Brendel, Alfred: Nachdenken über Musik

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Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#1 erstellt: 08. Mrz 2004, 19:05
Hallo Freunde der Klaviermusik,

nein es gehr hier nicht um Brendels Buch, ich habe diesen Titel nur für diesen ihm gewidmete Thread entliehen, weil ich finde, das kaum eine Aussage besser zu Brendel passt.

Brendel ist ja kein "Tastenlöwe" oder "Tastendonnerer", sondern ein empfindsamer, hinterfragender und intelligenter Interpret. Daß er ein wenig "schwierig" ist, schadet ihm als Ausnahmekünstler nicht.-Im Gegenteil.

Manche stört jene "Führungsposition", die Brendel derzeit auf dem Gebiet der "Wiener Klassik" einnimmt, aber meiner Meinung nach ist es einfach Realität, daß Brendel derzeit "der" Pianist für Mozart und Schubert ist, und auch bei Haydn und Beethoven ganz vorne mitmischt.

Es gibt aber auch Gegner Brendels, die ihm, wie auch seinerzeit Karajan, Eitelkeit vorwerfen und beanstanden, daß er kein zeitgenössisches Repertoire einspielt.
(Ich für mein Teil kann damit leben )

Brendel hat sein Stammrepertoire mehrfach eingespielt, das meiste davon für Philips. Es wird unter Insidern oft diskutiert,welche Versionen seiner Einspielungen die höhere Qualität haben, die älteren, die mittleren, oder die neuesten.

Es ist schwer zu sagen wo Brendel, "unvergleichlich" ist, in meinen Augen ist es Schubert.

Empfehlungen Anregungen und auch Vergleiche, sind,
wie immer, erwünscht.


Freundliche Grüße aus Wien
Alfred
gereon
Ist häufiger hier
#2 erstellt: 09. Mrz 2004, 00:02
hi,
ich weiß garnicht wie ich anfangen soll. du hast ja schon viel treffendes geschrieben.
leider habe ich längst nicht so einen überblick über allemöglichen einspielungen berühmter werke wie ihr, und möchte mir daher nicht anmaßen brendels schubert- , beethoven-, oder mozarteinspielungen als das maß aller dinge zu bezeichnen.
aber vor allem der schubert, aber auch die beethovenaufnahmen finde ich einfach klasse. trotz meiner (für mich) großen sammlung landen brendels cds sehr regelmäßig im cd-player. natürlich liegt das auch am repertoire...
vor gut 2 jahren hörte ich im herkules-saal einen mozartabend mit ihm, das bisher einzige mal dass ich ihn live gehört hab. dort fielen einige rhythmischs unsauberheiten in den schnellen sätzen deutlich auf, jedoch war es derartig beeindruckend, diesem in sich vertieften, alten mann aus 10 meter entfernung zuzusehen, die tolle akustik zu bestaunen und sich den melodien hinzugeben (mozart in perfektion!), dass ich nach dem konzert einfach hin und weg war. nach dem konzert sind wir noch zu ihm in die künstlergarderobe, ich wollte ihm nur einmal die hand geben und mich bedanken. von eitelkeit konnte ich überhaupt nichts feststellen.
ich hoffe dass es noch zu einigen mozart-klavierwerke cds kommen wird, denn ihn spielt brendel ja noch nicht soo lange, jedenfalls auf cd.
die bach-lp bzw cd sollte man aber auch kennen, besonders beeindruckend neben dem italienschen konzert finde ich die fuge in a-moll.
wann brendel in seiner besten phase war kann ich nicht beurteilen, für mich ist er jedenfalls in absoluter hochform, nicht nur aus "charismatischer" sicht
schade dass er keinen rachmaninoff spielt, aber erstens könnte ich mir das bei ihm irgendwie nich vorstellen, zweitens ist es aus seiner sicht ja auch zu "amateurisch"
Antracis
Stammgast
#3 erstellt: 09. Mrz 2004, 18:22
Ich gehöre zu den Leuten, die mit Brendel noch nie viel anfangen konnten. Ich habe Ihn immer nur als soliden Pianisten würdigen ,nie aber seine Ausnahmestellung nachvollziehen können.
Ich besitze viele seiner Schubertaufnahmen - mir gefallen diejenigen Richters, Gilels oder Pollinis besser. Beethoven ? Ich höre lieber Arrau oder Gilels. Auf den Punkt gebracht: Alles nicht schlecht aber ein wirklicher Funke ist auf mich nie übergesprungen. Vor einem Jahr erlebte ich Ihn in Berlin mit dem dritten Klavierkonzert von Beethoven, was von meinen persönlichen Erlebnissen mit zum besten gehörte, was ich live von Ihm hörte.
Aber irgendwie passen wir musikalisch nicht zueinander. Vielleicht ist es auch die nervöse Ausstrahlung, die er im Konzert präsentiert. Ich empfinde das irgendwie immer als nicht selbstsicheren Kampf mit der Musik, die ich dann vielleicht auch akustisch wahrnehme. Womit keine mangelhafte Technik gemeint sein soll. Brendel ist sicher kein Virtuose, aber gravierende technische Unzulänglichkeiten haben ich wiederum live auch noch nicht bei Ihm erlebt.

