Freundschaft. Malipieros Konzert hat mir besser gefallen. Es ist sicherlich ebenfalls eher als "retro" anzusehen (-hören), kommt aber griffiger und in meinen Ohren gefälliger daher.
Die CD selbst ist IMHO ein wenig obskur, denn warum setzt sich gerade diese (beinahe) ur-tschechische Produktion für zwei italienische Komponisten ein? Neben Josef Suk war der heute weitgehend vergessene ungarische Geiger André Gertler so etwas wie der "Supraphon-Hausviolinist", der im Katalog des Labels mit einer Vielzahl von Aufnahmen vertreten war. Ich müsste noch Einspielungen von Werken Hartmanns, Hindemiths, Malipieros, Milhauds und Bartoks mit ihm an der Geige auf LP besitzen.
Leider ist die Aufnahme nur bedingt befriedigend, denn das Klangbild der 1972 und 1976 entstandenen Einspielungen erscheint mir etwas eng und auch ein wenig verfärbt. Das ging in jener Zeit durchaus besser und mindert die grundsätzlich begrüßenswerte Anwaltschaft für diese Werke. In Sachen Casella werde ich mir demnächst mal die greifbare Alternative auf Capriccio anhören:
jpc.de

Diese SACD sollte zumindest klanglich "unangreifbar" sein. Weiterhin ist natürlich auf eine Fortsetzung der beiden Serien von Chandos und Naxos zu hoffen. Wenn dort das bisherige Niveau gehalten wird, dann werden hier interpretatorisch wie klanglich zeitgemäße Produktionen entstehen.
Hüb'
Moderator
#65 erstellt: 28. Mrz 2017, 08:59
jpc.de

Bohuslav Martinu (1890-1959)
Symphonien Nr.1-6

Vladimir Valek, Prague Symphony Orchestra
Supraphon, DDD, 2006
3 CDs

Bei mir gibt es aktuell dieses sehr ansprechende Set zu hören. Martinus Sinfonien lohnen der Beschäftigung. Sie bereiten (mir) beim Hören keinerlei Schwierigkeiten und zeigen sich allenfalls gemäßigt modern. Bemerkenswert ist, neben dem Fakt, dass Martinu erst spät zur Form der Sinfonie gefunden hat, dass zumindest fünf der sechs Sinfonien in einem recht engen Zeitfenster von vier bis fünf Jahren (1942-1946) entstanden sind und lediglich die Sinfonie Nr. 6 (Symphonische Phantasien) aus dem Jahre 1953 einen "Nachzügler" bildet. Wie sich diese Gesamtaufnahme im Verhältnis zu den anderen verfügbaren Einspielungen verhält vermag ich leider nicht zu beurteilen. Die Kritiken waren wohl eher mittelprächtig (z. B.), wenn auch keineswegs schlecht. Mir scheint das sehr ordentlich gespielt und aufgenommen. Nach kurzer Recherche gibt es offensichtlich dann doch nicht sooo viele Zyklen, wie zunächst von mir angenommen. Wer eine neuere Aufnahme sucht, landet zwangsläufig bei Valek oder bei Jiri Belohlavek (BBCSO, Onyx). Ansonsten bleiben der Klassiker Neumann oder N. Järvi mit kaum weniger idiomatischen Bambergern (BIS) oder der "Exot" Thomson (Chandos).
Hüb'
Moderator
#66 erstellt: 30. Mai 2017, 08:43
jpc.de

Gustav Mahler (1860-1911)
Symphonie Nr. 4

Rosemary Joshua, Orchestre des Champs-Elysees, Philippe Herreweghe 
PHI, DDD, 2009

Gekauft auf Basis eines Hinweises im Tamino-Forum (für läpp'sche 1,38 EUR zzgl. Porto; neu auf dem Amazon-Marktplatz). Herreweghe liefert eine erwartungsgemäß sehr transparente 4., die gerade wegen ihrer Durchhörbarkeit für mein Empfinden die Kontraste und die Doppelbödigkeit des Werkes mit seinen Brechungen sehr gut herausarbeitet. Ausgezeichnet berührend gelingt den Musikern der 3. Satz. Einfach wunderschön! Das Klangbild ist ebenfalls gut gelungen, weiträumig und dennoch nicht verhallt unterstützt es den interpretatorischen Ansatz. Eine wirklich mal andere Sicht auf diese Sinfonie, die auf mich an keiner Stelle selbstdarstellerisch sondern vielmehr werkdienlich wirkt. Eine Aufnahme, die man gerade Mahler-Freunden, die bereits eine breite Auswahl an "konventionellen" Einspielungen besitzen, ans Herz legen möchte. Nach dieser Hörerfahrung reizt mich jüngst erschiene CD mit der 4. Sinfonie von Brahms umso mehr.
Weniger gelungen erscheint mir die Aufmachung der CD selbst. Das glänzend folierte Digi-Pack dieser CD wirkt auf mich vergleichsweise billig. Hier bin ich von den wertig anmutenden Boxen des Schwester-Labels Alpha Anderes gewohnt.
Hüb'
Moderator
#67 erstellt: 13. Jun 2017, 09:04
jpc.de

