* Alte Musik - Komponisten und Werke

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JohnD
Stammgast
#1 erstellt: 22. Aug 2006, 16:39
Nachdem sich die Reihe "Neue Musik" großer Beliebtheit erfreut, möchte ich nun die andere Seite der in diesem Forum vernachlässigten Musik eröffnen.

Bitte nur Musik vor Bach oder zumindest von unbekannteren Zeitgenossen posten.

Ich fang mal an:

Claudio Monteverdi Viertes Madrigalbuch

Dieses 1603 erschienene Büchlein hat es in sich. Oft steht es im Schatten des berühmteren Fünften Buches, dessen Inhalte schon vor Drucklegung bei konservativen Musiktheoretikern Unmutsäußerungen hervorriefen.

Im Vierten Buch wendet Monteverdi in Vollendung eine Technik der Verschränkung verschiedener Verszeilen an, denen jeweils ein musikalisches Soggetto zugeordnet ist.

Schon im ersten Stück "Ah dolente partita!", mit seinen sich auf "dolente" reibenden kleinen Sekunden, weiß man wo der Hammer hängt.

Die Sammlung gipfelt in einem kontrapunktischen Meisterwerk: "Piagn' e sospira". Zum chromatisch ansteigenden "piagn' e" tritt eine Seufzerfigur auf "sospira" hinzu. Weitere Verse werden über die erste Zeile kontrapunktisch geschichtet. Einer der beeindruckendsten Anfänge einer Lyrikvertonung.

Zum empfehlen ist natürlich das immer gute Consort of Musicke, da gibt es diese CD recht günstig, das 5. Buch auch gleich mit dabei, und Bonus-Tracks.



Zweifellos die edelste Version dieses Buches. Wer auf absoluten Schönklang steht, sollte hier zugreifen. Achtung, nicht ganz billig:



Sehr günstig und hervorragend produziert ist diese Version nur mit Männerstimmen:




Und als Sonderempfehlung von mir diese DVD mit Auszügen aus dem 4. Buch und anderen: Banquet of the Senses.
Das Schöne: Emma Kirkby in durchsichtigem Gewand.

Gab's mal bei 2001, vielleicht haben die noch Reste. Ansonsten hier:

http://www.amazon.de...22?v=glance&n=284266


[Beitrag von JohnD am 22. Aug 2006, 16:48 bearbeitet]
Martin2
Inventar
#2 erstellt: 22. Aug 2006, 17:04
Lieber John,

was sagst Du denn eigentlich zur Monteverdibox von Brilliant? Leider habe ich sie seit längerem nicht mehr. Mein Freund hat sie vor sechs Monaten oder so mal bei mir gesehen, sagte, Mensch das ist ja richtig klasse, da sind ja sogar Emma Kirkby und solche Leute drauf, die nehm ich mir mal mit. Seit der Zeit habe ich die Box leider nicht mehr gesehen. Wird Zeit, daß er sie mir mal wieder zurück gibt. Allerdings dauert es bei mir mit dem Zurückgeben auch manchmal etwas länger.

Also mir haben da ein paar Dinge sehr gut gefallen.

Gruß Martin
AladdinWunderlampe
Stammgast
#3 erstellt: 22. Aug 2006, 17:23
Hallo, JohnD,

vielen Dank für die Eröffnung dieses Threads, der mir auch schon seit längerem vorschwebt, um ein Gegengewicht gegen die in diesem Forum doch recht ausgeprägte Fixierung auf Musik des späten 18. bis frühen 20. Jahrhunderts ein wenig aufzubrechen.

Ich mache auch gleich mit, indem ich kurz einen englischen Komponisten des frühen 17. Jahrhunderts vorstelle: Orlando Gibbons (1583-1625), der zunächst als Sänger am King's College in Cambridge tätig war, bevor er 1604 zum Organisten der Hofkapelle von James I. ernannt wurde, weil er im Ruf stand, "die besten Finger jener Zeit" zu haben. 1619 wurde er zum königlichen Kammermusiker ernannt und 1623 auf den Posten des Organisten von Westminster Abbey berufen. Zwei Jahre später starb Gibbons an den Folgen eines Schlaganfalls.
Neben zahlreichen geistlichen Chorwerken und wunderbar vergeistigter Musik für Tasteninstrumente hat Gibbons auch zahlreiche Kompositionen für die damals in England auch unter Amateurmusikern beliebte Besetzung der Gamben-Consorts geschrieben. Meist sind diese Stücke als Fancies, "Fantasien", betitelt; ihr Aufbau folgt dementsprechend keinem festen Schema, vielmehr entwickelt Gibbons immer wieder aufs Neue spannende musikalische Dramaturgien in der Abfolge der in ihrem Charakter bisweilen höchst unterschiedlichen Formteile - und das auf engstem Raum, denn diese Stücke dauern stets nur wenige Minuten. Thomas Mace beschrieb derartige Fantasien zutreffend als "gefühlvolle Geschichten, rhetorisch geschickt, erhabene Durchführungen; subtil und klar in der Darstellung; ganz und gar passend zu den innerlichen, geheimen und intellektuellen Fähigkeiten der Seele und des Geistes; um sie wirklich und wahrhaftig würdigen zu können, mangelt es der Sprache an Worten." - Daher werde ich soetwas auch erst gar nicht versuchen und nur noch darauf hinweisen, dass Gibbons sich in diesen musikalischen Kleinoden - egal, ob er sich dabei Themen volkstümlichen Charakters oder des altehrwürdigen Cantus firmus des "In nomine" bedient - stets als überaus virtuoser und origineller Kontrapunktiker erweist. Von Gibbons liegen Fantasien von 2-6 Stimmen vor: die zweistimmigen mit überaus lebendigen, weit ausholenden Kontrapunkten, die sechstimmigen oftmals sehr verinnerlicht und melancholisch. Und zwischen diesen Extremen gibt es natürlich unzählige Schattierungen des musikalischen Ausdrucks und der kompositorischen Faktur.
Empfehlen möchte ich zwei CDs, die mir über die Jahre regelrecht ans Herz gewachsen sind:

Orlando Gibbons: Cries and Fancies: Fantasias, In Nomines and The Cries of London, mit den Ensembles "Fretwork" und "Red Byrd" sowie Paul Nicholson, Orgel (Virgin Classics VC 7 90849-2; Deutsche Bestellnummer: 259 798-231)

Orlando Gibbons: Royal fantasies - Music for Viols, Volume 1: Three, four and five parts music, mit dem Ensemble "Concordia" (Metronome Classics MET CD 1033)

Viel Vergnügen beim Eintauchen in diese versunkene Klangwelt wünscht

Aladdin


[Beitrag von AladdinWunderlampe am 22. Aug 2006, 19:13 bearbeitet]
JohnD
Stammgast
#4 erstellt: 22. Aug 2006, 17:31
Martin:

Die Monteverdi-Brilliant-Box ist sicher sehr gut. Hol die mal wieder zurück!
Neben Consort of Musicke ist da auch Alessandrini dabei. Auch seine Arbeiten haben mir bisher gut gefallen.
arnaoutchot
Moderator
#5 erstellt: 22. Aug 2006, 23:00
Wenn es um Monteverdi geht, greife ich eigentlich am liebsten auf diese epochale 8-CD-Box zurück:



Enthält neben dem 4. und 5. Madrigalbuch auch die komplette Oper L'Orfeo, die Vespro della Beata Vergine und das Combattimento. Alle Interpreten darauf sind die erste Liga Britanniens, wenn es um Early Music geht.

