Literaturauswertung zum Thema "Frühe Reflexionen"

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Klaus-R.
Inventar
#1 erstellt: 08. Nov 2009, 10:26
Moin, moin,

die Auswertung ist fertig und hier verfügbar:

http://www.casakustik.de/down/Fruehe_Reflexionen_+_Abb..pdf

Klaus
Huababaua
Ist häufiger hier
#2 erstellt: 10. Nov 2009, 10:05
Interessante Schlußfolgerungen.

Vielen Dank für die Mühe!!!
hohesZiel
Stammgast
#3 erstellt: 11. Nov 2009, 13:59
Hallo,

DANKE !
für die hinter der Übersichtsarbeit steckende immense Arbeit und ihre selbstlose Publikation hier !

Die Schlußfolgerungen scheinen ja das LEDE-Prinzip zu bestätigen und gleichzeitig eine deutliche Warnung vor akustischer Verschlimmbesserung durch zu schmalbandige Dämpfung im Frontbereich/Seitlich zu sein, oder?

Einige spontane Ideen zu der Arbeit:


1. Sollten angesichts der in der Arbeit aufgezeigten, stark unterschiedlichen Wahrnehmung bei monauralem und binauralem Hören Messungen bei Stereo-Anlagen besser mit Kunstkopf gemacht werden? (Idealerweise, aber völlig praxisfremd mit einem Abbild der Hörfrequenzgänge gemäß eigenen HRFT- Trommelfellmessungen ) ?
Anmerkung: In der Arbeit wohl irrtümlich als "Trommelmessung" bezeichnet.

2. Kann man pauschalisierend schlussfolgern, daß eigentlich grundsätzlich breitspektral absorbierende Materialien wie bspw. Basotect in 100m Dicke verwandt werden sollten?

3. Eigentlich eine spannende Frage, besser gesagt eine zweigeteilte:

a) Kann man davon ausgehen, daß das doch recht gut trainierbare Hören von konzentriert "arbeitenden" Amateuren unter verwendung von extrem hochwertigen Abhörgeräten ( neutrale Monitore) nicht doch dazu führen sollte, daß die hier in der Arbeit angedeutete tatsächlich geringere als bisher angenommene Relevanz der seitlichen/Frühreflektionen für die Verfärbung bzw. die räumliche Wahrnehmung nicht auf Dauer aufrechterhalten werden kann? Ich meine, daß hier der Trainingseffekt schon dazu beträgt, daß man sich (in Maßen) in Richtung eher professioneller Hörer entwickelt ( ohne diese aber jemals zu ereichen, versteht sich)

b) Ist der Hinweis, daß auch Toningenieure und Tonmeister im Privatleben auch zumeist keine IRT-gerechte Abhörsituationen bevorzugen (oder schlicht keine Möglichkeit haben? Oder dadurch auch Berufliches von Privatem Trennen?) wirklich ein echtes Argument?

Neben den soeben erwähnten Punkten möchte ich noch ein eher wissenschaftliches dazufügen: Ist nicht die Vermeidung von Frühreflektionen im Abhör-/Mischraum gerade eine der Bedingungen, mittels derer "postproduction" problemloseres Hören in kritischen Räumen überhaupt erst möglich bzw. erleichtert wird?

In diesem Punkt der Argumentation der hier vorgestellten (wertenden) Übersichtsarbeit möchte ich (bei allem Dank und Respekt ) doch eine kleine Schwäche in der Stringenz der logischen Argumentation zu Protokoll geben.

Schliesslich noch ein kleiner Hinweis:


Offensichtlich kann es Situationengeben, in denen eine Behandlung von Reflexionen
notwendig sein kann, wie zum Beispiel
1. ein Lautsprecher sehr nahan, der andere sehr weit von der Wandaufgestellt
2. ein Lautsprecher nah an einer Wand, keine Wand auf deranderen Seite
3. Frequenzgang auf Achse sehr gut, Frequenzgang ausserhalb der Achse katastrophal
(Olive 1990, Olive et al. 2007, Toole 1990)
4. Raum hat sehr niedrige Nachhallzeit (Bech 1995)


Muss es bei 4. nicht sehr "hohe" anstatt "niedrige" Nachhallzeit heißen?

Wie gesagt, herzlichen Dank für die Arbeit, es sind nur ein paar Anmerkungen und Gedanken, die mir sofort beim flüchtigen Lesen durch den Kopf gingen.