Ermanno Wolf-Ferrari (1876-1948)
Orchesterstücke aus Opern:
aus Il Segreto di Susanna; I quattro rusteghi; Il campiello; I gioielli della Madonna; La dama boba
+ Suite-Concertino F-Dur op. 16 für Fagott & Orchester
Karen Geoghegan, Gianandrea Noseda, BBC Philharmonic Orchestra
Chandos, DDD, 2008

Bisher hat mich keine einzige Aufnahme unter Leitung von Noseda enttäuscht. Seine Aufnahmen für Chandos - häufig mit dem BBC Philharmonic Orchestra - sind zupackend, spannend aber keineswegs grobschlächtig und in Kombination mit der überwiegend exzellenten Klangtechnik des Labels zumeist eine Kaufempfehlung. Hier werden Intermezzi, Ouvertüren und eine Suite für Fagott und Orchester von Wolf-Ferrari geboten. Vielleicht keine "ganz große Musik", aber dennoch für mein Emfinden anhörenswerte, schöne gemachte Stücke, die man aufgrund ihrer Spieldauer gerne auch mal "zwischendurch" hören kann. Bei Wolf-Ferrari darf man natürlich, gemäß der Lebensdaten des Komponisten, keine modernen Werke erwarten. Vielmehr ist seine Musik tief in der Romantik verwurzelt, was für meinen Geschmack kein Nachteil ist.


[Beitrag von Hüb' am 13. Jun 2017, 10:47 bearbeitet]
Hüb'
Moderator
#68 erstellt: 15. Jun 2017, 10:35
jpc.de

Allan Pettersson (1911-1980)
Symphonien Nr. 3 & 15
Norrköping Symphony Orchestra, Leif Segerstam
BIS, DDD, 94/95

Seine Sinfonien haben mich - obwohl ich die CPO-GA seit langem besitze - immer ein wenig abgeschreckt, denn aus irgendwelchen Gründen, die ich nicht erinnere, ist seine Musik bei mir als etwasTieftrauriges, ja Depressives abgespeichert (vielleicht war auch die Diskussion oben der Hintergrund...). Beim aktuellen Anhören dieser BIS-CD, günstig erworben, habe ich nur bedingt diesen Eindruck. Klar ist das keine Party-Mucke für einen lauen Sommerabend. Vielmehr düstere, vergrübelte Klänge, die aber eine ungeheure Energie und Sogwirkung entfaltet. Eben diese Energie ist es, welche die Aussage dieser beiden Sinfonien in ein etwas Positives umkehrt. Pettersson komponierte tonal und nicht mit den Mitteln der Avantgarde arbeitend. Dennoch wirken seine Schöpfungen hochmodern und vor allem eigenständig, denn hier gibt es wirklich einmal Werke mit einem hohen Wiedererkennungswert zu bestaunen. Die transportierten Stimmungen und die innewohnende Kraft signalisieren: hier geht's um's Ganze, hier MUSS etwas raus.
Für mich eine riesen Entdeckung und unumgänglicher Anreiz dafür, mich weiter mit Pettersson zu beschäftigen. Die Leistungen der Musiker scheinen mir adäquat, der Klang ist hervorragend und dynamisch. Neben einigen älteren Aufnahmen scheint aktuell einen neue GA auf BIS unter Leitung von Christian Lindberg zu entstehen. Auch das Einspielungen, die ich im Auge behalten werde.
Hüb'
Moderator
#69 erstellt: 28. Jun 2017, 14:32
jpc.de

