Sweetspotologie

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zombywoof
Hat sich gelöscht
#1 erstellt: 01. Sep 2006, 13:26
Hallo Gemeinde,
vorweg: ich bin technischer Laie und bitte bei hifitechnischen-Logikkurzschlüssen meinerseits um Nachsicht und Berichtigung.
Zum Thema finde ich, daß moderne Lautsprecher doch ganz entzückend klingen können. Was mich oft stört, ist der mickrige Sweetspot, der auch bei meiner Anlage nur für eine Person ausreicht.
Meine Fragen sind:
-Lautsprecher: Gibt es konstruktionsbedingte Unterschiede (Kalotte, Horn,...) der LS bezüglich des süßen Punktes? Oder ist er ein Produkt der Gesamtabstimmung des LSs?
Kann man vom Bauprinzip der LS (wieviele Chassis/Wege, Frequenzweiche) Rückschlüsse ziehen?
-Stimmt es zb, daß man bei Biegewellen à la MBL überall im Sweetspot ist?
-Komponenten: Ist der Sweetspot nur vom Quellmaterial und den Lautsprechern abhängig oder spielt da auch die Elektronik eine Rolle?
Aufstellungstechnisch: Gibt es Regeln zur Aufstellung um einen möglichst großen Sweetspot zu erhalten, oder kann man mit Tuning der Raumakustik noch ein paar quadrat-cm mehr rausholen? Handelt man sich damit dann evtl andere Nachteile, zB schlechtere Ortbarkeit, ein?

Hoffe es ist halbwegs verständlich um was es mir geht.
Ich danke für die Beachtung aller Sicherheitsmaßnahmen!
MusikGurke
Hat sich gelöscht
#2 erstellt: 01. Sep 2006, 16:43

Gibt es konstruktionsbedingte Unterschiede (Kalotte, Horn,...) der LS bezüglich des süßen Punktes


ja. nein.

lautsprecher die stark bündeln, werfen den hauptteil ihres schalls richtung sweet spots. der raum wird relativ wenig mit einbezogen, daher überwiegen die nachhallaufname von der cd.

bei recht breit strahlenden lautsprechern (dipol-lautsprechern im heimkinobereich, Vollbereichselektrostaten wie z.b. martin logan oder den genannten MBL) wird der raum sehr viel stärker mit einbezogen. das bedeutet, dass die hallinformationen vom raum überdeckt werden.

diese "hallsauce" führt zu einer gewissen "luftigkeit", welche jedoch stark künstlich ist (einige stehen drauf) und pumt die bühne in einigen räumen auf eine enorme größe auf.

einige hersteller wie z.b. bose werben damit, dass man mit ihren sehr breit strahlenden lautsprechern überall musik hören kann. je nach kundenwünschen kann das durchaus in die kaufüberlegung mit einbezogen werden, wobei ich garantier keine empfehlung für bose im speziellen ausgeben möchte.


Kann man vom Bauprinzip der LS (wieviele Chassis/Wege, Frequenzweiche) Rückschlüsse ziehen?


hochtöner: horngeladen, waveguide oder direkt auf der schallwand - für enge abstrahlung

dipol (meist durch mehrere hoch/mitteltöner realisiert) für breite abstrahlung.


Stimmt es zb, daß man bei Biegewellen à la MBL überall im Sweetspot ist?


ich würde es eher so ausdrücken, dass es keinen sweetspot gibt. aber auf irgendeine form kann man die frage sicherlich mit ja beantworten.


Komponenten: Ist der Sweetspot nur vom Quellmaterial und den Lautsprechern abhängig oder spielt da auch die Elektronik eine Rolle?


lautsprecherabstrahlverhalten
aufstellung
raumakkustik


Aufstellungstechnisch: Gibt es Regeln zur Aufstellung um einen möglichst großen Sweetspot zu erhalten


bei dipolen wird gelegentlich empfohlen, die teile richtung decke/rückwand auszurichten. wenn du eine nicht zu stark absorbierende wand hast, könnte das auch mit normalen lautsprechern einen ähnlichen effekt haben.
wobei ich die vorstellung das mit normalen standlautsprechern zu tun etwas merkwürdig finde.

man könnte ebenfalls versuchen, die lautsprecher etwas weiter auseinanderzustellen.

oder etwas weiter nach hinten zu setzen.


