Klangunterschiede trotz identischer Frequenzgänge?

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BassMan_69
Stammgast
#1 erstellt: 01. Jun 2004, 21:51
Hallo zusammem,

bin neu hier und möchte mal ne Frage stellen, die mich seit längerem umtreibt: Wie kann es eigentlich sein, das verschiedene Geräte (z.B. Verstärker, CD-Player) in Audio-Zeitschriften (fast) immer einen perfekt linearen Frequenzgang aufweisen, sie aber doch sehr unterschiedlich klingen (sollen)? Vom Vincent-Amp SV236 z.B. wird gesagt, daß er sehr opulente Tiefbässe zaubern soll. Wenn ich mir aber den Fequenzschrieb anschaue, verstehe ich nicht, warum (linear im Baßbereich). Ich frage mich sowieso, wie aussagefähig ein solcher Frequenzschrieb ist: In den meisten Fällen ist er nicht geeignet, zwischen verschiedenen Geräten zu differenzieren. Wo ist also die Aussagekraft?

Bin mal gespannt auf die Antwort(en)!
Patrick
Stammgast
#2 erstellt: 01. Jun 2004, 22:05
Bei CD-Playern und Verstärkern können Unterschiede durch unterschiedlichen Klirrfrequenzgang oder bei Verstärkern unterschiedlichen Dämpfungsfaktor herrühren. Unterschiedliches Grundrauschen gibt es auch noch.

Bei Lautsprechern ist das ganze deutlich interessanter, da kann man sehr viele Frequenzgänge messen wenn man möchte. Guck mal bei http://www.klein-hummel.de/produkte/o300d/html/o300d_g.htm unter Messkurven.
Mit der Sammlung an Messungen sind Lautsprecher recht genau beschrieben, für eine Vorauswahl reicht es allemal. Amplitudenfrequenzgang allein bringt nicht viel.
raw
Hat sich gelöscht
#3 erstellt: 01. Jun 2004, 22:06
Hi

Die Tester sind ja keine "Maschinen" und somit haben sie auch kein immer gleichbleibendes Hörempfinden. Also meiner Meinung nach kommen diese Unterschiede durch das wechselnde Hörempfinden der Tester. Zum Beispiel hört/empfindet man (ich zumindest) subjekiv weniger Bass in einer Stresssituation.

Aber Patricks Aussage kommt auch noch hinzu!


[Beitrag von raw am 01. Jun 2004, 22:07 bearbeitet]
BassMan_69
Stammgast
#4 erstellt: 01. Jun 2004, 22:20
Hallo Patrick,

bei Lautsprechern kann ich das eher nachvollziehen. Wenn da z.B. bei 50 Hz "schluß" ist, wird die Box anders klingen als eine mit min. 80 Hz. Da differenzieren die Frequenzschriebe auch deutlich besser. Sehr gefallen würden mir übrigens Aussagen zur "Schnelligkeit" der Lautsprecher: Wie sauber schwingen die Chassis ein und aus? Das dürfte auch einen erheblichen Einfluß haben...
Bei Verstärkern zeigt Stereoplay immerhin die Klirrspektren, die m.E. mehr Aufschluß über den Klang geben als die Frequenzschriebe. Insgesamt denke ich, daß man mehr Faktoren (wie Klirr oder Dämpfung) berücksichigen müßte, wobei ich mal interessant fände, ob ein hoher/ niedriger Dämpfungsfaktor wirklich große Unterschiede macht (Voodoo?).
Epsilon
Inventar
#5 erstellt: 01. Jun 2004, 23:27
Tja, wenn die Unterschiede im Frequenzgang bei CD-Playern und Verstärkern doch eher gering sind, frage ich mich, ob man das überhaupt hört... angesichts des relativ grossen Unterschieds bei Lautsprechern und dem Einfluss der Raumakustik (und des eigenen Gehörs).


Gruss Karsten
RealHendrik
Inventar
#6 erstellt: 01. Jun 2004, 23:41
Den "Unterschied" im Frequenzgang ist mitunter gar nicht zu hören. Der Unterschied ist von allen Faktoren bestimmt. Insofern genügt es eben nicht, NUR den Frequenzgang zur Bewertung (oder noch schlimmer: zum Vergleich) von irgendwelchen Geräten heranzuziehen. Ausserdem muss man technische Daten auch richtig interpretieren (!) können...

Gruss,

Hendrik
Kurt_M
Stammgast
#7 erstellt: 02. Jun 2004, 00:15
wichtig ist auch der Klirrfaktor. Auch wenn dieser meist sehr gering ist, so können leichte Oberwellen das Klangbild beeinflussen, und wir reden ja nur über minimale Unterschiede.

Bei Verstärkern kommt es auch drauf an, wie gut sie mit den krummen Impedanzen der Lautsprecher fertig werden. Ist ein schwaches Netzteil mit kleinen Kondensatoren drin, oder ein kräftiges usw...

Da kommen schon viele Faktoren zusammen.