Allan Pettersson (1911-1980)
Symphonien Nr.10 & 11

Radio Philharmonie Hannover des NDR, Alun Francis
CPO, DDD, 93/94

Ich habe mir jüngst diese Scheibe einmal angehört. Ich kann sehr gut nachvollziehen, wenn man dieser Musik wenig oder nichts abgewinnen kann. Mir hat sie jedoch sehr, sehr gut gefallen. Dahinter steckt eine Eigenständigkeit, eine Kraft, wie sie im Bereich des nicht so etablierten Repertoires nur sehr selten zu finden ist. Gerade die 10. hat eine Wucht, beinhaltet einen düsteren Zorn, der überwältigt und für mein Empfinden wirklicht nichts gemein hat mit irgendwelchem larmoyanten Selbstmitleid. Was Pettersson hier raushaut, bewegt (mich) durch seine unvermittelte Ungefiltertheit. Mir scheint, er hat wenig Gedanken daran verschwendet, wie diese Musik auf den Hörer wirken mag. Vielmehr war es ihm wichtig, "seine" Botschaft zu übermitteln. Wahrscheinlich polarisiert seine Musik einfach sehr stark. Man liebt oder man hasst ihn, mit wenig Spielraum für ein "Dazwischen". Mich hat Pettersson mit dieser Scheibe erneut sehr beeindruckt, zumal die Werke sehr gut gespielt und exzellent aufgenommen wurden. Vermutlich bedarf es nicht zwingend weiterer Deutungen. Mir fehlt es angesichts des auf der CD Gebotenen an Fantasie, wie man das besser rüberbringen sollte.
Hüb'
Moderator
#70 erstellt: 29. Jun 2017, 07:53
jpc.de

Franz Berwald (1796-1868)
Klavierquintett Nr.1 c-moll
+ Duo D-Dur für Klavier & Violine; Klaviertrios Nr. 2 & 4; Septett B-Dur; Quartett Es-Dur für Klavier & Bläser

Gaudier Ensemble
Hyperion, DDD, 1996
2 CDs

Mit Berwald und mir, das wird wohl nix mehr werden. Weder seine Sinfonien, noch die auf dieser sicher schön gespielten Kammermusik-Doppel-CD enthaltenen Werken konnten mich bisher so recht begeistern. Ich möchte keinem Liebhaber seiner Werke zu nahe treten, aber mich bewegt seine Musik leider kaum. Die Kompositionen plätschern für mein Empfinden recht monochrom daher, bieten überwiegend weder einprägsames, "geniales" Melodienmaterial, noch zeichnen sie zumindest dramatisch-packende Spannungsbögen. Das gilt für meinen Geschmack leider besetzungsunabhängig. Wikipedia zieht einen Vergleich zu Mendelssohn und sieht ihn etwas entfernter von der Romantik eines Brahms oder Schumann. Meiner Ansicht nach passt das ganz gut, wobei Mendelssohn zweifellos der zu Recht deutlich berühmtere Komponist ist. Insofern kann ich diese CD nur denjenigen wirklich empfehlen, die bereits für sich entschieden haben, dass sie Berwald mögen. Dann gehört sie für einen guten Einblick in sein Kammermusikschaffen wahrscheinlich sogar in eine Berwald-Basis-Diskographie. Allen anderen Interessierten, die bisher mit Berwald noch keine Berührungspunkte hatten, würde ich eher die Beschäftigung mit anderen Komponisten empfehlen. Eigene Eindrücke können einfach und auf die Schnelle - wie zumeist - bei YouTube gewonnen werden.


[Beitrag von Hüb' am 29. Jun 2017, 08:55 bearbeitet]
Hüb'
Moderator
#71 erstellt: 29. Jun 2017, 08:17
jpc.de


Emmanuel Chabrier (1841-1894)
Orchesterwerke
Lamento; Gwendoline-Overture; Joyeuse Marche; Espana; Bourree fantasque; 2 Sätze aus "Le Roi malgre lui";Suite pastorale; 3 Sätze aus "L'Etoile";Habanera
Orchestre de la Suisse Romande, Neeme Järvi
Super Audio CD, stereo/multichannel (Hybrid)
Chandos, DDD, 2012

Die (SA-)CD enthält bekannte und weniger bekannte Orchesterwerke von Emmanuel Chabrier. In meinen Ohren überwiegend gut gemachte, stimmungsvolle Unterhaltungsmusik bei der es auf auf eine schwungvolle, rhytmisch prägnante Deutung ankommt. Genau diese liefert das OSR unter Järvi, welches in diesem Repertoire seit Zeiten Ansermets bestens zuhause ist. Die Aufnahmequalität (abgehört in stereo) ist stupend, dynamisch und mit einigen nahezu beängstigenden Impulsen in den tieffrequenteren Bereichen gesegnet. Eine Scheibe, wenn man es mal wirklich krachen lassen will.
Hüb'
Moderator
#72 erstellt: 07. Sep 2017, 08:36
jpc.de

Niels Wilhelm Gade (1817-1890)
Symphonien Nr.1-8
+ Violinkonzert op. 56; Korsfarerne op. 50

