Junge Künstler - X-te Aufnahme

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Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#1 erstellt: 11. Mai 2004, 14:54
Hallo liebe Forianer,

Derzeit gibt es zum Thema "Neuaufnahmen von Mainstream-Werken" prinzipiell zwei Ansichten.

a)
Eigentlich sind diese Werke alle schon x-fach eingespielt worden. Niemand ist an Neuaufnahmen interessiert.


b)
Ich will diese Werke von Künstlern "meiner" Generation auf CD haben. Die alten Aufnahmen sind überholt.


Es gibt natürlich noch jene Gruppen, die da meint, junge Künstler mögen zeitgenössische Werke einspielen, aber diese Leute gehen von der Annahme aus, daß junge Künstler auch mehrheitlich Gefallen an der Moderne finden, etwas das ich vehement in Abrede stellen würde.

Nun zu Frage:

Machen Neuaufnahmen des Mainstream-Katalogs, und damit meine ich jetzt die "Schlachtrösser", all das was schon etliche Male auf Tonträger existiert, über haupt noch Sinn?

Oder aber anders gefragt: Kauft Ihr sowas ?
Oder aber setzt Ihr auf Nummers sicher und kauft was vom "prominenten" Künstler ?(Immer wird vom gleichen Preis ausgegangen)

Die Idee zu Diesem Tread verdanke ich einer Aussage des jungen Münchner Cellisten Daniel Müller-Schott, der in einem Interview, das er "Klassik heute" im Jänner 2001 gab, in Bezug auf seine Debut CD (Bach: Sechs Suiten für Violoncello solo (Glissando 779 024-2) folgendes sagte:


"Ich gehöre der jungen Musikergeneration an.
Und ich denke es steht jedem frei, seine eigene Interpretation vorzulegen, egal ob es schon 20 oder 40
Einspielungen gibt."


Ein Standpunkt, mit dem er sicher nicht allein dasteht, und auch ich finde daß dieser Standpunkt richtig ist.

Aber Ihr könnte das vielleicht anders sehen ?
Wie gesagt, es geht nicht um diesen speziellen Fall, sondern eher um die Grundeinstellung zu diesem Problem.

Gruß
aus Wien
Alfred
Finglas
Inventar
#2 erstellt: 11. Mai 2004, 15:54
Hallo,

ich schließe mich ganz der Meinung des Cellisten an.

Jede Generation bringt ihre eigenen Erfahrungen, ihren eigenen Hintergrund mit und damit verbunden ihren eigener Blickwinkel und ein möglichweise etwas unterschiedliches Empfinden. All das kann in eine Interprätation eines Werkes einfliessen, so dass eigentlich bei jeder Neuaufnahme die Möglichkeit besteht, bisher noch nicht beleuchtete Facetten des Werkes herauszuheben oder auch einen ganz neuartigen Interprätationsansatz zu wagen, der dem Werk eine neue Seite abgewinnt. Ob eine solche Interprätation im Sinne des Komponisten war, ist müßig und auch nebensächlich zu diskutieren. Ob sie einem gefällt, muss jeder selbst für sich entscheiden. Ich persönlich finde es sehr erfrischend, eine neue Interprätation eines Werkes zu hören und würde auch nicht zögern, eine solche CD zu erwerben. Es spricht auch nichts dagegen, in der eigenen CD-Sammlung gleichbrechtigt unterschiedliche künstlerische Deutungen eines Werkes zu haben, die alle ihren eigenen Reiz haben können.

Wie erfrischend junge Künstler klingen können, habe ich kürzlich erst wieder erfahren, als ich mir von der jungen Klaviervirtuosin Helene Grimaud die CD "Credo" (DG) zugelegt habe. Recht gewagt kombiniert sie die "Sturm"-Sonate und die "Chorfantasie" von Beethoven mit Werken von zeitgenössischen Komponisten wie Arvo Pärt und John Corigliano.

Zugeben muss ich allerdings, dass Interprätationen von etablierten Künstlern beim Erstkauf eines Werkes durchaus eine gewisse Priorität geniessen. Da bin ich dann leider manchmal doch etwas weniger "experimentierfreudig".

Viele Grüße
Marcus
kleinerhanswurst
Ist häufiger hier
#3 erstellt: 11. Mai 2004, 18:12

Ein Standpunkt, mit dem er sicher nicht allein dasteht, und auch ich finde daß dieser Standpunkt richtig ist. Aber Ihr könnte das vielleicht anders sehen ?
Wie gesagt, es geht nicht um diesen speziellen Fall, sondern eher um die Grundeinstellung zu diesem Problem..


