Chopin - rückständiger Romantiker oder progressiver Pianist

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drbobo
Inventar
#1 erstellt: 19. Apr 2004, 21:37
Hallo


beim Durchsehen der Threads fiel mir auf, dass es bisher lediglich einen Chopin - Thread gibt, und der ist schon fast ein Jahr alt. Auch im "gerade gehört" Thread taucht der Name eigentlich selten auf, obwohl angeblich Chopin-Platten sich immer noch gut verkaufen.
Zumindest ich erwerbe ab und zu eine neue Scheibe, gerne auch von "unbekannteren" Pianisten, zuletzt diese:


amazon.de
von Ragna Schirner mit Chopin Etüden op. 10.

Ansonsten bevorzuge ich neben vielen historischen Einspielungen von Horowitz und Rubinstein die frühen Pollini-Interpretationen und die Einspielungen von Ashkenazy.




Was haltet Ihr von Chopin?
Welches sind Eurer Meinung nach DIE Chopin-Interpreten?


PS, ich muss natürlich Antracis zitieren

O.K., wie man unschwer erkennt, wollte ich mich auch mal Alfreds patentiert ironisierendem Threadbenennungsverfahren bedienen.


[Beitrag von drbobo am 19. Apr 2004, 22:53 bearbeitet]
embe
Stammgast
#2 erstellt: 19. Apr 2004, 23:37
Hi,
oute mich hier mal als Chopinlinksliegenlasser,
die Musik finde ich ganz nett aber mir gehts da wie bei Mozart...
Ab und zu hör ich die Kerle gerne aber kein Lebenselixier für mich.
Natürlich besitze ich einige CDs, aber ich höre die nur selten.
Aber ich werde ja immer reifer, vielleicht rastets ja irgendwann mal ein bei mir
Gruß
embe
op111
Moderator
#3 erstellt: 20. Apr 2004, 00:08
embe schrieb:
oute mich hier mal als Chopinlinksliegenlasser,
die Musik finde ich ganz nett aber mir gehts da wie bei Mozart...
Ab und zu hör ich die Kerle gerne aber kein Lebenselixier für mich.
Natürlich besitze ich einige CDs, aber ich höre die nur selten.
Aber ich werde ja immer reifer, vielleicht rastets ja irgendwann mal ein bei mir


Hallo zusammen,
ist wie bei Hase und Igel: embe war mal wieder früher da.
Jedenfalls könnte obiges Zitat auch von mir stammen.
Provokant formuliert: es ist doch meistens eher niedliche Salonmusik
allerdings mit ein paar fulminanten Ausnahmen.
Die Ausnahmen:
Ich besitze einige Aufnahmen ausgewählter Klavierstücke (Preludes, Nocturnes, Sonaten etc). z.T. in der wie ich finde ganz ausgezeichneten Naxos Prod. von Idil Biret gespielt, die Konzerte mit Zimerman/Giulini und Gilels aber daß ich die öfter als alle paar Jahre höre, wäre gelogen.

Die Epoche hat für mich weitaus interessantere Komponisten hervorgebracht wie Berlioz, Schumann, Liszt, Wagner etc.

Gruß
Franz


[Beitrag von op111 am 20. Apr 2004, 08:57 bearbeitet]
gaspard
Ist häufiger hier
#4 erstellt: 20. Apr 2004, 03:04

Provokant formuliert: es ist doch meistens eher niedliche Salonmusik


Harhar ... das grenzt an Blasphemie
Seltsam, dass an dem Mann kaum ein ein Konzertpianist vorbeikommt ...

Ja, einige Werke wirken harmlos. Aber kennen wir das nicht von anderen Komponisten auch? Bei Chopin sind's hauptsächlich die Klavierkonzerte, Mazurken und Nocturnes. Andererseits setzen seine Etüden, Polonaisen und Sonaten (2&3) Marksteine in der Musikgeschichte.

Selbst in meiner wildpupertärsten Hardrock-Phase vor über 30 Jahren war gerade Chopin für mich immer Standbein zur klassischen Musik.