Das Teil scheint inzwischen recht rar geworden zu sein, habe das Bild auch nur noch bei einer japanischen Site gefunden, wo die Box schlappe 67.000 Yen kostet (das sind immerhin 450 Euro !!!).

Die Brilliant-Classics-Box habe ich auch, ist mir auch positiv in Erinnerung. Habe gleich mal die "Madrigali erotici" aufgelegt - wozu ein solcher Thread nicht alles gut ist. Im übrigen: Großes Lob, geh gleich mal an die Bestände und schmeiss auch was in den Hut ...

Grüße Michael
arnaoutchot
Moderator
#6 erstellt: 22. Aug 2006, 23:42
ok, hier was von mir: Johannes Ockeghem (1410 oder 1425-1497). Universalgelehrter, Mathematiker, Astrologe, Schatzmeister, Musik eigentlich im Nebenfach. Trotzdem Lehrer fast aller großer Komponisten seiner Zeit (Josquin Desprez, Lloyset Compere, Antoine Brumel etc.).



Beispiel für die Kunst Ockeghems: Die "Missa Prolationum", in der jede der vier Stimmen einen eigenen Takt hat, wobei jeweils zwei Stimmen einen Kanon bilden. Klingt verrückt, ist es auch. Trotz der strengen Anlage strahlen die Kompositionen eine tiefe Mystik aus. Mein Favourite ist das einleitende "Intemerata Dei Mater", ein etwa 8-minütiger Kanon, der in seiner völlig vom Irdischen losgelösten Stimmführung locker psychedelische Werke der 60er Jahre von Grateful Dead in den Schatten stellt. Die Naxos-Aufnahme von 1997 aus einer Kopenhagener Kirche mit Bo Holten und dem 14-köpfigen Vokalensemble Musica Ficta ist klanglich einwandfrei und aufgrund des tollen Programms und des günstigen Preises unbesehen einen Kauf wert.
AladdinWunderlampe
Stammgast
#7 erstellt: 23. Aug 2006, 11:24
Hallo Michael,

Ockeghems großartige Missa prolationem hat es wirklich verdient, in einem Alte-Musik-Thread empfohlen zu werden, und daher möchte ich direkt noch eine alternative Einspielung dieses Werks nennen:

Das englische Ensemble "The Clerks' Group" unter der Leitung von Eward Wickham hat nämlich bei ASV (CD GAU 1423) eine wunderbare Aufnahme dieser Messe und einiger Motetten von Obrecht, Busnois, Pullnois und Josquin vorgelegt. Diese CD ist Teil einer Gesamtaufnahme der Werke Ockeghems, in die hineinzuhören ich nicht zuletzt deshalb empfehlen möchte, weil hier erst die ganze Fülle der Musik Ockeghems erfahrbar wird: Lange Zeit ist der Komponist ja vor allem als intellektueller Kontrapunktiker und Konstrukteur berühmt (und teilweise auch berüchtigt) gewesen. Und zweifellos sind die komplizierten Prolationskanons der Missa prolationem ebenso wie die verrätselte Notation der Missa cuiusvis toni, bei der die Notenschlüssel fehlen und die bei richtiger Lesart in jedem Modus ausgeführt werden kann, oder der Rätselkanon des Rondeaus Prenez sur moy vostre exemple amoureux sehr charakteristisch für Ockeghems kompositorische Denken. Und es war gerade diese konstruktive Seite, die Ockeghem für manche Komponisten des zwanzigsten Jahrhunderts (z. B. für Ernst Krenek) zu einem wichtigen Bezugspunkt hat werden lassen.
Aber Ockeghem hat noch eine andere Seite: In gewisser Weise ist er nämlich auch ein großer "Irrationalist": Viele seiner Messsätze verzichten nämlich weitgehend oder sogar ganz auf Imitationen, Kanons, Verarbeitungen greifbarer Themen oder deutliche Gliederungen: gerade in den geringstimmigen Partien seiner Kompositionen arbeitet er oft mit melodisch ständig im Wandel begriffenen und auch rhythmisch überaus flexiblen Linien, die mit ihrem abrupten Wechsel zwischen kurzen und langen Notenwerten weit von der "klassischen" Ausgewogenheit des vollstimmigen Palestrina-Stils entfernt sind. Hieraus resultiert ein fast "anarchisch" wucherndes Gewebe von Stimmen, die sich oft auf engstem Raum miteinander verflechten. Eindrucksvolle Beispiele dieses "anderen" Ockeghem kann man beispielsweise auch in einigen Partien seines Requiems - einer der ersten mehrstimmigen Requiemvertonungen der gesamten Musikgeschichte - oder in der Missa Mi-Mi finden, die beide übrigens vom Hillard Ensemble schon vor mehr als 20 Jahren in mustergültiger Weise eingespielt worden sind (Virgin Veritas VER 5 61219 2).

Auf jeden Fall ist es ein Abenteuer, sich auf Ockeghem einzulassen - denn er scheint in beinahe jedem Werk wieder ein ganz anderer zu sein, der sich durch den Reichtum seiner Erfindungskraft allen verkürzenden Klassifizierungen als "Konstrukteur" oder "Irrationalist" erfolgreich widersetzt.

Herzliche Grüße,
Aladdin


[Beitrag von AladdinWunderlampe am 23. Aug 2006, 11:28 bearbeitet]
AladdinWunderlampe
Stammgast
#8 erstellt: 31. Aug 2006, 11:31
Liebe Freunde der Alten Musik,

dies ist mein hundertster Beitrag, und zur Feier des Tages möchte ich heute einige CDs empfehlen, die mir ganz besonders am Herzen liegen:

Die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts war in Europa politisch, religiös und kulturell eine unruhige Zeit: Um 1350 hatte in weiten Teilen des Kontinents die Pest gewütet, zwischen 1378 und 1417 zerrüttete dann die Kirchenspaltung die Gesellschaft, und im Hintergrund schwelte der später "hundertjähriger Krieg" genannte Konflikt weiter. In dieser Zeit der Päpste und Gegenpäpste, der politischen Intrigen und Morde, entwickelte sich an den Fürstenhöfen und päpstlichen Residenzen Frankreichs und Italiens zugleich eine höchst verfeinerte Musikultur, in der die Errungenschaften der Ars Nova, mittels höchst differenzierter Rhythmik zu einer ungewöhnlich expressiven mehrstimmigen Tonsprache zu gelangen, auf die Spitze und an ihre Grenzen getrieben wurde:

Man experimentierte mit neuen Zeichen und farbiger Notation, um komplizierteste Rhythmen in ungewöhnlichen Proportionen zu komponieren, die teilweise an die Grenzen des Ausführbaren vordrangen; man durchzog die Musik mit einem Gewebe von musikalischen und literarischen Zitaten oder Anspielungen; man machte Wortspiele, schrieb verrätselte Texte oder verschlüsselte die Notation in einer Weise, die bei manchen Stücken zu noch heute nicht eindeutig gelösten Entzifferungsproblemen führt.

Lange Zeit galt diese Endphase der Ars Nova, der man viel später im 20. Jahrhundert den Namen Ars subtilior geben sollte, als eine typische Spätzeit, eine Epoche der Dekadenz, der manieristischen Übersteigerung und des rein intellektuellen Spiels ohne künstlerisch-musikalischen Wert.
Seit einigen Jahren aber dienen die Stüce der betreffenden französischen und italienischen Musiker nicht mehr nur als papierene Knobelaufgaben für Notationsforscher, sondern werden auch von ausführenden Musikern wiederentdeckt. Und was man findet, ist verblüffend: eine erstaunlich "sprechende", ausdrucksvolle Musik, die feinste Regungen und Empfindungen wiedergibt, eine Musik des unruhigen Bebens und der irrational schillernden Nuancen - üppig wuchernd, zart und oftmals berückend schön.