Kurt Westi, Marianne Rorholm, Ulrik Cold, Anton Kontra, Stockholm Sinfonietta, Malmö Symphony Orchestra, Aarhus Symphony Orchestra, Neeme Järvi, Paavo Järvi, Frans Rasmussen
BIS, DDD, 1986-1994
5 CDs

ich höre zur Zeit die Sinfonien von Niels Wilhelm Gade, in der Deutung unter Järvi. Die acht Sinfonien entstanden in einem Zeitraum von knapp 30 Jahren. Die musikalische Nähe zum Mentor Mendelssohn ist in meinen Ohren unüberhörbar. Vielmehr noch scheint mir allerdings an vielen Stellen der Geist Beethoven spürbar. Gades Musik orientiert sich dabei stärker an der Wiener Klassik, als an den dramatischeren Strömungen der Kompositionszeit, á la Brahms oder Schumann und ihrer Kollegen. Seine Sinfonien wollen vor allem gefallen und unterhalten, weniger aufrütteln. Und genau das tun sie für mein Empfinden auf hohem Niveau, auch wenn man ihnen ankreiden mag, zeitbezogen nicht besonders innovativ gewesen zu sein. Man mag weiterhin bemängeln, dass die Werke - nacheinander gehört - vielleicht zu wenig abwechslungsreich sind. Mir fällt jedenfalls eine Unterscheidung schwer, mit Ausnahme der Nr. 5, mit ihrem dominanten Klavierpart. Zur Musik passt der interpretatorische Ansatz aus Stockholm, der auf lichte Lebendigkeit ganz ohne romantische Schwere setzt, sehr gut, denke ich. Auch klanglich ist alles in Ordnung, bei diesen ca. 30 Jahre alten Aufnahmen, die BIS in eine preisgünstige 5-CD-Box packt. Irgendwo meine ich gelesen zu haben, dass manche Hörer die Järvi-Einspielungen nicht so hoch schätzen, wie die bei Chandos entstandenen Alternativaufnahmen unter Hogwood. Diesbezüglich kann ich mir - in Unkenntnis der Hogwood-Deutungen - schwerlich vorstellen, dass diesen Werken in anderen Interpretationen wesentlich neue odere andere Eindrücke abzuringen sind.
Hüb'
Moderator
#73 erstellt: 15. Dez 2017, 10:17
amazon.de

Bei mir Brahmst es mal wieder. Wirklich Neues darf man bei dieser in 2017 erschienen Gesamtaufnahme natürlich nicht erwarten. Dennoch handelt es sich um eine ganz starke Einspielung. Eher getragen, wenn auch nicht "gemütlich", die schönen, schwelgerischen Seiten betonend, ist hier ein tiefes gemeinsames Verständnis zwischen dem perfekt (trotz live!) spielenden BSO und Andris Nelsons zu spüren. Das ganze ist klanglich sehr gut eingefangen und ich habe keine Publikumsgeräusche bemerkt (ein wenig schade, denn der Applaus zum Ende der Sinfonien dürfte jedes Mal beeindruckend ausgefallen sein). Durchaus eine "one-and-only"-Produktion, wenn man dem Zugang zur Musik, der so ganz anders ist, als bspw. bei Chailly aus Leipzig, folgen mag. Oder eben etwas für völlig Brahms-Bekloppte, wie mich. Daher eine grundsätzlich dicke Empfehlung, deren Dringlichkeit vom Verrückheitsgrad und der Fülle des CD-Regals abhängt.

Schön wären noch ein paar Füller mit dem üblichen Ouvertüren oder den Haydn-Variationen gewesen, die auch noch wunderbar Platz gefunden hätten, denn zwei der CDs sind mit jeweils deutlich unter 50 Minuten Spieldauer doch alles andere als voll. Das ist dann doch ein Punkt, welche die "one-and-only"-Tauglichkeit erheblich einschränkt, denn diese Werke findet man nur selten "isoliert" ohne die Sinfonien auf Tonträger.

Die CDs gibt es entweder direkt beim BSO oder aber via Amazon. Bei jpc wird sie nicht gelistet, was an einem fehlenden Deutschlandvertrieb des BSO-Eigenlabels liegen dürfte. Ich habe seinerzeit 31 EUR (inkl. Versand im Zustand "Gebraucht - Wie neu") bezahlt.