Zu meinen Lieblings-Interpreten gehören Duchable, Berezovsky (Etüden), Pollini (Polonaisen, Sonaten 2+3), Argerich (Preludes), Pogorelich (2. Sonate, Scherzos, Balladen). Von Idil Biret besitze ich auch einige gute CDs, obwohl mich ihr ausgeprägtes Rubato manchmal stört. Vielleicht werde ich mir irgendwann noch ein paar ältere Aufnahmen (Rubinstein etc.) zulegen.

g
op111
Moderator
#5 erstellt: 20. Apr 2004, 08:45
gaspard:

Provokant formuliert: es ist doch meistens eher niedliche Salonmusik

Harhar ... das grenzt an Blasphemie



Blasphemie
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Blasphemie (von griechisch blasphemia, Verleumdung, Lästerung) im weiteren Sinn ist jede ehrenrührige Rede, insbesondere aber die Verhöhnung von Heiligem oder Gotteslästerung


Hallo gaspard,
Chopin ein/der Gott, bestimmt nicht.
Eine Bezeichnung die doch sicher allenfalls Richard Wagner zukommen könnte, wer sonst noch schuf schon seine eigene Kultstätte?
Mal ganz abgesehen vom posthumen Kult durch Cosima Wagner u.a.

Gruß
Franz

PS: Bei den interessanteren Zeitgenossen Chopins muß unbedingt noch Verdi genannt werden.


[Beitrag von op111 am 20. Apr 2004, 08:56 bearbeitet]
driesvds
Ist häufiger hier
#6 erstellt: 20. Apr 2004, 11:59
chopins einfluss in der welt der klaviermusik ist einmalig und unvergleichbar; sowohl in kompositorische als auch technischer hinsicht. neben listz is er ein unikum.

seine klaviermusik war damals eine revolution. alle andere klavierkomponisten nachher wurden von seine werke entscheident beeinflusst.

auch beim klavierstudium steht seine musik ganz vorne.

leider wird seine musik oft falsch, sprich zuviel rubato, interpretiert, sodass sie ungenießbar weich und übersentimental wird.

gute einspielungen gibt es jedoch genug.

der begriff "niedliche salonmusik" ist typisch für mache leute hier, will ich nicht weiter kommentieren.

gaspard
Ist häufiger hier
#7 erstellt: 20. Apr 2004, 15:58

Chopin ein/der Gott, bestimmt nicht.

sagen wir mal so:
Chopins Zeitgeistresistenz macht ihn zu einem Geschöpf der "unsterblichen" Art. Im übrigen hab ich mit Göttern nichts im Sinn (ehrlich).

Sein unverwechselbarer Stil war richtungsweisend, bis Leute wie Prokofjew oder Debussy in Erscheinung traten (wobei die Barcarole bereits Debussy antizipiert). Fortschreitende Lungenschwindsucht setzte seinem "irdischen" Wirken Grenzen. Diesbezüglich besaßen Zeitgenossen a'la Brahms und Liszt die besseren Karten. Sie hatten bis ins hohe Alter Gelegenheit, sich weiter zu entwickeln. Insbesondere der ehemalige Effekthascher Liszt profitierte hierbei eindeutig von Chopin. Ihn (Liszt) heute höher als Chopin einzustufen, kann ich nicht nachvollziehen. Der charismatische Lebemann war im Vergleich zum Aristokraten Chopin allenfalls der sympathischere Mensch.

Zu guter Letzt: Bei vielen Komponisten haben sich nur wenige Werke gehalten - bei Chopin hingegen fast alles. Das sagt schon alles!!

Die Klavierliteratur ohne Chopin - für mich jedenfalls unvorstellbar.

g

"Unter Blumen eingesenkte Kanonen" (Schumann über Chopins Musik)
Antracis
Stammgast
#8 erstellt: 20. Apr 2004, 20:23
Chopin ist ein deutlich schwergewichteter Bestandteil meines CD-Regals. Er ist meiner Ansicht nach der zentrale Komponist des Klaviers und einer der ganz großen Könner, wenn es um "praktische" Harmonielehre geht.
Ich halte auch die Konzerte und Sonaten für sehr gelungen, auch wenn er sicher unbestreitbar der "große" Meister der "kleinen" Form war - vor allem, wenn man seine kurze Lebenspanne bedenkt.