Ihren Ausgang nahm die Ars subtilior zunächst von Frankreich, wo nach dem Tode Guillaume de Machauts Komponisten wie Solage, Grimace und Senleches ihre exzentrische Musik schrieben. Bald wurden aber auch die norditalienischen Höfe von der neuen Lust am Experiment erreicht: Wichtige Komponisten sind hier vor allem Matteo da Perugia, Anthonello de Caserta, Magister Zacharias, Zaccara da Teramo (die beiden letzteren gelten manchmal als ein- und dieselbe Person) und Bartholomeus de Bononia; aber selbst Johannes Ciconia, der später für die Ausbildung der frankoflämischen Renaissance-Polyphonie eine so große Rolle spielen sollte, ist in einigen seiner Werke vom Stil der Ars subtilior beeinflusst.

Vor einigen Jahren hat das Ensemble "Mala Punica", das von dem Blockflötisten Pedro Memelsdorff geleitet wird, damit begonnen, die Musik der italienischen Ars subtilior für CD einzuspielen - zunächst für Arcana, später dann für Erato. Dabei sind zahlreiche interpretatorisch wie klangtechnisch überaus eindrucksvolle Aufnahmen entstanden, voller Lebendigkeit, Ausdruck und Emotion. Die beteiligten Musiker - unter anderem Jill Feldman mit ihrer glockenreinen und zugleich geradezu sinnlich-erotischen Sopranstimme, Christophe Deslignes, der mit ungebärdiger improvisatorischer Spielfreude das Organetto traktiert, und vor allem Pedro Memelsdorff selbst, der ausgerechnet der Blockflöte (!!!) eine fast schon "expressionistische" Ausdruckspalette entlockt - lassen mich beim Zuhören vollkommen vergessen, wie komplex und konstruiert diese Stücke sind; ich bin vielmehr gebannt von der Emotionalität, der Tiefe und Schönheit dieser zeitlich so weit entfernten Kunst.

Besonders empfehlen möchte ich die folgenden CDs:

Ars subtilis ytalica, Arcana A 21.
D'amor ragionando, Arcana 22.
En attendant, Arcana A 23.
Missa Cantilena, Erato 0630-17069-2.
Hélas Avril, Erato 8573-82163-2.

(Bei Amazon sehe ich gerade, dass mittlerweile anscheinend die meisten Einspielungen des Ensembles "Mala Punica" vergriffen sind und daher nur gebraucht zu teilweise recht hohen Preisen gehandelt werden: Die erstgenannte CD beispielsweise wird momentan für 245 EURO (!) angeboten... Wer also antiquarisch irgendeine dieser Aufnahmen zu einem menschenwürdigen Preis auftreiben kann, sollte schweigen - und blind zugreifen!)


Herzliche Grüße,
Aladdin


[Beitrag von AladdinWunderlampe am 01. Sep 2006, 12:00 bearbeitet]
JohnD
Stammgast
#9 erstellt: 16. Sep 2006, 09:03
So: Zeit, mal wieder was gegen den Trend der Aufnahmenauflistung allseits bekannter Werke zu tun!

Jan Dismas Zelenka (1679-1745) ist Bachs Kollege aus Dresden, wo ungleich üppigere Bedingungen herrschten als in Leipzig. Vor Mannheim wahrscheinlich das beste europäische Orchester seiner Zeit.

Ähnlich wie Bach schuf Zelenka sowohl eine Reihe bahnbrechnder Instrumentalwerke, als auch geniale Kirchenmusik.
Der Dresdner Stil ist einer der frühesten, die die Entwicklung von Motiven zu einer damals seltenen Kunst ausgefeilt haben, ohne freilich die Sonatenform im CPEBachschen Sinne vorwegzunehmen.
Vielmehr geschieht das auf ganz eigene Art und Weise, wie im Finale des "Concerto a 8 concertandi in G". Erstens groovt es da wie Sau und zweitens passiert da so viel wie in Prokofievs Sinfonie Classique, an die mich die Harmonik ein wenig erinnert - wenn ich das mal einfach so in den Raum werfen darf. Auf jeden Fall zeigt dieses fantastische Konzert, zu welchen Höhenflügen der Dresdner Stil gelangt ist.

Zu günstigem Preis sollte man sich unbedingt diese Aufnahme zulegen:



(wer gleich alle haben will, kann bei CPO eine angeblich gute Gesamteinspielung für 22.99 Euro bekommen, die ich aber leider nicht kenne)

Auf der anderen Seite haben wir die Kirchenmusik.

Einstieg in den höchst originellen und so gar nicht mit Bach verwandten Stil bietet das Miserere in c-Moll.
Es beinhaltet mehrere Vertonungen in einer, jeweils in unterschiedlichen Stilen:
Ein kraftvoller Chor mit pulsierender Orchesterbegleitung und knirschenden Harmonien.
Dann ein textiertes und instrumentiertes Orgelstück von Frescobaldi (!).
Dann eine empfindsame Arie.
Am Ende klingt noch einmal der Frescobaldi an, dessen Schlussteil eigentlich in ein strahlendes Dur sich auftürmen will - und dann jäh in das Moll des Anfanges bricht. Eine der erschütterndsten Stellen der gesamten Barocken Kirchenmusik.
Eines der schönsten Requien stammt ebenfalls aus Zelenkas Feder und ist zusammen mit dem originellen De Profundis auf dieser tollen CD zu haben:




Auf jeden Fall zu hören sind die letzten Messen, die Zelenka als Schwanengesang komponierte, beispielsweise die "Missa Omnium Sanctorum" (spitze - leider nicht mehr erhältlich mit Frieder Bernius und seinem Ensemble)
arnaoutchot
Moderator
#10 erstellt: 16. Sep 2006, 12:23
Mein Zelenka-Favorit: Die Triosonaten auf ECM.

amazon.de

Von Komposition und Virtuosität von Bach nicht übertroffen, klanglich auf dem gewohnt hohen audiophilen Niveau von ECM.

Grüße Michael
AladdinWunderlampe
Stammgast
#11 erstellt: 16. Sep 2006, 17:53
Hier auf die Schnelle noch ein weiterer Zelenka-Tipp - auch wenn man dieses Stück eher in der Fastenzeit empfehlen sollte als zu jener Zeit, in der in den Supermärkten die ersten spätsommerlichen Schokoladenweihnachtsmänner aufzutauchen drohen:

Gesù al Calvario - Jesus am Kalvarienberg, ein Passionsoratorium, das Zelenka 1735 komponierte. In der Tradition des "Oratorio volgare" verzichtet das Libretto dieses Werks auf die etwa aus Johann Sebastian Bachs Passionen bekannte Figur des "testo", des Erzählers, und auch das Kreuzigungsgeschehen wird nicht dramatisch darstellt, sondern vielmehr indirekt in den Gesprächen reflektiert, die sich zwischen Christi Mutter Maria, Maria Magdalena, Maria Cleofa und dem Jünger Johannes entspinnen. So entsteht eine meditativ verinnerlichte, aber nie spannungslose Musik, in der sich Elemente des empfindsamen Stils mit italienischer Sanglichkeit zu einer bisweilen hinreißend schönen Musik verbinden, die einen wirkungsvollen Kontrast zu den wenigen gezielten Affektausbrüchen bildet.

