Harnoncourt, Nikolaus: Chamäleon unter den Dirigenten

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Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#1 erstellt: 25. Mai 2004, 22:14
Hallo Forianer,

In meiner Jugend war Nikolaus Harnoncourt
(wirklicher Name: Johann Nikolaus Graf de la Fontaine und d´Harnoncourt-Unverzagt)
schon ein bekannter Dirigent und Musikwissenschafter, allerdings hauptsächlich als Spezialist für Renaissance- und Barockmusik.

<img src="http://www.bach-cantatas.com/Pic-Bio/Harnoncourt-Nikolaus-6.jpeg" border=1>

1953 wurde durch ihn Concentus musicus Wien gegründet, von dem es zahlreiche Aufnahmen gibt. Somit war H. ein Vorreiter der Interpretation mit Originalinstrumenten, einer Praxis, von der er sich in den letzten Jahren wieder entfernt hat.
In den siebzigern begann er Bühnenwerke von Montverdi zu dirigieren, ab 1980 wandte er sich Mozart zu. Aber auch Bach zählt zum Kernrepertoire des Maestro
Erst nach Karajans Tod trat er erstmalig bei den Salzburger Festspielen in Erscheinung. Seit einigen Jahren dirigiert er auch Bruckner.
Besser als dieser kurze Einführungsbeitrag vermag seine Diskographie seine persönliche Entwicklung und Leistung zu dokumentieren.
Welche Bedeutung hat Harnoncourt für Euch? Eher als Spezialist für "Alte Musik" oder als Bruckner-Prophet? Seht Ihr einen Allrounder in ihm, was sind seine Top-Einspielungen, etc.

Wie so oft, werde ich nach diesem neutral gehaltenen Einstieg meine persönliche Meinung erst etwas später abgeben.

Ich bin gespannt. Gerad dieser Dirigent bietet ein großes Potential für Diskussionen.

Grüße aus Wien

Alfred


[Beitrag von Alfred_Schmidt am 25. Mai 2004, 22:19 bearbeitet]
Norbert2
Ist häufiger hier
#2 erstellt: 26. Mai 2004, 00:24


Welche Bedeutung hat Harnoncourt für Euch? Eher als Spezialist für "Alte Musik" oder als Bruckner-Prophet?



Ich greife mir mal diese spezielle zweite Frage heraus und konzentriere mich vorerst mal auf Bruckner: Nein, ein Bruckner-Prophet ist er nicht, er ist noch nicht einmal ein begnadeter Bruckner-Dirigent in meinen Augen.

Die imo beste der Bruckner-Aufnahmen, die er eingespielt hat (3,4,8 und 9), ist die der dritten Sinfonie, weil man dort am "wenigsten falsch machen kann" .

Naja, ganz so schlimm ist es nicht, denn in der 3. beweist Harnoncourt ein gutes Verständnis für Tempi, er dirigiert temperamentvoll und hat ein klares Konzept. Hier klingt die Sinfonie wie aus einem Guß, was man von der 8. und 9. nicht behaupten kann.

Dort ist Harnoncourt immer gut, wenn es zügig vorangeht, die Scherzi haben genügend "Biß und Attacke". Aber er hat nicht den Atem, um den Kopfsatz der 9. sowie die langsamen Sätze der 8. und 9. durchzustehen. Hier noch ein Detail, dort noch eine Phrasierung, aber der musikalische Fluß gerät stellenweise arg ins Stocken.

Man vergleiche zum Beispiel die 8. mit Giulini mit der von Harnoncourt. Beide spielen die Nowak-Edition, Giulini braucht im dritten Satz 29'24, Harnoncourt 27'22. Trotzdem wirkt Harnoncourt langsamer, denn bei ihm schleppt sich das Tempo, bei Giulini paßt es, denn er läßt die Musik fließen.

Das zu Bruckner. Harnoncourts Einspielung der neun Sinfonien Ludwig van Beethovens gefällt mir sehr gut, aber zu der und zu anderen lasse ich mich später aus...
Wiener_Klang
Schaut ab und zu mal vorbei
#3 erstellt: 02. Jun 2004, 13:23
Schade, dass sich nicht mehr zu diesem überaus charismatischen und meiner bescheidenen Meinung nach genialen Maestro geäußert haben - ich hätte zu gerne mehrere Meinungen dazu gelesen .