Handelt man sich damit dann evtl andere Nachteile, zB schlechtere Ortbarkeit, ein?


wenn du z.b. mit dipolen hörst, gehen die auf der aufnahme gespeicherten "ortungsinformationen" so gut wie verloren. als entschädigung gibts natürlich ne schöne, große, luftige bühnenabbildung.

meine lautsprecher stehen gut 2 bis 2,5 meter auseinander, etwa 2 meter davor steht die couch, groß genug für 3 leute. für filme reicht das eigentlich problemlos, wenn ich alleine bin, höre ich jedoch trotzdem lieber in der mitte des sofas.

ok, vermutlich auch, weil der rest des sofas meterhoch mit irgendwelchen mathebüchern und bierflaschen bedeckt ist.
richi44
Hat sich gelöscht
#3 erstellt: 03. Sep 2006, 12:29
Was ganz links oder ganz rechts geschieht, ist an fast jedem Punkt des Raums feststellbar.
Bei üblicher Intensitätsstereofonie ist aber das, was genau im Zentrum geschieht nur dann als solches feststellbar, wenn der Schalldruck beider Lautsprecher gleich gross ist und keine Laufzeitunterschiede entstehen.
Es ist unter diesem Gesichtspunkt egal, ob die Lautsprecher enger oder weiter strahlen. Sobald Pegelunterschiede von grösser 1dB entstehen oder Laufzeitunterschiede von grösser 200 Mikrosekunden, so wandert das Klangbild aus der Mitte. DAS ist der springende Punkt.
Eine Abhilfe wäre eine andere Aufnahmekonstellation, etwa AB-Stereo oder ORTF oder OSS. Nur sind diese Aufnahmen nicht mono-kompatibel und können bei Wiedergabe über Dolby Prologic eine falsche Räumlichkeit produzieren, die nicht in der Aufnahme vorhanden ist.

Die breite Abstrahlung ermöglicht einzig, dass ausserhalb der optimalen Hörzone ein mehr oder weniger ausgeglichener Frequenzgang möglich ist (bei der ersten Wellenfront), was bei stark bündelnden Lautsprechern nicht der Fall ist. Oder anders gesagt: Wenn die Wohnzimmerlautsprecher nicht zu stark bündeln, kann man auf das Küchenradio verzichten.
Vul_Kuolun
Inventar
#4 erstellt: 03. Sep 2006, 18:42
Hallo,

gestatten, ich bin bekennender Hallsoßenfetischist.

Die "normale", "trockene" Abbildung von direkttrahlenden LS spricht mich mitlerweile überhaupt nicht mehr an.

Klar, die Ortung wird natürlich unpräziser mit Dipolen, aber es ist (zumindest bei mir)nicht so, daß die Instrumente von "irgendwo" kommen, und keine Ortung möglich wäre. Ist aber alles halt etwas (deutlich) diffuser als sonst.

Auch so Sachen wie ob der Sänger vom Produzenten hallmäßig in ne Kirche oder nem gekachelten Badezimmer plaziert wurde bleibt natürlich erhalten; die Details an Rauminformation, die dabei verloren gehen, stören mich persönlich nicht. Dafür hast Du ja das Gefühl der größeren Bühne.
Guter Tausch, finde ich.

Was sich ändert, ist daß Du immer das Gefühl hast, das Geschehen spielt sich zwischen den LS ab statt in dem LS, dem Du am nächsten sitzt.

Das Hallsoßenklangbild (ob jetzt von Flächenstrahlern, Biegewellenwandlern (wobei ich noch keinen gehört habe) oder "normalen" Dipolen) kann denke ich was enorm faszinierendes und angenehmes haben, wenn es das ist was man sucht.


[Beitrag von Vul_Kuolun am 03. Sep 2006, 18:50 bearbeitet]
zombywoof
Hat sich gelöscht
#5 erstellt: 04. Sep 2006, 09:52
Hallo,
erstmal vielen Dank für die "Aufklärung"

@richi44:
Eine Abhilfe wäre eine andere Aufnahmekonstellation, etwa AB-Stereo oder ORTF oder OSS. Nur sind diese Aufnahmen nicht mono-kompatibel und können bei Wiedergabe über Dolby Prologic eine falsche Räumlichkeit produzieren, die nicht in der Aufnahme vorhanden ist.