Eine Gesamtaufnahme dieses Zelenka'schen Spätwerks hat Hermann Max mit der "Rheinischen Kantorei", dem Ensemble "Das kleine Konzert" und den Solisten David Cordier (Altus), Ingrid Schmithüsen (Sopran), Larissa Malikowa (Sopran), Lena Susanne Norin (Alt) und Kai Wessel (Altus) beim Label Capriccio (2 CDs: 10 887/88) eingespielt.


Viel Spaß
beim jahreszeitlich-unzeitgemäßen Hören,
Aladdin
AladdinWunderlampe
Stammgast
#12 erstellt: 21. Nov 2006, 04:03

JohnD schrieb:
So: Zeit, mal wieder was gegen den Trend der Aufnahmenauflistung allseits bekannter Werke zu tun!



Liebe Musikfreunde,

dieser unerschrockenen Maxime JohnDs eingedenk, möchte ich heute einen Ausflug in die fremdartige Welt der Musik für Tasteninstrumente aus dem Italien des frühen 17. Jahrhunderts wagen - auch wenn ich mir nicht ganz sicher bin, ob ich damit durch die silbernen Berge an neueingespielten, wiederaufgelegten, remasterten Gesamt-, Teil- und Einzelaufnahmen von Schostakowitsch-Sinfonien, -Quartetten, -Konzerten und -Filmmusiken durchdringe, hinter denen sich - wenn man den betreffenden Threads glauben darf - ein nicht unbeträchtlicher Teil der werten Klassik-Forumsbenutzter in diesen Tagen verschanzt, oder ob dieser Alte-Musik-Thread nicht doch ein quichottesker Windmühlenkampf ist...

Aber wie dem auch sei: Vorstellen möchte ich heute Musik von Girolamo Frescobaldi. Geboren 1583 in Ferrara, erhielt Frescobaldi schon früh Unterricht bei dem berühmten Komponisten Luzzasco Luzzaschi. Um 1601 scheint er nach Rom gekommen zu sein, wo ihn bald Kardinal Guido Bentivoglio förderte, der ihn nach Brüssel und Antwerpen mitnahm. Nach der Rückkehr nach Rom wurde Frescobaldi 1608 zum Organist im Petersdom ernannt - ein Amt, dass er anscheinend bis an sein Lebensende versah, auch wenn er zwischendurch gelegentlich für kurze Zeit weitere musikalische Aufgaben (so am Hof von Mantua und in Florenz) übernahm.

Auch wenn einige nachträgliche Berichte seine instrumentalen Fähigkeiten ins geradezu Mythische übertreiben, muss Frescobaldi auf der Orgel ein ungeheuerer Virtuose gewesen sein. Und auch als Komponist hat er vor allem durch seine Werke für Tasteninstrumente die Musikgeschichte nachdrücklich geprägt: Nicht nur die nachfolgende italienische Cembalo- und Orgelmusik, sondern auch die Werke wichtiger europäischer Komponisten wie Froberger, Muffat oder Buxtehude sind ohne Frescobaldis großartiges Vorbild undenkbar; Johann Sebastian Bach verschaffte sich in Weimar eine Abschrift der Fiori musicali, und Jan Dismas Zelenka verarbeitete - wie auch JohnD in einem vorangegangen Beitrag dieses Threads erwähnt - einige Stücke aus dieser Sammlung von 1635 in seinen geistlichen Vokalwerken. Aber noch die Komponisten des 20. Jahrhundert zeigten sich von Frescobaldis Musik fasziniert: so Jörg Baur und György Ligeti, die beide das berühmte Thema aus dem Recercar cromatico der Fiori musicali eigenen Werken zugrunde legten.

Tatsächlich kann man sagen, dass Frescobaldi in der Instrumentalmusik das geleistet hat, was sein Zeitgenosse Claudio Monteverdi in der Vokalmusik geschafft hatte: einen modernen, affektreichen Stil zu etablieren. War der neuartige Dissonanzengebrauch schon bei Monteverdi nicht unumstritten, so war die Übertragung der modernen Ausdrucksmittel auf die Instrumentalmusik insofern noch kühner, als Frescobaldi sich anders als Monteverdi noch nicht einmal auf einen vertonten Text berufen konnte, um die klanglichen Exzentritäten seiner Musik zu rechtfertigen. Trotz oder gerade wegen dieser experimentellen Gesinnung hat Frescobaldi aber für alle wichtigen Gattungen der damaligen tastengebundenen Instrumentalmusik - Toccata, Canzone, Fantasia, Ricercare, Capriccio - Modelle geschaffen, die ganzen Generationen als Anküpfungspunkt dienten.

Einige davon möchte ich besonders hervorheben:

1608 erschien Frescobaldis erste Sammlung für Tasteninstrumente - die Fantasie. In mancher Hinsicht könnte man sagen, dass dieses Werk Frescobaldis Kunst der Fuge darstelle - eine kontrapunktische Tour de Force im alten Stil, die Frescobaldi freilich anders als Bach nicht am Ende seines Lebens, sondern erstaunlicherweise schon als junger Mann von 25 Jahren absolviert hat. Dem Werk liegt nicht ein einzelnes Thema zugrunde, sondern die 12 Fantasien sind untereinander durch ein verwickeltes Netz mehrerer gemeinsamer Themen verknüpft. Dabei nimmt die Anzahl der verarbeiteten Themen im Laufe der Sammlung zu: je 3 Fantasien verarbeiten eins, zwei, drei und schließlich vier Themen. Die Themen selbst werden dabei auf die raffinierteste Weise variiert, rhythmisch verändert und vielfältig mit sich selbst kombiniert. Das Wunderwerk der abschließenden Fantasia XII etwa beruht darauf, die zunächst ehrwürdig in langen Notenwerten präsentierten vier Themen zum Schluss in ganz entspannter, beinahe beiläufiger Weise zu verbinden, wobei die Themen nun fast volksliedhaft heiter klingen - ganz so wie der Quodlibet am Ende von Bachs Goldberg-Variationen, der verblüffender Weise sogar eine deutliche melodische Verwandschaft zum Hauptthema dieser Frescobaldischen Fantasia aufweist...

Den größten Einfluss auf die nachfolgenden Generationen dürfte Frescobaldi mit seinen beiden Toccatenbüchern von 1615/1637 und 1627 gehabt haben. Der Stil dieser Musik ist ganz anders als der der gelehrten Fantasie von 1608: Kontrastreich, ständig im Fluss wechselnder Affekte und Gesten - und auf kein Schema zu bringen. Da finden sich rhythmisch überaus vertrackte, hochvirtuose Stücke wie die Toccata IX des 2. Buchs, zu der Frescobaldi selbst im Notentext anmerkt: "non senza fatiga si giunge al fine" - "Nicht ohne Mühe erreicht man das Ende [des Stücks]", da finden sich aber auch im süßen Reiz fremdartiger Harmonien schwelgende Stücke wie die Toccata VIII des zweiten Buchs. Außer den Toccaten sind in den beiden Sammlungen aber auch noch vielfältige andere Gattungen vertreten: so etwa idyllisch-weihnachtliche Capriccio pastorale und die gewaltige, in geradezu experimenteller Manier ständig die Ton- und Taktarten wechselnde Komposition der Cento partite sopra passcagli des 1. Buchs oder die melodiöse Variationsfolge über die Aria detta "La Frescobalda" im 2. Buch, und noch vieles andere mehr.