Würde mich über eine Diskussion freuen.

Gruß


[Beitrag von hohesZiel am 11. Nov 2009, 14:01 bearbeitet]
AH.
Inventar
#4 erstellt: 11. Nov 2009, 14:49
Hallo Klaus,

vielen Dank für die Zusammenstellung aus der Literatur. Die Schlußfolgerung halte ich jedoch für falsch:


Es gibt keinen wissenschaftlichen Nachweis dafür, daß frühe Reflexionen erster
Ordnung beim Hören in 2-Kanal Stereo ein Problem darstellen.


Was ist mit "Problem" gemeint? Die Hörschwellen sind bekannt. Diskrete Reflexionen verändern Klangfarbe und Raumeindruck/Entfernungseindruck und ob diese Veränderung als Problem eingestuft wird, bleibt jedem selbst überlassen.


Es gibt einige wenige
Indizien dafür, daß frühe Reflexionen einen hörbaren Einfluss haben auf die
räumliche Darstellung. Ob dieser Einfluss als positiv oder negativ eingestuft wird,
hängt von der individuellen Betrachtungsweise ab.


Wenn es um die ästhetische Beurteilung einer Tonaufnahme geht, ist eine Veränderung der Tonaufnahme durch diskrete Reflexionen sicher nicht akzeptabel.
Ansonsten gilt: Über Geschmack kann man nicht streiten - und erlaubt ist, was gefällt.

Es ist anzumerken, daß der Ursprungsraum (i.d.R. Konzertsaal) akustisch groß ist***, d.h. die diskreten Reflexionen kommen eher spät und sind relativ schwach, verglichen mit den diskreten Reflexionen im Wiedergaberaum, der akustisch klein ist. Dieser Unterschied ist praktisch leicht nachzuvollziehen, d.h. ein Individuum kann leicht den Unterschied erkennen, der zwischen der Akustik eines Konzertsaals und eines Wohnraumes besteht, wenn es sich darin befindet (für die empfundene Raumgröße ist das ITDG, also die Zeit bis zum Eintreffen der ersten, v.a. lateralen Reflexionen ausschlaggebend).
Ein Sinfonieorchester (oder anderes akustisches Ereignis) im akustisch kleinen Raum klingt also wesentlich anders*, als in einem akustisch großen. Und auch Kammermusik wird meist nicht in einer Kammer aufgeführt Wer einen Flügel im Wohnzimmer stehen hat, weiß, daß der Klang anders* ist, als in einem kleinen oder mittleren Konzertsaal.
Aufgrund der Charakteristik der Reflexionen des in der Tonaufnahme ggf. enthaltenen Ursprungsraumes "gewinnen" bei der Lautsprecherwiedergabe im kleinen Raum die früheren und stärkeren Reflexionen des kleinen Wiedergaberaumes (ITDG, s.o.) - und es klingt entsprechend "klein".

* Ich persönlich bin aus zahlreichen Versuchen zum Schluß gekommen, daß für mich gilt: anders = wesentlich schlechter.
Wer also - wie ich - akustisch kleine Räume zur Musikwiedergabe überhaupt nicht mag, kommt nicht umhin, diskrete Reflexionen ausreichend zu vermindern.
Wer eine Tonaufnahme ästhetisch beurteilen will, kommt ebenfalls nicht darum umhin.
Alle anderen können machen, was sie wollen

*** Ausnahmen, wie die Tonaufnahme "Horowitz at home" (DGG) bestätigen die Regel - sind aber äußerst selten, eben weil die Akustik kleiner Räume i.d.R. für eine Musikdarbietung nicht positiv empfunden wird. Das Zimmer von Horowitz ist davon abgesehen ein überdurchschnittlich großer Wohnraum.

Gruß

Andreas

P.S. Übrigens besteht kein direkter Zusammenhang zur Zweikanalstereophonie, wie von Klaus impliziert.
Auch eine Aufnahme z.B. mit nur einem Mikrofon vor einem Orchester (mono) vermittelt bei Wiedergabe über einen LS einen Entfernungseindruck ("Tiefenstaffelung"): Die Streicher wirken z.B. näher als die Holzbläser, da sich ITDG (Streicher länger, Holzbläser kürzer) und r/d-Verhältnis unterscheiden. Ebenso vermittelt die Aufnahme einen Eindruck über akustische Größe des Ursprungsraums. Das Problem der Mehrräumigkeit bei Überlagerung mit dem Schallfeld eines Wiedergaberaums tritt bei Mono, Stereo und 5+1 gleichermaßen auf.