[Beitrag von Hüb' am 15. Dez 2017, 10:21 bearbeitet]
Hüb'
Moderator
#74 erstellt: 22. Jan 2018, 11:55
jpc.de

Sindings Sonaten für Violine und Klavier sind prachtvolle, melodienseelige Romantik. Eine Musik, die genauso hell leuchtet und strahlt, wie es das sommerliche Cover der CPO-CD andeutet. Die Interpreten setzen sich ansprechend für diese Werke ein und sorgen dafür, dass es bei aller Leidenschaft des Vortrags nie kitschig wird. Das Klangbild (eine Radioproduktion des SWR) wirkt etwas (!) entfernt (aber nicht hallig) und könnte für meinen Geschmack eine Spur direkter sein. Sehr schade, dass die Scheibe bei CPO schon länger gestrichen und daher nur noch antiquarisch zu haben ist (aktuell teuer).
Die Kritik schrieb seinerzeit:

klassik-heute. de 01 / 05: "Sinding gebot offenkundig über eine profunde Meisterschaft und einen glasklaren Schönheitssinn, denn seine Kammermusik für Violine und Klavier fesselt zuallererst durch gedankliche Schärfe, eine geistige Mittagshelle, durch einen forschen, vorwärtsdrängenden, aktivistischen Zugang und eine nie erlahmende Binnenspannung. Mitreißend musiziert." klassik.com 03 / 05: "Interessante und farbenreiche Kammermusik."
Hüb'
Moderator
#75 erstellt: 23. Jan 2018, 17:22
jpc.de

Es mangelt wahrlich nicht an Aufnahmen der drei Tschaikowsky-Ballette, insofern ist die Konkurrenz für diese noch recht neuen Aufnahmen des Orchesters aus Bergen unter Leitung des Altmeisters Neeme Järvi alles Andere als gering. Die Einspielungen werden von Chandos als im Preis etwas ermäßigte 5-(SA-)CD-Box angeboten. Daraus hörte ich das Dornröschen-Ballett.
Järvi lässt klar und direkt spielen, rhytmisch packend und pointiert, wie es für mein Empfinden bei "Tanzmusik" eben sein sollte. Er hält die Musiker zwar nicht zu übetriebener Nüchternheit an, andererseits gerät die Deutung schon eher sachlich. Wer bei diesen Kompostionen die maximale Emotionalität und Leidenschaft sucht, wird vermutlich nur unzureichend bedient. Diese Lesart wird all denjenigen gefallen, bei denen Tschaikowsky latent unter Kitsch-Verdacht steht. Ich find's sehr gelungen. Das Orchester spielt exzellent und herrausragend ist auch die Leistung der Tontechniker. Erwähnung finden sollte gleichfalls James Ehnes, dessen Einsätze an der Solo-Violine diese Edition ebenso veredeln und herausheben, wie die wertige Anmutung der Pappbox sowie die Beigabe der Original-Beihefte der drei Einzelausgaben der Ballette (siehe die Cover unten).
Unterm Strich somit eine sehr gute Aufnahme, vor allem denjenigen anempfohlen, die Wert auf bestmögliche Kangqualität in modernem Soundgewand legen.

,,... ein energisches, temperamentvolles Musizieren, sachlich eher als überbordend emotional. Järvi folgt lieber den Vorschriften und Intentionen des Komponisten, als der Musik von außen zusätzliche Bedeutung aufzupfropfen. Unterstützt wird er dabei von dem in Hochform befindlichen norwegischen Orchester, einem ebenso transparenten wie luxuriösen Klangbild sowie, als besonderes Bonbon, dem Violinvirtuosen James Ehnes, der in einigen Passagen des zweiten und dritten Akts zu hören ist." (FONO FORUM, Mai 2013)

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Hüb'
Moderator
#76 erstellt: 30. Jan 2018, 21:24
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Die gezeigte (SA-)CD ist wirklich ein gelungener Kauf gewesen. Einer, der nicht ganz mit voller Überzeugung erfolgte, sondern vielmehr meinem hohen „Grundvertrauen“ in das Label CPO, dem Preis und der SACD-Eigenschaft geschuldet war. Umso schöner ist es natürlich, dass ich beim Anhören feststellen durfte, um welch hervorragende Aufnahme es sich handelt. Das Orchester spielt klangschön, dennoch anspringend und bisweilen sogar recht forsch. Die Stimmungen der „Antiken Tänze“ werden bestens transportiert, ebenso, wie der tänzerische, mitunter „leichte“ Charakter durchweg erhalten bleibt. Den Tontechnikern der Aufnahme (abgehört in Stereo) ist eine vollmundige, gleichwohl transparente Aufzeichnung dieser nicht sooo selten gespielten Werke gelungen. Das ist in meinen Ohren Musik, die durchaus auch Menschen gefallen mag, die der „Klassik“ nicht so nahestehen, wie ich. Wenn man Respighi nicht gerade ablehnt (was es ja gibt und wofür ich durchaus Verständnis habe), dann ist diese Scheibe zum aktuellen Preis von 7,99 EUR ein echtes, "audiophiles" Schnäppchen. Da würde ich mir trotz der großen Konkurrenz in meiner Sammlung in dieser Konstellation glatt noch einmal die „Römische Trilogie“ wünschen!
Hüb'
Moderator
#77 erstellt: 02. Mrz 2018, 10:07
jpc.de