Eine für mich besonders faszinierende Mischung von Kontrapunktik und Verrücktheit stellt das Primo libro de capricci von 1624 dar: Anders als die improvisatorischen Toccaten sind die zwölf Capricci von der ersten bis zu letzten Note polyphon gearbeitet, aber anders als in den frühen Fantasie macht sich Frescobaldi in diesen quirligen Stücken einen regelrechten Spaß daraus, die Regeln und Gesetze des Kontrapunkts auf den Kopf zu stellen. In jedem Stück stellt Frescobaldi sich eine besondere Aufgabe - und die ist oftmals merkwürdig genug: Im Capriccio cromatico con ligature al contrario zum Beispiel nimmt er sich vor, alle Dissonanzen nicht - wie es die Regel fordert - durch einen Tonschritt abwärts, sondern durch einen Tonschritt aufwärts aufzulösen. Im Capriccio di obligo di cantare le quinta parte schreibt er einen vierstimmigen Notentext, stellt diesem aber noch eine einstimmige Melodie voran und erklärt dem Spieler in einer Anmerkung, dass diese Melodie als fünfte Stimme zu den übrigen Stimmen gesungen werden müsse - aber an welchen Stellen und wie oft, verrät Frescobaldi nicht, so dass man, bevor man das Stück aufführen kann, eine musikalische Knobelaufgabe nach Art der niederländischen Rätselkanons aus der Renaissance lösen muss. Und in einigen anderen Capricci werden alt-ehrwürdige Themen in rasante Tongirlanden verwandelt oder beinahe micky-mouse-artig von abstrusesten musikalischen Figuren umtänzelt.

Die bereits erwähnten Fiori musicali von 1635 stellen dann ein Sammlung dar, die hauptsächlich für den liturgischen Gebrauch im Gottesdienst gedacht war. Sie enthält drei Orgelmessen, wobei nach den eröffnenden Kyrie-Versetten über gregorianische Gesänge im weiteren Verlauf aber meist freie Stücke - Toccaten, Canzonen, Ricercare - im modernen Stil folgen. Außer dem bereits anfangs erwähnten, thematisch kühnen Recercar cromatico möchte ich hier insbesondere die drei wunderbaren Toccate per l'elevazione, die Toccaten zur Wandlung, nennen - die mit ihren geradezu mystisch schwebenden Harmoniefolgen den Eindruck meditativer Zeitlosigkeit erwecken. Daneben gibt es in dieser Sammlung aber auch ausgeprochen tänzerische, ja ausgelassene Stücke: so eine Canzone über die beliebte Bassa fiammenga, die Frescobaldi 1624 auch schon in einem seiner verrückten Capricci verarbeitet hatte und zum Schluss die berühmte Bergamasca, der auch ein überaus beliebtes weltliche Thema zugrunde liegt, das damals von vielen Komponisten verarbeitet wurde (und in der Kirche eigentlich verboten war).


Während die Fiori musicali aufgrund ihres liturgischen Bezugs für die Orgel bestimmt sind, können die Stücke der anderen Sammlungen sowohl auf dem Cembalo als auch auf der Orgel gespielt werden - und in den meisten Aufnahmen wechseln die Interpreten auch je nach Charakter des betreffenden Stücks zwischen diesen beiden Instrumenten.

Abschließend möchte ich einige Einspielungen der vorgestellten Werke nennen, die ich persönlich besonders mag:

Libro delle Fantasie I, Libro di Ricercari, Canzoni Francesi
Sergio Vartolo, Cembalo und Orgel
2 CD, Naxos 8.553547-48
(Die von Vatolo verwendete historische Orgel ist zwar aus Italien, es handelt sich aber nicht um ein wirklich typisches Instrument, was aber im Falle der eher auf Kontrapunktik abhebenden Fantasie nicht allzu sehr ins Gewicht fällt.)

Toccate d'intavolatura di cimbalo et organo, Libro primo
Rinaldo Alessandrini, Cembalo und Orgel
2 CD, Arcana A 904
(scheint momentan nur gebraucht erhältlich zu sein)

Il primo libro di capricci [Auswahl]
John Butt, Orgel
Harmonia Mundi France HMT 7907178

Toccate, Libro II
Lorenzo Ghielmi, Orgel und Cembalo
(scheint momentan nur gebraucht erhältlich zu sein)

Fiori musicali
Rinaldo Alessandrini, Orgel; Schola grégorienne
Audivis Astrée E 8714/8715
(scheint in dieser Aufnahme heutzutage als Naive HMF020003 wiederaufgelegt zu werden)

Girolamo Frescobaldi: 1583-1643
(enthält eine repräsentative Auswahl von Toccaten, Capricci, Recercaren, Canzonen, Variationsfolgen aus verschiedenen Sammlungen und die Bergamasca in großartigen Interpretationen und vorzüglicher Aufnahmequalität)
Andrea Marcon, Orgel
Divox Antiqua CDX 79904

Aber sicherlich gibt es noch zahlreiche andere interessante Einspielungen der eindrucksvollen Musik dieses bedeutenden Komponisten, den Luigi Battiferri als "Wunder der Organisten, Erfinder so vieler Stile des Spiels" pries. Viel Vergnügen beim Entdecken und



herzliche Grüße,
Aladdin
Wilke
Inventar
#13 erstellt: 04. Mrz 2008, 15:29
Gibt es auch Klavieraufnahmen von Frescobaldi?
Bzw. Orgelwerke, die auf Klavier gespielt werden?
gruß Wilke
AladdinWunderlampe
Stammgast
#14 erstellt: 04. Mrz 2008, 18:55
Hallo Wilke,

da ich es persönlich merkwürdig finde, barocke Musik für Tasteninstrumente auf einem modernen Konzertflügel gespielt zu hören, kann ich Dir in Bezug auf Deine Anfrage leider keine Empfehlungen geben. Vielleicht wissen andere hier ja mehr.

Ich kann Dir aber nur raten, mal in die Aufnahmen mit alten italienischen Orgeln oder italienischen Cembali hineinzuhören. Ich denke nämlich, dass die Musik des frühen 17. Jahrhunderts noch viel mehr auf die Eigenarten ihres Instrumentariums hin komponiert worden ist als etwa diejenige von Johann Sebastian Bach oder Domenico Scarlatti, die auf einem modernen Flügel möglicherweise durchaus passabel realisiert werden kann.

Viele der harmonischen Kühnheiten Frescobaldis, etwa die lustvoll ausgekosteten Dissonanzen und die gleitende Chromatik der Toccate per l'elevazione, beruhen wesentlich auf dem kompositorischen Spiel mit den Möglichkeiten und Grenzen der mitteltönigen Stimmung und sind daher auf einem modernen Instrument mit temperierter Stimmung eigentlich nicht ausführbar.

Und was bringt diese Musik schöner zur Geltung als eine alte italienische Orgel mit ihren wunderbar warmen, sanglichen Prinzipalen, ihrem strahlend reinen Mixturen und ihren geheimnisvollen Prinzipalschwebungen? Oder die silbrig-zarte Transpranz eines italienischen Cembalos?

Ich glaube wirklich nicht, dass vom Affektreichtum dieser Musik mit harmonischen Irrgärten, ihrem kontrapunktischem Rankenwerk, ihren tänzerischen Energien und mystischen Entrückungen auf dem normierten und allzu wohl temperierten Klang eines Steinways noch allzu viel übrig bleibt.