[Beitrag von AH. am 11. Nov 2009, 19:34 bearbeitet]
Klaus-R.
Inventar
#5 erstellt: 14. Nov 2009, 08:46
Moin,


hohesZiel schrieb:
Die Schlußfolgerungen scheinen ja das LEDE-Prinzip zu bestätigen und gleichzeitig eine deutliche Warnung vor akustischer Verschlimmbesserung durch zu schmalbandige Dämpfung im Frontbereich/Seitlich zu sein, oder?


LEDE: initial time delay gap im Kontrollraum grösser als im Aufnahmeraum, bewirkt durch eine Vergrösserung des Zeitfensters des Präzedenzeffekts durch eine starke Reflexion innerhalb der ersten 20 ms:

Davis, “The LEDE concept for the control of acoustic and psychoacoustic parameters in recording control rooms”, JAES 1980, S.585.

Das dies verkehrt war, wurde später aufgezeigt:

Wrightson, “Psychoacoustic considerations in the design of studio control rooms”, JAES 1986, S.789
Wrightson, “Influence of rear-wall reflection patterns in LEDE type studio control rooms”, JAES 1986, S.796

Wieso die (meine?) Schlussfolgerungen das LEDE-Prinzip bestätigen, müsstest Du vielleicht mal erläutern.


Sollten angesichts der in der Arbeit aufgezeigten, stark unterschiedlichen Wahrnehmung bei monauralem und binauralem Hören Messungen bei Stereo-Anlagen besser mit Kunstkopf gemacht werden?


Kunstkopf ist sicher besser als eine einzelnes Mikro. Dem Gehör ist eine komplexe Datenverarbeitung nachgeschaltet, solange die Messwerte eines Mikros, auch Kunstkopf, nicht mit der menschlichen Wahrnehmung korreliert werden, haben Messungen meines Erachtens sowieso wenig Sinn.


Kann man pauschalisierend schlussfolgern, daß eigentlich grundsätzlich breitspektral absorbierende Materialien wie bspw. Basotect in 100cm Dicke verwandt werden sollten?


Linkwitz sagt, daß das Spektrum der Reflexionen dem Spektrum des Direktschalls entsprechen soll. Dies wäre z.B. bei perfekt reflektierenden Oberflächen gegeben. Toole sagt, wenn schon Absorber, dann solche, die breitbandig (runter bis 150-200 Hz) und frequenzunabhängig absorbieren. Wenn Basotect das kann, umso besser.


Kann man davon ausgehen, daß das doch recht gut trainierbare Hören von konzentriert "arbeitenden" Amateuren unter Verwendung von extrem hochwertigen Abhörgeräten ( neutrale Monitore) nicht doch dazu führen sollte, daß die hier in der Arbeit angedeutete tatsächlich geringere als bisher angenommene Relevanz der seitlichen/Frühreflektionen für die Verfärbung bzw. die räumliche Wahrnehmung nicht auf Dauer aufrechterhalten werden kann?


Training hat 2 Auswirkungen: 1. die Wahrnehmungsschwellen (können) sinken und 2. die Beurteilungen werden konsistenter, d.h. weniger Variationen bei gleichem Programmaterial. Hörer sind wohl trainierbar, aber ob lediglich konzentriertes Arbeiten (sprich Hören) ausreicht, halte ich für zweifelhaft. Ich hätte durchaus kein Problem damit, daß Reflexionen für Verfärbungen etc. sorgen, wenn dem so sein sollte, prima, bloss es fehlt bisher jeglicher solider Nachweis.



Ist der Hinweis, daß auch Toningenieure und Tonmeister im Privatleben auch zumeist keine IRT-gerechte Abhörsituationen bevorzugen (oder schlicht keine Möglichkeit haben? Oder dadurch auch Berufliches von Privatem Trennen?) wirklich ein echtes Argument?


Es geht da um Präferenzen, und sowas war noch nie ein Argument.


Neben den soeben erwähnten Punkten möchte ich noch ein eher wissenschaftliches dazufügen: Ist nicht die Vermeidung von Frühreflektionen im Abhör-/Mischraum gerade eine der Bedingungen, mittels derer "postproduction" problemloseres Hören in kritischen Räumen überhaupt erst möglich bzw. erleichtert wird?


