Hindemith, Paul

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Martin2
Inventar
#1 erstellt: 22. Mrz 2009, 17:28



Es gibt noch keinen Thread zu Paul Hindemith. Ist das verwunderlich? Ich weiß es nicht. Hindemith ist mir seit meiner Jugend bekannt, was dann auch wieder nicht so verwunderlich ist. Ich hatte einen Konzertführer, der mein jugendliches Weltbild über klassische Musik prägte und in diesem war Hindemith dann schon ein großer Name. Las man ihn, prägte sich einem ein, daß es gewissermaßen vier große Gestalten der modernen Musik gab: Schönberg, Strawinski, Bartok und Hindemith.

Was allerdings bedauerlich ist, ist vielleicht die Phantasielosigkeit der Radio Programmgestalter. Die Sinfonie "Mathis der Maler", die aus der gleichnamigen Oper entwickelt ist, wurde nämlich sehr oft gespielt und in der Tat ist es dieses Werk, was ich in erster Linie mit Hindemith verbinde. Ich mag dieses Stück, aber in der Tat wird es vielleicht ein wenig zu oft gespielt und anderes vielleicht zu wenig. Ich erinnere mich auch daran, mal die Sinfonie "Harmonie der Welt" gehört zu haben, ein ebenfalls aus einer Oper entwickeltes Stück und mir hat sie damals sehr gut gefallen.

Natürlich ist die Oper "Mathis der Maler" sozusagen das sagenumwobenste Stück. Herausgebracht ungefähr zur Zeit der nazistischen Machtergreifung, landete es bald auf dem Index der Nazis, die ja mit moderner Musik so gar nichts anfangen konnte, obwohl Hindemith ja gar nicht mal so furchtbar modern ist. Jedenfalls ist er nicht atonal, sondern nur "irgendwie" modern. Wie ich dann gelesen habe, versuchte der Dirigent Wilhelm Furtwängler, Hindemith irgendwie für den Konzertbetrieb zu retten, indem er das "Deutsche" des Werkes betonte, in dieser Hinsicht den damaligen Machthabern das Werk schmackhaft machen wollend, aber diese Versuche waren nicht von Erfolg gekrönt.

Wie auch immer - es ist schon erstaunlich, daß es um Hindemith so still geworden ist, jedenfalls wenn man dieses Forum zur Grundlage nimmt. Aber auch anderswo höre ich selten etwas über diesen Komponisten. Ist das gerecht? Ich denke, das Problem mit Hindemith mag sein, daß seine Musik gewissermaßen keine "Lobby" hat. Spätromantische Musik hat ihre Lobby, moderne Musik hat ihre Lobby. Manch einer hört sich jedes Stück Spätromantik an, was er kriegen kann, andere wiederum sind fasziniert von der Moderne - in dieser Hinsicht empfinde ich Hindemith als etwas zwischen den Stühlen sitzend.

Übrigens war Paul Hindemith mit William Walton sehr befreundet und auch diese Freundschaft will mir nicht ganz zufällig erscheinen, da doch auch Walton stilistisch wie Hindemith nicht dem unbedingten "Schönklang" zugeneigt war, ohne jedoch zu sehr ins Atonale zu verfallen.

Mir scheint es trotzdem so zu sein, daß man sich in diesem Forum teilweise mit Komponisten beschäftigt, die sicher unbedeutender sind als Hindemith - auch wenn ich nur wenig von ihm kenne. Irgendwie hat Hindemith aber vielleicht auch nicht diese Eigenschaft, unbedingte Liebe zu erwecken - man respektiert ihn irgendwie, liebt ihn aber nicht.

Und bei mir ist es ganz sicher so, daß es für mich "immer wichtigeres" gegeben hat als Hindemith, ein grundsätzliches Interesse war zwar immer da, aber immer schob sich etwas dazwischen. Wie seht ihr den Fall Hindemith?


Gruß
Martin


[Beitrag von Martin2 am 23. Mrz 2009, 02:51 bearbeitet]
WolfgangZ
Inventar
#2 erstellt: 22. Mrz 2009, 20:02
Hallo, Martin!

Ich denke, Du hast schon Recht. In den zwanziger Jahren war Hindemith neutönender Bürgerschreck - fast wie ein George Antheil, nicht so radikal vielleicht. Dann prägte bis zu seinem Lebensende ein formstrenger, durchaus eingängiger und vor allem unverwechselbarer Neoklassizismus sein Schaffen. Er war ja auch ein ausgeprägter Musikpädagoge, so wie sein bekanntester Schüler und stilistisch engster Nachfolger, der erst kürzlich fast hundertjährig verstorbene Harald Genzmer.

Heute steht Hindemith wirklich zwischen den Stühlen. Er gehört einer konservativen Moderne an, die in einer Zeit des verspielten Stilpluralismus und der Provokationen zwischen Spätromantik und Experimenten weniger beachtet wird.

Ich hatte diverse Phasen, in denen ich viel Hindemith gehört habe, und bin mit seinen Orchesterwerken, also Sinfonischem und Konzertantem im weiteren Sinne (etwas weniger der ebenfalls vielfältigen Kammermusik, kaum mit der Vokalmusik) recht vertraut. Du wirst ausgeprägt Witziges, Gefälliges und sehr Altmeisterliches entdecken - schließlich greift Hindemith immer wieder vor allem barocke Formen auf. Nicht alles ist so pathetisch und seriös wie die von Dir genannten auf Opern beruhenden Orchesterwerke, die mir aber durchaus gefallen.

Obgleich ich Hindemith vor allem in Rundfunkmitschnitten kennengelernt habe, kann ich Dir nur den Dreierpack bei cpo mit Werner Andreas Albert empfehlen. Er enthält für vergleichsweise wenig Geld praktisch alle Orchesterwerke. Es mag im Einzelnen natürlich Stärkeres geben, aber nicht in der Gesamtheit.

http://www.amazon.de...id=1237741120&sr=1-2[/url]

Besten Gruß, Wolfgang
Klassikkonsument
Inventar
#3 erstellt: 22. Mrz 2009, 22:11
Bislang habe ich Hindemith ziemlich vernachlässigt und habe ihn nur sehr ausschnittsweise wahrgenommen: keine Werke aus seiner frühen Phase (vor 1920), auf die wohl hauptsächlich sein Bürgerschreck-Image zurückgeht; überhaupt wohl nur ein paar Werke aus den 20'er & 30'er Jahren, und dabei auch nix für Orchester.

Als erstes lernte ich die Drei Sonaten für Klavier (1936) kennen, die Glenn Gould eingespielt hat. Besonders die erste höre ich immer mal wieder, aber die große Begeisterung verbinde ich nicht mit ihr.
Auf dieser etwas schmalen Basis bildete ich mir ein vorläufiges Urteil von Hindemiths Musik, das sich mir dann bei anderen Werken zu bestätigen schien: etwas blass, vielleicht meistens steril, dabei zwar mit großartigen Steigerungen (z.B. die abschließende Fuge der 3. Sonate) bzw. schönen Momenten (Höhepunkt des 1. Satzes der 1. Sonate). Aber insgesamt irgendwie zu viel Aufwand oder Vorlauf für das, was mir dann reizvoll scheint.

Gut, vielleicht liegt es auch an Gould. Denn durch ihn lernte ich auch noch die 1. Fassung des Lieder-Zyklus Das Marienleben op. 27 (nach R.M. Rilke, 1922/23) kennen, von dem ich zwar die ersten 3, 4 Lieder immer wieder gerne höre. Aber ich konnte mich kaum je aufraffen, mir die weiteren Lieder anzuhören. Schließlich konnte mich der Name Gould auch nicht mehr motivieren, seine Einspielung der Sonaten für Klavier und jeweils ein Blechblasinstrument zu erwerben.

Sehr eingängig und tatsächlich "lustig" ist das Bläserquintett op. 24 Nr. 2 (Kammermusik Nr. 2?) von Anfang der 20'er Jahre. Da denke ich, ganz nett und flott, kann man mal hören, aber vielleicht ist da aktueller Pop noch besser.

Irgendwann muss ich noch mal frühere Werke hören. Und Titel wie Mörder, Hoffnung der Frauen oder Ouvertüre zum „Fliegenden Holländer“, wie sie eine schlechte Kurkapelle morgens um 7 am Brunnen vom Blatt spielt klingen für mich viel versprechend.
Bei der Harmonie der Welt und dem Mathis befürchte ich dagegen eine aufgeblasene Alt-Meister-Attitüde, die freilich ein durch zu viel Adorno Lesen gebildetes Vorurteil ist.

Bereits im Regal stehen, aber noch nicht gehört habe ich eine CD mit der Orchester-Suite Nobilissima visione (1938), dem Bratschenkonzert Der Schwanendreher (1935) und der Trauermusik für Viola (Violoncello oder Violine) & Streichorchester (1936).
Vielleicht lerne ich da noch mal einen anderen Hindemith kennen.