Diese Sätze verstehe ich nicht, da ich nicht weiß was "ORTF" und "OSS" ist. Erhellst du mich?

@Vol Kuolun: Verstehe ich das richtig, daß deine Front-LS Dipole sind?
Was sich ändert, ist daß Du immer das Gefühl hast, das Geschehen spielt sich zwischen den LS ab statt in dem LS, dem Du am nächsten sitzt.
Das hängt bei meinen Direktstrahlern allein vom Quellmaterial ab, ob die Musik an der Kiste "klebt" oder flockig im Raum schwebt. Ist dieser Effekt bei Dipolen nicht mehr so ausgeprägt?
richi44
Hat sich gelöscht
#6 erstellt: 04. Sep 2006, 13:34
Üblich ist XY-Stereofonie. Da sind die beiden Mikrofonkanäle genau übereinander, aber die Mikrofone schauen in verschiedene Richtungen.
Bei AB sind die Mikrofone weit auseinander aufgestellt, eventuell mehrere Meter.
BeiOSS und ORTF sind die Mikrofone in einem Abstand von ca 16cm (Ohrabstand) angebracht, wobei sie bei ORTF leicht nach aussen gerichtet sind, während bei OSS eine 30cm Scheibe dazwischen die Kanaltrennung ergibt.

Bei seitlich versetzten Instrumenten ergibt XY nur einen Lautstärkeunterschied (Intensität), AB in erster Linie eine Laufzeitdifferenz und ORTF wie OSS eine leichte Laufzeit und einen unterschiedlichen Pegel. OSS führt zudem zu einem unterschiedlichen Frequenzgang durch die Abschattung, die nicht frequenzlinear ist.
Vul_Kuolun
Inventar
#7 erstellt: 04. Sep 2006, 19:22

Das hängt bei meinen Direktstrahlern allein vom Quellmaterial ab, ob die Musik an der Kiste "klebt" oder flockig im Raum schwebt. Ist dieser Effekt bei Dipolen nicht mehr so ausgeprägt?



So ist es. Vor allem "schwebt" die Abbildung ja bei normalen LS oft nur dann, wenn man eben im Sweetspot sitzt; sitzt man einem LS näher als dem anderen passierts schnell, daß man nur noch den näheren LS wahrnimmt. Zumindest gehts mir so.
Mit den Dipolen schwebt quasi alles. Immer.

Ja, die Dipole sind meine Stereo-LS. Mag erstmal komisch anmuten, aber wenn man bedenkt daß die ganzen Magnepans, Martin Logans und MBL´s einen guten Teil ihres faszinierenden Klangbildes aus dem Dipoleffekt beziehen, ists eine gute Möglichkeit zu eben diesem Ergebnis zu kommen.

Unten in meiner Signatur ist ein Link, wo ich mal ne Lobhudelei über meine Hallsoßenwerfer verfasst hab. Würd ich auch heute noch zu 99% so unterschreiben. Kuckst mal.


@richi44: Was bedeuten denn die Abkürzungen "ORTF" und "OSS" ausgeschrieben?


[Beitrag von Vul_Kuolun am 04. Sep 2006, 20:21 bearbeitet]
Hyperlink
Inventar
#8 erstellt: 04. Sep 2006, 20:11

Vul_Kuolun schrieb:
Ja, die Dipole sind meine Stereo-LS. Mag erstmal komisch anmuten, aber wenn man bedenkt daß die ganzen Magnepans, Martin Logans und MBL´s einen guten Teil ihres faszinierenden Klangbildes aus dem Diploeffekt beziehen, ists eine gute Möglichkeit zu eben diesem Ergebnis zu kommen.


Es gab in den 80ern auch noch andere Entwicklungen/Patente die sich mit Sweetspotologie beschäftigt haben.

Eine davon war von Peter Pfleiderer.

Er hat einen Vollbereichs-Lautsprecher hergenommen und ihn in ein kurzes Backloaded-Horn (2 Faltungen IMHO) eingebaut. Der Hornverlauf diente aber nicht wie üblich der "akustischen Transformation" sondern, strahlte den rückwärtigen Schall zeitverzögert nach oben über die Decke ab.