Gruß
Anti
Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#4 erstellt: 09. Mrz 2004, 19:47
Hallo Anti,

Darf ich Dir zu Dienem Beitrag gratulieren, und zwar deswgen, weil er ein Musterbeispiel sein sollte, wie man
einen Künstler beurteilt, dem man persönlich nichts abgewinnen kann, ohne, daß man dabei unsachlich oder beleidigend wird.

Brendel hatte ich seit ca 25 in meiner Sammlung, und auch ich konnte mir seinen Ausnahmerang nicht erklären. Daher war er noch bis vor 4 Jahren in meiner Sammlung eher unterrepräsentiert. Irgendwann, vor allen nach Hören vieler Vergleichseinspielungen habe ich dann meine Leiube zu seinen Platten, nicht zur Person entdeckt.

Du hast recht, er hat eine "nervöse Ausstrahlung, und zudem noch, das war mein Eindruck, eine eher feindselige Einstellung zum Publikum. Ich habe vor etlichen Jahren sämtliche Schubert-Sonaten auf mehrere Abende verteilt, mit ihm gehört. Es muß Winter gewesen sein, denn die Mehrzahl des Publikuns war offenbar verkühlt, ein andauerndes Hüsteln und Räuspern. Brendel tritt auf, fixiert das Publikum und nimmt dann Platz. Er spielt grade mal 3 Töne-- da plötzlich ein Huster. Brendel bricht ab, dreht sich in Richtung Publikum und fixiert es ca 1 Minute mit durchbohrendem Blick. Die Huster scheinen inzwischen erstickt zu sein, denn man hört keinen Mucks. Brendel ist mit dem Ergebnis öffenbar zufrieden, denn er beginnt schließlich doch noch zu spielen.....

Aber abgesehen davon mag ich seine Art zu spielen.

Ich hab wieder meine Problem mit Richter: Entweder es ist eine Aufnahme die dem Meister selbst nicht gefiel, oder die Tontechnik klingt wie ein Live-Mitschnitt von Amateuren.

Grüße aus Wien
Alfred
drbobo
Inventar
#5 erstellt: 31. Mrz 2004, 16:53
Hallo,

merkwürdig, dass der Brendel-Thread auf so wenig Interesse stösst oder ist es fehlender Widerspuch?
Wenn man die verschiedenen CD-Tips im Forum durchschaut, taucht der Name Brendel immer wieder auf.
Auch von der "Kritik" wird Brendel fast immer mit Lob bedacht, ausserdem hat er ja vor Kurzem auch noch den Ernst von Siemens Musikpreis gewonnen.

Ehrlich gesagt, besitzte ich wie Anti nicht allzuviele Aufnahmen von Brendel, da letztlich mir doch oft eine andere Einspielung besser gefallen hat, vielleicht herausfordernder war, provokanter oder einfach ungewöhnlicher. Ein Live-Erlebnis fehlt mir bisher auch noch.
driesvds
Ist häufiger hier
#6 erstellt: 01. Apr 2004, 11:08

Du hast recht, er hat eine "nervöse Ausstrahlung, und zudem noch, das war mein Eindruck, eine eher feindselige Einstellung zum Publikum. Ich habe vor etlichen Jahren sämtliche Schubert-Sonaten auf mehrere Abende verteilt, mit ihm gehört. Es muß Winter gewesen sein, denn die Mehrzahl des Publikuns war offenbar verkühlt, ein andauerndes Hüsteln und Räuspern. Brendel tritt auf, fixiert das Publikum und nimmt dann Platz. Er spielt grade mal 3 Töne-- da plötzlich ein Huster. Brendel bricht ab, dreht sich in Richtung Publikum und fixiert es ca 1 Minute mit durchbohrendem Blick. Die Huster scheinen inzwischen erstickt zu sein, denn man hört keinen Mucks. Brendel ist mit dem Ergebnis öffenbar zufrieden, denn er beginnt schließlich doch noch zu spielen.....


...also, mir gefällt das schon LOL! und anscheinend hat seine "erziehung" des publikums auch wirkung, wenn es plötzlich leise wird. hut ab, freddy!

ansonsten finde ich brendels spiel eher durchschnitt, sicher nicht aufregend.

dries
PUH123
Ist häufiger hier
#7 erstellt: 01. Apr 2004, 16:30
Ich kann Brendel nur bei Schubert was abgewinnen, aber da ist er für mich Nr. 1, unangefochten. Diese etwas romantisierende, softe Spielweise bringt ihm den Ruf, kein besonders guter Techniker zu sein, was aber im Detail nicht stimmt. Mit dem Sound assoziiert man schnell eine "unbrilliante" oder untechnische Spielweise, man muss nur genauer hinhören.
Ich kann aber die Gegner oder die Gleichgültigen verstehen, er hat schon einen typischen Stil, und der ist nicht jedermanns Sache. Meine Sache auch nicht bei Beethoven z.B.
Live habe ich ihn nie gesehen, daher kann ich zum Thema Sympathie nichts sagen.