Viele Grüße


[Beitrag von Klassikkonsument am 23. Mrz 2009, 19:16 bearbeitet]
Martin2
Inventar
#4 erstellt: 22. Mrz 2009, 22:29
Hallo Wolfgang,

danke für Deine Empfehlung. Ich denke, daß ich mir diese Box irgendwann einmal holen werde. Ich erinnere mich jetzt auch wieder, "Noblissima Visione" gehört zu haben, was auf mich auch einen großen Eindruck hinterließ. Ich bin der Überzeugung, daß sich Hindemith doch sehr lohnt.

Allerdings erinnere ich mich auch an ein "lustiges Streichquartett", daß ich bei einem Freund hörte und wohl eher der früheren Phase des Komponisten entstammt. Das ist aber dann für mich etwas für einen netten Abend, aber kaum etwas, was man sich ein zweites mal anhört. Das "neoklassizistische" Spätwerk aber interessiert mich schon sehr, zumal ich eben das eine oder andere daraus auch kenne.

Es war mir im übrigen neu, daß Adorno auch den Hindemith angepinkelt hat, aber es verwundert mich auch nicht sonderlich.

Gruß Martin
Joachim49
Inventar
#5 erstellt: 22. Mrz 2009, 23:07

Martin2 schrieb:


Es war mir im übrigen neu, daß Adorno auch den Hindemith angepinkelt hat, aber es verwundert mich auch nicht sonderlich.

Gruß Martin


Der liebe Teddy hat seine Leser wissen lassen, dass er es verhindert hätte, dass Hindemith ein Ehrendoktorat der Universität Frankfurt erhielt, wenn er damals in Frankfurt schon in Amt und Würden gewesen wäre.

Hier der 'Orginalton' Adorno:
"Hinzu kam, dass Hindemith Ehrendoktor der Fakultät war, der der Autor angehört. Diesem war das nicht bekannt; als man Hindemith jene Würde verlieh, lebte der emigrierte Autor noch in den Vereinigten Staaten. An der Frankfurter Universität hätte er, als Protest gegen die Hindemith-Ideologie, mit nein votieren müssen; zur Ehrenpromotion ist Einstimmigkeit erforderlich."

Th.W.Adorno: Ad vocem Hindemith - Eine Dokumentation. In: Impromptus, Frankfurt 1968.

Wer trotzdem Hindemith kennenlernen möchte, dem empfehle ich zum Einstieg die Kammermusiken (z.B. mit Ricardo Chailly und Miotgliedern des Concertgebouworchesters Amsterdam).
Freundliche Grüsse
Joachim
Martin2
Inventar
#6 erstellt: 23. Mrz 2009, 00:14
Ich hoffe ja sehr, daß dieser Adorno irgendwann in Vergessenheit gerät, aber eines ist auch wahr und das muß man dem Mann hoch anrechnen: Hätte er noch 20 Jahre länger gelebt, wäre Hitler zweifelos zu verhindern gewesen und wir würden niemals von entarteter Musik reden müssen.

Gruß Martin
op111
Moderator
#7 erstellt: 23. Mrz 2009, 17:42

Martin2 schrieb:
Hätte er noch 20 Jahre länger gelebt, wäre Hitler zweifelos zu verhindern gewesen und wir würden niemals von entarteter Musik reden müssen.


also bis 1989

Theodor Ludwig Wiesengrund-Adorno;
* 11. September 1903 in Frankfurt am Main; † 6. August 1969 in Visp, Schweiz)

Vermutlich meinst du "früher geboren".

Da habe ich so meine Zweifel, ob er sich in die gleiche Richtung entwickelt hätte, schließlich wären "Zeitgeist" und Lebensumstände andere.

Und ob ausgerecht ein Philosoph allein nach 1918 entscheidenden Einfluss auf die Weltgeschichte genommen haben könnte? Eher nicht.


[Beitrag von op111 am 23. Mrz 2009, 19:44 bearbeitet]
Klassikkonsument
Inventar
#8 erstellt: 23. Mrz 2009, 19:26

Joachim49 schrieb:

Der liebe Teddy hat seine Leser wissen lassen, dass er es verhindert hätte, dass Hindemith ein Ehrendoktorat der Universität Frankfurt erhielt, wenn er damals in Frankfurt schon in Amt und Würden gewesen wäre.

Hier der 'Orginalton' Adorno:
"Hinzu kam, dass Hindemith Ehrendoktor der Fakultät war, der der Autor angehört. Diesem war das nicht bekannt; als man Hindemith jene Würde verlieh, lebte der emigrierte Autor noch in den Vereinigten Staaten. An der Frankfurter Universität hätte er, als Protest gegen die Hindemith-Ideologie, mit nein votieren müssen; zur Ehrenpromotion ist Einstimmigkeit erforderlich."

Th.W.Adorno: Ad vocem Hindemith - Eine Dokumentation. In: Impromptus, Frankfurt 1968.


Diese feindliche Haltung finde ich auch völlig daneben. Jedenfalls war ja Hindemith nicht mal ein Mitläufer im Nazi-Regime gewesen, was Adorno auch zähneknirschend anerkennt, wenn ich mich richtig entsinne.
Allerdings erführe ich schon gern, was er eigentlich unter "Hindemith-Ideologie" verstand.

Viele Grüße
Joachim49
Inventar
#9 erstellt: 24. Mrz 2009, 16:55

Klassikkonsument schrieb:


Allerdings erführe ich schon gern, was er eigentlich unter "Hindemith-Ideologie" verstand.

Viele Grüße


Wohl kaum eine politische Ideologie im Normalsinn des Wortes. Zwar erwähnt Adorno eine zufällige 'anti-semitische' Äusserung Hindemiths (nämlich Schönberg sei, abwertend gemeint, jüdische Musik) beeilt sich aber darauf hinzuweisen, dass Hindemith mit seiner halb-jüdischen Frau ausgewandert sei.

Der Artikel Adornos in den 'Impromptus' ist eine Dokumentation, in der der Autor selbst dokumentiert, wie er über Hindemith in verschiedenen Stadien seiner (Hindemiths) Entwicklung dachte. Die früheren Artikel aus verschiedenen Jahrzehnten, sind eingerahmt mit einem Preludium und einem Postludium. Der Hinweis auf die Ideologie, derentwegen er (Adorno) das Ehrendoktorat verhindert hätte, ist im Präludium zu finden, ohne das an dieser Stelle spezifiziert wurde, um welche Ideologie es geht. AmEnde des Preludiums erwähnt Adorno, dass in einem der Artikel erstmals seine Position gegen den Neoklassizismus prinzipiell entworfen wird.
Ich habe nicht den ganzen Artikel gelesen (habe auch wenig Lust dazu, da ich nicht gerne gegen den Strich gebürstetes Deutsch lese) aber auch beim Überfliegen ist deutlich, dass Adorno den jungen 'aufmuckenden' Hindemith schätzte, aber dann eine Entwicklung wahr nahm, die stets konservativer wurde, so dass er am Ende nichts mehr zu sagen hatte (aber dennoch viel komponierte). Die Vergleiche mit 'Vielschreibern' wie telemann oder Reger sind deutlich negativ gemeint. Statt "uber die expressionistische Generation hinaus radikale Musik zu stiften" habe Hindemith "akademische Brücken" gebaut, "die er nach rückwärts schlug"(8o). Adorno konstatiert eine "fatale Wendung zum Offiziellen" (80). Die 'Harmonie der Welt' ist Ausdruck einer "affirmativen Ideologie", "eine unbekümmerte Verherrlichung eines Weltbilds" das die Naturwissenschaften schon lange demontiert haben, in der Komposition manifezstiert sich "die Gesinnung des längst Konservativen, der zum krassen Reaktionär wurde" (81)"An Reger mahnt nicht nur der Duktus, sondern auch das geistig Beziehungslose und Zufällige .....als ob man noch Stück auf Stück häufen könnte, wie der unselige Telemann" (83)

Ich hoffe es ist deutlich genug, was des deutschen Musikphilosophen Missfallen erregte.

mit freundlichen Grüssen
Joachim
Klassikkonsument
Inventar
#10 erstellt: 24. Mrz 2009, 18:30
Hallo Joachim,

vielen Dank für Deine Antwort.


Ich hoffe es ist deutlich genug, was des deutschen Musikphilosophen Missfallen erregte.


