Antischall-Lautsprecher

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Axelkirchhof
Neuling
#1 erstellt: 19. Mrz 2024, 22:09
Hallo,
was sich auf dem ersten Blick absurd anhören mag, wurde bereits in den 1920er Jahren erforscht: Lautsprecher, welche ihren eigenen Störschall mittels Antischall auslöschen konnten. Der Störschall war der reflektierte Schall, es waren Flatterechos, übrig blieb dann nur der Nutzschall. In anderen Worten: Es war die ideale Lösung um die raumakustischen Probleme in den Griff zu bekommen. Diese Lautsprecher nannten sich "Löschstrahler". sie wurden damals während der Olympischen Spiele 1936 in riesigen Arenen eingesetzt. Meine Idee: Könnte man denn nicht Heimlautsprecher konstruieren, welche die störenden Echos auslöschen?
Yamahaphilist
Stammgast
#2 erstellt: 19. Mrz 2024, 22:16
Eine ähnliche Technik nutzen wohl auch die Noise cancelling Kopfhörer und mittlerweile auch in Oberklasse Autos zu finden


[Beitrag von Yamahaphilist am 19. Mrz 2024, 22:17 bearbeitet]
Prim2357
Inventar
#3 erstellt: 19. Mrz 2024, 22:18
Moin,

das wird so in etwa für den in Räumen schwierigsten Bereich gemacht, den Bassbereich.

Wenn es die Raumgeometrie zulässt, kann man hier mit einem sogenannten Double Bass Array sehr gute Ergebnisse erzielen.
pogopogo
Inventar
#4 erstellt: 19. Mrz 2024, 22:26

Axelkirchhof (Beitrag #1) schrieb:
Könnte man denn nicht Heimlautsprecher konstruieren, welche die störenden Echos auslöschen?

Hier siehst du die ersten Ansätze: Link
Die Co-Optimization wird im Automotivebereich inzwischen bis in den kHz Bereich eingesetzt.
Axelkirchhof
Neuling
#5 erstellt: 19. Mrz 2024, 22:30
Das Prinzip dahinter nennt sich "Dekohärenz": Schallwellen können sich gegenseitig auslöschen, indem sie sich gegenseitig überlagern. Der Gag ist folgender: Das Gehirn decodiert die Schallwellen als Musik. Lautsprecher aber werden ja abgestimmt "ein wenig zu höhenbetont" -oder: Da ist zuviel Bass. Die Schallwellen sind objektiv -die Musik subjektiv. Wie aber sähe ein objektiver Lautsprecher aus?
ton-feile
Inventar
#6 erstellt: 20. Mrz 2024, 02:04
Guten Abend, Axelkirchhof,

Herzlich Willkommen im Forum.

Dass eine Art Antischalltechnologie bei der Olympiade 1936 eingesetzt wurde, ist mir neu.
Wenn Du da Quellen hast, würde mich das sehr interessieren.
Den Auftrag für die Beschallung hat damals Telefunken bekommen und z.B. mit Rundumstrahlern auch einige Innovationen am Start gehabt, aber ich kann mir trotzdem kaum vorstellen, wie die praktische Anwendung von "Antischall" auf dem damaligen Stand der Technik möglich gewesen sein könnte.

EQ-en und über Allpässe an der Phase drehen konnte man damals natürlich schon, aber es braucht auch viele verschieden lange Delays und selbst dann könnte das nur bei sehr tiefen Frequenzen mit großen Wellenlängen im Ansatz funktionieren.

Einstellbares Delay hat früher mit Tonband über den Versatz von Aufnahme- und Wiedergabekopf + variabler Bandgeschwindigkeit funktioniert.
Das erste richtige Tonbandgerät kam aber gerade mal ein Jahr vorher auf den Markt.
Mir ist auch nicht klar, was da bei der Olympiade so sehr gestört haben könnte und einen derartigen Aufwand gerechtfertigt hätte.

Am Ansatz, Straßenlärm über Exciter an Glasscheiben, die Gegenschall erzeugen, zu bekämpfen wird wohl gearbeitet, ich weiß aber nicht, ob es schon marktreife Produkte gibt und das ist im Vergleich zu einem Lautsprecher, der Musik spielen und gleichzeitig ein Schallfeld erzeugen kann, das Reflektionen und Resonanzen auslöscht, Kinderkram...

