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Wagner - wie beurteilt ihr ihn?

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Beitrag
Württemberger_
Neuling
#1 erstellt: 30. Mrz 2013, 21:11
Hallo zusammen,

Diese Woche ist im "Spiegel" das Titelthema "200 Jahre Wagner - das wahnsinnige Genie"

Kann man eures Erachtens nach Wagner unbefangen genießen, oder bleibt doch ein Rest Wehmut und Skepsis über den Antisemitismus Wagners und die Auslegumg der Nazis?


Grüße,

Württemberger
Martin2
Inventar
#2 erstellt: 30. Mrz 2013, 21:21
Hallo Württemberger,

na, ich denke, man kann ihn unbefangen genießen. Was nicht heißt, seine Persönlichkeit schlicht auszublenden. Na, ich bin mal gespannt, was aus diesem Thread wird. Wird wieder eine heftige Diskussion, fürchte ich.

Was mich bei Wagner abhält, ihn "unbefangen zu genießen", ist Wagners Musik selbst, die ich über weite Strecken langweilig finde. Langweilig und schwülstig. Dann natürlich auch wieder genial.

Gruß Martin
Hörbert
Inventar
#3 erstellt: 30. Mrz 2013, 21:44
Hallo!

Wagner ist seit 130 Jahren tot und seine Meinungen und sein Weltbild sind ehrlich gesagt nichts was mich auch nur im geringsten Interessiert zumal es unsinnig wäre sie im Lichte für ihn nicht absehbarer und weit in der Zukunft liegender Ereignisse die allerdings für uns in der Retrospektive liegen zu sehen.

Zu Wagners Zeit entsprachen schließlich seine Ansichten einer durchaus üblichen Spanne im tolerabeln Bereich der offentlich tolerierten Meinungen -mit anderen Worten war Wagner für seine Zeit ein durchaus politisch korrekter Mitbürger-.

Ihn im Lichte heutiger politischer "correctness" Spannen zu sehen finde ich nachgerade Bizarr.

Magners Musik allerdings kümmert mich sehr wohl, schließlich wirkt sein Einflüß auf die Musikgeschichte und die Form der Musik wie sie heute gemacht wird immer noch nach.

Einige Werke Wagners wie den "Tristan" schätze ich persönlich sehr, andere wie der "Parsifal" lassen mich ehrlich gesagt völlig kalt.

MFG Günther


[Beitrag von Hörbert am 30. Mrz 2013, 21:44 bearbeitet]
Sir_Henry0923
Stammgast
#4 erstellt: 02. Apr 2013, 10:36
Hi!

Ich vermute mal richtig, dass sich Hitler und Wagner persönlich nie begegnet sind. Außerdem war der Antisemitismus im deutschen und österreichischen Bildungsbürgertum als Geisteshaltung fest verankert und somit sind alle für das, was im "Dritten Reich" geschah, voll verantwortlich. Aber wie das immer so ist, hinterher will es keiner gewesen sein, bzw. ein ehemaliger Bundespräsident versteigt sich sogar zu der lächerlichen Aussage, seine Familie habe nur mitgemacht, um Schlimmeres zu verhüten. Hätte es denn noch schlimmer kommen können? Insofern sind die Anwürfe gegen Wagner nichts als Heuchelei. Immerhin, wenn er in Israel nicht gespielt wird, habe ich dafür noch Verständnis, aber das sagt nichts über die Qualität seiner Musik aus. Für seine Genialität spricht, dass er damals nicht auf den Verismuszug aufgesprungen ist, sondern durch Einbeziehung der germanisch/deutschen Götter- und Sagenwelt seinem Werk überragende Zeitlosigkeit zu vermitteln vermochte. Wer bei Wotans Abschied nicht den Kloß im Hals gespürt hat, dem ist wahrlich nicht zu helfen, weil ihm jegliche Empathie abgeht.

Gruß

Henry


[Beitrag von Sir_Henry0923 am 02. Apr 2013, 10:46 bearbeitet]
Joachim49
Inventar
#5 erstellt: 02. Apr 2013, 12:47
Ich bin mir nicht so sicher wie Hörbert, ob Wagner in seiner Zeit “politisch korrekt” war. Ich kenne die Wagnerbiographie nur flüchtig, aber kann mich doch erinneren, dass Wagner an politischen Umstürzen in Sachsen beteiligt war und vor strafrechtlicher Verfolgung ins Ausland flüchten musste. Was Wagners Antisemitismus betrifft - auf den sich wohl die Bemerkung zu seiner Zeit ‘political correct’ bezieht - bin ich mir nicht so sicher. Ich erinnere mich an ein Gespräch, das ich vor vielen Jahren mit einem Musikwissenschaftler hatte, der über Judentums und Musik publiziert hat. Er sagte mir damals, Antisemitismus sei, als Wagner sein antisemitisches Pamphlet schrieb, gerade nicht bon ton gewesen und Wagner selbst habe dazu beigetragen ihn wieder gesellschaftsfähig zu machen. Ich kann das nicht gut beurteilen, aber will es nicht ausschliessen. Ich weiss auch nicht, ob Wagners diffamierende Behauptung, Juden seien zu keiner kreativen künstlerischen Leistung fähig, ein eigenständiger Beitrag Wagners zum Antisemitismus ist (ich vermute es). (Merkwürdigerweise hat ja auch Wittgenstein in einem Anflug jüdischen Selbsthasses in einer der wenigen autobiographischen Bemerkungen zu seinem Judentum, diese Idee Wagners nachgebetet, und es ist wohl kein Zufall, dass Wittgensteins Bemerkungen zu Mendelssohn und die sehr negativen zu Mahler durch Wagner geinspiriert scheinen).