Turinas Orchesterwerke würde ich als musikalisch eher "einfach" charakterisieren. Durchaus mitreißend, geprägt von andalusischen Motiven aber eben doch ein wenig "schlicht", was aber sicher den Vorteil hat, dass diese Kompositionen auch von überwiegenden Nicht-Klassik-Fans schnell gemocht werden können. Es existieren leider nicht viele Aufnahmen. "Audiophile Referenz" (vergangener Tage) für die Danzas dürfte unstrittig Ansermet mit seinem OSR sein. IMHO also durchaus Zeit für eine moderne Alternative...
Mena und das selten schlechter als "sehr gut" spielende BBC Philharmonic (hier ist es hervorragend!) bieten eine packende Darbietung und auch die Stimme von Clara Mouriz gefällt mir ausgezeichnet. Getragen wird die Aufnahme von einem räumlich schön aufgefächerten, dynamischen und im Bass plakativ-durchzugsstarken Klangbild. Wirklich klasse!
Hüb'
Moderator
#78 erstellt: 03. Mai 2018, 11:52
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Kalkbrenner, u. a. Schüler von Haydn sowie Beethoven und von Chopin hoch verehrt, hat uns vier Klavierkonzerte hinterlassen. Die beiden auf der CD enthaltenen Konzerte Nr. 1 und 4 sind - dem Titel der Serie entsprechend - ganz überwiegend der Romantik zuzuordnen. Sie bieten Hörern und Solisten gleichermaßen viel: Abwechslungsreichtum, Virtuosität erfordernde Passagen in großer Zahl und dennoch mehr als genug musikalische "Substanz" und Gefälligkeit, um nicht durchgängig die Aufmerksamkeit auf die Artistereien des Pianisten zu lenken. Bezüge zur Wiener Klassik scheinen mir vor allem im ersten Konzert (noch) sehr deutlich.
Howard Shelley als Solist und Leiter des Tasmanischen SO macht einen großartigen Job. Wie er ich sich sensibel in den schwierigen Klavierpart einfühlt und damit eine ungeheuer differenierte und detaillierte Deutung präsentiert (und dabei noch nebenbei das Orchester dirigiert) erscheint mir große Klasse.
Da muss Teil 2 mit den Konzerten 2 und 3 auch noch her!

'In Howard Shelley [Kalkbrenner] has found a pianist who not only relishes everything the composer throws at him, including ambuscades of double notes, but who plays with truly dazzling wit and style.... Shelley's effortless bravura would surely have awed and piqued the composer himself' (Gramophone)

'Kalkbrenner's First Concerto offers a truly beautiful and atmospheric slow movement...it would be a boring world if we couldn't find an hour to listen to these musical layer cakes from a bygone age' (Pianist: Recommended)

'Shelley draws committed and expressive playing from this fine ensemble [The Tasmanian Symphony Orchestra], besides dispatching the demanding solo parts with unfailing élan' (International Piano)

'Shelley's fearless and seemingly impeccable technique seems to match Kalkbrenner's ideal of good piano-playing perfectly. The sound is always beautiful, those endless runs at the upper end of the keyboard register delivered as if they came easily rather than being the formidable obstacle course that they really are' (International Record Review)
Hüb'
Moderator
#79 erstellt: 10. Jul 2018, 15:47
jpc.de

Um mit der Tür ins Haus zu fallen: diese schmale Box (3 CDs) ist in meinen Ohren ein großer Wurf. Die Werke sind teilweise wenig(er) bekannt, zumindest auf Tonträgern und im Konzertsaal überwiegend nicht überpräsent, und dabei so gelungen und schön, dass ich mich frage, warum das eigentlich so ist. Edouard Lalos konzertantes Schaffen wird hier sehr präsent und lebendig dargeboten. Die Klangtechnik ist zudem exzellent, transparent und kraftvoll, so dass ich das Lob der Presse gerne unterstreichen mag (die Kritik eher weniger).

MusikWeb, Gramophone, the Strad, Pizzicato, Deutschlandfunk.