Vor der Erfindung von Time Delay Spectrometry Ende der 60iger hat keiner daran gedacht, Reflexionen im Mischraum auszumerzen (LEDE wurde Ender der 70iger eingeführt). Sind die Produktionen aus dieser Zeit deswegen alle Mist? Wahrscheinlich nicht. Ob Hören im Beisein von Reflexionen mit Problemen behaftet ist, wurde bisher nicht systematisch und ausgiebig untersucht. Hätte ich solche Untersuchungen gefunden, hätte ich sie in die Auswertung aufgenommen. Daß Reflexionen prinzipiell problematisch seien, ist eine unbewiesene Behauptung. In den LEDE papers stehen ein paar sehr aufschlussreiche Passagen:

“Diese Beobachtungen [Kammfilter] wurden an der Mischposition mit Hilfe von TDS gemacht”.

“Nachdem Chips Davis von diesen Problemen [Kammfilter] gehört und sie gesehen hatte, ging er hin und baute den ersten LEDE-Raum”.

“Die durch Phasenauslöschungen im Frequengang erzeugten Anomalien sind sehr deutlich und man kann ohne weiteres sehen, daß sie durchaus wahrnehmbar sein würden”.
Dies ist genau, was Voetman sagt: man hat ausschliesslich gemessen und nie psychakustisch untersucht.


4. Raum hat sehr niedrige Nachhallzeit (Bech 1995)

Muss es bei 4. nicht sehr "hohe" anstatt "niedrige" Nachhallzeit heißen?


Nee, “niedrige” ist schon richtig. Nachhall wirkt als Maskierer, fällt er weg, sinken die Wahrnehmungsschwellen und einzelne Reflexionen können dann problematisch werden.
Ähnliches ist der Fall, wenn man anfängt, Reflexionen zu absorbieren. Die übriggebliebenen können sich dann auch negativ bemerkbar machen, was dazu führt, daß man diese dann auch noch absorbieren muss.

Klaus
Klaus-R.
Inventar
#6 erstellt: 14. Nov 2009, 18:21
Hallo Andreas,


AH. schrieb:
Was ist mit "Problem" gemeint? Die Hörschwellen sind bekannt. Diskrete Reflexionen verändern Klangfarbe und Raumeindruck/Entfernungseindruck und ob diese Veränderung als Problem eingestuft wird, bleibt jedem selbst überlassen.


Laut Toole liegen die Reflexionspegel oberhalb bzw. dicht bei den Hörschwellen von Einzelreflexionen, die Tatsache, daß man sie wahrnimmt, heisst m.E. aber noch nicht, daß sie automatisch störend wirken. Die Hörschwellen sind bekannt (18-25 dB f. Musik) , werde aber in den diversen Richtlinien/Empfehlungen nicht berücksichtigt (z.B. SSF-01-2002:10 dB).

Es wurden ausschliesslich Einzelreflexionen untersucht, wie die Hörschwellen von beidseitigen Reflexionen in einem kompletten Schallfeld sind, ist nicht bekannt. Erstes Fragezeichen. Die von Devantier gemessenen Pegel in realen Räumen sind Mittelwerte über recht grosse Winkelbereiche aus 15 Räumen mit sehr unterschiedlichen Grundrissen, Abmessungen und Aufstellungen. Wie die Pegel in einem spezifischen Fall sind, ist nicht bekannt. Zweites Fragezeichen. Von einer Untersuchung abgesehen wurde nicht mit Phantomschallquellen gearbeitet, Musik wird in den meisten Fällen nicht verwendet. Drittes Fragezeichen.

Hörschwellen von Reflexionen werden ermittelt dadurch, daß man eine Änderung im Klang oder in der räumlichen Darstellung wahrnimmt. Insofern ist es richtig zu sagen, daß Reflexionen Klangfarbe und Raumeindruck verändern, zumindest dann, wenn ihr Pegel oberhalb der Hörschwelle liegt. Ob diskrete Reflexionen jedoch im Falle von Phantomschallquellen, beidseitigen Reflexionen und Musikwiedergabe Klangfarbe und Raumeindruck verändern, genau dies wurde nicht untersucht.

Mit Problem ist gemeint, daß die Reflexionen genau obiges tun, nämlich Klangfarbe und Raumeindruck verändern von dem, was auf dem Tonträger drauf ist.


Ein Sinfonieorchester (oder anderes akustisches Ereignis) im akustisch kleinen Raum klingt also wesentlich anders*, als in einem akustisch großen.