Ich sehe da nicht so ganz das Problem Natürlich hat Müller-Schott Recht, wenn er einspielt, was er will - vorausgesetzt, die Plattenfirmen lassen ihn. Bisher gibt es von ihm Aufnahmen von Bach, Haydn, Debussy/Frank/Poulenc/Ravel und Chatchaturian, also ist vom 18. bis zum 20. Jahrhundert alles vertreten - und sein Statement darf nur in diesem Zusammenhang gelesen werden. DM-S hat sich NICHT auf eine Periode spezialisiert und NICHT gegen zeitgenössische Musik ausgesprochen. Ob er mit seiner Meinung "nicht allein" steht, in der Minderheit oder in der Mehrheit ist völlig unerheblich. Sicher ist an Deiner Aussage nur, dass sie völlig spekulativ bleibt, solange Du Sie nicht mit Aussagen weiterer junger Musiker oder auch wenigstens einer konkreten Aussage des von Dir zitierten DM-S untermauerst.


Es gibt natürlich noch jene Gruppen, die da meint, junge Künstler mögen zeitgenössische Werke einspielen, aber diese Leute gehen von der Annahme aus, daß junge Künstler auch mehrheitlich Gefallen an der Moderne finden, etwas das ich vehement in Abrede stellen würde.


Wiederum Spekulation und das sogar in doppelter - und auch noch argumentativ zirkulärer - Hinsicht. Es gibt also zwei prinzipielle Ansichten und dazu noch eine, die man nicht so ganz ernst nehmen muss. Die geht ja von Grundlagen aus, die von den Künstlern - mit wie vielen hast Du gesprochen? - bestimmt nicht geteilt werden, also kann man sie vernachlässigen. Man kann nur vehement darauf hinweisen, dass Du nicht ausreichend recherchiert hast, um etwas in Abrede zu stellen. Aber da wir ja auf der Ebene der Spekulation sind, ist das ziemlich egal und ich füge einfach noch ein paar Spekulationen hinzu: Jeder Künstler/-in sehnt sich nach einem ihm oder ihr gewidmeten Werk, um es spielen zu können. Allein künstlerische Neugier und Offenheit wird dafür sorgen, denn ohne diese kann man zwar eine Schubert-Symphonien Sammlung haben, die größer als die des Virgin Megastores ist, als Musiker wird man jedoch versagen.

Hans
Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#4 erstellt: 11. Mai 2004, 19:27
@kleinerhanswurst

Also da gibts IMO einiges Klarzustellen.

Also ich bin nicht einverstanden mit der Verknüpfung, die Du hier herstellst (obwohl ich einräume, daß0 man mein Posting, wenn man noch dazu meinen "konservativen" Background kennt, durchaus so sehen kann.

Einverstanden bin ich sehr wojhl mit dem Statement, daß alles nur Spekulation ist. Warum auch nicht.

Also die tatsächliche Frage war die gestellte, ohne irgendwelche Hintergedanken.

Müller Schott hat seine Antwort auf die Frage gegeben, weil man ihn gefragt hat, ob es denn so eine gute Idee gewesen sei, seine Debüt-CD ausgerechnet mit diesem so oft schon eingespielten Werk zu machen.
Seine Antwort, und ich bin der Meinung es ist schon wichtig wie die Mehrheit (vor allem die kaufende !!)darüber denkt,
war die von mir zitierte.
Und dann kam noch mein Statement, daß ich das aus so sehe.

Ich habe nie behauptet, daß er sich gegen moderne Musik ausgesprochen hat.
Mein Gedankengang war vielmehr folgender: Da studiert so ein armer Teufel Musik, und schließlich ist er "gezwungen" Repertoire zu spielen, das ihm zuwider ist, sonst ist seine Karriere im Eimer.
Ich habe jetzt den Artikel (zu dieser Zeit war Bach seine einzige Aufnahme) gelesen, und muß sagen, daß unverkennbar ein ablehnender Ton gegen moderne Musik mitschwingt, wenngleich immer wieder betont wird, daß das auch seine Reize hat.
"Wie tief man sich mit einem Stück identifizieren kann zeigt sich erst nach langer Knochenarbeit" klingt ja nicht gerade euphorisch. Aber um das ging es mir ja nicht.
Meine Frage war ehe so zu verstehen, kann die CD-Industrie heute jemanden zu Repertoire zwingen, welches er nicht will ?

Daß er inzwischen welche eingespielt hat beantwortet meine Frage.
Fällt Dir nicht auf, daß alle Künstler die nicht unbedingt etabliert sind, in allen Publikationen der Schallplattenindustrie erklären, welches Anliegen ihnen die moderne Musik sei.

Alfred Brendel hingegen, der es sich leisten kann, schrieb sinngemäß:
Ich habe es vorgezogen Museumshüter zu bleiben.

Wenn man sein Repertoire ansieht, dann ist ja hier von Offenheit und Neugier wirklich keine Rede.Und ich nehme nicht an daß er kein Großer Musiker ist, oder daß Du es so siehst.

Die Liste großer Pianisten und Dirigenten, die nicht "Offen und neugierig" waren, oder sind, ist schier endlos
Dennoch waren es hervorragende Musiker.