Meine Lieblingswerke sind die Etüden. Die Kombination zwischen technischer Problemstellung und künstlerischem Anspruch ist meiner Ansicht nach nie so gelungen verschmolzen worden, wie in den Etüden Op. 10 und Op. 25.

Nicht unerwähnt dürfen an dieser Stelle folgende Aufnahmen bleiben:

Wilhelm Backhaus

Eine legendäre Aufnahme, historisch , so um 1930 herum. Keine Ahnung, ob die derzeit erhältlich ist. Habe Sie auch selber nur als grausam klingende Kasette, vor 10 Jahren im Radio mitgeschnitten.

Maurizio Pollini
Deutsche Grammophon


amazon.de

Vladimir Ashkenazy
Decca



Murray Perahia
Sony


amazon.de


Meine favorisierten Interpreten bezüglich des Gesamtwerkes:

Krystian Zimerman

Von Ihm hörte ich bisher die eindringlichste Interpretation der zweiten Klaviersonate live und die Einspielung der beiden Klavierkonzerte (DG) ist meiner Ansicht nach der aktuelle Maßstab.

Artur Rubinstein

An ihm kommt man wohl kaum vorbei, vor allem die Aufnahme der Nocturnos ist angenehm dazu geeignet, das Vorurteil vom Salongeklimper zu entkräften.

Maurizio Pollini

Für mich der große Erneuerer des Chopinstils. Er spielt(e?) ihn mit immensem Vorwärtsdrang, straff ohne endlose Rubatoorgien (Zimerman ist einer der wenigen, dessen Musikalität dies zulässt) und gelangt durch sparsamsten Einsatz der Mittel und ohne die für mich unangenehmen Manierissmen eines Pogorelich ( das dritte Scherzo unter seinen Händen erinnert mich immer an eine Mischung aus Bruckners 5. Sinfonie und Wagners Götterdämmerung) zu brillianten Ergebnissen. Neben den Etüden halte ich die Einspielung der dritten Sonate und der Polonaisen (besonders die in fis-moll) für herausragend.

Nicht vergessen werden sollte Claudio Arrau, von dem ich aber leider wenig Chopin kenne und Murray Perahia, der sicher nicht nur die Etüden brilliant spielt.

Gruß
Anti


[Beitrag von Antracis am 20. Apr 2004, 20:26 bearbeitet]
Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#9 erstellt: 21. Apr 2004, 14:25
Hallo,

Um gleich die "Leitfrage" des Treads zu beantworten, Chopin war weder das eine noch das andere.
Rückständiger Romantiker konnte er keiner sein, weil, als er starb hatte die Romantik geraden ihren Zenit erreicht, er lag also voll im Trend, und das in vielerlei Hinsicht.

Wenn rückständig, dann schon eher deshalb, weil seine Werke eher an der Klassik orientiert sind. Allerdings schlägt er eine neue Linie ein, die aber eher neben der Romantik läuft als mit ihr.
Daß er kein "Revolutionär" im eigentlichen Sinne war, wird klar, wenn man die Klavierstücke von Field (dieser prägte beispielsweise den Begriff "Nocturne", Chopin griff ihn auf),hört.
Wer Chopins Werke der "Salonmusik" zuordnet mißversteht ihn, wenngleich er natürlich in Salons gespielt hat. Dies aber nicht etwa, weil seine Werke minderwertige waren, nein vor allem weil Chopin große Menschenansammlungen hasste.
Der bestimmt nicht unkritische Robert Schumann sagte über Chopin: "Hut ab, ein Genie"
Der charakterliche Unterschied zwischen Liszt und Chopin wird am besten durch dieses Detail beleuchtet:
Liszt spielt Chopins Werke brillanter und extrovertierter als dieser selbst, und baute in sein Spiel gelegentlich publikumswirksame "Effekte" ein.
Chopin äusserte sich darüber so: "Er kann meine Musik nicht in Ruhe lassen"

Meine Chopin-Sammlung ist mit 10 CDs eher mickrig, aber das wichtigste ist vorhanden.