Wie dem auch sei: ich höre Wagner oft und gerne und kann Henry nur beipflichten, wenn einen Wotans Abschied kalt lässt, dann ist in Sachen Wagner Hopfen und Malz verloren. Allerdings ist meine Wagnerbegeisterung mit einer Ausnahme recht spät aufgeblüht. Als junger Mann war es nur der fliegende Holländer, den ich mochte, und dies ist die einzige Wagneroper die ich wiederholt (4 -5 mal) im Opernhaus erlebt habe. Der Rest war mir gleichgültig. Erst Jahrzehnte später habe ich mich mit der Musik Wagners intensiver auseinandergesetzt: Tannhäuser, Lohengrin, Ring.... Allerdings habe ich Wagner selbst dann noch ohne viel Interesse an seinen Libretti gehört und bis heute habe ich seine selbstgeschmiedeten Mythologien nie so recht verstanden.

Es gibt zwei Wagneropern für die ich weniger empfänglich scheine. Die eine sind die Meistersinger, deren story ich für Schmonzes halte und die mich musikalisch wenig reizt. Weiterhin ist es mir bis heute nicht gelungen Tristan und Isolde ganz durchzuhören. Auf halbem Wege gebe ich es immer wieder auf. Anders als Hörbert bereitet mir Parsifal, was seine musikalische Gestalt betrifft, durchaus Freude. Ich habe ihn gerade eben in einer merkwürdigen Mischung aus Karajan (CD) und Barenboim (spotify) gehört. (Ich halte Barenboim für einen der bedeutendsten Wagnerdirigenten unserer Zeit).

Allerdings habe ich es immer wieder bedauert, dass Wagner keine (oder kaum) symphonische Musik geschrieben hat und ich habe durchaus Sympathie für Maazels oder de Vliegers ‘Ring ohne Worte’ und Stokowskis ‘symphonische Synthesen’ zu Tristan und Parsifal.
Hörbert
Inventar
#6 erstellt: 02. Apr 2013, 14:48
Hallo!

Geschmäcker sind halt verschieden, neben dem "Tristan" höre ich eigentlich nur dann und wann eines der Werke aus dem "Ring" oder den "Tannhäuser" die übrigen Werke kenne ich zwar aber sie treffen bei mir auf keine Resonanz. Parsifal und Lohengrin zum Beispiel lassen mich einfach kalt, trotz einiger interessanten musikalischen Wendungen finde ich hier Wagners Musik im Vergleich mit dem "Tristan" oder den Ringopern schlicht und ergreifend "Altbacken".

MFG Günther
Maastricht
Inventar
#7 erstellt: 02. Apr 2013, 16:37
Ich habe in den letzten Tagen den Ring in Berlin gesehen (mit Barenboim).
Schon ein besonderes Erlebnis, wenn man so schnell hintereinander alle Teile des Rings sieht/hört.

Ich bin ziemlich spät zu Wagner's Musik gekommen. Das hat auch mit seiner Person zu machen. Inzwischen kann ich in sicherem Masse Musik en Person trennen, wobei mir z.B. Barenboim geholfen hat.

In Berlin habe ich Ludwig Marcuse's 'Richard Wagner - Ein denkwürdiges Leben' gelesen. Darin steht das W. seine berüchtigte Streitschrift gegen Mendelssohn zweimal, mit einem Abstand von einigen Jahren, herausgebracht hat.
Darin steht auch das die Juden gerade zu Beginn des 19. Jahrhunderts mehr Rechte erhalten haben und in dem Sinne Antisemitismus weniger herrschend/anwesend war.

Übrigens, ausser dem Ring finde ich vor Allem Tristan und Isolde faszinierend. Zu Parsifal habe ich (noch?) keinen Zugang (für mich zuviel pseudo Wirrwarr). Das gilt für mich in sicherem Masse auch für Lohengrin, obwohl da natürlich noch eine schöne Intrige spielt.

Gruss,
Jürgen
Hörbert
Inventar
#8 erstellt: 02. Apr 2013, 20:17
Hallo!

Immerhin hat Wagner mit der alten Nummernoper bei der die einzelnen Arien, Rezitative und Zwischenspiele oft nur lose verknüpft waren gründlich aufgeräumt und die Oper aus einem Stück geschaffen.