In seinem bereits seit den 1990ern ausverkauften Buch "Hifi auf den Punkt gebracht" gibt es IMHO sogar Skizzen dazu.

Ich hab vor einigen Jahren mal mit diesem Prinzip herumexperimentiert und hinter meine Lautsprechern (vom Sitzplatz aus verdeckt) zwei Vollbereichs-LS gelegt und nach oben über die Decke laufzeitverzögert abstrahlen lassen.

Der Effekt hängt aber stark davon ab, wie groß der Lautstärkeunterschied ist und wie stark man die Laufzeit des zusätzlich eingespielten Signals verzögert.

Am besten funktioniert das Prinzip aber noch mit meinem STAX, wenn ich mit einigen Metern Entfernung leise die Lautsprecher mitlaufen lasse. Dann habe ich durch die offene Bauweise des Labda Sig. fast immer eine eine konstante "Außer Kopf Lokalisation" (AKL). Bei geringer Lautstärke kommt es auch kaum zu nennenswerten Verfärbungen, weil sich dominant der angehme Klang des STAX "in den Vordergrund" spielt und die zusätzliche Räumlichkeit und Ortung eigentlich als ganz angenehm empfunden wird.

Manchen meiner Freunde (sind durchaus auch Hifi-Interessierte darunter) haben die Ergebnisse dieser Experimente mit dem "Pfleiderer-Prinzip" sogar besser gefallen als der Aufbau mit einer gewöhnlichen Stereo-Installation.

Ich bin allerdings nie dazu gekommen, die Experimente weiterzuverfolgen, um zB die manchmal auffälligen Verfärbungen durch einen dazwischen geschalteten EQ an den rückwärtigen LS besser unter Kontrolle zu bringen.

Gruß


[Beitrag von Hyperlink am 04. Sep 2006, 20:15 bearbeitet]
Vul_Kuolun
Inventar
#9 erstellt: 04. Sep 2006, 20:19
Ist ja interessant.

Braucht das Signal, daß zu deinen Staxen aus den Boxen kommt auch eine Verzögerung?
Hyperlink
Inventar
#10 erstellt: 04. Sep 2006, 20:51
Jupp

den kannst Du aber notfalls auch durch einen möglichst großen Abstand zu den lautsprechern "generieren". Es funktioniert übrigens auch mit allen anderen Earspeakern offener Bauart, man braucht dafür nun wirklich keinen STAX anschaffen.

Alle 0,343m Abstand (ergibt sich aus der Schallgeschw.) verzögert sich das Signal um etwa 1ms, ab etwa 10ms wird das "zusätzliche Signal" IMHO nicht mehr als frühe Reflexion vom Gehör gewertet, sondern als "Rauminformation". Ein Abstand von größer 3 Metern klingt schon recht angenehm.

Kleiner Nachtrag zu obiger Geschichte mit den LS:
Es gab übrigens auch (keine Ahnung wann und wie) Dipol-Experimente mit rückwärtig angebrachten Hoch/Mitteltönern (ohne Verzögerung), aber die führen zu störenden "frühen Reflexionen" (ähnlich falsch aufgestellten Elektrostaten), sowas führt aber zu gegenteiligen Effekten und starken Fehlortungen. Je mehr Laufzeit ein Signal nach oben abgestrahlt über die Decke bis zum Hörer zurücklegt, umso besser.

Mit einer digitalen Verzögerung (>10ms bis etwa 60ms) funktionieren aber auch rückwärtig angebrachte zusätzliche HT/MT und tragen positiv zur Ortbarkeit bei.


[Beitrag von Hyperlink am 04. Sep 2006, 20:54 bearbeitet]
Vul_Kuolun
Inventar
#11 erstellt: 05. Sep 2006, 01:09

Es gab übrigens auch (keine Ahnung wann und wie) Dipol-Experimente mit rückwärtig angebrachten Hoch/Mitteltönern (ohne Verzögerung), aber die führen zu störenden "frühen Reflexionen" (ähnlich falsch aufgestellten Elektrostaten), sowas führt aber zu gegenteiligen Effekten und starken Fehlortungen.



Wobei das genau das Prinzip ist, nach dem i.d.R. Surround-Dipole arbeiten, oder?
Oder kann man eine so starke Verzögerung analog (auf der Frequenzweiche) erreichen?