Meine Aufnahmen sind mit A. Rubinstein, Tamas Vasary, Elisabeth Leonskaya, und Idil Biret.
Das Klavierkonzert Nr 1
besitze ich mit Emanuel Ax, der einen Flügel der Firma Erárd aus dem Jahre 1851 bespielt.
Des weiteren die Klavierkonzerte Nr 1 und 2 mit Claudio Arrau.

So wie ich das jetzt sehen, wird schnell ergänzt werden müssen.

Gruß
Alfred


[Beitrag von Alfred_Schmidt am 21. Apr 2004, 15:40 bearbeitet]
op111
Moderator
#10 erstellt: 21. Apr 2004, 15:08
Alfred über Chopin:
Allerdings schläft er eine neue Linie ein, ...r.


Hallo Alfred,
vielen Dank, in der Fachwelt wird der Freudsche Versprecher ja längst dem Bereich der Wissenschafts-Irrtümer zugeordnet, aber anscheinend gibt's ihn doch.


Gruß
Franz
Hilda
Stammgast
#11 erstellt: 21. Apr 2004, 15:25
Hallo,

ich habe auch meine Probleme mit Chopin - er erschliesst sich mir einfach nicht...


Die Konzerte höre ich zwar gerne und auch einige Klavierstücke aber mir könnt ihr immer einen Schubert oder Schumann vor einem Chopin geben... Von Beethoven wollen wir jetzt gar nicht erst anfangen...

Gruss
Klaus
gaspard
Ist häufiger hier
#12 erstellt: 22. Apr 2004, 01:53
Nachdem hier viel Kritisches (teilweise Äbfälliges) über Chopin geäußert wurde, melde ich mich ein drittes und letztes Mal zu Wort:L

Diesmal mit zwei Low-Price-Empfehlungen.

Als echte Ergänzung/Alternative zu Pollini: Boris Berezovsky

amazon.de

Bobele hat Chopin voll begriffen und setzt das auch technisch hervorragend um. In meinen Ohren eine der spannendsten und frischesten Etüden-Einspielungen auf dem Markt.

Man muß Chopin nicht mögen. Es gibt nun mal Leute, deren Horizont und Einfühlungsvermögen am Tellerrand Barock&Vienna Klassik endet. Jedem das Seine. *duck*

Da lobe ich mir Arthur Rubinstein. Nach eigenem Bekunden eng seelenverwandt zu Chopin. Mit Beethoven hingegen hatte er nichts am Hut. Er habe ihn nie verstanden, er sei ihm ein Leben lang fremd geblieben, so der Chopinverehrer.
Und ausgerechnet von ihm existieren Beethoven-Aufnahmen, die die allermeisten Beethoven-Koryphäen blass aussehen lassen, denn hier spielt die Intuition:



Mein Fazit: Chopinisten sind klar im Vorteil

g


[Beitrag von gaspard am 22. Apr 2004, 02:12 bearbeitet]
driesvds
Ist häufiger hier
#13 erstellt: 23. Apr 2004, 08:56

unangenehmen Manierissmen eines Pogorelich ( das dritte Scherzo unter seinen Händen erinnert mich immer an eine Mischung aus Bruckners 5. Sinfonie und Wagners Götterdämmerung)


sein auftritt in amsterdam war so schlecht, das viele nach der pause nicht mehr zurück kamen. entsetzlich wie er die scherzi spielt.
dan bringt er eine ganze cd aus, mit nur die scherzi - 4 stücke. die langsame passagen so ausgeschmiert das es ein leidensweg wird.

grausam.
peet_g
Stammgast
#14 erstellt: 05. Jun 2004, 06:05
Tja, das habe ich hier nicht erwartet. Nämlich so viel Abfälliges und so selbstsicher geäußert über Chopin.

