Furtwängler: Literatur gesucht, z.B. Karla Höcker - Die nie vergessenen Klänge?

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Torquato
Stammgast
#1 erstellt: 07. Jan 2005, 16:25
Hallo!

Durch dieses Forum ist bei mir Interesse an dem umstrittenen, mir bis vor kurzem nur dem Namen nach bekannten, Wilhelm Furtwängler geweckt worden. Da ich mir die Sendungen, die im Dezember zu seinem Todestag liefen nicht ansehen bzw. anhören konnte (der Film in der ARD soll ja eh nur Kino gewesen sein und mit der wirklichen Person nicht viel zu tun gehabt haben), habe ich mir zum Einstieg die Platte "Karla Höcker liest aus eigenen Werken", auf der die Musikjournalistin laut Cover-Text umrahmt von den 3 Ricordanze Furtwänglers (die sind allerdings wirklich allerliebst) wesentliche Partien aus ihrem Werk "Die nie vergessenen Klänge. Erinnerungen an Wilhelm Furtwängler" lesen soll.

Da diese "wesentlichen Partien" alle während des 2. Weltkrieges stattfinden aber sich das nur aus den manchmal beiläufig erwähnten Jahreszahlen schließen läßt, ist diese Platte jedoch für mich nicht gerade eine Empfehlung dafür, das komplette Buch zu lesen.

Blendet auch das Buch in seiner Gesamtheit alle politischen und zeitgeschichtlichen Zusammenhänge aus oder sind die Auszüge auf der Platte nur unglücklich gewählt? Für Karla Höcker spricht ja eigentlich, dass sie Informationen aus erster Hand bieten kann. Möglicherweise aber hat auch eine gewisse Freundschaft zu dem Komponisten ihre Objektivität getrübt

Kennt jemand dieses oder auch andere Bücher über Furtwängler, die am ehesten ein umfassendes, realistisches Bild abgeben?

Für Literatur-Tipps und Literatur-Warnungen, bin ich dankbar.

Gruß,
Torquato
itzi
Ist häufiger hier
#2 erstellt: 07. Jan 2005, 16:40
Hallo,

die neueste Biographie von W. Furtwängler erschien 2003 in Parthas Verlag, Berlin: Haffner, Herbert, Furtwängler, Preis € 38,--.

Gruß
Itzi
cosmicauto
Ist häufiger hier
#3 erstellt: 07. Jan 2005, 17:05
Hallo!

Schau doch mal hier nach! Ich weiß, ist alles von Schott, aber ist immerhin eine Auswahl.

http://www.schott-mu...&Quick=Furtw%E4ngler

Gruß
Cosmicauto
Mr_M
Hat sich gelöscht
#4 erstellt: 07. Jan 2005, 18:04
Ich fand das Buch "Kraftprobe" von Fred Prieberg über Furtwängler im 3. Reich ziemlich interessant.
AcomA
Stammgast
#5 erstellt: 07. Jan 2005, 22:37
hallo,

am aufschlussreichsten halte ich berichte/erzählungen bedeutender musiker über ihre begegnungen mit w.furtwängler, z.b. artur schnabel, nathan milstein und isaac stern.
insgesamt ergibt sich das bild eines mannes mit hoher autorität auf dem gebiet des dirigates. gleichzeitig besaß er nicht die bestimmtheit und das selbstbewusstsein eines toscanini. er war kein nazi und verabscheute sogar das geschehen in deutschland, verstand sich jedoch als patriot und entschied sich, in deutschland zu bleiben. in der anfangszeit des nazi-regimes half er ehemaligen jüdischen orchestermitgliedern, dass land zu verlassen, aber irgendwann ließ er davon ab, weil er wohl angst hatte. überdies zeigte sich auch eine gewisse naivität und letztlich verdrängung der schrecklichen geschehnisse im lande.

gruß, siamak
peet_g
Stammgast
#6 erstellt: 07. Jan 2005, 23:26
Hallo Torquato!

Das oben genannte Buch von H.Haffner ist die beste Biografie über Furtwängler. Sehr empfehlenswert!

Objektiv, materialreich und nie einseitig.

Für AcomA/siamak wäre dies Buch auch eine große Bereicherung: Es war nämlich viel komplizierter mit Furtwängler...

Gruß


[Beitrag von peet_g am 08. Jan 2005, 20:58 bearbeitet]
plume
Hat sich gelöscht
#7 erstellt: 07. Jan 2005, 23:42

peet_g schrieb:
Für AcomA/siamak wäre dies Buch auch eine große Bereicherung: Es war nämlich viel komplizierter mit Furtwängler...