Von "starken Fehlortungen" und "gegenteiligen Effekten" (erhöhte Ortbarbeit des einzelnen Lautsprechers?) hab ich noch nichts bemerkt. Ausser der diffuseren Abbildung halt. Oder meinst Du das mit "Fehlortungen"?


[Beitrag von Vul_Kuolun am 05. Sep 2006, 01:11 bearbeitet]
richi44
Hat sich gelöscht
#12 erstellt: 05. Sep 2006, 07:48

Vul_Kuolun schrieb:

Es gab übrigens auch (keine Ahnung wann und wie) Dipol-Experimente mit rückwärtig angebrachten Hoch/Mitteltönern (ohne Verzögerung), aber die führen zu störenden "frühen Reflexionen" (ähnlich falsch aufgestellten Elektrostaten), sowas führt aber zu gegenteiligen Effekten und starken Fehlortungen.



Wobei das genau das Prinzip ist, nach dem i.d.R. Surround-Dipole arbeiten, oder?
Oder kann man eine so starke Verzögerung analog (auf der Frequenzweiche) erreichen?

Von "starken Fehlortungen" und "gegenteiligen Effekten" (erhöhte Ortbarbeit des einzelnen Lautsprechers?) hab ich noch nichts bemerkt. Ausser der diffuseren Abbildung halt. Oder meinst Du das mit "Fehlortungen"?


Zuerst noch die ausstehende Antwort: ORTF ist der französische Rundfunk, der diese Mikrofonanordnung erfunden hat, OSS bedeutet optimales Stereosystem und ist eine Erfindung des Schweizer Tonmeisters Jürg Jecklin.

Wenn zwei gleich laute Signale mit unterschiedlicher Laufzeit aus verschiedenen Richtungen eintreffen, wird das frühere Signal als Richtung erkannt. Ist die Laufzeitdifferenz sehr klein, wird die Richtung gegen Null verschoben und bei gleichzeitigem Signal wird das Signal zwischen die beiden Schallquellen gelegt. Das ist einmal das Prinzip der Vor-Rückortung bei Surroundsystemen (Dolby Prologic). Hier wird durch die Verzögerung des Rückschalls das Signal so lange von vorne geortet, als die vorderen Lautsprecher lauter sind. Ein Rücksignal entsteht erst, wenn die vorderen Lautsprecher fast stumm sind.
Dieses Prinzip wird aber auch bei all den von mir genannten Laufzeit-Stereoverfahren angewendet.
Wenn nun absichtlich mit Verzögerungen gearbeitet wird, kann bei normalen (XY-Stereo) Signalen ohne Laufzeit-Ortung eine zusätzliche Räumlichkeit möglich werden, ohne dass die Ortung hörbar verschlechtert wird, es tritt aber auch keine effektive verbesserte Ortungsschärfe auf, auch wenn bisweilen dieser Eindruck entstehen mag.
Sobald ein Laufzeit-Stereoverfahren zur Anwendung kommt, führen zusätzliche Laufzeiten zu Fehlortungen.

Der Einsatz von Dipolstrahlern kann daher problematisch sein, wenn die Reflexion relativ stark ist und somit ein starkes, verzögertes Signal im Raum entsteht. Ob die Wiedergabe dann angenehm ist oder eher verfälscht wirkt, hängt von der Aufnahmekonstellation ab. Demgegenüber ist eine Wiedergabe über normale Lautsprecher weniger abhängig von der Aufnahmetechnik.

Eine Verzögerung mit der Lautsprecherweiche ist nicht möglich. Wenn elektronisch Verzögerungen nachgebildet werden, so geschieht dies in der Praxis in sehr kurzen Zeiträumen von einigen Mikrosekunden,was akustisch absolut belanglos ist. Längere Verzögerungen sind analog nicht wirklich zu machen.
Was gemacht wird ist das Nachbilden der Phasendifferenz zweier Signale mit unterschiedlicher Laufzeit. Bei einem Sinus kann man durch diese frequenzabhängigen Phasendrehungen die Schalllaufzeit unterschiedlich montierter Lautsprecher nachbilden und entsprechend ausgleichen. Ein Impuls wird aber durch diesen Trick nur verfälscht und entsteht zeitgleich am "verzögerten" und "unverzögerten" Lautsprecher, da ja nur die Phasendifferenz im eingeschwungenen Zustand nachgebildet werden kann und nicht eine Verzögerung entsteht.
zombywoof
Hat sich gelöscht
#13 erstellt: 05. Sep 2006, 11:17
Sehr aufschlußreich! Man sollte doch öfters die ausgetretenen Pfade verlassen und etwas experimentieren. Ich werde zB einfach mal meine Fronts drehen und gegen die Wand spielen lassen. Mal hören was da noch zurückkommt... Fazit für mich: Erlaubt ist (mal wieder) was gefällt.
Hyperlink
Inventar
#14 erstellt: 05. Sep 2006, 16:01

