B&W DM3000 - wie weit man für 1984 reist

Auch für mich ist es an der Zeit, die Interessierten einmal an meinen Hifi-Erlebnissen teilhaben zu lassen. Dies soll ein einfacher Bericht von Erlebten sein und kein nach irgendwas sortiertes "Klang steht frei im Raum" und daher „93 goldene Ohrmuscheln“ review.

Nach dem ich vergangenes Jahr einfach blind ein paar B&W DM2000 erstehen konnte und mich bereits nach den ersten Sekunden verliebte, begannen meine Forschungen in der Vergangenheit. Ich fand heraus, dass diese Lautsprecher um 1984 hergestellt wurden, soweit ich weiß bereits einige Jahre davor und auch nach '84.

Es gab die B&W DM2000 als 4. größtes Modell ihrer Zeit nach der DM3000, der 802 und an der Spitze die "geheiligte" 801 die wohl auch heute noch in einigen Studios ihren Dienst verrichtet.

Da ich mich nicht nur in das Aussehen der DM2000 mit ihrem 5-Eck Design in echtem Rosenholzfurnier und der schicken gelben Kevlar-Membran, sondern auch in deren unglaublichen Klang verliebte, war mir klar, dass mein Leben nur Erfüllung durch den Erwerb zweier DM3000 finden kann.

Nur soviel vorweg, die 26kg schwere DM2000 hat eine unglaubliche "Bühne", auf keinen Fall ist sie der genaueste oder hochauflösenste Lautsprecher, wohl aber einer der am angenehmsten zu hörende LS der mir bislang begegnet ist. Man kann ihr stundenlang zuhören, ohne dass sie nervt und das auf Wunsch in wahrlich ohrenbetäubender Lautstärke. Die 20cm Treiber und der passive Radiator schaffen es auch auf 40Hz und haben damit meine beiden B&W ASW600 in den Ruhestand geschickt.
Sie klingt einfach irgendwie magisch, so als sei hinter ihr der Raum noch größer, es lässt sich schwer beschreiben, aber es ist wirklich einfach wunderbar (nein ich schreibe das nicht aus Preistreiberei, weil ich in 4 Wochen in die Bucht damit möchte, die bleiben hier :)). Die Höhen sind angenehm weich und dabei trotzdem genau genug, um feine Details heraus genießen zu können. Tja und seit ich statt des Yamaha AX-596 einen AX-1070 die Treiber bewegen lasse, ist der Bass abgrundtief und ich verstehe, was einige Forenmitglieder immer mit Basskontrolle gemeint haben. Was so ein Verstärkerwechsel bei dicken LS so ausmachen kann... angegeben sind die DM2000 mit Minimum 50W an 8Ohm bis 250W, kaputt machen kann man sie durch ihren Überlastschutz nicht so einfach. Am 596 waren sie schon klasse, aber mit dem 1070 hatte man das Gefühl, dass sie endlich gefordert werden und zeigen können was sie in ihnen steckt, und das auch bei Zimmerlautstärke. Wie gesagt, ab jetzt gehören Subwoofer ins Heimkino.

Nachdem ich meine Ohren nun viele Monate an den 2000 geweidet hatte und permanente Suche nach den DM3000 betrieb, welche meiner Auffassung nach bei 16 cm mehr Höhe und einer weiteren Frequenzweiche sowie den damit betriebenen, nun separaten (aber optisch identischen) Mittel- und Tieftönern als 3.5 Wege-System, einfach den heiligen Gral für meine Hörbedürfnisse darstellen musste, fand ich sie vor wenigen Wochen online in einem Inserat.

Und damit begann das, was in meiner Umwelt geöffnete Kinnladen und Kopfschütteln induzierte. Die Lautsprecher standen in Italien, ja genau das Italien genauer gesagt südlich des Gardasees. Also lagen zwischen zwischen meinem Traum und mir insgesamt ca. 1600km und etliche Vignetten und Mautstellen. Mein bester, ebenso Hifi-infizierter Freund Matze war natürlich sofort begeistert und nach etlichen E-mails und etwas Verhandlungen mit dem privaten Verkäufer, begann der Roadtrip.
Details zur Fahrt erspare ich euch jetzt. Nur soviel, mein erster Besuch in Italien (von Donnerstag bis Samstag, 16h Fahrt) war lecker und anstrengend, viel Espresso, Gelatto, Euro, Pizza, Penne, Vino de la casa und Baden im Lago d'Iseo begleitet von der Sehnsucht nach dem Objekt der Begierde und leichtem Kopfweh nach zu viel genanntem.
Samstag war es dann soweit, nach ausgiebigen Arrabiata-Genuss wurden wir von einem sehr freundlichen italienischem Familienvater in seinem Zweifamilienhaus empfangen. Es gab wieder Eis, gekühlte Getränke und 3 Kinder, Frau und Großvater kamen gleich herbei geeilt um die lange angekündigten, verrückten deutschen zu begutachten, die extra wegen einem Paar 25 Jahre alter Lautsprecher, so viel Geld und Kilometer auf sich nehmen. Es wurde kurz gefachsimpelt, die unglaublich großen Nachfolger der DM3000 begutachtet (Mcintosh, ich weiß nicht mehr was aber mit circa 10(!) Treibern pro Schrank) und endlich die DM3000 in Empfang genommen (auch in Italien gibt es Probleme mit der heimischen Regierung, seine Frau wollte mir doch prompt noch sein riesiges Tonbandgerät von 1977 mitgeben, ihr hättet sein Gesicht sehen sollen).