Dicke Kaufempfehlung.
Hüb'
Moderator
#80 erstellt: 13. Jul 2018, 14:21
jpc.de

wirklich sensationell gut ist diese Einspiellung der Prokofieff-Sinfonien Nr. 4 und 7 durch das Bergen Philharmonische Orchester unter Leitung von Andre Litton. Das ist packend, ausdrucksstark und vielschichtig musiziert und präsentiert die beiden Werken in einer Qualität, die ich mir schwerlich besser vorstellen kann. Hinzu kommt eine stupend gelungene, sehr natürlich wirkende Klangqualität. David Hurwitz schrieb: "This is a perfect disc. (...) A wonderful release." und vergab die volle Punktzahl. Dieser Meinung mag ich mich gerne anschließen. Eine Ausnahmescheibe, bei der ein zusätzlicher Kaufanreiz im alternativen Schlusssatz der 7. liegt. Leider hat Litton die Sinfonien 1 bis 3 bisher nicht für BIS aufgenommen. Eine Lücke, die ich nur zu gerne schlöße.

Classics Today, Gramophon.
Hüb'
Moderator
#81 erstellt: 17. Jan 2019, 11:25
jpc.de

Thomas Dausgaard, der in der BIS-Serie "Opening windows" bereits für einiges an Frischluft sorgen konnte, arbeitet z. Z. - ebenfalls für BIS - an einer Brahms-Gesamtaufnahme, mit den bisher vorliegenden Sinfonien Nr. 1-3. Daraus kenne ich bisher nur die oben gezeigte 3., die ihm sehr gut gelungen ist, in meinen Ohren. Das hervorragend disponierte Swedish Chamber Orchestra entwickelt zwar nicht ganz die Fülle und Wucht eines großen Sinfonieorchester, macht dies aber mit höchstem Engagement, Esprit und hoher Durchsichtigkeit mehr als wett, selbst wenn es zu Beginn des 1. Satzes für einen Augenblick lang etwas "unsortiert" klingt und Dausgaard in diesem Moment nicht den vollen Überlick zu haben scheint (möglich allerdings, dass sich in der Mehrkanal-Wiedergabe ein anderer Eindruck einstellt). Den 4. Satz - was, schon zu Ende??? - musste ich dann gleich zwei mal hintereinander weg hören, so packend gelingt den Schweden das Finale der Sinfonie.
Die Schubert-Arrangements sowie die nicht sooo häufig aufgenomme Alto-Rhapsodie op. 53 führen dann sogar noch zu einem gewissen Repertoire-Wert sowie einer fetten Spielzeit von >78 Minuten. Klanglich wird das Ganze auf dem gewohnt hohen BIS-(SA-)CD-Niveau wiedergegeben, so dass man die Scheibe sehr guten Gewissens kaufen kann, gleichwohl solche Empfehlungen bei diesem Standardrepertoire natürlich "schwierig" sind.

Fono Forum, Oktober 2018 schrieb:
»... enthält die lyrische ›Dritte‹ hier locker beschwingte, luftige und duftige Tönungen, aus der sich erst im wild sturmgepeitschten Finale große Fragen und Verlorenheiten öffnen.«

Wer zum Wert dieser Hochpreis-CD eine interpretatorisch ähnlich gelagerte (SA-)CD-Alternative sucht, bekommt für's gleiche Geld übrigens die Gesamtaufnahme von Andrew Manze. Ich persönlich werde jedenfalls den Rest der Serie gleichfalls erwerben.
Hüb'
Moderator
#82 erstellt: 24. Jan 2019, 10:21
jpc.de

Kenneth Woods - der Dirigent dieser Aufnahmen - ist wohl ein großer Gál-Fan, hat er doch einige Einspielungen seiner Werke gemacht, auch als Kammermusiker. Die Sinfonien waren in der Erstausgabe jeweils gekoppelt mit Werken Robert Schumanns, was musikalisch, trotz des zeitichen Versatzes, gar nicht so schlecht passt. Denn auch wenn Gál kein "reinrassiger" Romantiker war, so scheint den beiden Komponisten doch eine gewisse Sicht auf das Wesen der Sinfonien gemein zu sein. Gál komponierte jedenfalls tonal und nur sehr gemäßigt "modern", häufig in kontemplativen Stimmungen gehalten. In einer Kritik wurden seine Sinfonien mit Mahler verglichen (abzüglich dessen "fomaler Radikalität"). Gezeigte Doppel-CD ist momentan wohl nur antiquarisch zu haben; die Ursprungskopplungen mit Schumann (auf 4 Einzel-CDs) sind hingegen problemlos zu bekommen.
Mir haben die Sinfonien sehr gut gefallen und ich habe sogleich weitere Werke von Gál auf meinen Wunschzettel geschoben. Vor einiger Zeit ist z. B. sein Cellokonzert bei CPO erschienen.
Das mir unbekannte Londoner Orchestra of the Swan (vermutlich bestehend aus Mitgliedern anderer Londoner Orchestra?) setzt sich hervorragend und engagiert für die Werke ein und wird dabei unterstützt von einer sehr guten Klangtechnik. Insgesamt kann man das Label Avie nur für seinen Einsatz für Gál loben, denn dort sind mehrere Produktionen mit seinen Werken erschienen, ein zweiter Sinfonien-Zyklus inklusive.
Die Kritik war überwiegend voll des Lobes:
The Classical Reviewer, ALLMUSIC, LIMELIGHT.