Daran messe ich Wagner und nicht an seiner Person, wie schon geschrieben,: Der Mann ist seit 130 Jahren tot, seine Sicht der Welt kümmert mich nur insoweit wie ich sie kennen muß um seine Musik zu verstehen. Würde ich es anders halten dürfte ich sehr viele Komponisten und Dirigenten nur noch unter Vorbehalt anhören, -stellt euch doch nur einmal vor wenn man jeden Komponisten der letzten 300-400 Jahre im Lichte der gegenwärtigen politischen Korrektheit abklopfen müsste bevor man ihn hört: Wie stand z.B. Vivaldi zum Thema "Gleichstellung der Frau?"

MFG Günther
Maastricht
Inventar
#9 erstellt: 02. Apr 2013, 20:44
Hallo Günther,

Ich kann dir im Grossen und Ganzen zustimmen.
Jedoch ist es für mich anders, wenn jemand bewust die Öffentlichkeit sucht um verwerfliche Auffassungen zu verkünden oder Taten zu pflegen.
Darin liegt für mich ein wichtiger Unterschied.

Gruss,
Jürgen
Hörbert
Inventar
#10 erstellt: 02. Apr 2013, 22:22
Hallo!

Sicher, -ich finde die Hexenjäger des Mittelalters auch nicht gerade als symphatische Persönlichkeiten. Ebensowenig bin ich ein Bewunderer Tomás de Torquemadas oder einer seiner Nachfolger.

Aber das alles trifft auf Wagner oder einen der anderen Komponisten die sich auf die eine oder andere Art politisch betätigt haben doch gar nicht zu. Wer z.B. würde die Verstrickungen Luigi Cherubinis in die Pariser Terrorherrschaft heute noch Anprangern,? Wagners Antisemitismus wäre doch heute ebensowenig ein Thema wenn er nicht lange nach seinem Tod instrumentalisiert worden wäre.

MFG Günther
driesvds-1
Stammgast
#11 erstellt: 08. Dez 2014, 23:57
ich denke dass wagner einer der größten komponisten der musikgeschichte war - und sein einfluss war unvergleichlich.

habe den ring auf bluray mit dirigent zubin mehta...

und nächstes jahr geht es dann ins neue musiktheater in linz:



wagner-linz
Hörbert
Inventar
#12 erstellt: 09. Dez 2014, 21:22
Hallo!

Zumindstens einer der größten Musikdramatiker, soweit mir das bekannt ist sah sich Wagner nicht nur als bloßen Komponisten sondern er strebte das "Gesamtkunstwerk" an das eine Synthese aus Theater, Musik und anderen Künsten( Balett u.s.w.) sein sollte.

MFG Günther
Joachim49
Inventar
#13 erstellt: 12. Dez 2014, 12:56
...mit Mehta, das ist doch der futuristische star wars Ring, nicht wahr?
driesvds-1
Stammgast
#14 erstellt: 12. Dez 2014, 18:10
ja genau - dazu noch in Valencia (EU-Geld... ) - viel 3D Videowände und futuristische Bilder. aber gut gemacht.

mir hat die Inszenierung gut gefallen und auch die Tonqualität der Scheiben (DTS) ist perfekt; Mehta sowieso.

in Linz wird es sicher etwas einfacher sein...
Waldwuffel
Ist häufiger hier
#15 erstellt: 05. Nov 2015, 05:18

Württemberger_ (Beitrag #1) schrieb:

Kann man eures Erachtens nach Wagner unbefangen genießen, oder bleibt doch ein Rest Wehmut und Skepsis über den Antisemitismus Wagners und die Auslegumg der Nazis?


Bis in die 50er/Beginn der 60er Jahre hinein war ein beträchtlicher Teil der besten Wagner-Sänger Juden ;-)
(die natürlich in den 30er Jahren emigrieren musten, aber in England und vor allem an der MET riesige Erfolge feierten).

Mal davon abgesehen: Hitler war u.a. ein großer Verehrer von Beethoven, Bruckner und Disney ..., und außer Wagner wurde im 3. Reich auch Beethoven u. Bruckner missbraucht ("heroischer Deutscher Geist" blabla), nur liest man darüber herzlich wenig.

Soll man nun auch bei Beethoven, Bruckner etc. ein schlechtes Gewissen haben?

Darf man dann überhaupt noch etwas unbefangen tun? In vielen Vereinen wurden die Juden ab 1900 ausgeschlossen, vor allem in Österreich, und ganz schlimm in Wien.

Der extreme Antisemitismus fing im 13. Jh an, und der blieb ununterbrochen bis in die Zeit des 2. WK erhalten.
Hörbert
Inventar
#16 erstellt: 05. Nov 2015, 12:18
Hallo!

@Waldwuffel


......Darf man dann überhaupt noch etwas unbefangen tun?........


Heute so wenig wie früher.

Die gegenwärtige "political correctness" stellt genau so eine Zeiterscheinung dar wie z.B. auch die Victorianische "correktness" oder die "freiheitliche" der 60ger-70ger Jahre des letzten Jahrhunderts. Je nach gesellschaftlicher Mode gibt es Tabus, "richtige" und "falsche" Weltbilder sowie "richtige" und "falsche" Wort- und Denkmuster.

Diese sind eher der jeweiligen gesellschaftlichen Mode geschuldet als einen objektiven Maßstab haben aber gleichwohl eine Leitfunktion für die jeweiligen Realitäten.

