Verdi, G. - Aida

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Klassikkonsument
Inventar
#1 erstellt: 12. Aug 2009, 23:11
Bislang gibt es nur einen eher speziell fokussierten Thread zu dieser berühmten Oper ( Verdi, G.: Aida - Das hohe B bei "Celeste Aida").
Weil im Thread zu Opern mit "offenem Ende" eine OT-Diskussion über die Handlung entstanden ist, scheint es mir an der Zeit das zu ändern.


Klassikkonsument schrieb:


messaggiera schrieb:

Lieber Klassikkonsument, daß Aida Zitat:"eh' nicht die wichtigste Figur in der gleichnamigen Oper " sei, halte ich für eine gewagte Behauptung.


jedenfalls ist Aida keine sonderliche aktive Figur. Zunächst steckt sie im Dilemma, dass sie weder Äthiopien noch Ägypten die Daumen drücken kann. Ganz gleich wie der kriegerische Konflikt ausgeht, scheinen die Folgen für sie schrecklich zu sein.
Als Sklavin kann sie nur abwarten, was weiter passiert. In dieser Lage bittet sie die Götter sie sterben zu lassen.

Dann scheint sich die Situation kurzzeitig zu verbessern, jedoch ohne Aidas Zutun.
Radamès ist der tragische Held. Die einzige Handlung, die Aida sich selbst überlegt hat und die ihr gelingt, ist mit in Radamès' Ehrengrab zu verschwinden.

Vielleicht ist Aida insofern die zentrale Figur, dass sie im politischen Konflikt Ägypten vs. Äthiopien von Anfang an zwischen den Stühlen sitzt.


Darauf antwortete messaggiera:


messaggiera schrieb:
Lieber Klassikkonsument, wenn Radames der tragische Held ist, dann ist Aida die tragische Heldin. Beide werden ziemlich vom Bariton und vom Mezzosopran hin- und hergeschubst.Das ist sowieso sehr interessant, daß in den Verdiopern fast immer der Bariton und der Mezzosopran die Handlung vorantreiben. Gehört jetzt aber nicht hierher.


edit: Mist, hinter Verdis "G" im Titel fehlt der Punkt und ich weiß nicht wie man den nachträgt.


[Beitrag von Klassikkonsument am 12. Aug 2009, 23:13 bearbeitet]
Klassikkonsument
Inventar
#2 erstellt: 12. Aug 2009, 23:48
Hallo messaggiera,


wenn Radames der tragische Held ist, dann ist Aida die tragische Heldin. Beide werden ziemlich vom Bariton und vom Mezzosopran hin- und hergeschubst.Das ist sowieso sehr interessant, daß in den Verdiopern fast immer der Bariton und der Mezzosopran die Handlung vorantreiben. Gehört jetzt aber nicht hierher.


aber hierher

Vielleicht ist die Pharao-Tochter Amneris (die ist ja, glaube ich, der Mezzosopran) doch noch eine "tragischere" Figur.
Denn sie hat die größere Fallhöhe: zunächst befindet sie sich in einer starken Position (der Vater ist eben der König) und steht wie Radamès auf der ägyptischen Seite. Insofern scheint sie gegenüber ihrer Konkurrentin, der Sklavin Aida, bessere Karten zu haben.
Schließlich muss sie aber einsehen, dass ihre starke Position ihr nichts nützt - Radamès weist ihre Liebe und ihr Rettungsangebot zurück. Ihr werden während der Handlung die Augen geöffnet: selbst sie ist nur ein lächerliches Nichts. Für Aida dagegen ist das keine so neue Einsicht.
Mit der erstmal nicht so sympathischen Amneris fühle ich viel stärker mit als mit Aida.

Aida ist bloß eine Idee: Symbol für die menschliche Sehnsucht, die wegen der Konflikte im "Tal der Tränen" keine Erfüllung findet.
Amneris ist dagegen eine Figur mit guten und schlechten Seiten, die diesen Umstand erst bitter erlernen muss (Verhör und Verurteilung des Radamès). Sie ist es doch eigentlich, die lebendig begraben wird. Denn sie lebt weiter, aber innerlich tot.