Leider nicht so recht. Vor längerer Zeit hatte ich diesen Text auch gelesen, aber die Message blieb mir doch zu schwammig.
Nur soviel meine ich verstanden zu haben, dass der einstige Bürgerschreck sich wohl darauf besonnen hat mit einer Altmeister-Attitüde an das Publikum anzubiedern (u.a. mit einer auf die Kirchentonarten zurückgreifenden Harmonie-Lehre, die Hindemith im Ludus tonalis exemplifizierte?).
Da denke ich mir: gut, biedere Fest-Musik, affirmativer Kitsch, nix für mich bzw. kann ich mir irgendwann später mal anhören.

Allerdings scheint mir die Beziehung zwischen Ästhetik und Politik bei Adorno oft zu kurz gesprungen. Immer wieder legt er eine Verbindung zu reaktionärer Politik, wenn nicht gar zum Faschismus nahe, z.B. auch bei Strawinski oder Toscanini ("Die Meisterschaft des Maestro" in Klangfiguren, Musikalische Schriften I). Aber Toscanini war ja wohl Anti-Faschist, und der von Adorno nun nicht zu knapp geschätzte Schönberg war Zeit seines Lebens ein Konservativer, ich glaube sogar Monarchist.

Viele Grüße
Sir_Henry0923
Stammgast
#11 erstellt: 24. Mrz 2009, 20:20
Hi,

Adorno, diesen philosopischen Dampfplauderer kann man doch heute kaum noch ernstnehmen. Einer, der sich selber allzu wichtig nahm. Als Musiker ein Versager, über den sich sein Lehrer Schönberg schon lustig gemacht hat, weil er die 12-Ton-Lehre in seinen Kompositionen zu dogmatisch auslegte.

Zu Recht, vielleicht als Akt der Selbsterkenntnis, hat er sich dann, ein kompositorischer Halbaffe, aus der Musik zurückgezogen, was ihn freilich nicht daran hinderte über andere Komponisten seine Jauchekübel zu entleeren. Aber es sind, wie man so sagt, immer die besten Eichen, an denen sich die Säue schubbern.

Seine giftigen Episteln gegen Sibelius sind ja schon Legende. Hindemith gehört zumindest für mich zu den ganz Großen. Die Motorik seiner Frühwerke ist zwar interessant, aber als Musik kaum lebensfähig, da zu eintönig und nervig. Im Alter ist es ihm dann gelungen, allgemein gültige Werke zu schreiben. Ich liebe ganz besonders: Die Sinfonie in Es, die Variationen Weberscher Themen, Schwanendreher, sein Violinkonzert, Sinfonie "Mathis der Maler", die gleichnamige Oper, den "Cardillac". Leider wird alles viel zu selten aufgeführt, wenn überhaupt. Lieber mal etwas weniger von dem überschätzten und überpräsenten Mahler, dafür lieber etwas mehr Hindemith.

Grüße

Henry
Klassikkonsument
Inventar
#12 erstellt: 24. Mrz 2009, 21:02
Hi Sir_Henry,


Sir_Henry0923 schrieb:
Hi,

Adorno, diesen philosopischen Dampfplauderer kann man doch heute kaum noch ernstnehmen. Einer, der sich selber allzu wichtig nahm.


"Dampfplauderer" scheint mir nicht recht zu passen, angesichts des schwierigen (vielleicht auch etwas zu umständlichen?) Stils seiner Texte.
Ich bin mir auch nicht sicher, ob er sich zu wichtig nahm. Jedenfalls schien er nicht besonders erpicht darauf zu sein populär zu werden.
Dass er es in gewisser Weise doch wurde - das ein oder andere Zitätlein von ihm macht sich unter WissenschaftlerInnen des Geistes immer noch ganz gut, egal, wie man zu dem steht, was er eigentlich meinte -, lag gewiss nicht in seiner Absicht. Tragik eines negativen Denkers.

Viele Grüße
Martin2
Inventar
#13 erstellt: 24. Mrz 2009, 23:17
Hallo Franz, hallo Mitstreiter,

man muß mit Ironie doch vorsichtig sein. Aber anders als ironisch kann meine Aussage doch nun wirklich nicht gemeint sein - sonst ergäbe sie ja wohl keinen Sinn. Und eben dies ist der ironische Sinn, daß man die Nazizeit nicht nachträglich ungeschehen machen kann - und sei es auch durch noch so viel Antifaschismus.

Was mich eben doch erstaunt, ist, daß wir doch immer wieder über Adorno reden - und wozu eigentlich? Letzlich darf jeder hören was er will und er kann dabei auch werten wie er will. Ich werde mir meinen Sibelius durch Adorno ganz sicher nicht madig machen lassen. Aber warum ich Adorno überhaupt lesen soll, weiß ich nicht - alles was ich von ihm weiß, bestärkt mich darin, daß seine Werturteile nicht meine sind - also kann er mich nach dieser Sachlage nicht interessieren.

Und in Bezug auf die Nazizeit sind es nicht die ästhetischen Werturteile der Nazis, die ich für problematisch halte - es muß wohl noch erlaubt sein, zum Beispiel die 12 Tonmusik für eine Fehlentwicklung zu halten - sondern die mörderische Intoleranz, die sich auf solchen ästhetischen Urteilen aufbaute. Was dann auch wieder ein Grund für mich ist, Adorno für wenig interessant zu halten. Mir geht es jedenfalls um eine präzise Benennung dessen, was nationalsozialistisch oder faschistisch genannt werden kann. Und das "ästhetische Urteil" kann es für mich nicht sein. Ich halte etwa von moderner Musik herzlich wenig, auch wenn ich sicher einen anderen Musikgeschmack habe als die Nazis, aber selbstvertändlich werde ich das Recht eines jeden Menschen verteidigen, einen Stockhausen meinetwegen aufzuführen und auch zu hören. Das ist so selbstverständlich, daß es eigentlich ganz banal ist. Aber trotzdem ist das doch der entscheidende Punkt.

Im übrigen sind wir heute weit mehr eine CD Kultur als eine Aufführungskultur, im Rahmen dieses ungeheuren Angebots kann jeder hören, was er will und zudem gibt es auch noch Klassikforen wie dieses, an denen jeder teilnehmen kann - und insofern besteht für irgendeine Hitzigkeit der Auseinandersetzung nicht der geringste Anlaß. Die Auseinandersetzung über Musik ist heute völlig individualisiert und auch demokratisiert.

Und Hindemith kann man da nicht großartig promoten, aber auch nicht einfach unter den Teppich kehren. Mich interessiert er jedenfalls sehr und ich werde mir die Box mit australischen Orchestern wohl holen, wobei ich mich dann schon wundere, daß das orchestrale Werk Hindemiths von australischen Orchestern eingespielt wurde, aber es offensichtlich kein Spitzenorchester mit einem berühmten Dirigenten gegeben hat, zum Beispiel die Berliner Philharmoniker, die eine solche Einspielung bewerkstelligt haben. Aber vielleicht wird sich das ja irgendwann ändern, wie man sieht, hat Hindemith in diesem Forum ja durchaus Liebhaber.

Gruß Martin
Sir_Henry0923
Stammgast
#14 erstellt: 25. Mrz 2009, 00:29
Hi,

dass Hindemiths Werk heute so ignoriert wird, war wohl nicht immer so. Ich habe hier die Aufnahme der Sinfonie "Mathis der Maler" mit H. v. Karajan und den Berliner Philharmonikern, die Sinfonie in Es mit L. Bernstein und den New Yorkern, das Violinkonzert mit David Oistrach und dem Komponisten als Dirigenten und anderes mehr.

Mein Eindruck ist der, dass die Verantwortlichen in der Musikindustrie damals mehr Mut zum Risiko hatten und dass die Dirigenten noch wussten, was gute Musik ist. Von diesem Verständnis war Adorno wohl sehr weit entfernt. Er hat posthum immerhin die Ehre, dass unser ehemaliger Aussenminister sich als seinen Schüler bezeichnet hat. Dabei hatte dieser Parvenu weder Abitur, noch hat er seinerzeit irgendeinen Hörsaal von innen gesehen. Aber: Wer angibt, hat mehr vom Leben. (Off topic: Das hat jetzt aber nix mit dem Thema zu tun!!)

Grüße

Henry
Klassikkonsument
Inventar
#15 erstellt: 25. Mrz 2009, 00:34
Hallo Martin,


Martin2 schrieb:
Und Hindemith kann man da nicht großartig promoten, aber auch nicht einfach unter den Teppich kehren. Mich interessiert er jedenfalls sehr und ich werde mir die Box mit australischen Orchestern wohl holen, wobei ich mich dann schon wundere, daß das orchestrale Werk Hindemiths von australischen Orchestern eingespielt wurde, aber es offensichtlich kein Spitzenorchester mit einem berühmten Dirigenten gegeben hat, zum Beispiel die Berliner Philharmoniker, die eine solche Einspielung bewerkstelligt haben. Aber vielleicht wird sich das ja irgendwann ändern, wie man sieht, hat Hindemith in diesem Forum ja durchaus Liebhaber.


ich glaube, ganz so schlimm ist es um Hindemiths Musik nun doch nicht bestellt. Wie es mit Gesamtaufnahmen des Orchesterwerks aussieht, weiß ich nicht. Aber z.B. Claudio Abbado hat immer wieder einige Werke aufgenommen.
Die Opern, gerade die früheren, sind wohl schon spezielleres Repertoire, sind aber, so weit ich weiß, mindestens vom Label Wergo erhältlich.
Hindemith ist zwar nicht so präsent wie Mahler, aber vielleicht sogar etablierter (in den Konzertsälen?) als etwa Zemlinsky oder Schreker.