Dir hier deine eigene Meinung jenseits der gerade aktuellen Klichees zu bilden und zu leben bleibt dir dadurch unbenommen bloß mußt du möglicherweise in Kauf nehmen daß deine Umwelt darüber nicht unbedingt begeistert oder erfreut ist.

MFG Günther
WolfgangZ
Inventar
#17 erstellt: 05. Nov 2015, 14:13
Danke, Günther, dass Du das, was in mir bösem und (selbst-)ironischem Menschen still vor sich hinwabbert, beinahe wissenschaftlich auf den Punkt gebracht hast. Mein spezielles Hobby sind manipulierte Neger in der Kinderliteratur ... das könnte mich zur Weißglut bringen.

Mir scheint schon lange, dass man erst dann vom Vorwurf der politischen Unkorrektheit befreit wird, wenn man den armen Afroamerikaner, also den/die arme/n AfroamerikanerIn gleich ermordet. Dann kümmert sich nur noch die andere Baustelle ...

Oder - etwas ernsthafter: Menschen in der Dritten Welt verhungern oder werden von verfeindeten Stämmen umgebracht. Dies ungeschickt beim Namen zu nennen, sorgt in den Medien unter Umständen für weitaus mehr Aufruhr als die Waffen, die den verfeindeten Stämmen schon lange von unserer einschlägigen Industrie geliefert werden.

Aber das hat mit Wagner nun nichts mehr zu tun ...

Wolfgang
Hörbert
Inventar
#18 erstellt: 05. Nov 2015, 15:40
Hallo!

@WolfgangZ


.......Aber das hat mit Wagner nun nichts mehr zu tun .........


Na ja, -doch-, zumindestens so weit das man Wagner als Kind seiner Zeit beurteilen soll und nicht heure gerade opportune Maßstäbe anlegen sollte.

Wo wir landen wenn man die aktuelle Sprach- und Denkkonventionen allzu ernst nimmt kann man sich an fünf Finger ausrechnen, -dann wird das Krokodil beim Kasperltheather zum "Schutzreptil" und der Räuber wohlmöglich zum "Bildungsfernen integrationsbedürftigen Randgruppenangehörigen"-.

Mir ist im übrigen seinerzeit still und leise der Knopf vom Kragen abgesprungen als man anfing Krankenhäuser als "Gesundheitszentren" und Krankenkassen als "Gesundheitskassen" zu bezeichen. Bis dato hatte ich ja noch ein gewisses distanziertes und amüsiertes Verhältniss zu dem ganzen Quark.

MFG Günther
peacounter
Inventar
#19 erstellt: 05. Nov 2015, 16:59
ich kann in wagners werk nur sehr schwer eine politische aussage entdecken.
da müßte man schon weit ausholen um das zusammenzuspinnen.
die thematik selbst ist halt germanisch aber sonst....?

ich guck ja auch mission impossible, ohne dass mich interessierrt, welchem kult cruise verfallen ist und höre black label society obwohl ich weiß, dass zakk wylde n reaktionärer vollhonk ist...
ich kann das ganz gut trennen.
wer das nicht kann, sollte besser autarker selbstanbauer und -musizierer werden.
musik ist ne ware wie joghurt oder bigmacs.
und nur wenige von uns boykottieren wohl müller oder mäckes...
den meisten reicht es, einfach ab und zu die stimme zu erheben.
so seh ich das bei wagner auch.
Hörbert
Inventar
#20 erstellt: 05. Nov 2015, 19:11
Hallo!

@peacounter

Na ja, Wagner und seine Zeitgenossen wären mit ihrer damaligen Geisteshaltung natürlich heute ein unerträgliche Gesellschaft in der es wohl niemand von uns länger als 5 Minuten aushalten würde ohne an der glatten Wand hochzugehen.

Aber zu ihrer Zeit waren ihre Ansichtun durchaus gesellschaftlich opportun. Natürlich war Wagner ein Antisemit und Nationalist der z.B. auch an den Franzosen und Italienern kein gutes Haar ließ aber das war eine damal durchaus gesellschaftlich akzeptierte Haltung die im Endeffekt keinen Hund hinter dem Ofen hervorlockte.

Aber das muß mich doch heute keinen feuchten Dreck mehr kümmern, Wagner ist für mich genau so ein Komponist wie die anderen auch, ich messe ihn an seinen diesbezüglichen Leistungen und suche mir aus seinem Werk das heraus was mich persönlich anspricht der Rest bist mir im Grunde genau so egal wie es mir Wagner auch als Mensch sein kann.

Was soll das alles? Mozart war spielsüchtig, Reger war ein Säufer, Stravinsky ein krankhafter Geizhals, Bruckner hatte einen Zählzwang u.s.w. Wo viel Licht ist ist auch viel Schatten.