Allerdings muss ich zugeben, dass mir die tiefere Stimmlage der Pharaostochter wie auch ihr 'Leitmotiv' oder Thema am Besten gefallen. Die kurze Einleitung und die darauffolgende Szene bis einschließlich der Arie Celeste Aida sind ein schönes Vorspiel. Aber sowie Amneris mit ihrem wunderbar melodiösen Thema auftritt, fängt die Musik erst so richtig an.

Viele Grüße
op111
Moderator
#3 erstellt: 13. Aug 2009, 10:35

Klassikkonsument schrieb:
edit: Mist, hinter Verdis "G" im Titel fehlt der Punkt und ich weiß nicht wie man den nachträgt. :(

Ich aber! Schon geschehen.
messaggiera
Ist häufiger hier
#4 erstellt: 13. Aug 2009, 16:09
Lieber Klassikkonsument,ich hätte nicht gedacht, daß ich plötzlich noch bei Aida landen werde.

Ich sehe sowohl Aida als auch Amneris als starke Frauen, Aida u.a., weil sie mit Radames freiwillig in den Tod geht (übrigens mitnichten ein Ehrengrab), weil auch sie weiß, insofern muß ich Dir Recht geben, daß ihre gemeinsame Liebe eine Utopie ist und im "Tal der Tränen" nicht gelebt werden kann.

Amneris sehe ich als starke Frau, weil sie wirkliche Größe am Ende der Oper beweist. Sie will Radames retten, obwohl sie weiß, daß ihre Liebe zu ihm nicht erwidert wird.

Sympatisch ist mir auch Radames, der nun wirklich kein "starker Held" ist. Das erfährt man schon in seiner Auftrittsarie "Celeste Aida", die im Rezitativ unter Trompetengeschmetter kriegerisch anfängt und verträumt auf dem hohen B verhauchen! sollte. (Das habe ich bisher nur von Carlo Bergonzi in der MET-Aufnahme von 1963 gehört). Stattdessen wird der Schluß der Arie mit aufgeblähten Backen herausgeschmettert, so daß sich der Charakter ziemlich verändert. (Um es den Tenören leichter zu machen, wurde die Alternativfassung von Verdi genehmigt).

Du schreibst, daß die Musik mit Amneris' Auftritt erst so richtig anfängt. Hast Du das Ende der Oper, die ich auch musikalisch für überaus "gelungen" halte, nicht gehört? Gibt es einen schöneren Tod?

Das und vieles mehr fragt Dich messaggiera
Klassikkonsument
Inventar
#5 erstellt: 14. Aug 2009, 18:33
Hallo messaggiera,


messaggiera schrieb:
Ich sehe sowohl Aida als auch Amneris als starke Frauen, Aida u.a., weil sie mit Radames freiwillig in den Tod geht


bis auf diese letzte Aktion ist sie aber ein Spielball der Handlung: Zunächst ohnmächtige Sklavin, die nur noch den Tod als Ausweg sieht. Dann eröffnet der Plan ihres Vaters Amonasro unerwartet eine Perspektive, in der die Anforderungen ihrer Nation und ihr Liebesglück vielleicht beide erfüllt werden können. Sie fügt sich deshalb diesem Plan, der dann halt nicht gelingt.
Schließlich bleibt ihr nur noch der gemeinsame Tod mit dem Geliebten. Für diesen Plan B braucht sie wohl schon eine gewisse Stärke.
Insgesamt gilt aber für sie wie für Radamès und Amneris, dass sie ihre Stärke - ganz gleich inwieweit vorhanden - in ihrer Situation gar nicht ausspielen können.

Es ist eine ziemlich düstere Welt, in der diese Oper spielt. Vielleicht gar nicht so unähnlich dem Weltbild, das Jago später im Otello in seiner Arie ausmalt.

(übrigens mitnichten ein Ehrengrab)

Stimmt, das steht doch nicht im Text.
Ich dachte halt, dass Radamès ja trotz allem ein verdienter Feldherr ist, und Verräter gewöhnlich nicht im Heiligtum begraben werden. Die Priester sagen allerdings bei ihrer Urteilsverkündung (IV, 3):
Ja, du stirbst den Tod des Verräters. / Unterm Tempel der zürnenden Gottheit / Gehst du lebend, ja lebend ins Grab!