Hat nie einer bezweifelt. Doch wir sprechen hier über Tonaufnahmen und was aus den Lautsprechern kommt ist nunmal kein Sinfonieorchester, sondern nur eine verkleinerte Abbildung desselben. Die aufgenommenen Seitenreflexionen kommen plötzlich von vorne, der aufgenommene Nachhall kommt auch von vorne.



Und auch Kammermusik wird meist nicht in einer Kammer aufgeführt Wer einen Flügel im Wohnzimmer stehen hat, weiß, daß der Klang anders* ist, als in einem kleinen oder mittleren Konzertsaal.


Klar. Doch wir reden hier nicht über Aufführungsräume. Wenn Du Dir aber eine CD mit Flügel im Konzertsaal in einem RAR anhörst, hast Du dann den Eindruck, im Konzertsaal zu sitzen?



Aufgrund der Charakteristik der Reflexionen des in der Tonaufnahme ggf. enthaltenen Ursprungsraumes "gewinnen" bei der Lautsprecherwiedergabe im kleinen Raum die früheren und stärkeren Reflexionen des kleinen Wiedergaberaumes (ITDG, s.o.) - und es klingt entsprechend "klein".



Und genau diesen Nachweis habe ich bisher nicht finden können. Falls Du von derartigen Untersuchungen weisst, her damit.

Klaus
AH.
Inventar
#7 erstellt: 28. Nov 2009, 15:08

Die Hörschwellen sind bekannt (18-25 dB f. Musik) , werde aber in den diversen Richtlinien/Empfehlungen nicht berücksichtigt (z.B. SSF-01-2002:10 dB)


Hallo Klaus,

ich habe das am Rande im SSF verfolgt. Eine Dämpfung um -20 dB wurde von deutscher Seite gefordert (vertreten durch Gerhard Steinke), war aber aus wirtschaftlichen Gründen international nicht durchsetzbar. Um zumindest den Frequenzbereich von 1kHz bis 8kHz durchzusetzen, wurden dann in einem Kuhhandel -10 dB festgeschrieben.
SSF-01 stellt also nicht das Optimum dar, sondern ist ein Kompromiß, der wirtschaftliche Zwänge einschließt.


Ob diskrete Reflexionen jedoch im Falle von Phantomschallquellen, beidseitigen Reflexionen und Musikwiedergabe Klangfarbe und Raumeindruck verändern, genau dies wurde nicht untersucht.


Da müßte ich nochmal selber recherchieren, habe im Moment dazu aber keine Zeit. Musikprgramm wurde jedoch für Untersuchungen verwendet, siehe z.B. Michael Barron.

Gartenbesitzer haben einen näherungsweise reflexionsarmen Halbraum und können selbst experimentieren. Das Delay simulierter Reflexionen kann man mit einem Behringer Ultracurve machen. Ich habe das vor Jahren gemacht (zwei LS und ein LS zur Simulation einer Reflexion). Die Hörschwelle der simulierten Reflexion war mit verschiedenem Musikprogramm immer mehr als - 20 dB unter dem Direktschall.


die Tatsache, daß man sie wahrnimmt, heisst m.E. aber noch nicht, daß sie automatisch störend wirken


Dieses Argument hätte ich von Dir nicht erwartet. Manche Hörer finden nichtlineare Verzerrungen toll, andere lineare Verzerrungen. Warum "sounden" (Hinzufügen von linearen und nichtlinearen Verzerrungen) auch hoch seriöse Lautsprecherhersteller wohl ihre Produkte?

Aber: Neutrale Hörbedingungen sind die Voraussetzung zur ästhetischen Beurteilung einer Tonaufnahme.


Hat nie einer bezweifelt. Doch wir sprechen hier über Tonaufnahmen und was aus den Lautsprechern kommt ist nunmal kein Sinfonieorchester, sondern nur eine verkleinerte Abbildung desselben. Die aufgenommenen Seitenreflexionen kommen plötzlich von vorne, der aufgenommene Nachhall kommt auch von vorne.


Es ist allgemein bekannt (Literatur kann ich raussuchen, wird aber dauern), daß das Gehör Reflexionen aus den Lautsprechern (also 30°) für laterale Reflexionen hält. Das ist durchaus erstaunlich und sehr wichtig!