Vul_Kuolun schrieb:
Wobei das genau das Prinzip ist, nach dem i.d.R. Surround-Dipole arbeiten, oder? Oder kann man eine so starke Verzögerung analog (auf der Frequenzweiche) erreichen?


"Analog" oder gar über die Frequenzweiche kann man keine ausreichenden Verzögerungen erreichen, die bleiben in ihrer verzögerten Laufzeit alle unter 10ms, werden also als störende "frühe Reflexionen" eingeordnet, erzeugen bei falscher Aufstellung (zb bei zu geringem Wandabstand) "eine breiige und diffuse Räumlichkeit".

Man müsste halt bei den "richtigen Dipolen" den nach hinten abgestrahlten Schall zeitverzögern und über einen EQ laufen lassen, damit man über die 10ms kommt.


Vul_Kuolun schrieb:
Von "starken Fehlortungen" und "gegenteiligen Effekten" (erhöhte Ortbarbeit des einzelnen Lautsprechers?) hab ich noch nichts bemerkt. Ausser der diffuseren Abbildung halt. Oder meinst Du das mit "Fehlortungen"?


Ich denke mal, Fehlortungen, Klangmatsch, Surroundbrei und Hallsosse meinen so ziemlich alle das gleiche, nämlich eine "diffuse und ungenaue Abbildung".

Gruss

EDIT
Nachtrag:

Das Pfleiderer-Patent sah im Schema (aus der Erinnerung) übrigens so aus:



als editierfähige SVG-Datei

Bei meinen Experimenten habe ich als Quelle einen PC mit einer Creative Labs Soundkerte Live! benutzt, den Direktschall über Front L+R laufen lassen und die Breitbänder/PC-Lautsprecher hinter den Standboxen mit dem Rear-Kanal RL+RR meist um 20ms verzögert angesteuert. Die Lautstärke der "Indirektstrahler" gegenüber dem Direktschall sollte relativ moderat gewählt werden, war also schätzungsweise eher ein 25%-33% der Lautstärke des Direktschalls. Eine geschätzte Übertragungsbandbreite für die Indirektstrahler als Bandpass von 200-3000Hz reicht sicher völlig für solche Zwecke. Bässe sollte das Ding nicht machen müssen und richtige Höhen schluckt ohnehin der Raum.

Die Delays und EQs auf den Rear-Kanälen habe ich mir in den KX-Treibern zusammengepfriemelt. Mit den EQ habe ich recht gut die Verfärbungen im Klang bekommen.

Folgender Aufbau müsste eigentlich gute Ergebnisse erzielen können:



[Beitrag von Hyperlink am 05. Sep 2006, 17:11 bearbeitet]
Hyperlink
Inventar
#15 erstellt: 05. Sep 2006, 18:33

zombywoof schrieb:
Sehr aufschlußreich! Man sollte doch öfters die ausgetretenen Pfade verlassen und etwas experimentieren. Ich werde zB einfach mal meine Fronts drehen und gegen die Wand spielen lassen.


Das bringts nicht so sehr, hab ich schon mal ausprobiert.

Aber Du kannst die Boxen ja mal auf einen kleinen Tisch (Höhe 80-90cm legen und nach oben und vorn abstrahlen lassen.



Je kleiner der Winkel zur horizontalen Tischplatte, je größer der Anteil des Indirektschalls, gerade in hohen Räumen ergeben sich dadurch eine interessante Räumlichkeit, aber leider auch starke Verfärbungen.