Herzliche Grüße
Aladdin


[Beitrag von AladdinWunderlampe am 04. Mrz 2008, 18:57 bearbeitet]
Klassikkonsument
Inventar
#15 erstellt: 05. Mrz 2008, 22:05
Hallo Aladdin,


AladdinWunderlampe schrieb:

Ich glaube wirklich nicht, dass vom Affektreichtum dieser Musik mit harmonischen Irrgärten, ihrem kontrapunktischem Rankenwerk, ihren tänzerischen Energien und mystischen Entrückungen auf dem normierten und allzu wohl temperierten Klang eines Steinways noch allzu viel übrig bleibt.


kann man denn nicht einfach einen Steinway mitteltönig stimmen?

Viele Grüße
AladdinWunderlampe
Stammgast
#16 erstellt: 05. Mrz 2008, 22:46
Hallo Klassik-Konsument,

im Prinzip spricht nichts dagegen, einen modernen Konzertflügel mitteltönig zu stimmen. Ich habe allerdings noch nie davon gehört, dass ein Pianist dies tatsächlich gemacht hätte.

Möglicherweise hängt das auch damit zusammen, dass Pianisten Musik des 17. Jahrhunderts in der Regel nur als aparte Ergänzung ihres Repertoires auffassen, dessen eigentlicher Schwerpunkt naturgemäß und mit vollen Recht in der Musik des 19. und 20. Jahrhunderts liegt. Wenn Musik des 17. Jahrhunderts überhaupt in einem Klavierrecital auftaucht, so meist nur als kleines Häppchen am Anfang oder zwischendurch - und dann vermutlich auch seltener in Form eines Werks von Frescobaldi als eines Stücks des immerhin durch Glenn Gould nobilierten Orlando Gibbons. Aber für solche
exquisiten Farbtupfer in seinem Konzertprogramm lässt kein Pianist seinen ganzen Flügel umstimmen (was ja auch etwas mehr Arbeit verursacht als beim Cembalo), denn dann müsste er die nachfolgende Beethoven-Sonaten und Rachmaninow-Etüden ja zwangsläufig ebenfalls in mitteltöniger Stimmung spielen...

Anachronismen erlaubt man sich in der Regel anscheinend eher gegenüber dem Älteren als gegenüber dem Neueren: Während das heutige Publikum kaum Probleme hat, Gibbons, Rameau oder Scarlatti auf wohltemperierten modernen Konzertflügeln und Frescobaldi oder Bach auf romantischen Orgeln zu hören, würde es sicherlich jedermann als Sakrileg empfinden, wenn ein Musiker auf den Gedanken käme, die Hammerklavier-Sonate auf einem Clavichord, den Carnaval auf einem französischen Cembalo und César Francks Grande pièce symphonique auf einer mitteltönig gestimmten Orgel des 17. Jahrhunderts zu spielen...

Mir ist allerdings auch nicht klar, warum man den Aufwand des Umstimmens eines modernen Konzertflügels auf sich nehmen sollte, der letztlich auf einen doppelten Anachronismus herausläuft, obwohl es doch kein Problem ist, die Musik Frescobaldis auf den Instrumententypen und in der Stimmung zu spielen, für die sie konzipiert wurde.



Herzliche Grüße
Aladdin
arnaoutchot
Moderator
#17 erstellt: 26. Jun 2009, 13:59
Um diesem dahinsiechenden Thread etwas frisches Blut zukommen zu lassen, hier eine Neuerscheinung vom heutigen (!) Tage:


http://www.jpc.de/jp...issance/hnum/4487642
15 CDs für EUR 39,99 bei jpc

Habe Teile davon schon, aber das könnte mich trotzdem noch reizen. Meinungen ?

Grüße Michael
Tannoymann
Stammgast
#18 erstellt: 26. Jun 2009, 15:13
Hallo Michael!
Der Preis ist ja Wahnsinn! Ich hab leider schon das meiste davon, aber vielleicht bestell ich's doch. Die L'homme arme Messe von Pipelare ist toll und Brumels "Ecce et terra..." ist einfach unglaublich! Auf Utopia Triumphans ist der 36 stimmige Ockeghem, aber auch der schräge Agricola und der traumhafte Solage....Die Einzel CDs waren leider Vollpreis...

ich empfehle:
http://www.jpc.de/jp...culorum/hnum/8005126
Kaufen, solange es die Aufnahme noch gibt, habe eben festgestellt, das viele Einspielungen mit dem ganz hervorragenden Orlando Cosort (das sich mit dem Hilliard Ensemble messen kann) nicht mehr erhältlich sind.

und das:
http://www.jpc.de/jp...re-Dame/hnum/5149313
Die Messe ist hinlänglich bekannt, die Interpretation großartig
möchte aber auf folgendes Stück auf der CD hinweisen:
Rondeau: Ma fin est mon commencement
es lässt sich eigentlich nicht mehr beschreiben, es frisst einen richtiggehend auf, die irren Pausen, die darin enthalten - hätte Webern damals so komponiert?

Grüße
Willi
Tannoymann
Stammgast
#19 erstellt: 26. Jun 2009, 15:22
ich wollte auch noch Dufay's L'homme arme Messe mit den Hilliards empfehlen, leider gibt's die Aufnahme scheinbar nicht mehr. Erschreckend, dass man oft die besten Sachen versickern lässt. Darauf war auch eine meiner absoluten Lieblingsmotetten: O Sancte Sebastiane, in der er die isorhytmische Technik völlig verrückt einsetzt und zu unglaublicher Dramatik steigert
Grüße
Willi
Tannoymann
Stammgast
#20 erstellt: 26. Jun 2009, 15:29
aber das gibt's noch: http://www.jpc.de/jp...otetten/hnum/8058775

Leonel Power mit Hilliard leider auch nicht mehr

und die muss man haben:!
http://www.jpc.de/jp...-Lieder/hnum/6078757

Grüße
W
arnaoutchot
Moderator
#21 erstellt: 26. Jun 2009, 15:38
Hallo Willi,

danke für Deine Empfehlungen. Ich befürchte nur, daß die Lieferbarkeit Deiner genannten CDs ebenfalls schwierig sein dürfte. Wenn bei jpc eine Lieferzeit von "3 - 4 Wochen" steht, verheisst das nichts Gutes ... !

Ich glaube, Alte Musik ist aktuell nicht gerade en vogue !

Grüße Michael
Tannoymann
Stammgast
#22 erstellt: 26. Jun 2009, 16:33
Probiers einfach, ich warte auch bisweilen lang bei jpc, bekomms aber meist doch.
Alte Musik ist nach wie vor envoge, es gibt viele Neuerscheinungen. Leider gibt's eben viele Aufnahmen schon wieder nicht mehr
nanesuse
Stammgast
#23 erstellt: 31. Jul 2009, 13:34
Hallo arnaoutchot,

eine Meinung zu der Huelgas-Box gefällig? Unbedingt kaufen, wenn Du Dich für Alte Musik interessierst. Ich habe sie mittlerweile, und ich bin restlos begeistert.
Über die Qualitäten des Huelgas-Ensembles braucht man ja nicht viele Worte zu verlieren; die Zusammenstellung ist sehr gut gelungen, sie vermittelt einen (selbstverständlich) nicht vollständigen, aber doch repräsentativen Einblick in manche musikalischen Entwicklungen zwischen Mittelalter und Renaissance.
Angesichts des unglaublich günstigen Preises kann und sollte man daher auch über die wenigen möglichen Kritikpunkte großzügig hinwegsehen:

1: Die CDs stecken in schmalen Papphüllen; es kann ein wenig Fummelarbeit nötig sein, um sie herauszubekommen. Immerhin sind die Hüllen recht stabil (sie machen einen besseren Eindruck als etwa die Hüllen in den "Brilliant"-Boxen).
Wirkliche Probleme sind aber nicht zu befürchten; man bekommt die CDs heraus, ohne sie oder die Hüllen zu beschädigen. Die Box selber ist übrigens sehr stabil und sieht wirklich gut aus; da hat man sich schon Mühe gegeben, auch etwas für das Auge zu bieten.