Meine Beobachtungen im reflexionsarmen Halbraum, im Garten und in Referenz-Hörräumen mit einer Dämpfung der Reflexionen um >/= - 20 dB ggü. Direktschall sind konsistent. Der Eindruck eines akustisch großen (Ursprungs)Raumes kann sich nur bei einer ausreichenden Abwesenheit (v.a. lateraler) diskreter Reflexionen einstellen.

Gruß

Andreas
Klaus-R.
Inventar
#8 erstellt: 29. Nov 2009, 07:42
Hallo Andreas,


AH. schrieb:
ich habe das am Rande im SSF verfolgt. Eine Dämpfung um -20 dB wurde von deutscher Seite gefordert (vertreten durch Gerhard Steinke), war aber aus wirtschaftlichen Gründen international nicht durchsetzbar. Um zumindest den Frequenzbereich von 1kHz bis 8kHz durchzusetzen, wurden dann in einem Kuhhandel -10 dB festgeschrieben. SSF-01 stellt also nicht das Optimum dar, sondern ist ein Kompromiß, der wirtschaftliche Zwänge einschließt.


Sowas ähnliches steht in einem der BBC papers von Walker, angepeilt wurden ursprünglich 20ms/20dB, war nicht machbar, obwohl Tonregie ohne WAF etc., daraus wurden dann 15ms/15 dB, wenn ich mich recht erinnere.



Ob diskrete Reflexionen jedoch im Falle von Phantomschallquellen, beidseitigen Reflexionen und Musikwiedergabe Klangfarbe und Raumeindruck verändern, genau dies wurde nicht untersucht.


Da müßte ich nochmal selber recherchieren, habe im Moment dazu aber keine Zeit. Musikprgramm wurde jedoch für Untersuchungen verwendet, siehe z.B. Michael Barron.


Barron, “The subjective effects of first reflections in concert halls - the need for lateral reflections”, J. of Sound and Vibration 1971, S.475

Musikmotive: Mozart Jupiter Symphony (Aufnahme im RAR), Vivaldi Konzert f. 2 Violinen

Einzelner Lautsprecher (Quad Elektrostat) als Direktschallquelle, einzelne Seitenreflexion (40°)

Toole hat mit Phantomschallquelle und Einzelreflexion gearbeitet, Naqvi mit L-C-R setup. Laut Toole unterscheiden sich die Schwellenwerte nur geringfügig vom Fall single speaker/single reflection (siehe Abb. 9 in der Auswertung). Falls Du was relevantes findest, her damit




die Tatsache, daß man sie wahrnimmt, heisst m.E. aber noch nicht, daß sie automatisch störend wirken


Dieses Argument hätte ich von Dir nicht erwartet. Manche Hörer finden nichtlineare Verzerrungen toll, andere lineare Verzerrungen. Warum "sounden" (Hinzufügen von linearen und nichtlinearen Verzerrungen) auch hoch seriöse Lautsprecherhersteller wohl ihre Produkte?


Das war mir neu, daß Reflexionen als Verzerrungen angesehen werden! Sie machen einen Teil des Klanggeschehens aus, im Konzertsaal wie auch zu Hause. Stören tun sie im Konzertsaal wohl im allgemeinen nicht. Stören zu Hause würde bedeuten Klangverfärbung durch Kammfilter (nicht auszuschliessen, es gibt Wahrnehmungsschwellen), oder durch Beeinträchtigung der Abbildung/räumliche Darstellung. Auch nicht auszuschliessen, es gibt ja ein paar dahingehende Indizien, aber weder systematisch untersucht noch nachgewiesen.



Es ist allgemein bekannt (Literatur kann ich raussuchen, wird aber dauern), daß das Gehör Reflexionen aus den Lautsprechern (also 30°) für laterale Reflexionen. hält


Gerne.



Meine Beobachtungen im reflexionsarmen Halbraum, im Garten und in Referenz-Hörräumen mit einer Dämpfung der Reflexionen um >/= - 20 dB ggü. Direktschall sind konsistent. Der Eindruck eines akustisch großen (Ursprungs)Raumes kann sich nur bei einer ausreichenden Abwesenheit (v.a. lateraler) diskreter Reflexionen einstellen.


Da es diesbezüglich absolut nichts handfestes zu geben scheint, ich bin in den letzten 2 Jahren zumindest nicht darauf gestossen, wäre es vielleicht mal an der Zeit, was zu veröffentlichen. Wie wär’s?

Grüsse
Klaus
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