Zumindest bis zu einer nicht sehr hohen (sinnvollen) Grenzfrequenz kann man ja heute schon die Impulsantwort eines Raumes messen und diese dann aus der Musik vor der Wiedergabe "herausfalten".
Das Problem ist aber auch hier wieder der räumliche/zeitliche Bezug von Lautsprechern, Wänden und Rezipienten, der klar definiert sein muss, damit das klappt.

Wirklich faszinierend finde ich den Ansatz der Wellenfeldsynthese, bei der man sich sogar durch das Schallfeld bewegen kann, aber dafür braucht es sehr viele Schallquellen mit individuellem Signalprocessing für jede einzelne. Mit so einem Setup könnte ich mir noch am ehesten vorstellen, einen Raum halbwegs "verschwinden" zu lassen.
DBAs wurden ja schon erwähnt. Die werden einmal richtig eingemessen und funktionieren dann prima, aber eben auch nur im Tieftonbereich.
Oder aktive Bassfallen etc.

Du kannst ja gerne mal etwas mehr dazu schreiben, wie Du Dir das vorstellst.
Oder wir fragen einfach mal ChatGPT...

Viele Grüße
Rainer


[Beitrag von ton-feile am 20. Mrz 2024, 04:16 bearbeitet]
Yamahaphilist
Stammgast
#7 erstellt: 20. Mrz 2024, 08:49
Antischall-Patent von 8.3.1934 mit der Nummer US2043416A Von Paul Lueg
Aber das Wissen um die Dinge ist wohl schon deutlich älter
ton-feile
Inventar
#8 erstellt: 20. Mrz 2024, 11:26
Die Idee ist imO sogar noch älter, aus den 1920ger Jahren.
Das Problem ist nur die technische Umsetzung...
VG Rainer
Wraeththu
Inventar
#9 erstellt: 20. Mrz 2024, 12:05
Hat ja leider nur damals nicht funktioniert. Wäre tatsächlich der Störschall ausgefiltert worden, dann hätte man den "Föhrer" und seine Komplizen ja gar nicht mehr hören können.
stephanwarpig
Stammgast
#10 erstellt: 20. Mrz 2024, 15:30
Hallo Leute,

diese Art der Auslöschung habe ich einmal live erlebt. 2017 oder 2018, war Elton John in Erfurt auf dem Marktplatz zu Gast. Die Veranstalter haben eine Art Amphitheater aufgebaut. Der Clou an der Sache war die Soundtechnik, die außerhalb dieses Konstruktes den Schall enorm reduziert hat.
Es klang wie ein Handylautsprecher. Hat man sich der Bühne von hinten genähert, konnte man in Fetzen den vollen Schalldruck hören. Kam auch auf den Wind an.

Das war wohl aber ein sehr teurer Spaß für die Stadt.
Axelkirchhof
Neuling
#11 erstellt: 20. Mrz 2024, 19:35
"Nicht funktioniert" ist relativ, immerhin wird diese Technik bis heute in dem größten Freilandstadion der Welt eingesetzt...

"Das Strahov-Stadion (tschechisch Velký strahovský stadion, Stadion Strahov oder auch Strahovský stadion) ist ein Sportstadion im Stadtviertel Strahov der tschechischen Hauptstadt Prag. Es wurde in der Vergangenheit für Turn- und andere Massenveranstaltungen genutzt und soll dabei in der Spitze zwischen 220.000 und 250.000 Zuschauer gefasst haben, womit es als das größte Stadion weltweit gilt.[1]
In der Gegenwart wird das Strahov-Stadion, in dem sich gleich mehrere Fußballfelder befinden, vom Fußballverein Sparta Prag als Geschäftsstelle und Trainingsstätte genutzt. Theoretisch finden in dem baufälligen Stadion heute noch 56.000 Zuschauer Platz.
Die Planungen für das Stadion wurden im Jahr 1926 durch den Architekten Alois Dryák erstellt. Das erste Stadion wurde noch mit Holztribünen erbaut, die jedoch 1932 durch Betontribünen ersetzt wurden. Um das Jahr 1935 herum wurde das Stadion mit Telefunken-Pilzlautsprechern (sog. Löschstrahler) ausgestattet, wie sie auch im Berliner Olympiastadion installiert wurden.[3] Weitere Ausbauarbeiten fanden 1948 und 1975 statt. Das Spielfeld ist auf allen Seiten von Tribünen umgeben, hat keine Laufbahn und weist eine Fläche von rund 206 m × 340 m auf, mithin rund 70.000 m². Damit sind die Stirnseiten der Tribüne mehr als doppelt so breit, wie ein normales Fußballstadion lang ist.
Zur Zeit der Ersten Tschechoslowakischen Republik von 1918 bis 1938 und im Jahr 1948 fanden im Strahov-Stadion Turnveranstaltungen der Turnbewegung Sokol und später in der ČSSR Spartakiaden mit bis zu 10.000 Turnern und sonstige Massenveranstaltungen statt. Auch war es Austragungsort für einige Rockkonzerte. Bands wie U2, die Rolling Stones und Pink Floyd spielten hier vor über 150.000 Zuschauern."