Viele Grüße


[Beitrag von Klassikkonsument am 25. Mrz 2009, 00:46 bearbeitet]
Joachim49
Inventar
#16 erstellt: 25. Mrz 2009, 00:57

Klassikkonsument schrieb:

Ich bin mir auch nicht sicher, ob er (Adorno) sich zu wichtig nahm. J


Daran würde ich, ehrlich gestanden, nicht den Bruchteil einer Sekunde zweifeln.
Joachim
Joachim49
Inventar
#17 erstellt: 25. Mrz 2009, 01:06

Martin2 schrieb:
cht interessieren.

wobei ich mich dann schon wundere, daß das orchestrale Werk Hindemiths von australischen Orchestern eingespielt wurde, aber es offensichtlich kein Spitzenorchester mit einem berühmten Dirigenten gegeben hat, zum Beispiel die Berliner Philharmoniker, die eine solche Einspielung bewerkstelligt haben.

Gruß Martin


Es gibt auf mehreren CD's Aufnahmen der Berliner mit Hindemith selbst am Pult (in der Dokumente Reihe der DG, glaube ich). jpc liefert ca 160 verschiedene Scheibchen mit Hindemithaufnahmen. Unter den Interpreten sind auch bekannte Namen.
Joachim
Klassikkonsument
Inventar
#18 erstellt: 25. Mrz 2009, 01:17

Joachim49 schrieb:

Klassikkonsument schrieb:

Ich bin mir auch nicht sicher, ob er (Adorno) sich zu wichtig nahm. J


Daran würde ich, ehrlich gestanden, nicht den Bruchteil einer Sekunde zweifeln.
Joachim


Vielleicht können wir ja über Adorno hier weiterdiskutieren.

Viele Grüße
AladdinWunderlampe
Stammgast
#19 erstellt: 25. Mrz 2009, 03:11

Sir_Henry0923 schrieb:
Als Musiker ein Versager, über den sich sein Lehrer Schönberg schon lustig gemacht hat, weil er die 12-Ton-Lehre in seinen Kompositionen zu dogmatisch auslegte.


Zwar macht es verständlicherweise Spaß, über einen Polemiker zu polemisieren, aber falsche Behauptungen werden auch durch ihre Wiederholung nicht richtiger. Daher sei der bescheidene Hinweis erlaubt, dass Adorno niemals bei Schönberg studiert hat, sondern zunächst in Frankfurt bei Bernhard Sekles, der pikanterweise auch der Kompositionslehrer Paul Hindemiths war, Privatunterricht im Komponieren erhielt, um später dann zu Alban Berg nach Wien zu wechseln. Übrigens war das Verhältnis zum letzteren immerhin so intim, dass Berg während seiner bekannten Affäre mit Hanna Fuchs Adorno als Postillon d'amour einsetzte...

Schönberg stand Adorno dagegen in der Tat reserviert gegenüber. (Dieses Schicksal teilte Adorno freilich mit einigen anderen Schönberg Wohlgesonnenen wie Thomas Mann und Hanns Eisler...)

Dass Schönbergs Kritikpunkt am Komponisten Adorno ausgerechnet dessen dogmatische Auslegung der Zwölftontechnik gewesen sei, ist eine interessante und mir neue Information, zu der ich gerne einen näheren Quellennachweis hätte. Interessant ist sie nämlich vor allem deshalb, weil der Theoretiker Adorno bei aller Bewunderung für Schönberg bekanntlich die Zwölftontechnik recht kritisch betrachtete. In der Philosophie der neuen Musik beispielsweise wird immerhin über 30 Seiten das "Mißlingen des technischen Kunstwerks" (und damit ist eben die Zwölftonkomposition gemeint) dargelegt. (PhdnM, S. 71-101). Insofern wäre es wirklich interessant zu erfahren, aus welchen Gründen Schönberg ausgerechnet in Adorno einen dogmatischer Zwölftöner erkannt haben soll.

Was die "Hindemith-Ideologie" betrifft, so dürfte Adorno damit - wie man nicht nur der argumentativ recht verworrenen Textzusammenstellung Ad vocem Hindemith entnehmen kann - in der Hauptsache der kompositionstheoretische Ansatz des späten Hindemith gemeint haben, wie er vor allem in der Unterweisung im Tonsatz dargelegt ist (und der nebenbei bemerkt den Stil ganzer Heerscharen komponierender Akademiker sowie Kirchenmusikdirektoren geprägt hat). Angriffspunkte sind hier einerseits eine - freilich in der Tat sachlich fragwürdige - Ableitung des musikalischen Materials aus vermeintlich "natürlichen" Grundverhältnissen und andererseits ein weltanschaulich aufgeladener Handwerksbegriff, der mancherlei Berührungspunkte mit dem Geschichtsbild der - von Adorno ebenfalls heftigst kritisierten - Jugendmusikbewegung aufweist, der Hindemith zweitweilig durchaus nahegestanden hatte.

Dass Adorno derartigen Denkansätzen so polemisch und unduldsam begegnete und selbst bei dem Emigranten Hindemith Verdacht schöpfte, dürfte nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass nicht unbeträchtliche Teile der Musikpädagogik des frühen Nachkriegsdeutschlands, in das Adorno 1949 aus dem amerikanischen Exil zurückgekehrt war, schon wieder mehr oder weniger ungebrochen an die ideologischen Bestände der Jugendmusikbewegung anknüpften, wofür nicht zuletzt mancherlei unerquickliche personelle Kontinuitäten verantwortlich waren. (Ich habe irgendwo noch ganze Ordner mit kopierten Artikeln aus dem einschlägigen Publikationsorgan "Junge Musik" herumstehen, aus denen ich bei Gelegenheit gerne ein paar Zitate liefern kann, falls hier näheres Interesse an diesem eher unerquicklichen Gegenstand bestehen sollte.)

(In diesem Zusammenhang sei Martin dezent daran erinnert, das "Antifaschismus" in bestimmten historischen Kontexten weniger darauf abzielte, eine verbrecherische Vergangenheit ungeschehen zu machen (entsprechendes beabsichtigen wohl eher manche der Schlussstrich-Zieher) als deren Wiederholung oder ungebrochene Fortsetzung zu verhindern. Und dass im Deutschland der 1950er Jahre Antifaschismus nicht immer die bequemste Karriereoption gewesen ist, dürfte sich mittlerweile auch herumgesprochen haben.)

Wohlgemerkt: Ich erwähne das alles nicht, um die in dieser Hinsicht soweit ich weiß integere Person Hindemiths anzuschwärzen oder um mancherlei unleugbare Überreaktionen, persönliche Eitelkeiten Adornos sowie - für mich viel problematischer - seine (bereits im Strawinsky-Teil der Philosophie der neuen Musik ausgeprägte) Versessenheit, auf der Basis heterogenster Einzelbeobachtungen und in einem genialisch-selbstsicheren Gestus, dessen methodische Fundierung mir freilich nicht immer transparent ist, gleich auch noch den Sozialcharakter des jeweiligen Komponisten basteln zu wollen. Allerdings scheinen mir die Dinge musikalisch, ästhetisch und historisch doch ein wenig komplizierter zu sein, als mancher es vermeint, der mit spießbürgerlich anmutender Küchenpsychologie anhand jeder skeptischen Musikkritik gleich treffsicher den Frust eines impotenten Komponisten zu diagnostizieren vermag.



Herzliche Grüße
Aladdin

P. S.: Die Musik Hindemiths interessiert mich zwar zugegebenermaßen nicht gerade brennend, aber einiges finde ich ab und zu durchaus hörenswert: beispielsweise manche der frühen Kammermusiken (inklusive dem seinerseits skandalösen Sireneneinsatz), den Cardillac, die drei Orgelsonaten sowie die wirklich unterhaltsamen Symphonischen Metamorphosen nach Themen von C. M. von Weber. Bei anderem dagegen - etwa bei der oben erwähnten Ouvertüre zum fliegenden Holländer wie ihn eine schlechte Kurkapelle früh um 7 am Brunnen spielt oder beim Rag Time (wohltemperiert) - finde ich dann doch den Titel origineller als die Musik.