MFG Günther
Klassikkonsument
Inventar
#21 erstellt: 05. Nov 2015, 21:34

Hörbert (Beitrag #16) schrieb:
Die gegenwärtige "political correctness" stellt genau so eine Zeiterscheinung dar wie z.B. auch die Victorianische "correktness" oder die "freiheitliche" der 60ger-70ger Jahre des letzten Jahrhunderts. Je nach gesellschaftlicher Mode gibt es Tabus, "richtige" und "falsche" Weltbilder sowie "richtige" und "falsche" Wort- und Denkmuster.

Ich verstehe diesen Relativismus nicht. Wenn bestimmte Gruppen von Leuten nicht mehr oder nicht mehr so diskriminiert werden, dann ist das eine bloße Laune des Zeitgeists und nicht etwa ein objektiver Fortschritt?


Diese sind eher der jeweiligen gesellschaftlichen Mode geschuldet als einen objektiven Maßstab haben aber gleichwohl eine Leitfunktion für die jeweiligen Realitäten.

Wenn man heute eine Frau als "Weib" bezeichnet, ist es wohl nicht abwegig, dass sie sich beleidigt fühlt. Der Zusammenhang von Zeichen & Bezeichnetem mag erstmal ganz abstrakt verstanden arbiträr bzw. gesellschaftliche Konvention sein, aber dennoch ist er ja da.


Dir hier deine eigene Meinung jenseits der gerade aktuellen Klichees zu bilden und zu leben bleibt dir dadurch unbenommen bloß mußt du möglicherweise in Kauf nehmen daß deine Umwelt darüber nicht unbedingt begeistert oder erfreut ist.

Genau, am Besten greift man einfach auf ältere Klischees zurück. Eine gültige Meinung kann sich eh niemand bilden, weil es ja kaum einen objektiven Maßstab gibt.

Zurück zu Wagner: Antisemitismus war zu seiner Zeit wohl salonfähig, aber dennoch musste man auch damals nicht zwangsläufig Antisemit sein. Dieser Makel macht ja nicht gleich sein ganzes Werk hinfällig. In seinem Ring verstand er wahrscheinlich seine Figuren Alberich und Mime als Juden-Karikaturen und sie wurden wohl auch von seinem Publikum so aufgefasst.

Warum soll man das nicht kritisieren können?
peacounter
Inventar
#22 erstellt: 05. Nov 2015, 21:56
warum sollte man es kritisieren wollen?
PC ?

lefty the salesman ist eine klare anspielung auf die juden nachgesagte geschäftstüchtigkeit.
nicht umsonst ist sein name in der deutschen sesamstrasse "schlemihl".
und der graf? auch wenns zugepiept ist... große nase, die augenbrauen, der akzent, die musik....
und dann ist er auch noch ein blutsauger!

na und?
i don't really give a fuck!
das leben ist zu ernst für zu viel ernst.
Klassikkonsument
Inventar
#23 erstellt: 05. Nov 2015, 22:10

peacounter (Beitrag #22) schrieb:
warum sollte man es kritisieren wollen?

Du wischst also eine Kritik einfach mit dem äußerlichen Hinweis weg, dass du diese Kritik nicht vorbringen willst? Das ist doch nun wirklich absurd.
peacounter
Inventar
#24 erstellt: 05. Nov 2015, 22:49
ich kritisiere einen bäcker nicht wegen seines brotes, wenn das brot gut ist, er aber seine angestellten schlecht behandelt.
das brot ist und bleibt nämlich gut.

und ich kritisiere einen autolackierer in seiner arbeit auch nicht, wenn er tolle lackierungen macht, aber privat führers geburtstag feiert.

das sind verschiedene paar stiefel.

musik ist für mich eine ware wie jede andere auch.
wenn sie mir gut gefällt, dann höre ich sie.
wenn sie mir nicht gefällt, dann höre ich sie nicht.

ich trag übrigens auch sneakers von einer firma, die ich eher kritisch sehe.
aber die teile sind einfach super und erleichtern mir das leben.
so is es nunmal....
Hörbert
Inventar
#25 erstellt: 05. Nov 2015, 22:51
Hallo!

@Klassikkonsument

Hmmm, weißt du was positiver Rassismus oder positiver Antisemitismus ist?

Viele der Auswüchse des aktuell gültigen PC scheinen zumindestens mir nicht allzuweit davon entfernt.


........Wenn bestimmte Gruppen von Leuten nicht mehr oder nicht mehr so diskriminiert werden, dann ist das eine bloße Laune des Zeitgeists und nicht etwa ein objektiver Fortschritt?.......


Vergleiche doch bitte einmal das Bild eines Orientalen oder das heutige Frauenbild mit dem vor 150 Jahren, -ich sehe da keinen Fortschritt sondern allenfalls eine Verlagerung der Vorurteile auf andere Sektoren.

M.E. dient der gesamte PC gleich welchen Coleurs und gleich welcher Epoche immer nur dazu die Zustände zu bemänteln.


.....Genau, am Besten greift man einfach auf ältere Klischees zurück. Eine gültige Meinung kann sich eh niemand bilden, weil es ja kaum einen objektiven Maßstab gibt.
........


Das kann man natürlich tun, oder sich mit der aktuellen Klischeeform zufriedengeben oder keines von beiden.


....... Dieser Makel macht ja nicht gleich sein ganzes Werk hinfällig..........