Aber das ist Thema für einen Extra-Thread.

Gruß aus Wien
Alfred
kleinerhanswurst
Ist häufiger hier
#5 erstellt: 11. Mai 2004, 20:04

Ich habe jetzt den Artikel (zu dieser Zeit war Bach seine einzige Aufnahme) gelesen, und muß sagen, daß unverkennbar ein ablehnender Ton gegen moderne Musik mitschwingt, wenngleich immer wieder betont wird, daß das auch seine Reize hat.
"Wie tief man sich mit einem Stück identifizieren kann zeigt sich erst nach langer Knochenarbeit" klingt ja nicht gerade euphorisch. Aber um das ging es mir ja nicht.
Meine Frage war ehe so zu verstehen, kann die CD-Industrie heute jemanden zu Repertoire zwingen, welches er nicht will ?

Daß er inzwischen welche eingespielt hat beantwortet meine Frage.


Dazu:

http://www.daniel-mu...nterview/index1.html

und daraus:



Gibt es spannende Neueinstudierungen, die Sie Ihrem Publikum in diesem Jahr vorstellen wollen?


Wollen und dürfen macht leider einen ziemlichen Unterschied. Neue Werke studiere ich eigentlich ununterbrochen ein. Es sieht aber leider im Konzertleben ein wenig so aus, als ob überwiegend bereits Bewährtes und Beliebtes gefragt ist. Um dem von meiner Seite aus ein wenig entgegenzusteuern, habe ich die Gelegenheit wahrgenommen, das Cellokonzert von Khatchaturian und die beiden Konzerte sowie Kammermusik des Brahms Zeitgenossen Joachim Raff auf CDs für ORFEO und TUDOR einzuspielen. Auch werde ich weiterhin Werke selbst bearbeiten, um das Cello-Repertoire zu erweitern. Spannend ist das auf jeden Fall, sich abseits der gewohnten Pfade zu bewegen.


und:



Wer entscheidet über das Programm?
Was die Programme, auch die booklets meiner CDs angeht, habe ich bislang großes Glück gehabt. Es war mir in allen drei bislang veröffentlichten CD-Produktionen möglich, bis ins Detail meine eigenen Wünsche und Vorstellungen vollständig realisieren zu können. Niemand hat mir reingeredet, alles ist sozusagen "Müller-Schott in Reinkultur". Es war nicht immer ganz einfach und es gab auch schon mal erhebliche Schwierigkeiten.

Zum Beispiel genau an dem Tag, als wir die Aufnahme der Haydn/ Beethoven-CD in einem enormen Kraftakt abschlossen, ging das ursprünglich vorgesehene britische Label in Konkurs. Wir haben sofort die Bänder an uns gerissen und versucht, die fertige Aufnahme bei anderen Labels unterzubringen. Dann ergab sich die Zusammenarbeit mit ORFEO, die sich sofort für die Einspielung begeisterten. Entscheidend bei der Produktion der ersten CDs war allerdings auch, dass ich von Sponsoren unterstützt wurde, die mir die künstlerische Unabhängigkeit durch großzügige finanzielle Unterstützung ermöglichten.


Case closed ... zumindest für Müller-Schott.

Hans.
Reinhard_H
Ist häufiger hier
#6 erstellt: 11. Mai 2004, 21:40
Hallo und Guten Abend,

findet hier gerade die Auftrennung des Themas in zwei Stänge statt?

Ich möchte mich mal zum ursprünglichen Anliegen äußern.
Natürlich ist es wichtig, daß bei einer Kunst, die immer wieder interpretierend neu erschaffen werden muß, kein Stillstand eintritt. So gesehen halte ich es sogar für notwendig, daß junge Künstler auch "Mainstream" neu aufnehmen. Sonst beschweren sich einst die Besucher dieses Forums, daß z.B. Tschaikowskys 1. Klavierkonzert nur "in altertümlicher und technisch völlig überholter SACD-Aufnahme" zu haben sei, noch dazu in der doch etwas fragwürdigen Interpretationssicht des 21. Jhd.
Die andere Frage ist natürlich - sie wurde auch an anderer Stelle schon diskutiert - verkauft sich so etwas?
Ich gebe ehrlich zu, daß ich zumindest beim Schließen von Lücken in meiner Sammlung eher konservativ kaufe - zumindest bei durch Alfred ausdrücklich geforderter Vernachlässigung des Anschaffungspreises.
Andererseits bin ich auch immer neugierig auf Neues. Ich denke und hoffe - trotz des inneren Zwangs der "Majors", immer wieder neue "Stars" präsentieren zu müssen - auch künftige Musikergenerationen werden trotzdem ihre Genies hervorbringen und diese werden Bestand haben und in die Musikgeschichte eingehen..

Schönen Abend noch und viele Grüße

Reinhard
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