[Beitrag von AladdinWunderlampe am 25. Mrz 2009, 15:40 bearbeitet]
Martin2
Inventar
#20 erstellt: 25. Mrz 2009, 04:22
Hallo Aladdin,

mich freut es auch, daß Du hier wieder schreibst. Sollte ich die Person Adorno falsch sehen, tut es mir leid. Allerdings hoffe ich, daß Du mir das Desinteresse an Adorno nachsiehst. Sibelius und Hindemith schätze ich und da bin ich dann auch reichlich desinterressiert, warum Adorno sie nicht mag, zumal diese Komponisten unbestritten eine große Reputation besitzen.

Ich denke, vor etwa 20 Jahren hat mich Adorno sicherlich interessiert; immerhin ist dergleichen Kulturkritik weniger trocken als manches andere Philosophische. Viel übrig geblieben ist von dieser Adornolektüre nach einigen Jahrzehnten nicht. Darum kann ich über Adorno heute nicht mehr mitreden, allerdings wird es schon Gründe gehabt haben, warum er mich irgendwann nicht mehr interessierte.

In Bezug auf Hindemith gilt für mich dasselbe wie in Bezug auf Sibelius - es mag bestimmte Gründe für Kritik an Hindemith geben, die Du hier ja auch aufführst, etwa die Überbetonung des Handwerks. Aber was besagt das schon? Bei Johann Sebastian Bach erinnere ich mich eines Zitats, wo Bach sagt, daß er "sehr fleißig" gewesen sei und wer ebenso fleißig sei wie er, werde es auch ebenso weit bringen. Das radikalisiert den Hindemithschen Standpunkt ja möglicherweise noch und ist in der Tat sehr zweifelhaft - aber was solls - Bach war ein großer und genialer Komponist.

Wenn aber Hindemith ebenfalls ein großer und genialer Komponist war, so sind doch irgendwelche Haltungen von ihm zum Handwerk oder irgendwelchen Jugendmusikbewegungen völlig irrelevant. Diese Dinge sind furchtbar unwichtig.

Über den Antifaschismus von Adorno kann ich nicht viel sagen, weil ich mich eben seit Jahrzehnten mit ihm nicht mehr auseinandergesetzt habe. Ich verbinde ihn allerdings vage mit Tendenzen, wie sie mir allerdings im Antifaschismus übel aufgestoßen sind, nämlich Tendenzen der "Solidarisierung" mit anderen "Antifaschisten", in deren Gefolge man sich dann radikalisiert, in dem man sich solidarisiert. Wie mir aus der Geschichte des Antifaschismus dann auch bekannt ist, war dieser wohl anfänglich eine große Gruppierung, wird heute allerdings im wesentlichen von Linksradikalen getragen. In diesem Sinne ist "Antifaschismus" für mich dann eher ein Schimpfwort. Denn der Begriff Antifaschismus impliziert doch schon rein semantisch eine Haltung gegenüber dem Faschismus, der diesen nicht nur ablehnt, sondern diese Ablehnung dermaßen verabsolutiert, daß man die Verbrechen des Stalinismus dann nicht mehr benennen kann, weil das ja unsolidarisch gegenüber einem anderen Antifaschisten wäre. Und dieses Sprachspiel mache ich nicht mit. Ich halte den Begriff "Antifaschismus" dann eher für Dummdeutsch, denn ich kann mich nun wirklich nicht darüber definieren, in einer bestimmten Sache "dagegen" zu sein. Und gegenüber faschistischen Tendenzen in der Bevölkerung aufmerksam zu sein und diese bestmöglich zu bekämpfen, ist selbstverständlich - allerdings ist der Rechtsradikalismus auch nur eines von einigen gesellschaftlichen Problemen, die wir haben.

Neben dem Phänomen der Radikalisierung durch ein falsch empfundenes Gefühl der Solidarisierung im Antifaschismus gibt es als zweites Phänomen aber auch das der "Denunziation". Die DDR nannte die Mauer ja auch "antifaschistischen Schutzwall". Darin lag die Denunziation, die freie demokratische Gesellschaft des Westens als "faschistisch" zu denunzieren. In diesem Sinne hatte ich aber auch bei Adorno das Gefühl - aber meine Adornolektüre liegt eben weit zurück -, daß seine Polemik mehr als bloße Polemik war, sondern im Grunde mit den Mitteln der politischen Denunziation arbeitete. Und das mag nun auch bei Hindemith gelten, dem er zwar im Grunde politisch nicht viel am Zeug flicken kann. Dieses Gefühl bei Adorno von einer "Analyse", die gezielt bestimmte Dinge in eine rechte Ecke stellt und dann wieder andere Dinge wieder mit diesen in dieselbe Ecke - so daß man am Ende jeden mit jedem denunzieren kann, verbinde ich sehr stark mit Adorno.

Und wiegesagt, was Adorno über Hindemith gesagt hat, finde ich ehrlich gesagt furchtbar uninteressant. Wenn jemand wie er große Komponisten wie Sibelius oder Hindemith ablehnt, ist das seine Sache - ich sehe nur nicht ein, warum ich dann über Adorno, nur weil er Philosoph war und eine kompositorische Ausbildung hatte, anders denken sollte wie über Hinz und Kunz. Und bei Hinz und Kunz würde ich halt denken, daß sie vielleicht doch ein bißchen unmusikalisch sind.

Ich halte dann aber trotzdem nichts von solchen Sätzen wie dem von Sir Henry, daß Adorno ein "musikalischer Halbaffe" sei. Das ist mehr als Polemik, das klingt schon ein wenig nach Haß. Ich sehe aber nicht ein, warum ich mir gegenüber Adorno die Haßkappe aufsetzen sollte. Vielleicht kann man es ja einfach mal akzeptieren, daß ich Hindemith hochinteressant finde und das ich gerne mehr von ihm kennen lernen will, während mir Adorno nun mal herzlich gleichgültig ist.

Gruß Martin
Mellus
Stammgast
#21 erstellt: 25. Mrz 2009, 13:13
Hallo Martin und die anderen Mitstreiter,

ich platze hier mal rein und greife frühere Bemerkungen auf.


Martin2 schrieb:
Wie auch immer - es ist schon erstaunlich, daß es um Hindemith so still geworden ist, jedenfalls wenn man dieses Forum zur Grundlage nimmt. Aber auch anderswo höre ich selten etwas über diesen Komponisten.


Laut Demmler: Komponisten des 20.Jahrhundert (Reclam) ist Hindemith einer der meistgepsielten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Diese Aussage hat mich überrascht, finde ich ihn in Übereinstimmung mit Martin gefühlt auch eher selten vertreten. Ein Fall für die Statistiker unter Euch!


Aber warum ich Adorno überhaupt lesen soll, weiß ich nicht - alles was ich von ihm weiß, bestärkt mich darin, daß seine Werturteile nicht meine sind - also kann er mich nach dieser Sachlage nicht interessieren.


Ohne Adorno gelesen zu haben schätze ich, dass es zu vereinfachend ist, ihm einfach nur das Auswälzen seiner persönlichen Werturteile zu unterstellen. Vom Hören-Sagen und aus Sekundärquellen meine ich mich daran zu erinnern, dass Adorno sein Ästhetik auf eine auf Hegel zurückzuführende philosophische Position gründet. Er versucht auf diese Weise seine Werturteile zu objektivieren und zu begründen. Das ist sicher angreifbar, aber man muss dafür schon etwas weiter ausholen. Wie auch immer die Relevanz von Adorno für die gegenwärtigen philosophischen Diskurse ist, wenn man sich für Ästhetik und Musikphilosophie interessiert, wird man wohl nicht um ihn herumkommen. Man sollte ihn aber wohl nicht als eine Art Musikführer im Stile von Reclam oder Harenberg lesen.

Aber zum eigentlichen Thema: Von Hindemith kenne ich recht wenig. Die Mathis-Sinfonie (natürlich, möchte man fast sagen), die Weber-Bearbeitugnen, irgendwas mit Metamorphosen und ein wenig Kammermusik für Cello und Klavier. So richtig packt mich Hindemiths Musik nicht, muss ich sagen. Einige Stellen im Mathis mag ich aber wegen ihrer puren Lautlichkeit.

Hindemith steckt bei mir in einer mentalen Schublade mit seinem Zeitgenossen Karl Amadeas Hartmann. Den kenne ich zwar auch nicht besonders gut, aber das was ich kenne, ist deutlich spannender. Für Hindemith wird es da sehr eng in der Schublade.

Viele Grüße,
Mellus
Sir_Henry0923
Stammgast
#22 erstellt: 25. Mrz 2009, 16:09
Hallo Alladin und alle anderen,

Asche auf mein Haupt. In Zukunft von mir keine substanzlose Polemik mehr, und die spießbürgerliche Küchenpsychologie bleibt außen vor. Versprochen!