Chopin gehört zu den wenigen ganz großen Komponisten. Ohne ihn wäre kein Wagner, kein Liszt, kein Tschaikowsky, kein Skrjabin möglich. Seine Erneuerung der Musiksprache, der Musikgattungen, der Musikgefühle ist enorm. Ohne ihn zu schätzen, kann man sich zu den Musikkennern nicht zählen.

Ich würde für den Einstieg Mazurka op.63 N.3 mit Richter und Rubinstein empfehlen. Dann Balladen mit Horowitz und Rubinstein. Das weitere ergibt sich daraus.
Hilda
Stammgast
#15 erstellt: 05. Jun 2004, 07:48
naja, ich glaube nicht, daß die Wertungen der anderen aus übertriebener Selbstsicherheit geässert wurden - wohl eher aus persönlicher Erfahrung...

Einen Komponisten, der ausser Klaviermusik nur vereinzelt andere Gattungen hervorgebracht hat, zu den wenigen ganz grossen zu zählen, halte ich persönlich für gewagt...


Ohne ihn zu schätzen, kann man sich zu den Musikkennern nicht zählen.


öhem - zum einen ist das IMHO ziemlicher Quatsch, zum anderen kann man jemanden ja auch schätzen ohne ihn zu lieben, oder???

Ich würde mich sowieso eher zu den Muskliebhabern als zu den Musikkkennern zählen... Das ist dem Kenner ist so 'ne Sache - da lehnt sich mancher zu weit aus dem fenster - und das nicht nur in der Musik...;)

Gruss
Klaus
kleinerhanswurst
Ist häufiger hier
#16 erstellt: 05. Jun 2004, 10:06

Einen Komponisten, der ausser Klaviermusik nur vereinzelt andere Gattungen hervorgebracht hat, zu den wenigen ganz grossen zu zählen, halte ich persönlich für gewagt...


Warum? Chopin hat zumindest die Klavierliteratur revolutioniert. Ähnlich wie Beethoven die Streichquartette. Und wenn es von LvB nur diese 16 Kompoistionen gäbe (eigentlich reichen da sogar die letzten 10), man müsste ihn dennoch zu den ganz Großen zählen. Mozarts Genie ist - je nach Wunsch - an einem Klavierkonzert/einer Oper/einem Streichquintett erkennbar. Berlioz' Ansehen basiert - da die meisten leider nicht viel mehr kennen - auf der Fantastique und noch ein zwei anderen Werken. Bruckner und Mahler haben fast "nur" Symphonien geschrieben. Muss man den ein möglichst breites Repertoire abdecken, um ein Großer zu sein. Wie sieht das dann mit den Interpreten aus. Kann jemand, der nur Komponisten aus einer bestimmten Periode interpretiert, ein ganz Großer sein? Chopins Einfluss ist, da hat peet_g Recht, in den nachfolgenden Komponisten zu hören - auch bei denen, die keine oder kaum Klavierliteratur komponiert haben. Bei den Pianisten ist sein Rang sowieso unbestritten. Selbst die wenigen, die seine Musik nicht oder nur kaum spielen(können die überhaupt große Pianisten sein?), wie etwa Kovacevich, halten Chopin (und Liszt) für den Mount Everest der Klavierliteratur.

Hans
Hilda
Stammgast
#17 erstellt: 05. Jun 2004, 10:35

Warum? Chopin hat zumindest die Klavierliteratur revolutioniert.


Da ist ja nix dagegen zu sagen... Ist er deshalb einer der ganz Großen? Was ist denn ein ganz Großer? Peet hat ja nicht von Chopin dem großen Klavierkomponisten gesprochen...
Nenne mich pingelig, aber das war nicht die Darstellung einer persönlichen Meinung. Und da wirds dann IMHO "gefährlich". Ich halte Mahler und Bruckner für große Symphoniker - sind es deswegen ganz Große???

