Ist denn immer ein Trafo nötig ?

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stern71
Stammgast
#1 erstellt: 21. Jul 2006, 07:16
Hallo,

Vielleicht ist die Frage ziemlich dumm, aber immer wieder kommt mir der Gedanke warum erzeuge ich die notwendige Gleichspannung,
die für Röhrenschaltungen benötigt werden, nicht einfach aus der Netzwechselspannnung ?
Warum ist für die Anodenspannung immer ein Trafo vorgesehen.
Mann könnte doch die Netzwechselspannung gleichrichten (ca. 320 Volt DC) und damit weiterarbeiten.
Material und Kostenersparnisse wären doch gewaltig.
Im übrigen, kennt jemand eine Bezugsquelle für günstige Ringkerntrafos für Röhrenverstärker (Anodenspannung + Heizung) ?

Wo liegt hierbei mein Denkfehler ?

Bitte bringt mir mal Licht in mein Wissensloch.
g.vogt
Ist häufiger hier
#2 erstellt: 21. Jul 2006, 07:46
Hallo stern71,

es hat solche Lösungen gegeben, häufiger wegen der doch anderen benötigten Spannungen als sogenannten Spartransformator; dieser Transformator hat nur eine Primärseite mit entsprechenden Abgriffen.

Machen kann man sowas jedoch nur, wenn das Gerät schutzisoliert ist (bzw. was man damals dafür hielt). Je nach Drehung des Netzsteckers lauert mal hinter der einen und mal hinter der anderen Seite der Anodenspannung die Netzphase. Deswegen gab es sowas bspw. in Plattenspielern mit eingebautem Verstärker, diese Geräte hatten aber keinerlei Signalanschlüsse, weil sonst an der Signalmasse die Phase lauern kann. Bzw. braucht man dann einen hochspannungsfesten Eingangsübertrager - da ist es dann doch besser, die Potentialtrennung im Netztrafo zu realisieren.

Mit internetten Grüßen
g.vogt
pragmatiker
Administrator
#3 erstellt: 21. Jul 2006, 09:09
Bei Fernsehern war sowas aus Kostengründen wegen des Leistungsverbrauchs (und des damit leistungsfähigen, schweren, großen, magnetisch in die Bildröhre streuenden und teuren Netztrafos, der dafür erforderlich gewesen wäre) gang und gäbe - dafür wurden eigens die sogenannten "P"-Röhren als echte Fernsehröhren entwickelt, welche einen einheitlichen Heizstrom von 300[mA] und unterschiedliche Heizspannungen hatten, so daß die Heizer in Serie geschaltet direkt aus dem Netz versorgt werden konnten. Die einzigen zwei Anschlüsse, die es nach außen gab, waren zu dieser Zeit allerdings der Antennenanschluß (der war an BEIDEN Polen mit je einem hochspannungsfesten Kondensator galvanisch von der Schaltung abgetrennt) sowie ein Anschluß für einen externen Lautsprecher (der ja über den Ausgangsübertrager galvanisch abgetrennt war). Also nix Scart, Cinch, Kopfhörer und dergleichen. Das Chassis stand je nachdem, wie herum der Netzstecker eingesteckt war, voll unter Netzspannung - das haben immer wieder mal Leute des Radio- und Fernsehfachs erfahren müssen, die da hingelangt haben oder den Masseclip eines Tastkopfes da aufgeklemmt haben....ein kurzer, lauter Knall, und die Bude war dunkel. Natürlich sollten solche Glotzen im Servicefall IMMER mit einem Trenntrafo betrieben werden, das ist aber beileibe nicht immer passiert....

Das identische Konzept gab es bei Sparradios - da waren es die "U" Röhren mit 100[mA] Serienheizung und Heizvorwiderstand. Auch hier gilt das oben gesagte: Chassis stand je nach Netzsteckerstellung unter Strom (und damit z.B. auch die Wellen der Bedienelemente, wenn die Plastikknöpfe nicht auf ihnen montiert waren), alles was an Anschlüssen rein oder rausging war allpolig galvanisch isoliert. Ein gutes Beispiel hierfür waren einige Modelle der Philetta von Philips, bei dem es neben den Kosten auch noch um die Gerätegröße ging (die Dinger waren sehr klein und damit z.B. küchentauglich) - da wäre ein Netztrafo hinderlich gewesen.

Wenn man noch weiter in die 30er Jahre des letzten Jahrhunderts zurückgeht, dann war auch der "DKE" (häufig auch "Volksempfänger" genannt) so ein netztrafoloses Gerät. Hier hatte das Weglassen des Netztrafos neben den Kostengründen (das Gerät war, damit man breiteste Massen propagandistisch erreichen konnte, vom Reißbrett weg auf einen niedrigst möglichen Verkaufspreis getrimmt - Qualität war da eher sekundär) aber noch einen anderen Hintergrund: Es mußte mit Gleichspannung aus dem Netz klarkommen, weil es zu dieser Zeit noch viele Gleichstromnetze gab (wie übrigens eine Zeit lang nach dem zweiten Weltkrieg auch noch in Gegenden, in denen große galvanische Betriebe saßen - die brauchen nämlich Gleichstrom) - daher auch die Bezeichnung "Allstromempfänger".

Auch die P- und U-Röhren-Geräte lassen sich übrigens mit Gleichstrom betreiben - ca. 310[V]DC mit entsprechender Stromlieferfähigkeit reichen. Hier schließt sich dann der Kreis....es war eben alles schon mal da: Auch modernste Geräte, welche mit einem Schaltnetzteil arbeiten (PC's, Notebooks, etc.), lassen sich prinzipiell mit Gleichstrom betreiben - hier findet allerdings - anders als in den Röhrengeräten - im Netzteil im Übertrager des Schaltreglers eine saubere galvanische Trennung statt.

Für aktuelle Röhrengeräte sollte allerdings aus Gründen der galvanischen Trennung auf keinen Fall auf den Netztrafo verzichtet werden - das Gefahrenpotential, welches hier lauert, ist einfach viel zu groß - selbst bei korrekter potentialmäßiger Abtrennung aller Ein- und Ausgangsbuchsen (was gar nicht soooo einfach ist, man denke nur mal an die Gegenkopplung, die in der Regel von der Sekundärwicklung des Ausgangsübertragers abgegriffen wird).

Grüße

Herbert


[Beitrag von pragmatiker am 21. Jul 2006, 09:16 bearbeitet]
stern71
Stammgast
#4 erstellt: 21. Jul 2006, 14:21
Ich danke Euch für die ausführlichen Antworten.
An die galvanische Trennung hatte ich überhaupt nicht gedacht.

Jetzt ist mir aber aller klar und werde auf keinen Fall Schaltungskonzepte ohne Trafo realisieren.

Danke und ein kühles WE wünscht Heiko
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