Zu Hindemith noch folgendes: Ich besuchte vor einiger Zeit ein Konzert mit Werken moderner Klassiker, Bartok, Prokofjew und Hindemith (Mathis der Maler). Zur Pause, nach dem Stück von Prokofjew verließ etwa die Hälfte der Zuhörerschaft das Konzert. Neben mir 2 ältere Damen, sicherlich an die 80. Sagte die eine zur anderen: "Gell, wir halten aber durch!" Das zeugte von Tapferkeit und war immerhin besser als das nach dem Konzert von einem anderen geäußerte "Das war ja ein schöner Hindemist". So schwer haben es heute noch die Klassiker der Moderne im öffentlichen Konzertleben.

Grüße

Henry
AladdinWunderlampe
Stammgast
#23 erstellt: 26. Mrz 2009, 00:34
Hallo Martin und Henry,

diese Verballhornungen des Namens Hindemith scheinen in Deutschland ja fast eine Art kleine Tradition darzustellen. Noch aus meiner Jugendzeit kenne ich das - damals schon altertümliche - "Hindemith - Wo hin damit?" Kürzlich las ich in einem Artikel von 1950 von der "Hindemithläuferei" (gemeint war damit im Kontext des Artikels aber anscheinend nichts Politisches, sondern der bei jungen Komponisten um 1950 grassierende Hindemith-Stil). "Hindemist" ist mir dagegen neu. Wäre ich Adornianer, würde ich derartiges wohl als Verhaltensweise eines autoritären Charakters deuten, der gegen eine übermächtige und heimlich bewunderte Vaterfigur "aufmuckt"...

Zu Martins Beitrag noch ein paar kurze Nachträge und Anmerkungen:

Natürlich ist es jedem freigestellt, die Philosophie Adornos oder was auch immer uninteressant zu finden. Und ich reiße mich ehrlich gesagt auch nicht darum, in diesem Forum immer mal wieder zur Ehrenrettung aller möglichen Ungeliebten von Berio über Stockhausen bis Adorno herhalten zu müssen. (Ich habe daher auch den älteren Adorno-Thread lange Zeit erfolgreich, wenn auch mit großer Energie ignoriert.) Fatalerweise aber reizt mich die Art und Weise, wie sich hier immer wieder drastischste Verurteilungen nahezu im selben Atemzug mit dem nassforschen Bekenntnis zur weitgehenden Unkenntnis des jeweils Verurteilten verbinden, irgendwann dann doch zum Widerspruch…

Wenn man Dinge in eine Sache hineinlegt, ist es kein Wunder, dass man sie dann nachher auch darin findet. Der Ausdruck des „Antifaschismus“ ist in Bezug auf Adorno von Martin ins Spiel gebracht worden und ich habe ihn daher, als ich ihn in meinem Beitrag aufgriff, sehr bewusst in Anführungszeichen gesetzt; er sollte ohne jeden größeren terminologischen Anspruch lediglich andeuten, auf welche von Martins Äußerungen sich meine Replik bezog. Das heißt freilich nicht, dass ich den Terminus „Antifaschismus“ – zumal in dem inzwischen von Martin dargelegten Begriffsverständnis – in Bezug auf Adorno für sachlich angemessen halte. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall.

Das in Adornos Auseinandersetzung mit Hindemith sowie manchen anderen Komponisten und Philosophen angewandte Verfahren ist wohl nicht als „Antifaschismus“, sondern als „Ideologiekritik“ zu begreifen. Es geht demnach darum, in aufklärerisch-emanzipatorischer Absicht die impliziten weltanschaulichen Prämissen bestimmter ästhetischer, philosophischer, religiöser, politischer oder wissenschaftlicher Positionen und Verhaltensweisen in ihrem Zusammenhang mit übergreifenden gesellschaftlichen Vorstellungsweisen kritisch zu beleuchten. Dass hierbei immer wieder – zumal in der unmittelbaren Kriegs- und Nachkriegszeit – die Jahrhundertkatastrophe des Nationalsozialismus in den Blick gerät, an der sich Philosophen, Historiker, Politikwissenschaftler, Soziologen und Kulturtheoretiker bis heute abarbeiten, bedarf wohl keiner näheren Erklärung. Allerdings ist sie auch für Adorno nur eine von mehreren Formen ideologischer „Verblendungszusammenhänge“.

1963 publizierte Adorno unter dem Titel „Dissonanzen: Musik in der verwalteten Welt“ eine Sammlung mehrerer Aufsätze aus den 1950er Jahren, die dies recht anschaulich belegen: Der erste Aufsatz „Über den Fetischcharakter in der Musik und die Regression des Hörens“ behandelt hauptsächlich die Art und Weise, wie die Rezeption von Musik – und zwar nicht nur der Unterhaltungsmusik, sondern gerade auch der sogenannten klassischen Musik – durch die Auswahl-, Inszenierungs- und Vermarktungsstrategien der westlichen Kulturindustrie „verdinglicht“, also in eine bloße Ware verwandelt werde.
Der zweite Aufsatz „Die gegängelte Musik“ setzt sich anhand einer vorgeblich links-progessiven Verlautbarung tschechischer Komponisten auf dem „2. Internationalen Kongress der Komponisten und Musikkritiker“ in Prag kritisch mit der stalinistischen Kunst-Ideologie auseinander; keineswegs war Adorno also – wie Martin unterstellt – auf dem linken Auge blind. Als Beleg dafür zitiere ich nur kurz die allerersten Sätze des Textes: „Müßig könnte es scheinen, kulturpolitische Maßnahmen in der sowjetischen Einflusssphäre und gar offizielle Richtlinien von dort sachlich zu erörtern. Jeder weiß, daß man jenseits des Eisernen Vorhangs Kultur von vornherein als Herrschaftsmittel einschätzt, daß alle kulturellen Sorgen, die man geflissentlich beredet, sich in Wahrheit nur auf Fragen der propagandistischen Wirksamkeit und Gleichschaltung mit der Generallinie beziehen. Einmal hieß Ideologie falsches Bewußtsein. Heute wird sie im sowjetischen Machtbereich positiv verwandt, etwa so, wie die Nazis von Weltanschauung redeten, und damit freiwillig zugestanden, daß man den Geist zu eben dem entwürdigt, was man einmal am Geist kritisierte, als man Ideologie den bloßen Überbau realer Interessen nannte.“ [Dissonanzen, Göttingen 1991, S. 46). (Wem das immer noch nicht genügt, dem sei gesagt, dass Adorno sich beispielsweise mehrfach auch überaus kritisch mit der marxistischen Ästhetik und Literaturtheorie des auch im Westen teilweise hoch gehandelten Georg Lukács auseinandergesetzt hat.)
Zwei weitere Aufsätze – „Kritik des Musikanten“ und „Zur Musikpädagogik“ – üben dann harsche Kritik an der Gemeinschaftsideologie der Jugendmusikbewegung und deren musikpädagogischer Vereinnahmung im Nachkriegsdeutschland. (Ich halte übrigens derartige Fragen – anders als Martin – durchaus nicht für „völlig irrelevant“ oder „furchtbar unwichtig“. Wo, wenn nicht im musikpädagogischen Bereich, wird denn – zumal für diejenigen Gesellschaftsschichten, die nicht schon aufgrund bestimmter sozialer Privilegien eine Grundmaß an ästhetischer Bildung mitbringen - die Basis gelegt für die kulturell jeweils gültigen Vorstellungen darüber, was und wofür Musik sei, wie man sie hören solle und wie man sie begreifen könne?)
Der letzte Text des Bandes – „Das Altern der Neuen Musik“ dagegen, setzt sich (Martin mag sich hier möglicherweise verwundert die Augen reiben) dann ziemlich kritisch mit der seriellen Darmstädter Avantgarde inklusive der Elektronischen Musik auseinander.

Aus meiner Sicht spricht diese Textzusammenstellung nicht gerade dafür, dass Adorno ein „antifaschistischer“ Parteigänger im Sinne Martins war; er stand in den 1950er Jahren vielmehr zwischen allen Stühlen; für die Stalinisten war er ein bourgeoiser, formalistischer Schöngeist; für die Avantgardisten ein Abtrünniger; für die Jugendmusikbewegten ein intellektualistischer Sezierer; für die kulturindustriellen Marktstrategen ein rufschädigender, aber glücklicherweise weit weg vom Zielpublikum im Elfenbeinturm hausender Nörgler.