Sag ich ja, Shakespeares Hamlet wird ja auch nicht dadurch entwertet das Rosenkranz und Güldenstern dem übelsten Klischee des Juden als Geschäftemacher entsprechen.

Ich bin ja dafür die Person des Künstlers hinter das Werk zu stellen.

MFG Günther
Klassikkonsument
Inventar
#26 erstellt: 06. Nov 2015, 00:37
Hallo Günther,


Hörbert (Beitrag #25) schrieb:
Hmmm, weißt du was positiver Rassismus oder positiver Antisemitismus ist?

Viele der Auswüchse des aktuell gültigen PC scheinen zumindestens mir nicht allzuweit davon entfernt.

Dann muss man das eben auch kritisieren. Ich sage doch gar nicht, dass bei der Kritik von Diskriminierungen nie & nimmer Fehler passieren würden. Aber sofern ein Interesse besteht, daran etwas zu ändern, würde ich erstmal damit rechnen, dass man da auch Fortschritte erreichen kann. Wie bei so vielem, auf das man Mühe verwendet.



........Wenn bestimmte Gruppen von Leuten nicht mehr oder nicht mehr so diskriminiert werden, dann ist das eine bloße Laune des Zeitgeists und nicht etwa ein objektiver Fortschritt?.......


Vergleiche doch bitte einmal [...] das heutige Frauenbild mit dem vor 150 Jahren, -ich sehe da keinen Fortschritt sondern allenfalls eine Verlagerung der Vorurteile auf andere Sektoren.

Könnte sein, dass das manche Betroffene ein bisschen anders sieht. Nicht Auto fahren, nicht wählen dürfen, keine volle Vertragsfreiheit, weil Frauen da nicht so kompetent wie Männer seien - das macht schon einen spürbaren Unterschied, würde ich meinen. Heute ist das anders, aber das heißt nicht unbedingt, dass der Kampf vorbei ist.

Und selbst wenn du Recht hast, dass da bisher kein wirklicher Fortschritt erreicht worden sei: Wäre das ein Grund, sich einfach mit Diskriminierung abzufinden? Jahrtausende haben Menschen davon geträumt, fliegen zu können. Irgendwann hat's geklappt.


M.E. dient der gesamte PC gleich welchen Coleurs und gleich welcher Epoche immer nur dazu die Zustände zu bemänteln.

Schwierig, ich hab mal gehört, PC sei ursprünglich ein konservatives Konzept. Klar, wenn es nur um eine rein Sprach- & Höflichkeitsreform geht, ist das Quatsch. Vielleicht ändert sich die Sprache ja auch, nachdem sich die Verhältnisse verändert haben.
Wenn es aber nicht einfach nur darum geht, ein Wort durch ein anderes zu ersetzen, sondern z.B. Vorurteile zu kritisieren, dann geht es bei Diskriminierung ja in der Regel darum, dass eine Gruppe unterdrückt wird. Kampf gegen Diskriminierung will die Zustände eben nicht bemänteln, sondern ändern. Ich frage mich, wie man das anders sehen kann.



.....Genau, am Besten greift man einfach auf ältere Klischees zurück. Eine gültige Meinung kann sich eh niemand bilden, weil es ja kaum einen objektiven Maßstab gibt.
........


Das kann man natürlich tun, oder sich mit der aktuellen Klischeeform zufriedengeben oder keines von beiden.

Eine weitere Möglichkeit: Mit den Klischees aufräumen. Vielleicht wäre das etwas noch nie Dagewesenes. Na und? Von der Kunstmusik ist uns ja immerhin vormals Unerhörtes geläufig.


Ich bin ja dafür die Person des Künstlers hinter das Werk zu stellen.

Das würde ich auch sagen. Aber wenn im Werk Quatsch oder Übleres behauptet wird, kann man das gelegentlich auch mal sagen. Nochmal: Warum nicht?
Klassikkonsument
Inventar
#27 erstellt: 06. Nov 2015, 00:45

peacounter (Beitrag #24) schrieb:
ich kritisiere einen bäcker nicht wegen seines brotes, wenn das brot gut ist, er aber seine angestellten schlecht behandelt.
das brot ist und bleibt nämlich gut.

und ich kritisiere einen autolackierer in seiner arbeit auch nicht, wenn er tolle lackierungen macht, aber privat führers geburtstag feiert.

Das ist ja nun ein Strohmann-Argument, denn das tut ja niemand. Beim Bäcker kritisiert man dann natürlich nicht das Brot, sondern ggf. die Arbeitsverhältnisse, beim Lackierer kann man sich überlegen, ob man einen Nazi unterstützen will.
IchhabeeineFrage
Hat sich gelöscht
#28 erstellt: 26. Nov 2015, 19:41

Waldwuffel (Beitrag #15) schrieb:
Bis in die 50er/Beginn der 60er Jahre hinein war ein beträchtlicher Teil der besten Wagner-Sänger Juden ;-)


Nicht zu vergessen die Dirigenten. Bodanzky, Walter, Klemperer, Solti, Levine, Barenboim und bestimmt noch andere, die mir gerade nicht einfallen..
Hörbert
Inventar
#29 erstellt: 26. Nov 2015, 21:06
Hallo!