jpc-Text schrieb:
Die ersten überhaupt veröffentlichten Aufnahmen…
…aller vier Sinfonien von Hans Gál, wie sie zwischen 2010 und 2013 von AVIE aufgenommen wurden, sind nun erstmals komplett auf einem Doppelalbum versammelt.

Die Einspielungen von Kenneth Woods und dem Orchestra of the Swan wurden von der Fachpresse gefeiert:

Von der Gramophone wurde die CD mit der Sinfonie Nr. 4 in die Reihe der Editor’s Choice Alben aufgenommen: »Das Orchestra of the Swan liefert eine überwältigende Vorstellung ab, wie es sich lustvoll durch die vielen Soli, Duos und komplexen Strukturen spielt, die ihm Gál abverlangt.«

Das BBC Music Magazine ergänzt zur Sinfonie Nr. 1: »…wunderschön gespielt… überweltlich… dieses Orchester spielt wie aus einem Guss.«

Der in 1890 in Österreich geborene und später nach Großbritannien übergesiedelte Komponist Hans Gál galt wegen seines melodischen, stets tonalen Stils bei seinen Zeitgenossen als Traditionalist und wurde lange Zeit wenig beachtet. Bei der Wiederentdeckung seiner von starken Bezügen zur Wiener Klassik und romantischen Tradition geprägten Musik kommt den hier versammelten Aufnahmen eine besondere Rolle zu.
Hüb'
Moderator
#83 erstellt: 08. Feb 2019, 21:39
jpc.de jpc.de

Ich hörte in den letzten Tagen die beiden (einzigen) Sinfonien des in München geborenen jüdischen Kommponisten Paul Ben-Haim. Die Werke sind tonal komponiert, gut fassbar und weisen in meinen Ohren eine Nähe vor allem zu Mahler auf. Auch Anklänge an Janacek, Strawinsky und - in der Ersten - Dvorak meine ich zu vernehmen. In Summe kommt dabei eine durchaus eigenständige musikalische Stimme heraus. In meinen Ohren sind beide Werke sehr hörenswert und es handelt sich mal wieder um zwei echte "Treffer". Nicht geringen Anteil daran hat die klasse aufspielende NDR Radiophilharmonie unter Leitung des leider viel zu früh verstorbenen Israel Yinon. Letzterer war wohl recht Hifi-affin (laut seiner Witwe Mitglied unseres Forums, aber wohl speziell im Technik-Teil). Letzteres mag den exzeptionell hervorragenden Klang dieser Einspielungen erklären, die mir in Sachen Natürlichkeit, Dynamik, Durchzugskraft im Bass und räumlicher Darstellung sehr gelungen scheint (Aufnahme: jeweils Helge Martensen; Großer Sendesaal des NDR Hannover).


[Beitrag von Hüb' am 08. Feb 2019, 22:33 bearbeitet]
Hüb'
Moderator
#84 erstellt: 05. Mrz 2019, 22:45
jpc.de

Das Cellokonzert von Donald Tovey (Who the fuck???) ist ein schönes, lohnendes Werke, wenn man nicht gerade ein "Elgar II" erwartet (auch wenn es sich musikalisch in der Folge von Brahms und Elgar bewegen mag). Es wurde immerhin von Pablo Casals uraufgeführt. Toccata hat die mW bisher einzige Aufnahme dieses mit einer Spieldauer von einer knappen Stunde recht mächtigen "Geräts" vorgelegt. Von den Interpreten war mir bisher nur das Ulster Orchestra geläufig. Zusammen mit der Solistin Alice Neary machen sie einen guten Job und sind engagierte Anwälte des Werks.

Gramophone schrieb zu dieser Aufnahme: KLICK. The Guardian.

Denke, die Besprechungen sind ganz treffend. Ordentliche, gute Musik, ebenso gespielt - aber eben auch nichts, dass (bei mir) Begeisterungsstürme entfacht.
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