Die Pointe des Bandes, die für Adornos Denken insgesamt recht charakteristisch ist, ist übrigens, dass die kritisierten Phänomene aus Adornos Sicht durchaus mancherlei versteckte Gemeinsamkeiten aufweisen. Ein irrationalistisches Verständnis des musikalischen Materials spürt Adorno beispielsweise nicht nur bei Hindemith, sondern – in freilich veränderter Weise – eben auch bei den frühen Serialisten auf (womit – nebenbei bemerkt – die Entwicklung des späten Stockhausen in einen verstiegenen Mystizismus gewissermaßen im Wesen der Sache gelegen hätte): Hier wie dort, so könnte man (wenn ich recht verstehe) Adornos Argumentation zusammenfassen, wird etwas durch und durch von menschlicher Subjektivitität Geformtes und Geprägtes zu einem gleichsam An-sich-Seienden erklärt, das jenseits menschlicher Verfügung naturhaft gegeben – und damit eben auch nicht hinterfragbar oder kritisierbar ist: ein Grundcharakterzug von Ideologie.

Man mag sowohl das Vorgehen als auch die Ergebnisse der Adornoschen Ideologiekritik wie seiner Philosophie überhaupt in Zweifel ziehen – und das ist ja auch von allen möglichen Seiten mit triftigen wie mit weniger triftigen Argumenten geschehen; jeder dürfte mit wenig Anstrengung bei ihm irgendwelche sachlichen Fehleinschätzungen oder Voreingenommenheiten aufspüren können, und man mag auch zweifeln, inwieweit Adornos „negative Dialektik“ ein angemessenes Verfahren zur Durchdringung der betreffenden Probleme ist. Allerdings halte ich die Fragestellung Adornos nach den Zusammenhängen, Wechselwirkungen und Abhängigkeiten unterschiedlicher kultureller Erscheinungsformen für ebenso anspruchsvoll wie spannend; nicht umsonst bemühen sich auch jenseits der Ideologiekritik Philosophen, Soziologen und Kulturtheoretiker mit wechselndem Erfolg um theoretische Ansätze zur Erhellung derartiger Fragen. Schon deshalb denke ich, dass man – wenn man einem Philosophen und seiner Gedankenwelt schon das Vergessenwerden so sehnlich herbeiwünscht wie Martin – vorher wenigstens in Ansätzen wissen sollte, was man da im Orkus der Geschichte verschwinden sehen will.

Ganz abgesehen von Adorno und seinen Ansichten aber finde ich auch die These überaus merkwürdig, es mache keinen Unterschied und sei daher gleich uninteressant, ob ein Komponist, der unbestritten eine „große Reputation“ besitzt, nun von „Hinz und Kunz“ oder aber von einem ausgewiesenen Experten (mit ebenfalls großer Reputation) kritisiert werde. Wenn man sich schon in Bezug auf die „Größe“ eines Komponisten meint in Autoritätsargumente flüchten zu müssen, so ist nicht einsichtig, warum man auf der anderen Seite dem Kritiker diesen Autoritätsbonus verwehrt.

Mich persönlich jedenfalls interessiert ein kritisches Urteil gerade dann, wenn derjenige, der es äußert, auf dem entsprechenden oder einem verwandten Gebiet besondere Kompetenzen besitzt – und zwar unabhängig davon, ob ich seine Einschätzung teile oder nicht. Da Artusi seine Monteverdi-Kritik, Hanslick und Nietzsche ihre Wagner-Kritiken oder eben auch Adorno seine Hindemith-Kritik mit sachlichen Argumenten zu begründen versuchen, erfahre ich jedenfalls auch dann, wenn ich anderer Meinung bin, bei den Genannten mit Sicherheit mehr und Genaueres über den jeweils kritisierten Gegenstand, als wenn ich es nur konformistisch mit den jeweils am lautesten brüllenden Hinzen und Kunzen halte, die freilich auf die Frage, warum sie denn etwas bewundern, immer nur replizieren können: „weil es eben bewunderungswürdig ist“.


Ganz herzliche Grüße
Aladdin


[Beitrag von AladdinWunderlampe am 26. Mrz 2009, 01:59 bearbeitet]
Martin2
Inventar
#24 erstellt: 26. Mrz 2009, 03:19
Hallo Aladdin,

es ist in meinem Beitrag vielleicht nicht so recht heraus gekommen, aber es ging mir damit weniger um eine "naßforsche" Verurteilung Adornos aus einer Position der Unkenntnis heraus, sondern um eine Darstellung wie Adorno bei mir angekommen ist. Wenn ich dann meine eigene Unkenntnis über Adorno eingestehe, ist es mir rätselhaft, wie Du meinen Beitrag als naßforsch empfinden kannst. Ich hätte ihn aber zweifellos vorsichtiger formulieren sollen.

Gut, also sehe ich Adorno möglicherweise teilweise auch falsch, nur er interessiert mich eben nicht.

Grundsätzlich bin ich skeptisch gegenüber einem musiktheoretischen Intellektualismus, der allerdings aus Deinen Beiträgen gelegentlich hervortritt. Und die "Hinzen und Kunzen", die klassische Musik lieben und viel gehört haben und sich über vieles eine eigene Meinung gebildet haben, sind mir allerdings wichtiger als Musikintellektuelle. Deine Herablassung gegenüber diesen kann ich nicht nachvollziehen. Wenn jemand sein ganzes Leben nichts anderes hört als Beethovens 5., könnte ich es noch verstehen. Aber in einem Forum wie diesem etwa schreiben doch in erster Linie Menschen, die Klassik intensiv hören und dabei auch neuem grundsätzlich aufgeschlossen sind, also wie ich, der sich im moment mal für Hindemith interessiert und im moment sich etwa mit der Sinfonik von Magnard, Mjaskovski und Bax beschäftigt.

Insofern: Von mir kein Wort mehr zu Adorno, aber ich werde mich ohnehin aus solchen Debatten in Zukunft heraus halten - ich werde mir aber nicht den Mund verbieten lassen, wenn es um meine Einschätzung von Musik geht, mag ich bei dem Versuch, diese zu begründen, auch unbeholfen erscheinen. Und es wäre mir sehr lieb, wenn wir hier weiterhin über Hindemith diskutieren könnten, da mich Einschätzungen von Forianern hier sehr interessieren, da sie mein zukünftiges Kauf- und Hörverhalten zweifellos beeinflussen - was ja auch Spaß macht.

Gruß Martin


[Beitrag von Martin2 am 26. Mrz 2009, 03:21 bearbeitet]
Joachim49
Inventar
#25 erstellt: 26. Mrz 2009, 17:41
Ich habe einen längeren Beitrag zu der hiesigen Adorno-Diskussion im Literatur thread geschrieben, da es mehr um Adorno und weniger um Hindemith geht. Der Beitrag ist aber eine Reaktion auf den Martin-Alladin Streit (der wohl mal so berühmt werden wird, wie der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie. Wie damals, hängen sich auch hier die kleineren Geister an um im Kielsog der Berühmtheiten mitzuschwimmen)
Joachim
pt_concours
Stammgast
#26 erstellt: 27. Mrz 2009, 00:43

Martin2 schrieb:

...Und es wäre mir sehr lieb, wenn wir hier weiterhin über Hindemith diskutieren könnten, da mich Einschätzungen von Forianern hier sehr interessieren, da sie mein zukünftiges Kauf- und Hörverhalten zweifellos beeinflussen - was ja auch Spaß macht.


Hallo,

ohne die umfänglichen letzten beiträge gelsesen zu haben, werde ich mal versuchen, zurück zu HINDEMITHs Musik und seinen Werken (auf CD) zurück zu kehren.
Ehrlich gesagt, mit HINDEMITH „rennt man bei mir offene Türen ein“- ich schätze seine Msuik sehr! Nicht alles, aber vieles. Dabei fällt es mit schwer zu sagen, was genau mich dabei so fasziniert.
Wie so oft bei mir fällt mit als erstes die Klaviermusik ein! (Ich hatte dazu sogar immer ein Thread geplant) „Suite 1922“, „Ludus tonalis“ sowie die 3 Klaviersonaten (von denen ich die erste besonders schätze, ja sogar zu meine zwölf Lieblings-Klaviersonaten zähle!) Die durchweg gelungen Einspielung mit G. Gould kennen sicher viele, den auch für mich sonst weitesgehend unbekannten H. Petermandl schätze ich mit diesen Werken aber noch mehr! Für die „Suite 1922“ würde ich zuerst zu S. Richter greifen, bei den „Ludis tonalis“ wahrscheinlich zu O. Mustonen.


(Petermandl: Vol.3, aber kein Cover verfügbar!)

Ebenso schätze ich seine Kammermusik, besonders die Violinsonaten, begeisternd die Einspielung mit O. Kagan und S. Richter, aber auch mit Ensembles Villa Musica (+ u.a. Violasonate!)