Lebendig begraben unterm Denkmal für den Helden, das wäre nochmal ein schönes Bild gewesen für seine missliche Lage: ob gefallen, als Verräter zum Tode verurteilt oder als ägyptischer Triumphator weiterlebend - sein Glück bleibt auf der Strecke.
Aber da war wohl der Wunsch der Vater des Gedankens.


Amneris sehe ich als starke Frau, weil sie wirkliche Größe am Ende der Oper beweist. Sie will Radames retten, obwohl sie weiß, daß ihre Liebe zu ihm nicht erwidert wird.

Jetzt wird mir erst klar, dass wir zum Teil aneinander vorbeigeredet haben. Stärke kann die Ausgangslage einer Figur bedeuten - da ist die Königstochter gegenüber der Sklavin erstmal klar im Vorteil. Stärke kann aber auch so etwas wie über sich hinauswachsen bedeuten.
In einem dritten Sinn ist freilich Aida der Amneris überlegen: sie hat mehr schöne Partien und schildert ihr Innenleben ausführlicher.


Sympatisch ist mir auch Radames, der nun wirklich kein "starker Held" ist. Das erfährt man schon in seiner Auftrittsarie "Celeste Aida", die im Rezitativ unter Trompetengeschmetter kriegerisch anfängt und verträumt auf dem hohen B verhauchen! sollte. (Das habe ich bisher nur von Carlo Bergonzi in der MET-Aufnahme von 1963 gehört). Stattdessen wird der Schluß der Arie mit aufgeblähten Backen herausgeschmettert, so daß sich der Charakter ziemlich verändert. (Um es den Tenören leichter zu machen, wurde die Alternativfassung von Verdi genehmigt).


Das habe ich noch nicht richtig verstanden: Inwiefern wird in dieser Arie bereits Radamès' Schwäche deutlich?

Er macht einen naiven Eindruck auf mich, besonders am Anfang der 4. Szene vom III. Akt, wo er beim heimlichen Rendevouz laut tirilierend auf Aida zugeht.
Selbst wenn man von Amonasros Plan absieht, scheint er seine Situation doch ziemlich blauäugig einzuschätzen: Die Hochzeit mit Amneris steht kurz bevor. Aber er glaubt, wenn er die Ägypter erneut zum Sieg führt, vom Pharao die Erlaubnis zu bekommen, statt dessen Tochter Aida zu heiraten. Er ist völlig trunken von seiner Liebe und seinem letzten Triumph.
Klar, bei dessen Feier hat er sich ja auch schon was wünschen dürfen. Aber just dieser Wunsch (Freilassung der äthiopischen Gefangenen bis auf Amonasro & Aida) hat ja dazu geführt, dass die ägyptischen Soldaten schon wieder gegen den feindlichen Nachbarn ausrücken müssen. Da müsste er bei einem zweiten Triumph wohl doch bescheidener auftreten.

Überhaupt erscheinen mir mindestens durch den Zusammenhang der Handlung Radamès' an sich fast kitschiges tenorisches Schwelgen (Celeste Aida finde ich aber schon wunderbar) und die mir erstmal nicht so sympathische Militärmusik in einem neuen Licht. Isoliert würden sie die Funktion von affirmativem Kitsch erfüllen, aber der Zusammenhang sagt, dass das alles lächerlich bzw. widerlich ist.


Du schreibst, daß die Musik mit Amneris' Auftritt erst so richtig anfängt. Hast Du das Ende der Oper, die ich auch musikalisch für überaus "gelungen" halte, nicht gehört? Gibt es einen schöneren Tod?


Auch für's Sterben mit der Liebschaft zusammen könnte ich mir einen schöneren Ort vorstellen als eine stickige Gruft. Und das Todes-Duett, dass ich ehrlich gesagt für sich allein auch eher kitschig fände, passt ja so sehr zu den verzweifelten Phantasien, von denen lebendig Begrabene wohl üblicherweise ergriffen werden. Das ist doch auch nicht einfach beruhigend.
Und das letzte Wort haben ja auch gar nicht die Liebenden, sondern die trauernde Amneris zusammen mit dem unerbittlichen Hymnus des PriesterInnen-Chors.