Gruß
Kurt
Patrick
Stammgast
#8 erstellt: 02. Jun 2004, 00:18
Außerdem haben die Verstärker verschiedene Gehäuse, das könnte sich Raumakustisch bemerkbar machen
jaywalker
Stammgast
#9 erstellt: 02. Jun 2004, 08:49

Sehr gefallen würden mir übrigens Aussagen zur "Schnelligkeit" der Lautsprecher: Wie sauber schwingen die Chassis ein und aus? Das dürfte auch einen erheblichen Einfluß haben...


Dafür gibt es diese Zerfallspektren (Wasserfalldiagramm). Das zeigt zumindest das Ausschwingverhalten.
Wie man Aussagen über das Einschwingverhalten machen kann, weiß ich nicht. Hängt das nicht auch von der vorhandenen Verstärkerleistung ab?

Grüße
Heiner
PPM
Stammgast
#10 erstellt: 02. Jun 2004, 08:58


Sehr gefallen würden mir übrigens Aussagen zur "Schnelligkeit" der Lautsprecher: Wie sauber schwingen die Chassis ein und aus? Das dürfte auch einen erheblichen Einfluß haben...


Dafür gibt es diese Zerfallspektren (Wasserfalldiagramm). Das zeigt zumindest das Ausschwingverhalten.
Wie man Aussagen über das Einschwingverhalten machen kann, weiß ich nicht. Hängt das nicht auch von der vorhandenen Verstärkerleistung ab?

Grüße
Heiner


Hallo,

auch das Ein- und Ausschwingverhalten über der Zeit von Lautsprechern kann man graphisch sichtbar machen. Dabei sieht man oft sehr schön den Zeitversatz zwischen den einzelnen Chassis: eine Linie mit mehr oder weniger steilen Zacken (je nachdem wie viele Chassis) und anschließender "Rutsche" (das wäre der Ausschwingvorgang).
Die Wasserfalldiagramme würden auch den Einschwingvorgang verdeutlichen, wenn man sie zeitlich genug "streckt" und "von hinten" schaut.

Gruß
BassMan_69
Stammgast
#11 erstellt: 02. Jun 2004, 09:02
Also erstmal vielen Dank für die ganzen Antworten. Klar ist, daß es nicht nur "den einen" Faktor gibt, welcher Klangunterschiede ausmacht oder wiedergibt. Klar wurde auch aus den Antworten, daß die Unterschiede viel geringer sind, als ich das angenommen hätte, und das subjektive Faktoren eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Nur eins (@Hendrik) habe ich nicht verstanden: Wie interpretiere ich 2 Frequenzschriebe "richtig", wenn beide linear sind, und vom einen Verstärker behauptet wird, er klinge "eher hell", und vom anderen, er "erzeuge gewaltige Tiefbässe"? Da scheinen mir im Übrigen die Unterschiede entweder doch größer zu sein als angenommen, oder sie werden etwas aufgebauscht.
PPM
Stammgast
#12 erstellt: 02. Jun 2004, 09:23
Lieber Bassman,

der Klang eines Verstärkers erklärt sich nicht nur aus dem Frequenzgang, sondern auch aus anderen Dimensionen: Dynamik, Impulsschnelligkeit, Feinauflösung u.a., um mal nur einige Begriffe in den Raum zu werfen. Das Klangverhalten in diesen Dimensionen kann natürlich nicht im Frequenzgang beschrieben werden.
Zum Dämpfungsfaktor kann gesagt werden, daß er durchaus einen Einfluß auf den Frequenzgang des gesamten Musikwiedergabesystems haben kann.

Gruß
BassMan_69
Stammgast
#13 erstellt: 02. Jun 2004, 09:45
Hi Patrick,
wie ich schon geschrieben hatte: klar beeinflussen _viele_ Faktoren den Klang. Klar wird aber auch immer mehr, daß Frequenzgänge nur eine sehr begrenzte Aussagekraft haben (abgesehen von Lautsprechern). IMHO könnte man sie eigentlich für Elektronik komplett aus den Testzeitschriften streichen.

Gruß,

Christian
PPM
Stammgast
#14 erstellt: 02. Jun 2004, 10:05
...und sie durch Messungen ersetzen, die wesentlich mehr Aussagekraft haben, da gebe ich Dir recht.
Nur, die Zeitschriften unterstreichen mit der Veröffentlichung von Frequenzgängen ihren "pseudo"seriösen Anspruch: "Seht her, wir hören nicht nur, wir messen auch!"
Und sie kommen damit einem Wunsch der meisten Leser nach.
Ein schön gerader Frequenzgang ist auch wesentlich verkaufsfördernder als andere evtl. häßliche Messungen.
Aber das ist ein ganz anderes Thema.
RealHendrik
Inventar
#15 erstellt: 02. Jun 2004, 17:56
Oje... linearer Frequenzgang und "Klangcharakter"... wie gesagt: der Frequenzgang ist nicht das allein seligmachende Diagramm. Ausserdem sind solche Adjektive wie "tiefbassgewaltig" oder "hell" zum einen subjektiv, zum anderen journalistisch aufgebauscht.

