Stehende Wellen, Raummoden, Schröderfrequenz

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Klaus-R.
Inventar
#1 erstellt: 31. Dez 2018, 15:19
Da in einem gerade aktuellen Thema die Schröderfrequenz angesprochen wurde, hier einige Hintergrundinformationen dazu:

Läuft eine Schallwelle zu einem Reflektor hin, z.b. einer Zimmerwand, wird sie dort reflektiert, wobei an der Wand als dichterem Medium ein Phasensprung von 180° stattfindet. Die beiden gegenläufigen Wellen überlagern sich, es kommt zur Interferenz, was man sich so vorstellen muss, daß jedes Luftteilchen von beiden Wellenzügen erfasst wird und eine resultierende ortsfeste Schwingungsbewegung ausführt.

Bei der Überlagerung der beiden einander entgegenlaufenden Wellenzüge, die im Idealfall gleiche Frequenz und gleiche Amplitude haben, addieren sich die Amplituden, in regelmäßigen Abständen einer halben Wellenlänge kommt es zu Auslöschungen (Schwingungsknoten). In der Mitte zw. zwei Knoten sind Orte größter Amplitude (Schwingungsbäuche). An einer Wand als dem dichteren Medium liegt immer ein Schwingungsknoten (Schalldruckmaximum) vor, im Abstand einer Viertel-Wellenlänge ein Schwingungsbauch (Schalldruckminimum).

Die Nulldurchgänge, Minima und Maxima der resultierenden Welle sind stationär, d.h. sie bleiben am gleichen Ort innerhalb des Raumes, daher der Ausdruck „stehende Welle“. Stehende Wellen existieren grundsätzlich bei allen Frequenzen.

Da an der Wand ein Phasensprung von 180° stattfindet, ist die reflektierte mit der hinlaufenden Welle in Phase, die resultierende stehende Welle hat dort also immer einen Schwingungsknoten, d.h. das Teilchen geht dort durch die Gleichgewichtslage, die Steigung der Kurve der Teilchenauslenkung über Zeit, und somit auch der Schalldruck, ist in diesem Punkt am grössten.

Die Amplitude der resultierende stehenden Welle ist dann am grössten, wenn hinlaufende und reflektierte Welle identisch sind. Dies ist der Fall, wenn die hinlaufende Welle so auf die Wand auftrifft, daß sie dort einen Schwingungsknoten hat, die reflektierte Welle hat dann an der Wand ebenfalls einen Schwingungsknoten, d.h. an der Wand sind zwei Wellenzüge (hinlaufend + reflektiert) mit maximal möglichem Druck (Schwingungsknoten = Druckmaximum), d.h. die durch Überlagerung dieser beiden Wellenzüge resultierende stehende Welle hat an der Wand maximal möglichen Druck. In diesem Fall sind der hinlaufende und der reflektierte Wellenzug identisch in Amplitude und Phase.

Nur in dem speziellen Fall, wo der Abstand zw. den beiden Wänden einer halben Wellenlänge und Vielfachen davon entspricht, kann bei geeigneter Aufstellung der Schallquelle die Situation entstehen, wo hinlaufende und reflektierte Wellenzüge an beiden Wänden gleichzeitig einen Schwingungsknoten haben. In diesem Fall spricht man von Resonanz, es entsteht eine Mode. In allen anderen Fällen kann man die Schallquelle zwar so aufstellen, daß ihr Abstand von einer beiden Wände z.B. einer halben Wellenlänge entspricht, der hinlaufende Wellenzug also dieser Wand einen Knoten aufweist, der Abstand zur anderen Wand ist dann aber dann kein Vielfaches der halben Wellenlänge, der zur anderen Wand hinlaufende Wellenzug hat dort also keinen Knoten.

Je nach Zahl der beteiligten Raumbegrenzungsflächen unterscheidet man zw. axialen Moden (zwei gegenüberliegende Begrenzungsflächen), tangentialen Moden (vier Begrenzungsflächen), obliquen Moden (alle sechs Begrenzungsflächen). Da an jeder Begrenzungsfläche Energie verloren geht, sind die axialen Moden die stärksten, gefolgt von den tangentialen und den obliquen. In der Regel stellen die obliquen Moden kein Problem dar, bei sehr schallharten Begrenzungsflächen können tangentiale Moden niedriger Ordnungszahl störend auftreten (Welti 2006, Toole 2008).

Die Anzahl der Moden (Modendichte) steigt mit zunehmender Frequenz sowie mit zunehmender Raumgrösse (Everest 2001).

Da die Dichte der Eigenfrequenzen mit zunehmender Frequenz zunimmt, liegen diese irgendwann so dicht beinander, daß jede von der Schallquelle abgestrahlte Frequenz in der unmittelbaren Nähe einer Eigenfrequenz liegt, sich daher, da dann die entsprechende Mode angeregt wird, sozusagen selber wie eine Eigenfrequenz verhält, was dazu führt, daß alle Frequenzen gleich laut werden. Der Übergang zum Bereich hoher Eigenfrequenzdichte wird in der klassischen Raumakustik als Schröderfrequenz bezeichnet (nach dem Göttinger Physiker und Akustiker Manfred Schröder).