WK
Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#4 erstellt: 02. Jun 2004, 18:00

Schade, dass sich nicht mehr zu diesem überaus charismatischen und meiner bescheidenen Meinung nach genialen Maestro geäußert haben - ich hätte zu gerne mehrere Meinungen dazu gelesen .


Hallo Wiener_Klang

Da Du neu bei uns bist, beruhige ich Dich hiemit:
Das sagt gar nichts aus.
Manche neuen Threads liegen eine Woche (und länger) völlig unbeachtet hier herum. Plötzlich - Ein Zündender Funke - und jeder schreibt dazu. Fasse Dich also bitte in Geduld
Dieses Klassik-Forum hat eine ganz spezielle Eigendynamik, die ich, obwohl ich sehr viel daran "gebaut" habe, bis heute selbst nicht durchschaut habe.

Gruß aus Wien
Alfred
kleinerhanswurst
Ist häufiger hier
#5 erstellt: 02. Jun 2004, 21:45

Schade, dass sich nicht mehr zu diesem überaus charismatischen und meiner bescheidenen Meinung nach genialen Maestro geäußert haben - ich hätte zu gerne mehrere Meinungen dazu gelesen .


Also, ich geb' mal meinen Senf dazu ab. Was ich bei Harnoncourt spannend finde, ist die Tatsache, dass ich bei ihm keinen alten Wein in alten oder in neuen Schläuchen geboten bekommen, sondern mir vieles Altbekanntes neu und spannend erklingt. Welches Werk er auch immer interpretiert, er bringt fast immer eine neue Sichtweise ins Spiel. "Gegen den Strich bürsten" heißt dann das Stichwort. Zwar hat er sich zunächst einen Namen als Spezialist für alte Musik gemacht, dass er jetzt aber bei Bartók angelangt ist, kann nicht überraschen: Beim Concentus musicus Wien wurde in den ersten Jahren Wert darauf gelegt, das Repertoire jeweils zur Hälfte aus alter und zeitgenössischer Musik zu gestalten. Die notwendige wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der alten Musik (Stichwort: HIP) hat dann allerdings zuviel Zeit in Anspruch genommen, um diesen Vorsatz auch bis in die heutige Zeit beizubehalten (im Konzertsaal und auf Platte/CD hat es da sowieso kaum/nie etwas gegeben). Alles in allem finde ich vor allem den Haydn, die alten Mozart-Aufnahmen un den Beethoven *sehr* gelungen, den Bruckner und Schubert mindestens gut, die Schumann- und Beethoven-Konzerte fantastisch. Die Brahms- und Schumann-Symphonien sind nicht so doll.

Hans
embe
Stammgast
#6 erstellt: 02. Jun 2004, 23:00
Hi,
also gut, ich mag das was der Kerl macht, jetzt ists raus.
So ziemlich jede seiner Platten hat was besonderes,
ob gut oder schlecht kann ich nicht sagen.
Interessant sind sie allemal.
Die Beethoven Reihe finde ich genial.
Seinen Schumann prickelnd
Den Schubert aufregend.
Haydn schön agressiv.
Mozart gegen den Strich gekämmt.
Bruckner macht mir auch Spass.
z.B.
Gruß
embe
cr
Inventar
#7 erstellt: 03. Jun 2004, 01:28
Ich mag seine Barockmusik-Interpretationen absolut nicht und habe auch nur ein paar zu Vergleichszwecken.
Aber ich schätze seinen anpackenden Mozart (die späten Symphonien), oder Haydn, aber auch die Beethoven-Symphonien. Je romantischer die Musik wird (zeitlich gesehen), desto weniger hebt er sich von anderen Interpreten ab, daher muß ich auch keinen Bruckner mit ihm haben.
g.vogt
Ist häufiger hier
#8 erstellt: 03. Jun 2004, 23:57
Hallo,

ich bin ein großer Fan von Harnoncourt, denn was er anfasst, wird auf ganz wunderbare Weise lebendig.

Harnoncourt ist einer der wenigen Dirigenten, dessen Handschrift ich blind erkenne.

Mit internetten Grüßen
G. Vogt
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