Für mich sollte der Begriff "ganz Großer" nicht so inflationär gebraucht werden. Zudem ist es wohl wirklich nicht möglich eine objektive Liste der ganz großen Komponisten zu erstellen. Wenn ich jetzt vorgebe: Bach, Mozart, Beethoven bekomme ich zig Postings von anderen, wer da alles noch dazu gehört. Am Ende haben wir dann eine Liste von dreissig ganz Großen... Das wäre für meine persönliche Meinung zu viel. Für mich persönlich (und das ist etwas was ich hier gerne öfter hören würde ) gehört zu einem "ganz Großen" ganz hundertprozentig die Universalität - und die finde ich nur bei wenigen.

Das schmälert jetzt auf keine Weise die Leistung von Chopin für die Entwicklung der Klaviermusik des 19. Jahrhunderts. Ich muss ihn trotzdem nicht mögen (dabei 'mag' ich ihn durchaus - er sagt mir nur nicht so viel wie andere), genauso wie mein lieber Freund Franz-J. die Brandenburgischen Konzerte nicht mögen muss :D...

Muss ich jetzt den Franz-J. für einen 'Nicht-Musikkenner' halten???

Gruss
Klaus
peet_g
Stammgast
#18 erstellt: 05. Jun 2004, 15:00
Das kann eine gute Diskussion werden.

Chopin hat tatsächlich eine große, prägende Bedeutung nicht nur für die Klaviermusik. Wie gesagt, seine Musiksprache ist eine Etappe in der Musikgeschichte. Er vermittelt zwischen "Bellini" (italienischem Melos) und gesamteuropäischen Nachfolgekomponisten, er vermittelt zwischen Mozart (vollkommene Strukturen) und späten Romantikern, er begründet Poemen(=Balladen)-artige Gattungen und vermittelt dabei zwischen Beethoven und späten Romantikern in der Ausarbeitung der Durchführungstechnik etc.

Wenn ich ein Problem mit dem Komponisten dieses Ranges habe, verbringe ich mit ihm mehr Zeit, wenn es auch Jahre dauert. Für Sibelius habe ich mehr als für Bruckner gebraucht, vielleicht 15 Jahre, und kann nicht sagen, daß ich da alles verstehe. Für Bruckner mußte ich ungefähr 10 Jahre mir Mühe geben, dafür habe ich in seiner Welt keine Schwierigkeiten. usw.

Es lohnt sich, sich mit Chopin zu beschäftigen.
kleinerhanswurst
Ist häufiger hier
#19 erstellt: 05. Jun 2004, 18:07

Da ist ja nix dagegen zu sagen... Ist er deshalb einer der ganz Großen? Was ist denn ein ganz Großer? Peet hat ja nicht von Chopin dem großen Klavierkomponisten gesprochen...
Nenne mich pingelig, aber das war nicht die Darstellung einer persönlichen Meinung. Und da wirds dann IMHO "gefährlich".


Peet hat sein Argument ja jetzt belegt und damit die Ebene der reinen persönlichen Meinungen und Vorlieben verlassen. Und so könnte man es auch mit anderen Komponisten machen und müsste dann nicht bei einer Best-of-Liste verharren (wie sie jetzt in einem anderen Thread wieder entsteht).


... genauso wie mein lieber Freund Franz-J. die Brandenburgischen Konzerte nicht mögen muss ...
Muss ich jetzt den Franz-J. für einen 'Nicht-Musikkenner' halten???


Wohl kaum, allerdings lehnt Franz ja auch nicht Bach im Allgemeinen ab, sondern mag die Brandenburgischen Konzerte nicht. Wenn er aber aus dieser Ablehnung den Schluss ziehen würde, Bach wäre kein großer Komponist, müsste er das sehr gut erklären können, um ernst genommen zu werden.

Hans
op111
Moderator
#20 erstellt: 09. Jun 2004, 13:49
Hallo zusammen,
ich bin gerade etwas zufällig in diesen Thread geraten, und habe außerdem noch meinen Namen gelesen.

Klaus hat ja schon ganz in meinem Sinne einiges gesagt und dabei etwas sehr Wichtiges klargestellt:
Klaus:
Was ist denn ein ganz Großer? Peet hat ja nicht von Chopin dem großen Klavierkomponisten gesprochen...
...
Für mich sollte der Begriff "ganz Großer" nicht so inflationär gebraucht werden. Zudem ist es wohl wirklich nicht möglich eine objektive Liste der ganz großen Komponisten zu erstellen.