Je größer der Winkel, desto höher der Direktschallanteil, desto kleiner die Verfärbungen im Klangbild aber auch die Räumlichkeit nimmt ab, die Ortungsschärfe von Instrumenten nimmt zu.


[Beitrag von Hyperlink am 05. Sep 2006, 18:35 bearbeitet]
richi44
Hat sich gelöscht
#16 erstellt: 06. Sep 2006, 07:32

Je größer der Winkel, desto höher der Direktschallanteil, desto kleiner die Verfärbungen im Klangbild aber auch die Räumlichkeit nimmt ab, die Ortungsschärfe von Instrumenten nimmt zu.


Das ist genau das Problem solcher Massnahmen. Bei der Musikproduktion wird versucht, am Abhörpunkt möglichst wenig Reflexionsschall zu bekommen, um die Verfärbungen gering zu halten. Und dabei ist ein Regieraum so weit als möglich akustisch optimiert.
Die Musikproduktion wird damit abgehört und mit Hall, EQ und all dem Zeug so bearbeitet, dass es den Musikern gefällt, schliesslich steht ihr Name auf der Platte.

Wenn wir nun hergehen und den (ohnehin schlechten) Raum in die Wiedergabe einbeziehen und auf grund der relativ geringen Abmessungen hauptsächlich frühe Reflexionen produzieren, so ist das aus Sicht der Musiker kontraproduktiv.

Natürlich muss UNS die Musik gefallen. Aber wenn ich ein Stück von Mozart hören will, so ist mir die autentische Wiedergabe lieber als etwas "aufgesetztes" von Rondo Veneziano.
Ich will damit sagen, dass man diese Experimente machen soll (das hat vermutlich jeder schon mal gemacht oder es steht ihm noch bevor), dabei aber die Wiedergabe im Sinne der Künstler nicht ganz aus den Augen verlieren sollte.
In dieses Kapitel gehört auch die generelle Lautsprecherwahl. Ich hatte früher im Geschäft (vor 25 Jahren, Hifi-Studio) die Möglichkeit, verschiedene Lautsprecher zu vergleichen und sie auch gleichzeitig über verschiedene Anlagen mit der selben Musik zu betreiben. Je nach Musikstück, also Werk PLUS Aufnahme, waren andere Konstellationen angenehm. Es war ein ähnliches Experimentieren wie mit der Boxenaufstellung und den Reflexionen. Aber letztlich kam ich immer wieder auf den selben Punkt: Wenn ich wirklich konzentriert hören will, gibt es nur eine optimele, normale Aufstellung und gute Lautsprecher.
Und wenn ich nur irgendwo im Raum Musik im Hintergrund mitbekommen will, spielt es eigentlich nicht so eine grosse Rolle...
zombywoof
Hat sich gelöscht
#17 erstellt: 06. Sep 2006, 11:20
Hyperlink regte an:
Aber Du kannst die Boxen ja mal auf einen kleinen Tisch (Höhe 80-90cm legen und nach oben und vorn abstrahlen lassen.


Oha. Das wird ein kniffliges Unterfangen bei 80kg pro Box. Ich geh mal Hexenschußsalbe kaufen...
Vul_Kuolun
Inventar
#18 erstellt: 06. Sep 2006, 19:22
Ohne diesen schönen Thread in eine Verkaufsveranstaltung verwandeln zu wollen:
Bei Nubert ist grad wieder eine "Keine-Versandkosten"- Sonderaktion.
Die großen Dipole (DS 60, DS 55) klingen in meine Ohren richtig gut (wenn man Platz hat) und kosten an die 1000 Euro. Im Fall daß Du ernshafte Gedanken hegst.
Die kleinen ( DS 50)hab ich selber; ca 450 Euro. Die sollten aber nen Subwoofer dazubekommen; zum probieren wirds aber auch ohne gehen. Das Paket mit 2 Boxen ist winzig; die sind gleich wieder bei der Post.


[Beitrag von Vul_Kuolun am 06. Sep 2006, 19:23 bearbeitet]
zombywoof
Hat sich gelöscht
#19 erstellt: 07. Sep 2006, 09:21
@Vul_Kuolun:
Danke für den Hinweis. Ich bin jedoch mit den Boxen sehr zufrieden und hab meinen Platz im Sweetspot sicher. Die anderen müssen eben hören was übrig bleibt...
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