Wagner: Ring des Nibelungen

Hallo André,

DIE ultimative Aufnahme zu empfehlen ist recht schwer. Ich besaß einmal die Gesamtaufnahme von Karajan. Hier bewunderte ich vor allem die stimmlichen Qualitäten der Sänger und das sehr kompakte und klangschöne Orchesterspiel.

Später (zu meiner Sturm-und-Drangzeit) erschien dann die Bayreuther Live-Aufnahme von Boulez auf CD, die deutlich ruppiger und weniger romantisch angehaucht daherkam. Diese gefiel mir damals derart gut, dass ich mit Karajan überhaupt nichts mehr anfangen konnte und diesen abstieß. Hinzu kam, dass ein Bekannter in der Boulez-Aufnahme den Alberich sang, so dass ich auch von dieser Seite her vorbelastet war.

Vor einiger Zeit habe ich mir dann noch die Aufnahme von Solti zugelegt (gab's bzw. gibt's bei www.zweitausendeins.de recht günstig). Diese entspricht derzeit von der Sänger- und Orchesterleistung meinen Vorstellungen am ehesten. Außerdem hat das digitale Remastering den Original-Tapes sehr gut getan. Diese Aufnahme wurde auch in der Presse sehr hochgelobt und würde ich heute jedem bedenkenlos empfehlen.

Hör Dir diese Aufnahme mal im Vergleich mit anderen an.

Gruß,

Markus.

Hallo André,

Es gibt eine Reihe von empfehlenswerten Aufnahmen, wenn auch IMHO keine "Referenz". Aus tontechnischer Sicht sollte man die (musikalisch überzeugenden) Live-Aufnahmen vor 1970 allerdings links liegen lassen (das gilt insbesondere für beide Furtwängler-Ringe, aber auch die Böhm-Aufnahme ist unbefriedigend, wer auf Klang keinen Wert legt, sollte die unbedingt anschaffen!).

Von den verbleibenden Ringen überzeugt mich am meisten der unter Haitink/EMI, der mit superber Aufnahmetechnik, einem hervorragenden Orchester und erstaunlich guten Sängern aufwartet. Die anderen modernen Aufnahmen haben zumeist enttäuschende Sänger (Boulez, Barenboim) oder ein schlechtes Orchester (Levine, Neuhoff), allenfalls die Sawallisch-Aufnahme und die Karajan sind noch empfehlenswert.

Ein wirklicher Kult wird aus der Decca-Aufnahme unter Solti gemacht. Die bietet zwar eine bestmögliche Sängerbesetzung, aber die Tontechnik ist IMHO fürchterlich (Orchester wird in Pingpong-Stereo geteilt und die Sänger werden übertönt) und die Orchesterarbeit enttäuschend (Wer auf einen donnernden Todesmarsch steht, wird hier allerdings fündig).

Mein Tipp geht bei Opern allerdings generell in Richtung Video, Audioaufnahmen finde ich unbefriedigend: Auf DVD ist der Boulez/Chereau-Ring erschienen, wer ein paar sängerische Ausfälle toleriert, wird hier fündig. Die Levine-Videos/DVDs sind hingegen von der Inszenierung nicht zum Aushalten. Die beste Videoaufnahme ist definitiv die unter Sawallisch/Lehnhoff, die ist aber nicht mehr erhältlich, zuweilen auf dem Gebrauchtmarkt (gibts auch als Laserdisc, kostet aber richtig Kohle). Bei Barenboim gibt es eine sehr interessante, moderne Inszenierung (Kupfer), dafür auch einige fehlbesetzte Sänger.

Wenn Du Detailfragen hast, nur zu!

Gruß,

M.

Hallo Malte, Markus,

ich liebäugle momentan mit der Decca/Solti Aufnahme (U.a. da mir "Tannhäuser" von Solti (auch Decca) sehr gut gefällt).
Malte, kannst Du mir zur Besetzung der Haitink-Aufnahme noch ein paar Infos geben?

Gruß, André

Hallo André,

wie gesagt, ich kann von der Solti-Aufnahme nur abraten. Der "Tannhäuser" ist in jeder Beziehung eine andere Baustelle, die Aufnahme ist aus den 70ern und tontechnisch erheblich besser gestaltet (kein "Mittenloch", die Sänger sind gut ortbar und klar verständlich). Außerdem steht dem Tannhäuser eine etwas vereinfachende romantische Interpretation a la Solti gut zu Gesicht (zudem waren in den 70ern wieder vitalere Tempi angesagt, beim Tannhäuser essentiell), dem Ring überhaupt nicht. Noch unpassender finde ich Soltis Dirigat nur beim Parsifal.