1954 veröffentlichte Schröder seinen Fachartikel über statistische Parameter des Frequenzgangs von großen Räumen (Schröder 1954). Laut Schröder ist der Frequenzgang eines Raumes das Resultat der Überlagerung der individuellen Kurven der Eigenfrequenzen, wobei die statistischen Parameter (bzw. deren Schwankungsbreiten) dieser Kurven, wie z.B. die mittlere Amplitudendifferenz zw. Maxima und Minima, oder der mittlere Abstand der Maxima/Minima, nur von der Nachhallzeit abhängen, vorausgesetzt, es liegen mindesten 10 Eigenfrequenzen innerhalb der Halbwertsbreite einer beliebigen Einzelresonanz. Messungen jedoch haben ergeben, daß die Bedingungen schon ab einer 3-fachen Modenüberlappung gegeben sind (Schroeder 1962), welches in der bekannten Formel für die Schröderfrequenz resultiert:

f = 2000 √ (RT60/V)

Der Frequenganz ist die Summe der komplexen Schalldrücke aller angeregten Moden. Jeder dieser Moden hat einen andere Amplitude und Phase. Oberhalb der Schröder-Frequenz werden bei jeder Frequenz ausreichende viele Moden angeregt, so daß die Summe eine Gaußverteilung der realen und imaginären Anteile hat. Unterhalb der Schröder-Frequenz sind die Modenfrequenzen ausreichend weit auseinander, daß keine Überlappung vorkommt und der Frequenzganz durch Amplitude und Phase der Einzelmoden bestimmt wird.

Es ging Schröder darum, eine Gaußverteilung der Schalldruckkomponenten zu erzielen, wozu eine genügend große Anzahl gleichzeitig angeregter, unabhängiger Eigenschwingungen notwendig ist, was bei etwa 10 [später nur noch 3: Schroeder 1996] unabhängigen Komponenten gleicher Größenordnung gegeben ist.

Jedoch gilt diese Theorie nur für Sabine’sche Räume, d.h. Räume mit diffusem Schallfeld und groß bzgl. der relevanten Wellenlängen (Schröder 1954, Schroeder 1962). Akustisch kleine Räume weisen jedoch kein diffuses Schallfeld auf (siehe z.B. Gover 2004, Meyer 1954).

Baskind hat festgestellt, daß dieser Übergang in kleinen Räumen, wie etwa dem heimischen Wohnzimmer, nicht bei der nach letzterer Formel berechneten Frequenz, sondern ungefähr doppelt so hoch liegt, und damit in etwa in der Nähe der nach der ursprünglichen Formel berechneten Frequenz (Baskind 2000).

Weiterhin hat Toole festgestellt, daß die Position des Lautsprechers bis deutlich oberhalb der Schröderfrequenz einen starken Einfluß auf den Frequenzgang hat (Toole 1986, Toole 2008). In anderen Worten, obwohl die modale Überlappung im Schröderschen Sinne hoch genug ist, verursachen Raummoden den Messungen zufolge Probleme. Die Frage nach dem Nutzen des Konzepts der Schröderfrequenz in kleinen Räumen scheint angesichts der obigen Tatsachen berechtigt.

Wie auch immer diese Übergangsfrequenz genannt wird, der Übergang von einem Bereich, in dem Raummoden und nahe Raumbegrenzungsflächen eine dominierende Rolle spielen und einem Bereich, wo dies nicht mehr der Fall ist, existiert. Die Raumimpulsantwort im Bereich unterhalb der Übergangszone wird durch große Pegelspitzen und – senken charakterisiert. Die Unterschiede zw. gemessenen Spitzen und Senken können 20 und mehr dB SPL betragen.

Baskind 2000, “Sound power radiated by sources in diffuse field”, Audio Engineering Society preprint 5146 (2000)

Everest 2001, „The Master Handbook of Acoustics”, 4. Auflage, McGraw-Hill 2001

Gover 2004, “Measurements of directional properties of reverberant sound fields in rooms using a spherical microphone array”, J. of the Acoustical Society of America 2004, vol. 116, no. 4, pt.1, S.2138

Meyer, „Definition and diffusion in rooms“, J. of the Acoustical Society of America 1954, vol. 26, no. 5, S.630

Schröder 1954, " Die statistischen Parameter der Frequenzgangkurve von großen Räumen", Acustica 1954, No. 4, S.594
Schroeder 1962, “On frequency response curves in rooms. Comparison of experimental, theoretical and Monte Carlo curves for the average frequency spacing between maxima”, J. of the Acoustical Society of America 1962, S.76
Schroeder 1996, “The Schroeder frequency revisited”, J. of the Acoustical Society of America 1996, Vol.99, No. 5, S.3240

Toole 1986, “Loudspeaker measurements and their relationship to listener preferences, J. of the Audio Engineering Society 1986, pt.1: S.227; pt.2: S.323
Toole 2008, „Sound reproduction - Loudspeakers and rooms”, Focal Press 2008

Welti 2006, „Low-frequency optimization using multiple subwoofers”, Journal of the Audio Engineering Society 2006, S.347

Klaus
gapigen
Inventar
#2 erstellt: 04. Jan 2019, 11:47
Danke für den Beitrag, der mir vor dem Frühstück doch als etwas zu schwere Kost erscheint
Dadof3
Moderator
#3 erstellt: 04. Jan 2019, 12:20
Danke, eine Rückfrage hätte ich:

Baskind hat festgestellt, daß dieser Übergang in kleinen Räumen, wie etwa dem heimischen Wohnzimmer, nicht bei der nach letzterer Formel berechneten Frequenz, sondern ungefähr doppelt so hoch liegt, und damit in etwa in der Nähe der nach der ursprünglichen Formel berechneten Frequenz (Baskind 2000).

Welches ist die ursprüngliche und welches die "letztere" Formel? Ich sehe da im Moment nur eine: f = 2000 √ (RT60/V)
Klaus-R.
Inventar
#4 erstellt: 04. Jan 2019, 12:25
Hallo,

die ursprüngliche Formel ist

f = 4000 √ (RT60/V)

Klaus
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