Gruß


Was, wenn ich anfügen darf, auch für das Buch "Kraftprobe" von Prieberg gilt
Susanna
Hat sich gelöscht
#8 erstellt: 08. Jan 2005, 00:48

Torquato schrieb:
Da ich mir die Sendungen, die im Dezember zu seinem Todestag liefen nicht ansehen bzw. anhören konnte (der Film in der ARD soll ja eh nur Kino gewesen sein und mit der wirklichen Person nicht viel zu tun gehabt haben),

Hallo Torquato,

den Eindruck hatte ich jedenfalls bei der Sendung, die ich mir angeschaut hatte, und die ich relativ nichtssagend fand. An die Szene mit Goebbels, dem der Dirigent von oben herab (vom Podium) „gnädig“ die Hand reicht, kann ich mich noch erinnern, weil sie ja Symbolkraft hat. Wie man weiß, dauerte die Überlegenheit Furtwänglers hier nur ein paar Sekunden, dann war das alte Machtverhältnis rasch wieder hergestellt.
Ansonsten konnte der Film natürlich auch nicht die ambivalente Haltung Furtwänglers zur Naziclique erklären.

Eine Furtwängler-Biografie besitze ich (noch) nicht,aber hier wurden ja schon gute Empfehlungen gegeben. Hier habe ich noch was dazu gesagt:

http://www.hifi-foru...rum_id=68&thread=813

Grüße,
Susanna
Torquato
Stammgast
#9 erstellt: 08. Jan 2005, 15:31
Hallo an alle,

Danke für die Tipps! Hatte schon den Verdacht, das Karla Höcker's Furtwängler nicht gerade das Standardwerk zu dem Thema ist.

Ich glaube ich werde nun erstmal mit der "Kraftprobe" beginnen (da das Thema "3. Reich" auf der Höcker-LP ganz ausgespart war bin ich zunächst natürlich speziell an diesem Thema interessiert), bevor ich mich dann vielleicht mal an den materialreichen Haffner heranwage. Ich finde aber auch, wie AcomA, Berichte von Zeitgenossen immer höchst interessant (deshalb die Höcker), auch oder gerade weil sie oft ganz andere Charakterisierungen eines Menschen liefern, als ein Biograph, der aus vielen verschiedenen Quellen ein objektives Bild zu erstellen sucht.

Nochmals Dank und Gruß,
Torquato
GiselherHH
Ist häufiger hier
#10 erstellt: 08. Jan 2005, 18:29
Hallo Torquato,

wenn Du an einer sehr persönlichen Sicht auf Furtwängler interessiert bist, empfehle ich Dir das Buch "Musik im Schatten der Politik" (im englischen Original heißt es etwas reißerisch: "The Baton and the Jackboot") von Dr. Berta Geißmar. Sie war seit Beginn der 20er Jahre seine persönliche Sekretärin (bis sie als Jüdin 1935 emigirieren mußte und danach in London Sekretärin von Sir Thomas Beecham wurde).

Das Buch ist zuletzt 1990 im Atlantis-Musikbuch-Verlag Zürich erschienen und ist, glaube ich, nur noch antiquarisch erhältlich (schau mal bei zvab.de nach!).

Grüße

GiselherHH
peet_g
Stammgast
#11 erstellt: 08. Jan 2005, 21:02
@ plume

Haffner kritisiert Prieberg oft und gründlich, mit Beispielen.
Priebergs Bücher las ich vor Jahren und habe in Erinnerung den Hauch von Einseitigkeit. Haffners Buch hat keine Macken.
plume
Hat sich gelöscht
#12 erstellt: 10. Jan 2005, 16:43

peet_g schrieb:
@ plume

Haffner kritisiert Prieberg oft und gründlich, mit Beispielen.
Priebergs Bücher las ich vor Jahren und habe in Erinnerung den Hauch von Einseitigkeit. Haffners Buch hat keine Macken.


Priebergs Ansatz damals (vor fast zwanzig Jahren) war wohl auch die Verteidigung Furtwänglers gegen immer wieder vorgetragene Pauschalurteile und auch Falschinformationen.
Haffners Buch ist sicher zu empfehlen, aber mackenlos kann es einfach nicht sein. Ich berichte demnächst ein wenig darüber. Hier schon mal die interessant zu lesende Kritik von Ulrich Mutz :

http://www.wagner-gesellschaft.de/f95.htm

EL
peet_g
Stammgast
#13 erstellt: 11. Jan 2005, 13:39
Hallo plume!