Ich versuche es mal beispielhaft auszudrücken, vielleicht wird es dann etwas deutlicher: Nehmen wir an, zwei unterschiedliche Verstärker haben absolut linearen Frequenzgang. Der eine hat aber ein eher zurückhaltend dimensioniertes Netzteil, der andere kann aus riesigen Elkobatterien Stromreserven ohne Ende schöpfen. Nun steuern wir diese beiden "ultralinearen" Verstärker in etwa gleich aus und beschicken sie mit bassstarkem Musiksignal. Der eine (schwächer dimensionierte) zieht Strom aus den Elkos, die er kaum noch liefern kann. Dabei bricht zum einen die Betriebsspannung etwas ein und der Klang wird insbesondere im Bass vernachlässigt. Dass dabei noch andere Effekte wie erhöhter Klirrfaktor, möglicherweise auch "Kompressionseffekte" u.ä. entstehen, spielen da auch eine Rolle.

Jetzt nehmen wir den anderen Verstärker, der bei gleicher Aussteuerung noch immer über "Headroom" verfügt, um ggf. noch mehr Strom zu ziehen. Natürlich spielt er wesentlich souveräner (gern benutzt von der Audio-Journaille) und klingt dann "tiefbassgewaltiger".

Ich hoffe, dass dieses Beispiel die Sache etwas erhellt hat...

Gruss,

Hendrik
BassMan_69
Stammgast
#16 erstellt: 03. Jun 2004, 15:43
Hi Hendrik,
OK, das Beispiel leuchtet mir ein. Ich habe ja auch nie behauptet, daß die Frequenzgänge der einzig seeligmachende Indikator sind. Vielmehr habe ich die Validität angezweifelt (wie Du das ja auch tust). Vielleicht wäre folgendes Szenario etwas praxisnäher, auch wenn klar ist, daß es ebenfalls viele Schwächen hat:
Man benutzt immer je 1 Musikstück pro Stilrichtung (Jazz, Pop, Klassik), spielt sie über eine gleichbeleibende Kette ab, variiert nur das zu testende Teil und schreibt dann ein Frequenzhistogramm. Das ganze am besten in einem schalltoten Raum mit immer der selben Lautstärke. Wenn alle Komponenten der Kette gleich bleiben ist der Unterschied in den Frequenzschrieben auf die zu testende Komponente zurückzuführen. Mit einem ähnlichen Verfahren wurden ja auch auf den Stereoplay-Test-CDs Unterschiede zwischen Komponenten (z.B. Tonabmehmer) dargestellt.

Klar kann man sich jetzt über die Auswahl jeder einzelnen Komponente und des/ der Musikstücke streiten. Die Aussagekraft wäre m.E. aber um ein vielfaches höher als die eines einfachen frequenzgang-Diagramms.

gruß,
Christian
RealHendrik
Inventar
#17 erstellt: 03. Jun 2004, 16:12
Treffer! Ein Frequenzgangschrieb sagt nur über den absoluten Wert eines Geräts etwas aus (wenn DER schon verbogen ist, gehört das Ding auf den Schrottplatz der Geschichte), nicht jedoch relativ zu anderen Teilen. Die Validität kann da schon angezweifelt werden...

Andererseits muss man technische Werte auch richtig interpretieren können. Mit der genügenden Erfahrung kann man aus bestimmten Eigenschaften schon ein bisschen auf das zu erwartende Hörergebnis schliessen. Im Falle "Frequenzgang" träfe das aber eher auf Lautsprecher denn auf andere Komponenten zu...

Ob allerdings Frequenzhistogramme von verschiedenen Musikstücken (ist auf diese Idee eigentlich schon mal jemand gekommen?) ein gutes Mittel ist, um Vergleiche anzustellen, wage ich da aber ebenso zu bezweifeln.

Gruss,

Hendrik
BassMan_69
Stammgast
#18 erstellt: 03. Jun 2004, 16:23

Andererseits muss man technische Werte auch richtig interpretieren können. Mit der genügenden Erfahrung kann man aus bestimmten Eigenschaften schon ein bisschen auf das zu erwartende Hörergebnis schliessen. Im Falle "Frequenzgang" träfe das aber eher auf Lautsprecher denn auf andere Komponenten zu...


Dann sind wir ja einer Meinung!



Ob allerdings Frequenzhistogramme von verschiedenen Musikstücken (ist auf diese Idee eigentlich schon mal jemand gekommen?) ein gutes Mittel ist, um Vergleiche anzustellen, wage ich da aber ebenso zu bezweifeln.


Keine Ahnung, ob jemand anders schon auf geanu diese Idee gekommen ist. Die Stereoplay-Leute haben, wie schon gesagt, so was ähnliches gemacht, und haben Klangunterschiede sehr gut hörbar gemacht. Ich glaube jedenfalls, daß man mit einem solchen Verfahren mehr Variation erhielte als bei den linearen Frequenzgängen (wo auch mit viel Erfahrung IMHO nichts zu interpretieren ist: Wo keine Variation ist, da kann ich auch nicht auf Unterschiede in den abhängigen Variablen (hier: der Klang) schließen).

Gruß,

Christian
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