Quelle: Wikipedia
Axelkirchhof
Neuling
#12 erstellt: 20. Mrz 2024, 21:22
Das Prinzip dahinter: Es gibt eine Stange. Auf dieser Stange befindet sich ein "normaler" Pilz-Lautsprecher, also ein rundumstrahlender Speaker. Dieser sendet das Audiosignal aus. Das Problem an der Geschichte: Es kommt zu Echos und die Sprachverständlichkeit im Stadion nimmt drastisch ab. Also montierten die Akustiker unterhalb des "normalen" Lautsprechers einen weiteren Lautsprecher, welcher ebenfalls das Audiosignal ausstrahlte, allerdings zeitverzögert und invers. So kam es zu Überlagerungen, und die störenden Flatterechos wurden "ausgelöscht". Sie erkennen diese Löschstrahler an den zwei übereinander rmontierten "Pilzen". Die Ingenieure damals konnten -mittels Stoppuhr- genau den Störschall einstellen -das Ganze ist also keine Raketenwissenschaft, sondern eine effektive Methode, um den Störschall zu eliminieren; übrig blieb der Nutzschall.
Zweck0r
Moderator
#13 erstellt: 24. Mrz 2024, 13:01
Der Text gibt schon eher verwertbare Informationen preis:

https://www.medienst...-die-olympiade-1936/

Scheint mir eine Art Bassdipol/-cardioid in Kombination mit nach unten gerichtetem Mittelhochtonhorn zu sein.
ton-feile
Inventar
#14 erstellt: 24. Mrz 2024, 13:37
Moin,

bei den Pilzlautsprechern ging es darum, ein begrenztes Schallfeld akustisch auszuleuchten.

Sie bestanden aus einem liegend eingebauten Treiber, der auf ein Horn arbeitete, das "rundum" und leicht nach unten gerichtet abstrahlte, also nur eine eingegrenzte Kreisfläche beschallte. Außerhalb dieser Kreisfläche war der Lautsprecher dann kaum noch zu hören.

Die Lautsprecher wurden im Abstand von 50-60m so aufgestellt, dass sich die beschallten Kreisflächen möglichst wenig in die Quere kamen. So hat man im Idealfall nur den Lautsprecher gehört, der näher an einem dran war.

Beim Löschstrahler wurden zwei Pilzlautsprecher übereinander auf einen Mast gesetzt und einer davon gegenphasig betrieben.
Dieses Array diente dazu, das Abstrahlverhalten zu beeinflussen.
Tiefere Frequenzen haben sich weitgehend ausgelöscht und es wurde nur der für die Sprachverständlichkeit wichtige Frequenzbereich abgestrahlt.
Edit: Die oberen Frequenzbereiche haben sich durch die Richtwirkung der Hörner gegenseitig nicht "gesehen".

So wurden praktisch zwei "Schallscheiben" ohne etwas dazwischen abgestrahlt und es konnten zwei unterschiedlich hohe Ebenen zielgerichtet beschallt werden.
Hat aber nichts mit der Bekämpfung von unerwünschten von außen kommenden Schallereignissen durch "Antischall" zu tun.

Viele Grüße
Rainer


[Beitrag von ton-feile am 24. Mrz 2024, 13:59 bearbeitet]
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