Oha, -ich hatte den Thread völlig aus den Augen verloren.

@Klassikkonsument


...... Aber sofern ein Interesse besteht, daran etwas zu ändern, würde ich erstmal damit rechnen, dass man da auch Fortschritte erreichen kann. ......


Nun gut dagegen kann ich nichts sagen, Es anders zu sehen würde in der Tat bedeuten das man gar nicht erst damit anfangen muß.


.....Und selbst wenn du Recht hast, dass da bisher kein wirklicher Fortschritt erreicht worden sei: Wäre das ein Grund, sich einfach mit Diskriminierung abzufinden?......


Nein, natürlich nicht, aber irgendwann beschleicht zumindesten mich immer das gleiche Gefühl wie es einen überkommen kann wenn man auf einen Berg Knetmasse einprügelt.


...... Kampf gegen Diskriminierung will die Zustände eben nicht bemänteln, sondern ändern. Ich frage mich, wie man das anders sehen kann.......


Das sehe ich doch gar nicht anders, aber ich sehe gerade in der PC ein Mittel der Bemäntelung, ich kann Diskriminierung nich dadurch vermeiden indem ich Worte ächte, dazu muß ich vielmehr die Worte ihres diskiminierenden Charakters entkleiden, -sie also gewissermaßen für den "Diskiminator" entwerten. -Wie so etwas geht haben ja z.B. die Homosexuellen allen Vorgemacht, -sie nennen das Kind bei seinem ehemal diskiminierenden Namen und brechen so jedem Vorstoß in dieser Richtung die Spitze ab.

Aber Bemäntelungen sind wohl auch ein Zeichen der Zeit.


....... Aber wenn im Werk Quatsch oder Übleres behauptet wird, kann man das gelegentlich auch mal sagen. ..........


Gut, das Recht kann dir niemand nehmen, -aber wo fängt das an und wo hört das auf, Quatsch und Unsinn ist schließlich eine sehr persönliche Definition solange es sich dabei nicht um physikalische Daten handelt, -ich mache schließlich auch nichts anderes als etwas über den Quatsch und Unsinn zu sagen der die PC in meinen Augen ist-.

Nochmal ich bin weder ein Freund von Diskiminierungen noch ein Freund von Zeitgenossen die so unterwegs sind, aber ich sehe auch in einem Codex wie die PC keinen Fortschritt sondern ganz klar eine reine Bemäntelung unter deren Fittiche sich nichts anderes als eine Variante der alten Übel breitmacht.

MFG Günther
driesvds-1
Stammgast
#30 erstellt: 26. Nov 2015, 22:07
warum, warum immer diese dumme Unsinn in Zusammenhang mit Wagner...


[Beitrag von driesvds-1 am 26. Nov 2015, 22:16 bearbeitet]
Hörbert
Inventar
#31 erstellt: 26. Nov 2015, 23:30
Hallo!

@driesvds-1

Was meinst du damit?

Das Wagner ein wütenter Antisemit war ist ja wohl unstrittig, ebenso unstrittig ist ja wohl das man -nicht nur bei Wagner-, zwar ein Werk im Kontext seiner Zeit sehen sollte aber auch die Person des Künstlers vom Werk selbst trennen sollte.

Tut man das nicht und hält sich dann auch noch an die gerade aktuelle PC ist man wohl in seiner Auswahl recht stark eingescghränkt, zumal aus dem 20.Jahrundert kann man sich dann z.B.
weder von Klenau, noch Pfitzner, noch Hindemith, noch Orff noch Werner Eck anhören.

Klopft man dann noch die älteren Generationen auf Sexismus, Antisemitismus oder Rassismus durch bleibt herzlich wenig übrig.

Ich bin wahrlich kein Anhänger irgendwelcher "-ismen" aber auch keiner der PC und ich beurteile ein Werk danach wie es mir perdonlich gefällt und nicht danach was der Komponist irgendwann verzapfte.

MFG Günther


[Beitrag von Hörbert am 27. Nov 2015, 18:05 bearbeitet]
driesvds-1
Stammgast
#32 erstellt: 27. Nov 2015, 00:02
mir geht es hier nur um seine Musik und Oper; die sind genial.

wir sind hier im HiFi-Forum; und wenn ich richtig lese im "Musik->Klassik->Komponisten" Bereich. Nicht im "Politik" Bereich.

und ich möchte es gerne dabei belassen, wenn das erlaubt ist. vielen Dank.
burninnik
Inventar
#33 erstellt: 27. Nov 2015, 00:22

Martin2 (Beitrag #2) schrieb:
Was mich bei Wagner abhält, ihn "unbefangen zu genießen", ist Wagners Musik selbst, die ich über weite Strecken langweilig finde.

Da spricht mir jemand aus der Seele. Interessant ist Wagner natürlich als Archetyp des urteutschen naiven und humorlosen Künstlers des 19. Jahrhunderts. "Gesamtkunstwerk", "unendliche Melodie" - das muß ja eigentlich schiefgehen. Davon abgesehen gibt es bei Wagner musikalisch nichts, das man nicht schon bei Bach gefunden hätte. Siegfried-Akkord, pfff...