Die EMI-Aufnahme (unlängst leider aus dem Katalog gestrichen) hat folgende Protagonisten (ohne Gewähr):

Wotan: James Morris
Brünnhilde: Eva Marton
Siegfried: Siegfried Jerusalem
Alberich: Theo Adam (Bei Böhm noch der Wotan, in beiden Rollen 1A!)
Siegmund: Reiner Goldberg
Hunding: Matti Salminen
Hagen: John Tomlinson (der singt bei Barenboim den Wotan - grausam!)
Fricka: Waltraud Meier
Mime: Peter Haage
Loge: Heinz Zednik

Gruß,

M.

Hallo André,

glücklicherweise spielt bei der Beurteilung von Aufnahmen, stärker noch als bei der Beurteilung der Gerätschaften, auf denen diese abgespielt werden, der persönliche Geschmack eine große Rolle.

Ob um den Solti-Ring ein Kult gemacht wird, weiss ich nicht. Nach all den Aufnahmen, die ich gehört habe, erschien mir diese lediglich in Sachen Orchester- UND Sängerleistung ganz hervorragend. Solti ist hier mit einer Intensität bei der Sache, die ich sonst nirgendwo gefunden habe.

Zur Haitink-Aufnahme kann ich nichts sagen, da ich sie nicht kenne. Mein Tipp: Mehrere Versionen anhören, vergleichen und eigenes Urteil bilden.

Gruß,

Markus.

Hallo,

ich habe gerade mal wieder den Ring von Solti auf Schallplatte gehört und finde ihn nach wie vor konkurenzlos, zumindest was die musikalische Seite angeht. Aus klanglicher Sicht gefällt mir die "alte, englische DECCA-Pressung" die ich besitze besser als jede CD :

Gruss, Bernd

Hallo,

nachdem der Solti-Ring gestern bei mir angekommen ist, habe ich nun etwas hereingehört (oder will jemand von mir verlangen, ihn gleich durchzuhören??).
Ich muss sagen, das Orchester ist wirklich fern jeglicher Kritik.
Zu den Sängern muss ich sagen, dass mich Hans Hotter als Wotan in der "Walküre" (anders als George London als Wotan in "Rheingold" ) etwas enttäuscht. Er singt etwas "aufgeblasen" und streckenweise unverständlich. Alle anderen konnten dagegen (besonders Windgassen (Siegfried), King (Siegmund) und Fischer-Dieskau (Gunther)) absolut überzeugen.

Insgesamt ist diese Aufnahme definitiv empfehlenswert.
(Besonders aufgrund des wunderbaren Orchsters ...)

BTW: Wer das Ende der Walküre einmal mit einem "genialen" Bariton (und einem ebenbürtigen Orchester) erleben will, dem sei die "Wagner"-CD von Bryn Terfel empfohlen (Berliner Philharmoniker / Abbado).

Gruß, André

Hallo,

nachdem ich nich nun bis zur 2. CD von "Siegfried" vorgearbeitet habe, kann ich diese Aufnahme wirklich besten Gewissens empfehlen.
Die kleinen Mankos (bzw. das kleine Manko) habe ich ja schon im vorhergehenden Beitrag genannt.
Wenn ich komplett durch bin, melde ich mich nochmal ...

Hi,

also ich hab mir bisher 2x den Solti-Ring reingezogen (dauert dann immer zwischen 1-2 Wochen bei mir) und finde die Kritik von Malte fuer etwas ueberzogen.
Gerade wenn man das Aufnahmedatum (ok, zog sich ja ueber Jahre) beruecksichtigt, kann ich eigentlich kein wirkliches "Pingpong-Stereo" (hoere haeufig auch mit KH) feststellen (auch wenn manche Effekte vielleicht etwas uebertrieben sind).

Was mir allerdings noch fehlt, ist die perfekte Ring-DVD, denn bei Oper stehe ich durchaus auf Bild und Mehrkanalton sowieso. Nur klugkaufen mag ich mich da nicht unbedingt ...

Gruss
Burkhardt

Hallo Burki

Gerade wenn man das Aufnahmedatum (ok, zog sich ja ueber Jahre) beruecksichtigt, kann ich eigentlich kein wirkliches "Pingpong-Stereo" (hoere haeufig auch mit KH) feststellen (auch wenn manche Effekte vielleicht etwas uebertrieben sind).

Also PingPong-Stereo habe ich auch noch nicht gefunden. Zu den Effekten, sie sind gewiss gewöhnungsbedürftig, aber keinesfalls schlecht ...

Zur DVD: Wäre eine tolle Sache, den "Ring" auf DVD. Aber ob man wirklich eine komlette Riege an Weltklassesängern dafür zusammenbekäme ... ? Hoffen wir, so etwas kommt einmal heraus.