Genannt werden soll hier natürlich auch HINDEMITHs Chormusik: Seine Madrigale mit dem Berliner Rundfunkchor, seine Messe (vielleicht mit dem Niederländischen Kammerchor?):



Ich selber habe vor gut zwei Jahren das „Apparebit repentina dies„ für Chor und Blechbläser mitgesungen, auch dort finden sich so viele herrliche Stellen, und gerade den schlichten Schlusschoral berührt mich immer wieder magisch! Ich höre den Mitschnitt zur Zeit sehr gern.

Daneben gibt es natürlich noch die Orchestermusik, Lieder, etc.



Ich möchte unbedingt noch mehr Werke von Hindemith kenne lernen!

Problematisch blieben für mich bisher vor allem die Bühnenwerek, die waren für mich oft geradezu unerträglich, bis jetzt mit vielen Längen empfand ich die Sonaten für Blechbläser und Klavier z.B. in den Einspielung mit G. Gould..


PS: in der DG Edition zu Hindemith findet sich übrigends eine amüsante Sammlung des Komponisten selber der merkwürdigsten Schreibweisen seines Namens:
Hinthernit, Hurdesmith, Hindemill, Hendennilt, etc.


Gruß pt_concours
Martin2
Inventar
#27 erstellt: 27. Mrz 2009, 17:57
Hallo Pt Conceurs,

sehr schöner Beitrag! Na ja, ich bin halt von Hause aus mehr der Sinfoniker, also werde ich mir wohl zunächst die Box mit den sinfonischen Werken holen. Aber schön zu wissen, daß es da noch mehr gibt. Es ist jedenfalls gut, daß es da jemanden gibt, der mit Engegement über Hindemith redet.

Ansonsten ist für mich die Box Hindemith conducts Hindemith auch sehr interessant - nur bin ich leider ein bißchen ein Komplementist, also werde ich mir dann wohl doch die australische Box holen. Oder lieber die DG Box?

Gruß Martin
Hüb'
Moderator
#28 erstellt: 27. Mrz 2009, 18:18
Hi,

ich möchte auch noch einmal auf die verdienstvollen Bemühungen von CPO hinweisen:
http://www.jpc.de/jp...cpo&pd_orderby=score

Hier kann man wirklich einen sehr guten Überblick für kleines Geld bekommen.

Grüße
Frank
Martin2
Inventar
#29 erstellt: 27. Mrz 2009, 18:34
Hallo Frank,

ach ja - jetzt wird man mit guten Angeboten quasi zugeschüttet. Was ich nur gerne gewußt hätte: Was soll ich denn nun eigentlich kaufen? Das hat allerdings Zeit, da ich im moment gerade mit Miaskovski oder Mjaskovski beschäftigt bin, dem zweifellos größten Komponisten aller Zeiten, was aber natürlich niemand in diesem Forum außer mir wirklich erkennen will.

Gruß Martin


[Beitrag von Martin2 am 27. Mrz 2009, 18:35 bearbeitet]
Hüb'
Moderator
#30 erstellt: 27. Mrz 2009, 18:38
Hi Martin,

wir haben auch Smileys.

Mir haben die SQ gut gefallen, aber die sind wahrscheinlich nicht so Dein Ding, da Dir Orchestwerke ja näher liegen.

Grüße
Frank
Martin2
Inventar
#31 erstellt: 27. Mrz 2009, 18:52
Hallo Frank,

Smileys hin oder her, der Mjaskovski ist schon doll! Aber darüber werde ich mich noch im entsprechenden Thread ausbreiten, auch wenn ich dann seitenlange Selbstgespräche führen muß. Ich bin sicher, der würde Dir gefallen, aber Du konntest Dich ja dann doch nicht zum Erwerb der Mjaskovskibox durchringen, weil Du offensichtlich ein geiziger Knochen bist! ( Smiley)

Gruß Martin
Hüb'
Moderator
#32 erstellt: 27. Mrz 2009, 18:54
Martin2
Inventar
#33 erstellt: 05. Apr 2009, 14:28
Ich denke, ich werde mir bei Gelegenheit mal die Hindemith conducts Hindemith Box der deutschen Grammophon holen - obwohl da manche Werke, die mich sehr interessieren, etwa die Noblissima Visione, nicht drauf sind. Kostet via Amazon Marketplace so 12 Euro, das ist ja erschwinglich. Die andere vollständigere Box mit dem australischen Orchestern kommt dann später. Aber war Hindemith eigentlich ein guter Dirigent? Ich bin gegenüber Komponisten, die ihre eigenen Werke dirigieren, ja immer skeptisch; so hörte ich in den Strawinski hinein, aber zum Beispiel Apollon Musagete mochte ich mit Strawinski selber gar nicht, aber mit Karajan gefiel sie mir sehr gut.

Wie dem auch sei, die erschwingliche Möglichkeit, Hindemith mal bei der Interpretation seiner eigenen Werke zu erleben und das offensichtlich noch mit den Berliner Philharmonikern, möchte ich mir doch nicht entgehen lassen.

Gruß Martin
pt_concours
Stammgast
#34 erstellt: 05. Apr 2009, 21:43

Martin2 schrieb:
Ich denke, ich werde mir bei Gelegenheit mal die Hindemith conducts Hindemith Box der deutschen Grammophon holen - ...
...Aber war Hindemith eigentlich ein guter Dirigent? Ich bin gegenüber Komponisten, die ihre eigenen Werke dirigieren, ja immer skeptisch; ...aber mit ... gefiel sie mir sehr gut.


Hallo Martin2,

in der Tat reisst mich HINDEMITH mit seinem eigenen Dirigat nicht so "vom Hocker", wie andere Dirigenten. Ich empfinde alles als sehr nüchtern, habe die CDs bisher aber nur wenig gehört! Sind sind vielleicht eher als Ergänzung- denn als "Grundstock" einer CD-Sammlung zu sehen.
Deine Skepsis bezüglich dirigierender ( und konzerttierender?) Komponisten teile ich so pauschal nicht, aber es lassen sich da schon noch einige weitere Beispiele finden...
Ich würde hier auch nochmal Blomstedt ins Gepräch bringen wollen, dessen 3-CD-Box es für einen ähnlioch günstigen Preis zu geben scheint:




Da ich auch eine Reihe einzelner Einspielung besitze könnte ich bei Gelegenheit noch mal einen Vergleich verscheidener Aufnahmen versuchen (habe jetzt sogar via Bibo Vol.1 der CD von cpo!)
Welche Werke (außer der Nobilissima liegen Dir noch am Herzen?
(Es gibt übrigends noch eine gnaze Reihe weitere Aufnahmen mit Hindemith am Pult: Reqiuem, Hornkonzert, u.a.

* * *

Noch ein Nachtrag zur Klaviermusik:
als gelungener Einstieg können die 3 Klaviersonaten mit Gould gesehen werden, die zur Zeit ab ca. 5 Euro erhältlich sind:




Bei weiterem Intersse könnte dann z.B. die Suite 1992 und Ludis tonalis mit B. Berezowsky folgen (zwar Hochpreis, aber in der Kopplung nur schwer -gelungen- erhältlich!)



Vergessen hatte ich folgende Einspielung der Werke für 2 Klaviere und 4 Hände mit Grau & Schuhmacherzu erwähnen:



mit weiteren gewichtigen Werken HIDNEMITHs, wie der Sonate für 2 Klaviere in einer gelungen Interpetation.

Gruß pt_concours


[Beitrag von pt_concours am 05. Apr 2009, 21:45 bearbeitet]
Kreisler_jun.
Inventar
#35 erstellt: 05. Apr 2009, 22:34
Ich bin gewiß nicht der Hindemith-Experte, aber ich würde auch die Blomstedt-Box (davon habe ich eine CD einzeln) eher empfehlen als die von Hindemith dirigierte. Das ist zwar ordentliches, aber dennoch Mono und das Interview ist so kurz, das ist es auch nicht wert. Wenn ich recht erinnere, fehlen außerdem einige der bekanntesten Stücke (ich habe die aber vermutlich nur einmal durchgehört und ins Regal gestellt, mich nicht weiter damit befaßt).
Preiswerte und klanglich wie interpretatorisch exzellente Aufnahmen einiger Werke gibt es unter Kegel bei Berlin Classics:



Würde ich fast noch vor dem Blomstedt empfehlen, denn bei dem fehlt die Sinfonie in Es. Von den Sinf. Metamorphosen gibt es zig Alternativen; dieses Stück und die Mathis-Sinfonie sind vermutlich die populärsten Stücke Hindemiths:



viele Grüße

JK jr.


[Beitrag von Kreisler_jun. am 05. Apr 2009, 22:35 bearbeitet]
Martin2
Inventar
#36 erstellt: 08. Apr 2009, 21:41
Hallo,

danke für den Tip mit der Blomstedtbox. Schade, daß Zweitausendundeins sie nicht mehr hat und wohl auch nicht wieder rein bekommt. Dann muß ich sie mir mal bei Amazon Marketplace bestellen.

Gruß Martin
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