Ich habe mit Interesse die Kritik gelesen.Alles ganz spezielle
sachliche Details, die in keinster Weise das Bild Furtwänglers beeinflussen, das im Buch entsteht.

Ich korrigiere mich, "keine Macken" in Schilderung Furtwänglers.
M_forever
Hat sich gelöscht
#14 erstellt: 11. Jan 2005, 14:03
Das klingt wirkilich sehr interessant. Das Buch würde ich auch gerne lesen.


doch auch die reservierte bis offen ablehnende Haltung der damals ganz auf atonale Avantgarde geeichten musikalischen Öffentlichkeit gegenüber seinen eigenen, spätromantisch großdimensionierten Kompositionen mußte wohl bei einem Musiker zu Depressionen führen, der sich selbst stets in erster Linie als Komponist verstand.

Ich weiss nicht, wie Furtwänglers Musik damals vom Publikum aufgenommen wurde. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die musikalische Öffentlichkeit "auf atonale Avantgarde" geeicht war. Vielleicht einige Kritiker; aber Kritiker sind ja sowieso böse. Vielleicht kann hier jemand etwas zur Rezeption seiner eigenen Musik zu seinen Lebzeiten schreiben?


Haffner belegt etwa eindrucksvoll, wieviel zeitgenössische Musik Furtwängler (entgegen landläufigen Vorurteilen über sein angeblich limitiertes und konservatives Repertoire) zeitlebens aufgeführt hat; in seiner Mannheimer Zeit im zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts etwa besonders die Orchesterwerke des damals erst wenige Jahre verstorbenen Gustav Mahler.

Ich habe mal alte Konzertprogramme des BPhO durchgesehen. Mir ist auch aufgefallen, dass (vor der Nazi-Zeit) der Name Mahler dort durchaus immer mal wieder auftauchte. WF hat einige der Sinfonien dirigiert. Das widerspricht dem Mythos, Mahler sei damals so gut wie überhaupt nicht gespielt und erst in den 60ern wiedererweckt worden.


Doch den als Komponist, etwa der Oper Notre Dame und des Oratoriums Das Buch mit sieben Siegeln nicht unbedeutenden Franz Schmidt umstandslos als Cellisten (der Wiener Philharmoniker) und Urheber einer „Hymne an den Führer“ (Haffner meint wohl die vom Komponisten unvollendet als Particell hinterlassene Kantate Deutsche Auferstehung?) abzuhandeln (253), läßt schon Fragezeichen zu.

Ich glaube, Franz Schmidt war tatsächlich eine Zeit lang Cellist in der Wiener Hofoper/bei den Wiener Philharmonikern.
EDIT - nachgeguckt: Orchestermitglied 1896-1911


[Beitrag von M_forever am 11. Jan 2005, 14:07 bearbeitet]
peet_g
Stammgast
#15 erstellt: 11. Jan 2005, 20:48

M_forever schrieb:

Das widerspricht dem Mythos, Mahler sei damals so gut wie überhaupt nicht gespielt und erst in den 60ern wiedererweckt worden.


Es ist kein Mythos, sondern die geschichtliche Tatsache. Zwischen den 20er und 60er liegen 30er, 40er und 50er. Den Rest kannst du selbst ausrechnen. Du weißt bestimmt, wie es in 30er und 40er mit Mahlers Musik stand oder?
M_forever
Hat sich gelöscht
#16 erstellt: 11. Jan 2005, 21:47
Noch mal langsam:

Mir ist auch aufgefallen, dass (vor der Nazi-Zeit) der Name Mahler dort durchaus immer mal wieder auftauchte. WF hat einige der Sinfonien dirigiert. Das widerspricht dem Mythos, Mahler sei damals so gut wie überhaupt nicht gespielt und erst in den 60ern wiedererweckt worden.

Du weisst aber ganz genau, was ich gemeint habe: Dass Mahlers Musik nicht von Anfang an völlig ignoriert, sondern durchaus auch gespielt wurde, wenn auch nicht bei weitem so oft wie dann ab den 60ern. Wurde das nicht vor ein paar Wochen schon mal in diesem Forum diskutiert?
mefisto
Ist häufiger hier
#17 erstellt: 12. Jan 2005, 10:14
Hallo,
ich kann zu Furtwängler noch einen Buchtip abgeben:
Elisabeth Furtwängler: Über Wilhelm Furtwängler (Brockhaus):
Berndt W. Wessling: FURTWÄNGLER (DVA/antiquarisch.
Das (meiner Meinung nach) OBJEKTIVSTE Buch über Furtwängler ist die Biografie von Haffner.
Gruss Guido.
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