PUH
der_graue
Stammgast
#8 erstellt: 01. Apr 2004, 22:45
Hallo,

wenn er nach Berlin kommt, pilgere ich gerne in die Philharmonie, er ist derjenige, der mich zur Klaviermusik, zur Klassik und zu Beethoven gebracht hat (in der Reihenfolge).
Meine erste Klassikeinspielung waren die Beethoven-Klavierkonzerte mit den Wiener Philharmonikern / Rattle. Vielleicht besitze ich daher einen Faible für ihn, seine Art zu spielen liegt genau auf meiner Länge, die Noten scheinen bei ihm ein Leben zu erhalten. Er scheint sich für die Musik Zeit zu nehmen und jede einzelne Note sorgsam zu umkreisen. Die sanfte Spielweise mag wirklich nicht jedermanns Sache zu sein, da der Klang des Klaviers bei ihm an Dynamik einzubüssen scheint. Genau dies ist für mich aber auch die grosse Eigenschaft und Vorteil, den mir seine Interpretationen bringen.
Zum Thema gefühlte Unruhe beim Auftritt : Ich habe schon unruhigere Pianisten gesehen, die auf ihrem Sitz hin- und herrutschen. Unzulänglichkeiten, soweit ich dies beurteilen kann, habe ich auch nie festgestellt.
Da meine musikalischen Fähigkeiten eher begrenzt sind, ist mein Urteil aus der Distanz des ehrfürchtigen Aufblickens gefällt.
Letztlich gefällt mir, dass Brendel sich auf das Repertoire der Wiener Klassik beschränkt, er konzentriert sich auf seine Stärken und vermeidet Experimente mit Musik, die er nicht spielen kann. Andere sind da nicht so weise und spielen Dinge, die sie eigentlich nicht können. Dies zeichnet einen grossen Pianisten aus, denn keiner kann alles.
Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#9 erstellt: 02. Apr 2004, 01:56
der_graue schrieb:


Letztlich gefällt mir, dass Brendel sich auf das Repertoire der Wiener Klassik beschränkt, er konzentriert sich auf seine Stärken und vermeidet Experimente mit Musik, die er nicht spielen kann.


die er nicht spielen kann, und vor allem nicht spielen will

Nicht will, das scheint mir der Knackpunkt zu sein.
Brendel kann es sich heute leisten (und viele Pianisten werden ihn darum beneiden) das zu spielen, was er eigentlich will.

Leider will er offenbar manches nicht spielen, was sein Fach wäre, beispielsweise die Klavierkonzerte von Joseph Haydn.....

Aber wie heißt es so schön: In der Beschränkung liegt der Meister....

Gruß
aus Wien
Alfred


[Beitrag von Alfred_Schmidt am 02. Apr 2004, 01:58 bearbeitet]
Albus
Inventar
#10 erstellt: 02. Apr 2004, 10:29
Tag,

dann auch für kurz einen Blick zurück. Im Anfang seiner Karriere spielte der Künstler Alfred Brendel als junger Mann Mozarts Klavierkonzerte KV 467 und KV 595 derart energisch, dass man die Aufführungen für Ver-Beethovend halten konnte. Zwei Auftritte mit Provinzorchestern in einer Garnisonsstadt hatten diesen Eindruck geprägt und bleibend hinterlasssen. Die Haltung am Flügel war schon sZt die allbekannte, rotierend, grimmassierend. Später war ein Versuch des Künstlers gescheitert, mindestens seine Mimik per Spiegelkontrolle im Londoner Übungszimmer für dauernd zu beruhigen, was er lächelnd bemerkte - in die Spiegelwand schauend (aus einem FS-Interview). Die frühen Beethoven-Klaviersonaten für Vox zeigen Alfred Brendel noch längst nicht vergeistigt. Diese ersten Schallplattenzeugnisse geben seine Auffassung von Beethoven nicht gültig wieder (Brendels Interview-Aussage), was kein Wunder ist. Alfred Brendel übte im Londoner FS-Interview mit stark verpflasterten Fingerspitzen, was auch eine Methode ist, Gehämmer zu vermeiden. - Eine für zwei Konzerte unglückliche Partnerschaft war mit Georg Solti als Dirigent des NDR-Sinfonie-Orchesters für je ein Mozart-Klavierkonzert zustande gekommen, eine glückliche Partnerschaft mit Neville Marriner und der Academy-in-the-Fields. Nach einer Bemerkung Brendels waren beide gemeinsam auf der Suche nach einer optimalen Mozart-Aufführung. Die Verdienste Marriners sollte man wohl nicht unterschlagen. Friedrich Gulda spielte Schubert gänzlich unsentimental, beinahe gegenpolig zu Alfred Brendel (Schubert-Klaviersonaten von Friedrich Gulda sind selten, sie stammen aus der Zeit, bevor Gulda - leider - mit den Faxereien anfing).

MfG
Albus
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