Mir gefallen ohnehin solche apodiktischen Aussagen auf einem so weitgehend dem persönlichen Geschmack und Zeitgeschmack unterworfenen Bereich nicht.
Waren Celibidache oder Wand nun im Besitz der einzig wahren Bruckner-Tempi?
Spielte nur A. Schnabel Beethoven richtig?
Wer ist der Größte: Bach, Mozart oder Beethoven?
Vielleicht ist es aber doch Monteverdi oder vielleicht Stockhausen oder der noch nie auf CD erschienene uns gänzlich unbekannte XY?
Muß ich das wissen?
Rund 700 Jahre Musikgeschichte sind lückenhaft auf Tonträgern verfügbar. Wer kennt allein davon alles, und erst den Rest?



Für mich persönlich (und das ist etwas was ich hier gerne öfter hören würde )

Klaus, dieses "IMHO/mich persönlich" wird "meines Erachtens" auch inflationär gebraucht. Ich setzte (vielleicht ist das etwas blauäugig, wenn ich so manche Formulierung aus der einen oder anderen Kritik wiedererkenne ...) voraus, dass jeder für sich selbst spricht und nicht Strohmann/Sprachrohr einer anderen Person ist, sonst hat das Gespräch keinen Wert.

Klaus
(zu Bach Brandenburger K.)...Muss ich jetzt den Franz-J. für einen 'Nicht-Musikkenner' halten???
Du mußt nicht. Demnächst muß man, um als Wagner-Kenner zu gelten, den "Huldigungsmarsch für Ludwig II. von Bayern", "die Feen" und "das Liebesverbot" kritiklos für erstklassige Musik halten.

Es scheint leider ab und zu so, daß persönliche Präferenzen des einen von anderen fälschlich als persönliche Beleidigung aufgefasst werden, statt als Denkanstoß, sich z.B. mal darüber klar zu werden, warum man selbst dieses Werk mag (das kann schwer sein!) oder ablehnt.

'Nicht-Musikkenner' sind alle, die meinen Geschmack nicht teilen, oder?

Gruss, Franz
Hilda
Stammgast
#21 erstellt: 09. Jun 2004, 14:02
Hallo Franz,

ich empfinde die verwendung von IMHO insofern auch als etwas inflationär, als es durchaus möglich ist, seine Meinung in gutem Deutsch als solche kenntlich zu machen...

Allerdings gibt es da noch die Faulheit...

Bei der nonverbalen Kommunikation, wie sie eben in einem Forum unvermeidbar ist, sollten solche 'Redundanzen' erlaubt sein.

Ich emfinde es durchaus als einen Unterschied, ob XY sagt "Bach ist ein ganz Großer" oder "Ich halte Bach für einen ganz Großen".

Aber wie gesagt, ist vielleicht nur eine Macke von mir... So hoch brauchen wir das nicht hängen

Gruß
Klaus
op111
Moderator
#22 erstellt: 09. Jun 2004, 14:28
Klaus:
ich empfinde die verwendung von IMHO insofern auch als etwas inflationär,
...
Allerdings gibt es da noch die Faulheit...
Aber wie gesagt, ist vielleicht nur eine Macke von mir... So hoch brauchen wir das nicht hängen :D


Hallo Klaus,
ich wollte dich weder kritisieren noch es hoch hängen, es kam wohl gerade in dem Kontext zu plakativ rüber, bin ja fast deiner Meinung. Ich kann weitestgehend mit dieser Faulheit, d.h. ohne "IMHO" leben.
Wenn jemand allerdings sagt: "der Bach hat bekanntermaßen keine Ahnung von Musik gehabt", statt: "dessen Musik sagt mir nicht zu", dann denke ich auch nicht mehr an ein vergessenes "meiner Meinung nach".

Gruß, Franz


[Beitrag von op111 am 09. Jun 2004, 14:28 bearbeitet]
Hilda
Stammgast
#23 erstellt: 09. Jun 2004, 22:38
Hi Franz,

ich fühlte mich nicht kritisiert, nur unverstanden *heul*...