2: Es gibt nur ein einziges, recht umfangreiches Booklet, das zwar die Texte aller Lieder, Chansons, Messen etc. enthält (in den Originalsprachen + Übersetzungen), aber leider nicht mehr. D.h.: alles, was darüber hinaus noch in den Booklets der Einzelveröffentlichungen zu finden war (biographische Angaben zu den Komponisten, Anmerkungen zur Musik, zur jeweiligen Epoche und zur Interpretation hat man ebenso weggelassen wie die Besetzungslisten. Die Besetzungslisten kann man sich zur Not aber auch bei medieval.org besorgen.

3: Die Aufnahmen wurden nicht neu gemastert.

Aber irgendwo mußte wohl der Rotstift angesetzt werden, um diesen Spottpreis zu ermöglichen, und wir wollen mal nicht zu kleinkariert sein. In klanglicher Hinsicht gibt es nichts zu meckern; die Huelgas-Aufnahmen waren ja stets gut.

Alles in allem macht diese Box nicht den Eindruck, als hätte man bei Sony nur mal eben etwas auf die Schnelle verramschen wollen.

Du solltest wirklich ganz schnell zugreifen, sogar noch heute, denn ab morgen wird die Box bei jpc 46,99 kosten. Ist zwar auch nicht unbezahlbar, aber ....

Bei amazon ist sie derzeit für 39,95 zu haben

http://www.amazon.de...id=1249038049&sr=1-1

Aber bei amazon schwanken die Preise ja manchmal stark; könnte also sein, daß sie dort demnächst auch wieder teurer wird.

Ich hoffe, Dir - und natürlich allen Anderen, die sich ebenfalls dafür interessieren könnten - damit ein wenig geholfen zu haben.

Gruß,
nanesuse
arnaoutchot
Moderator
#24 erstellt: 31. Jul 2009, 14:48
Hallo nanesuse,

danke für Deine Bekräftigungen zu Kaufen, die mich jetzt sicherlich nicht mehr hätten widerstehen lassen, wenn ich meiner Sammelleidenschaft nicht schon Ende Juni erlegen wäre und sie seitdem bereits habe.

Kann mich nur anschliessen, für diesen Preis ein Freudenfest für alle, die mit dieser Art von Musik etwas anfangen können.

Grüße Michael
nanesuse
Stammgast
#25 erstellt: 31. Jul 2009, 23:59
Hallo Michael,

na dann - auch weiterhin viel Spaß damit! Freut mich wirklich, daß Du auch so begeistert bist von dieser musikalischen Schatzkiste.



Gruß,
nanesuse
flutedevoix
Stammgast
#26 erstellt: 18. Jun 2010, 00:24
Ein kleiner Versuch, in diesem Thread mal wieder entlegenes Repertoire vorzustellen:

Wir alle kennen die Blockflöte, die meisten von uns eventuell als wenig erfreuliche Kindheitserfahrung oder "Versüßung" des Heilig Abend unterm Weihnachtsbaum
Daß das Instrument aber eine lange Geschichte hat und in der Renaissance eines der wohl beliebtesten Instrumente war, ist nicht so bekannt. Einen fundierten Überblick über das barocke Repertoire an Sonaten für Blockflöte und Basso continuo gibt folgende Box, die auch zu diesem Preis ein Schnäppchen ist.
Also, inneren Schweinehund überwinden und unbedingt zulegen!
AladdinWunderlampe
Stammgast
#27 erstellt: 19. Jun 2010, 23:04
Hallo flutedevoix,

da man die Hoffnung nie aufgeben soll, auch von mir noch ein paar knappe Hinweise auf interessante Einspielungen mit Blockflöte:

Auf den Blockflöten-Derwisch und Mittelalter-Expressionisten Pedro Memelsdorff habe ich im Zusammenhang mit dessen Ensemble Mala Punica unter anderem hier hingewiesen. Auf den meisten CDs dieses Ensembles tritt Memelsdorff auch mit ebenso virtuosen wie ausdrucksstarken instrumentalen Diminutionen der zugrundeliegenden Kompositionen hervor, so dass diese Einspielungen auch zur Widerlegung gängiger Blockflöten-Vorurteile höchst geeignet sind. (Da das Label Arcana inzwischen wiederauferstanden ist, sind auch einige längere Zeit vergriffene Mala-Punica-CDs mittlerweile wieder erhältlich - oder werden es hoffentlich bald sein.)

Darüber hinaus hat Memelsdorff zusammen mit Andreas Staier bei der Deutschen Harmonia Mundi auch eine interessante Duo-CD vorgelegt - und zwar mit englischem Repertoire:

Delight is in Disorder: Englische Musik des 17. Jahrhunderts für Flöte und Cembalo
Pedro Memelsdorff (Blockflöte), Andreas Staier (Cembalo)

jpc.de

Vielfach handelt es sich dabei um Bearbeitungen von Volksweisen sowie um Tanzsätze, die von den beiden Ausführenden mit einem ungemein frischen improvisatorischen Gestus vorgetragen werden - großartig!


Und wer sich nach dem Hören dieser Aufnahme bereits mit einer Blockflöte angefreundet hat, der wird auch begeistert sein von dem wunderbaren Blockflöten-Quartett Flautando Köln, das sich auf einer historisch, stilistisch und geographisch ganz ähnlich ausgerichteten CD sogar noch eine fünfte Flötistin sowie einen Sänger und eine Lautenistin zur Verstärkung geholt hat:

Ye sacred Muses: Music from the House of Tudor
Flautando Köln (Katharina Hess, Susanne Hochscheid, Ursula Thelen, Kerstin de Witt), Franz Vitzthum (Countertenor), Andrea Cordula Baur (Laute), Katrin Krauß (Flöte)
Carus 83.433

jpc.de

Die CD enthält neben einigen Stücken Heinrichs VIII. (der - wenn er nicht gerade jemanden köpfen ließ - auch komponierte) allerlei instrumentale Fantasien, Tanz- und Consort-Sätze sowie Consort Songs von William Byrd, Anthony Holborne, John Dowland, Robert Johnson, Augustine und Jeromino Bassano und manchen anderen. Zum Einsatz kommen dabei nicht weniger als achtzehn verschiedene Blockflöten (von der Sopranflöte in c'' bis zur Bassflöte in F) in zahlreichen Kombinationen, so dass dieser Instrumentenfamilie in Verbindung mit dem fantasie- und nuancenreichen Spiel der Musiker ein ungeheuerer Facettenreichtum abgewonnen wird - teils charmant, teils witzig-spritzig, teils herzzerreißend melancholisch wie in Byrds wunderbarer Totenklage auf Thomas Tallis Ye sacred Muses.

Eigentlich wollte ich auch noch eine CD mit Vivaldi'schen Blockflötenkonzerten, gespielt von der Flötistin Dorothee Oberlinger, empfehlen, aber anscheinend habe ich die Einspielung gerade verlegt, so dass ich die Empfehlung erstmal vertage.