Die Reise hat sich mehr als gelohnt, denn es stellte sich heraus, dass Claudio, so der Name des ehemaligen Besitzers, die Lautsprecher im Jahre 2000 von seinem Hifi-Händler in OVP erstanden hatte. Sie standen seit 198x fest in seinem Hifi-Laden im Vorführraum. Claudio liebte sie sehr und nahm wie der Händler die Bespannungen nicht ab. Er verkaufte sie nur, weil ihm der Platz fehlte. Als er und sein Sohn die Lautsprecher nach draußen getragen haben, konnte man ihm die Trauer ansehen und er sagte, dass es neun wunderbare Jahre mit ihnen waren. Ich hätte es verstanden wenn er sie in letzter Minute doch lieber behalten hätte, auch wenn wir dann umsonst gefahren wären.

So konnte ich ohne Übertreibung ein paar quasi nagelneue B&W Lautsprecher aus den 80er Jahren in die Wolldecken im Volvo packen und die 2x35kg auf 2x96cm Höhe sanft nach hause transportieren. Das war und ist ein unbeschreibliches Gefühl...
Lediglich einen 5mm Kratzer auf dem Rücken einer Box haben die Jahre hinterlassen, ich konnte mein Glück kaum fassen.



Besser als erwartet war dann der erste Höreindruck (das ist jetzt eine Woche her). Die große DM3000 spielt einfach noch feiner als die 2000, getrennter und sie brilliert trotz des gleichen Hochtöners einfach etwas mehr. Was mich an der 2000 verzauberte überwältigt mich nun an der 3000, man ist völlig von der Musik umgeben und ihr merkt es schon - kann es einfach nicht fassen. Was mich allerdings etwas wundert ist, dass die 2000 einen wesentlich härteren Bass erzeugt hat, irgendwie druckvoller, die 3000 spielt ebenfalls sehr tief und genau, aber mit weniger Nachdruck. Kurze Frage an die, die bis hierher beim lesen durchgehalten haben, könnte es daran liegen, dass der AX-1070 mit 2x145W Sinus für die 3000er mit einem 20cm Treiber mehr, nicht genügend Kraft hat? Empfohlen wurden von B&W ja 80W aufwärts.

Nun hat hier im OpenOffice schon die 3. Seite begonnen und ich werde den noch nicht in die Flucht geschlagenen Leser erlösen.
Die DM3000 war auf jeden Fall die lange Reise wert und wenn ich gewusst hätte, wie gut Sie wirklich klingt, wäre ich sicher noch weiter gereist.
Sicher, altes Hifi wird gerne glorifiziert, aber das, was mir „mein“ Hifi-Händler für über 5000 Euro (die genauen Typen vergaß ich, aber es waren: B&W Standlautsprecher für 1.699,-/ 1 Box, Rotel Amp für 1.500 und ein teurer CD-Player, Rotel(?)) vorgespielt hat, war in meinen Ohren meilenweit von der Fülle und dem warmen aber dennoch klaren Klangbild (entschuldigt meine normale, Hifi-Magazinen ferne Klangbeschreibung) der DM3000 entfernt, ganz zu schweigen vom Druck der 2000.
Ich liebe sie und bereue keinen km, ich habe nicht nur endlich den Lautsprecher meiner Träume, sondern wenn auch nur kurz, eine sehr nette Familie und ein wunderschönes Land besuchen dürfen, vielleicht höre ich ja davon immer ein bisschen mit....

Mein Kumpel Matze fand es jedenfalls auch klasse und die DM3000 samt Klang auch. Selbst Muttern mit fast 60, die dann auch mal wissen wollte warum Mensch so etwas tut, war erst nach einer Stunde des Genießens aus dem klanglichen Bannfeld zu bewegen.

Wer von euch jetzt noch Testberichte, Ersatzteile und ähnliches hat, bitte meldet Euch, wenn es zu veräußern oder wenigstens zum scannen ist!

abschließend noch eine Hand voll Impressionen von Reise, Ziel und Auslöser, die tolle Kamera muss aber noch warten.

-Marne


Italienische Genüsse unter dem Orangenbaum


Zeltplatz am Lago d'Iseo, ein Traum


endlich, die B&W DM3000 im neuen Zuhause


die B&W DM2000


die 5-Ecks, man beachte die schicken Glas-Tops der 3000, meine älteren 2000 noch mit Kunststoff-Top


und noch ein Familienfoto