Gruss
Klaus
op111
Moderator
#24 erstellt: 09. Jun 2004, 23:19
Klaus:
ich fühlte mich nicht kritisiert, nur unverstanden *heul*...

dann sind wir schon 2, ich schliesse mich an, mir geht's genauso -
Gute Nacht
Franz
Hilda
Stammgast
#25 erstellt: 09. Jun 2004, 23:25
ditto
AcomA
Stammgast
#26 erstellt: 27. Feb 2005, 15:18
hallo,

ich habe mir neulich die dgg-box mit den aufnahmen des polnischen pianisten stefan askenase besorgt und mittlerweile alle 7 cds mehrfach gehört.
etwas mehr als die hälfte sind mono-aufnahmen anfang der 50er jahre. die akustik ist dafür sehr gut, räumliche plstizität. die walzer, preludes, reifen polonaisen und nocturnes sowie impromtus werden komplett gegeben. weiters u.a.: sonaten 2 und 3, ballade 3, scherzo 2 und 3, beide konzerte, rondo krakowiak, berceuse, barcarolle. dann noch 4 smetana-polkas und einige schubert-ländler und eine der späten mozart-sonaten.



der höreindruck ist überwältigend. eine derartige kantilenen-kunst am flügel trifft man sehr selten. verblüffend auch der sparsame pedalgebrauch, die enorme transparenz. ähnlich wie bei arthur rubinstein muss sein spiel damals sehr modern geklungen haben, dabei auch sparsamer gebrauch von rubati. ähnlich wie bei rubinstein und später krystian zimerman trifft er den traurig-melancholischen gehalt der polnischen melodien. für mich steht fest, stefan askenase war einer der bedeutendsten chopin-interpreten. da verwundert es nicht, das er auch einen wunderbaren mozart interpretiert.


gruß, siamak
Kreisler_jun.
Inventar
#27 erstellt: 24. Feb 2010, 17:41
Bezeichnender als einige der -euphemistisch formuliert- "kritischen" Anmerkungen weiter oben, dürfte wohl die Tatsache sein, dass dieser thread 5 Jahre brachgelegen hat (ich habe allerding nur das Komponisten-Forum durchsucht). Vielleicht lohnt es dennoch zum 200. Geburtstag sich wieder einmal mit Chopin zu befassen...

JK jr.
Mellus
Stammgast
#28 erstellt: 24. Feb 2010, 18:48
Chopins Geburtstag ist auf den 01.03. korrigiert worden, richtig?
Kreisler_jun.
Inventar
#29 erstellt: 24. Feb 2010, 19:21

Mellus schrieb:
Chopins Geburtstag ist auf den 01.03. korrigiert worden, richtig?


lt. wikipedia steht auf der Taufurkunde (die allerdings erst nach Chopins Tod gefunden wurde) 22.02.; Chopin selbst ging vom 01.03. aus.
Für das Jubiläum reicht aber das Jahr, das unstrittig ist

JK jr.
AH.
Inventar
#30 erstellt: 01. Dez 2018, 20:14
Liebe Leserinnen und Leser,

zu den populärsten Komponisten gehört zu Recht - wie ich meine - Fryderyk Chopin (1810-1849). Er ist der Romantik zugeordnet.

Seine berühmten Nocturnes spielt hier Ewa Bukojemskaja sehr ausdrucksvoll auf dem Label DUX:

https://www.jpc.de/j...nes-Buk/hnum/6324500

Die Balladen, aufgenommen mit zwei Neumann M49 (entwickelt 1949) spielt hier Gerrit Zitterbart (auf Tacet):

https://www.jpc.de/j...-Nr-1-4/hnum/6427333

Die Preludes stelle ich hier mit Ivo Pogorelich (DGG) vor:

https://www.jpc.de/j...Nr-1-24/hnum/1739213

Die beiden Klavierkonzerte hier mit Chrystian Zimmermann (DGG):

https://www.jpc.de/j...oncerto/hnum/1412694

liebe Grüße

Andreas
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