Bis dahin herzliche Grüße
Aladdin


[Beitrag von AladdinWunderlampe am 19. Jun 2010, 23:46 bearbeitet]
AladdinWunderlampe
Stammgast
#28 erstellt: 19. Jun 2010, 23:30
Nun habe ich sie doch noch gefunden:

Antonio Vivaldi: Konzerte für Blockflöte
Dorothee Oberlinger (Blockflöten), Sonatori de la Gioiosa Marca
Arcana A 330

amazon.de

Geistvolle, spritzige und oft überaus virtuose Musik bieten diese Werke, bei denen es sich teils um Solo-, teils um Kammerkonzerte handelt, "weihnachtlich" im Sinne des von flutedevoix beschriebenen Klischees wird es dabei allerdings nur beim ersten Stück, das den Beinamen "La Pastorella" trägt; dass Vivaldi dabeiauch die Klänge einer Drehleier einbezieht, erweist jedoch, dass das pastorale Idyll noch rustikalere Züge trug als das Glöckchengeklimpere heutiger Weihnachtsmärkte...


Viel Vergnügen damit wünscht
Aladdin
flutedevoix
Stammgast
#29 erstellt: 19. Jun 2010, 23:39
Ich bin begeistert, es gibt also doch noch Musikliebhaber, die Blockflöten-CDs im Schrank haben und dazu noch relativ entlegenes Repertoire! Gratulation

Pedro Memelsdorff ist in der Tat ein sehr beachtenswerter Blockflötist, der allerdings seine besten Momente meiner Meinung nach nicht auf der von Dir emfpohlenen CD bzw. mit seinem Ensemble "Mala Punica" hat. Ich schätze ihn vor allem als Blockflötist in Jordi Savalls Hesperion XX, besonders dann wenn das imrpovisatorische Moment im Vordergrund steht.


Und wer sich nach dem Hören dieser Aufnahme bereits mit einer Blockflöte angefreundet hat, der wird auch begeistert sein von dem wunderbaren Blockflöten-Quartett Flautando Köln, das sich auf einer historisch, stilistisch und geographisch ganz ähnlich ausgerichteten CD sogar noch eine fünfte Flötistin sowie einen Sänger und eine Lautenistin zur Verstärkung geholt hat:

Ye sacred Muses: Music from the House of Tudor
Flautando Köln (Katharina Hess, Susanne Hochscheid, Ursula Thelen, Kerstin de Witt), Franz Witzthum (Countertenor), Snftrs Cordula Baur (Laute), Katrin Krauß (Flöte)
Carus 83.433


Vielleicht zu dieser Empfehlung noch zwei Korrekturen, der Countertenor heißt meines Wissens nach Franz Vitzthum und bei der Lautenistin bin ich mir sicher, daß es Andrea Cordula Baur ist, die übrigens auch eine hervorragende Blockflötistin ist.
Ansonsten finde ich Flautando Köln interessant, allerdings könnte ihr Spiel artikulatorisch und in Bezug auf Klangfarben manchmal noch differenzierter und abwechslungsreicher sein. Allerdings Kritik auf hohem Niveau!
Schade ist übrigens, daß auf dieser Aufnahme historische Holzblasinstrumente wie Pommern oder Krummhörner ausgeklammert werden (Heinrich VIII. besaß mehrere dieser Instrumente selbst) und auch die Saiteninstrumente nur rudimentär eingesetzt werden. Gerade die Musik dieser Epoche lebt sehr vom Klangfarbenreichtum eines sog. Broken Consort, das mit Instrumenten unterschiedlicher Instrumentenfamilien besetzt ist.


Dorothee Oberlinger hat zwei CDs mit Vivaldi-Konzerten veröffentlicht, beide sind ausgezeichnete Beispiele ihres sehr differenzierten und ausdruckstarken Spieles, das immer ganz im Dienst der Musik steht.




Ich persönliche finde die zweite CD eine der besten Einspielungen mit Musik für Blockflöte der letzten Jahre!

An dieser Stelle vielleicht noch eine Empfehlung für eine weitere CD mit Dorothee Oberlinger:

Diese Einspielung der herrlichen Händel-Sonaten ist in allem ausgezeichnet. Über das inspirierte Blockflötenspiel hinaus beeindruckt besonders das sehr abwechslungsreich besetzte Continuo-Ensemble


[Beitrag von flutedevoix am 19. Jun 2010, 23:42 bearbeitet]
AladdinWunderlampe
Stammgast
#30 erstellt: 19. Jun 2010, 23:56
Hallo flutedevoix,

Tippfehler korrigiert. Und vielen Dank für Deine kompetenten Ergänzungen!


Herzliche Grüße
Aladdin
flutedevoix
Stammgast
#31 erstellt: 17. Aug 2010, 09:58
An dieser Stelle möchte ich eine Lanze für polyphone Musik aus Spaniens musikalisch goldenem Zeitalter, dem 16. Jahrhundert, brechen. Zwei Namen sollen dabei im Vordergrund stehen, die Leider nicht die gleiche Bekanntheit wie ihre "großen" Zeitgenossen Victoria und Morales genießen .

1. Francisco Guerrero
1528 in Sevilla geboren und dort auch 1599 verstorben ist der unbekanntere der drei großen Namen der spanischen Kirchenmusik aus der Renaissance. Außer auf Reisen in diensten Kaiser Maximillian II. und einen kurzen Italienaufenthalt beschränkt sich sein musikalisches Schaffen weitgehend auf Sevilla. In seinem Schaffen deutet sich schon die Barockzeit mit ihrer durch Harmonik (Generalbaß!) bestimmter Musiksprache im Gegensatz zur durch die Melodielinie bestimmter Polyphonie der Renaissance. Guerrero schuf Werke, die durch Klangsinnlichkeit beeindrucken, sich aber in sträkerem Maße der Ausdrucks- und Affektgestaltung verpflichtet sehen als etwas Morales oder Vicotria.

Einen Einstieg in seine Musiksprache bietet folgende phantastische CD:



Die Einspielung ist rundherum gelungen. Sänger, Instrumentalisten und auch die Gregorianik bewegen sich auf höchstem Niveau. Besonders begeistert mich, die Ruhe und der weite Atem, die Selbstverständlichkeit des gemeinsamen Musizierens.


2. Sebastian de Vivanco (1551 - 1622)
Wie Victoria in Avila geboren beschränkt sich sein musikalisches Schaffen auf Spanien. Hier ist wohl auch der Grund dafür zu sehen, daß er schon zu seinen Zeiten etwas hinter dem Namen Victorias zurückstand und auch heute noch weitgehend einer Wiederentdeckung harrt. Von der herausragenden Qualität seiner Kompositionen zeugen unter seine Stationen als Kapellmeister in Segovia und Salamanca sowie Guerreros Versuche, ihn als Kapellmeister nach Sevilla zu verpflichten.

Ähnliches wie für die oben genannte CD gilt auch für die Verööfentlichung des gleichen Ensembles mit Werken Vivancos:

null

Großartige Musik, die für Liebhaber Alter Musik und speziell polyphoner geistlicher Musik des 16. Jahrhundert ein absolutes Muß ist.


[Beitrag von flutedevoix am 17. Aug 2010, 10:00 bearbeitet]
TomorrowNeverKnows
Stammgast
#32 erstellt: 04. Okt 2013, 00:06
Hallo,

schade, dass dieser thread eingeschlafen ist. Bin gerade erst dabei die alte Musik zu entdecken. Sehr stimmungsvoll.

Meine erste Empfehlung:

http://www.amazon.de...eywords=mara+galassi


Gruß

tomorrowneverknowsMara Galassi Il Viaggio di Lucrezia
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