Viele Grüße


[Beitrag von Klassikkonsument am 14. Aug 2009, 19:12 bearbeitet]
messaggiera
Ist häufiger hier
#6 erstellt: 15. Aug 2009, 19:29
Lieber Klassikkonsument, ich glaube auch, daß wir bzgl des Begriffs "Stärke" aneinander vorbeireden.Wenn ich schreibe, Radames ist kein starker Held, bedeutet das nicht, daß ich ihn als Schwächling sehe. Das ist er ganz sicher nicht. Aber er ist eben nicht nur der Krieger, sonder auch ein sensibler Mensch.Und das erkennt man schon in seiner Arie "Celeste Aida". Das wollte ich damit andeuten. Und so sehe ich auch bei Amneris zum Ende ihre innere Größe.

Wenn ich schreibe: Gibt es einen schöneren Tod?, so ist das ironisch gemeint, weil wir auch nicht vergessen sollten, daß wir uns in der Oper befinden und dieser Tod ist von einer traumhaft schönen Musik umrankelt. Natürlich möchte ich auch nicht eingemauert werden.

Über Kitsch in der Opernmusik rede ich nicht so gerne, weil der Begriff immer schnell bei der Hand ist, ohne das er großartig begründet wird.

Lieber Opernfreund, ich hoffe, wir landen tatsächlich irgendwann bei Otello.
Sommerliche Grüße von messaggiera
Martin2
Inventar
#7 erstellt: 22. Dez 2009, 17:56
Ich kenne die Oper Aida von dieser Opern DVD St. Margareten, einer bombastischen Freiluftinszenierung sogar mit echten Elefanten. Musikalisch fand ich das gar nicht mal so schlecht, will mir allerdings demnächst mal die Aida aus meiner Maria Callas Box anhören. Wenn auch Verdis Otello immer noch die Verdioper ist, die mir am besten gefällt, trotz ein paar Längen, liegt für mich die Aida doch kaum dahinter. Das Ende ist jedenfalls gradios und sehr berührend. Wenn man auch sagen muß, daß dieses Ende mit dem eingemauerten Helden und seiner Geliebten eigentlich grauenhaft ist und dieses an sich grauenhafte Ende mit einer Musik konterkariert wird, die nur diese eine Seite der im Tode verklärten Liebe spiegelt, und das eigentlich Grauenhafte völlig unterschlägt. Aber auch dies hat natürlich eine gewisse Wirkung.

Gruß Martin
messaggiera
Ist häufiger hier
#8 erstellt: 29. Dez 2009, 00:44
Lieber Martin 2, Du hast natürlich Recht. Verdi hätte das Grauenhafte niemals unterschlagen dürfen. Auf jeden Fall wären einige verismomäßige Röchler angebracht gewesen.

Wo findest Du Längen im Otello?

Schöne Grüße von messaggiera
Martin2
Inventar
#9 erstellt: 29. Dez 2009, 01:04

messaggiera schrieb:


Wo findest Du Längen im Otello?



Wo genau kann ich Dir gar nicht sagen. Ich weiß nur, ich habe den Querschnitt mit Busch und der hat mich umgehauen, während die ganze Oper dann einen geringeren Eindruck auf mich hinterlassen hat.


Lieber Martin 2, Du hast natürlich Recht. Verdi hätte das Grauenhafte niemals unterschlagen dürfen. Auf jeden Fall wären einige verismomäßige Röchler angebracht gewesen.


Nun, da höre ich selbstverständlich eine gewisse Ironie heraus. Es ist übrigens auch gar nicht meine Meinung. Übrigens kommt mir gerade der Gedanke, ob nicht diese Verklärung des Grauenhaften nicht auch eine kulturelle Grundlage im Christentum hat. Der verklärte Blick Jesus am Kreuz gen Himmel, Heilige die einen Martyrertod sterben wie der heilige Sebastian und dabei geradezu heilig innig gucken.

Mit dieser Ästhetik spielt für mein Gefühl auch das Ende der Aida. Du würdest mich nur mißverstehen, daß ich das anders haben möchte, ich habe es nur festgestellt, allerdings war ich in diesem Thread da auch nicht der erste.

Gruß Martin
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