[Beitrag von burninnik am 27. Nov 2015, 00:25 bearbeitet]
Hörbert
Inventar
#34 erstellt: 27. Nov 2015, 18:11
Hallo!

Ob man Wagners Musik mag oder nicht ist ebenso Geschmackssache wie bei Bach oder Beethoven oder wem auch immer.

Ich mag von Wagner den Tristan und die vier Ringopern, der Rest ist mir mehr oder weniger egal. Aber man kannmich auch nicht für Beethovens "Fidelio" begeistern und die Werke die ich von Bach mag kann man an einer Hand abzählen ohne den Daumen bemühen zu müssen.

@driesvds-1


......mir geht es hier nur um seine Musik und Oper;......


Sag ich ja, Werk und Komponist sollten getrennt beurteilt werden. Mache ich aber nicht nur bei Wagner so sondern generell.

MFG Günther
Joachim49
Inventar
#35 erstellt: 27. Nov 2015, 18:21
....aber wo findet man bei Bach den Tristan Akkord? Und wieso muss ein " Gesamtkunstwerk" oder eine "unendliche Melodie" eigentlich schiefgehen? Meinungen sind gut, aber begründete Meinungen sind besser. In den Meistersingern fehlt es übrigens nicht an Humor (zugegebenermassen ein Humor, den ich nicht besonders schätze).
Und wenn Hörer X das Werk Y langweilig findet, worüber erfahren wir dann etwas? Über den Hörer oder die Musik?
burninnik
Inventar
#36 erstellt: 27. Nov 2015, 21:56

Joachim49 (Beitrag #35) schrieb:
....aber wo findet man bei Bach den Tristan Akkord?

Hab ich den Tristan Siegfried genannt, ich Schelm. Man muß eigentlich nicht besonders lange nach Belegen suchen, daß Wagner diesen Akkord nicht erfunden hat (wäre ja auch irgendwie komisch). Wikipedia beispielsweise zitiert Martin Vogel Tristan-Akkord.

Und wieso muss ein " Gesamtkunstwerk" oder eine "unendliche Melodie" eigentlich schiefgehen? Meinungen sind gut, aber begründete Meinungen sind besser.

Natürlich hätte Wagner in Personalunion ein genialer Schriftsteller, Tonsetzer, Bühnenbildner, Regisseur etc. sein können. Die "unendliche Melodie" gab es übrigens auch schon viel länger (auch wenn man sie nicht prätentiös getauft hatte).

Und wenn Hörer X das Werk Y langweilig findet, worüber erfahren wir dann etwas? Über den Hörer oder die Musik?

Über den Hörer. Oder dessen Geschmack. Man kann es durchaus mögen, sich mehrere Stunden anbrüllen zu lassen. Persönlich halte ich Wagner für belanglos. Es ist ein deutsches Phänomen, daß (ähnlich dem mittelalten und alten Goethe) das Sendungsbewußtsein dieser Gestalten einen derart nachhaltigen Effekt auf den teutschen Kulturbetrieb hatte, daß mehr als eine Randnotiz der Musikgeschichte daraus geworden ist.
Joachim49
Inventar
#37 erstellt: 28. Nov 2015, 00:12
Wenn Goethe nur eine Randnotiz in der Literaturgeschichte wert ist, dann befindet sich Richard ja in guter Gesellschaft. Ich geniesse, Mozart ausgenommen, Oper nur in bescheidenen Dosierungen, aber Wagner ist mir jedenfalls lieber als das italienische bel canto mit den orchestralen Riesengitarren oder die französischen Schinken.
IchhabeeineFrage
Hat sich gelöscht
#38 erstellt: 28. Nov 2015, 00:22
Belangloses Gebrülle?

Geschmäcker sind verschieden und niemand muss sich für seine musikalische Vorlieben rechtfertigen, aber gerade bei Wagner habe ich manchmal den Eindruck, dass die Abneigung gegen die Musik an sich mit außerhalb der Partitur liegenden Umständen begründet wird.
burninnik
Inventar
#39 erstellt: 28. Nov 2015, 00:28

Joachim49 (Beitrag #37) schrieb:
Wenn Goethe nur eine Randnotiz in der Literaturgeschichte wert ist
.
Ich meinte eigentlich die 90% Gesteinsforschung, selbstbeweihräuchernde Biographien und senile Gedichte, die auf Faust I gefolgt sind.

Ich geniesse, Mozart ausgenommen, Oper nur in bescheidenen Dosierungen, aber Wagner ist mir jedenfalls lieber als das italienische bel canto mit den orchestralen Riesengitarren oder die französischen Schinken.

Wagner finde ich zwar von den vier genannten am unangenehmsten, aber mit bel canto und französischer Epik kann ich auch nichts anfangen. Wie viel erbaulicher da doch Mozart und die zwei- bis dreihundert Jahre Operngeschichte vor ihm.
burninnik
Inventar
#40 erstellt: 28. Nov 2015, 00:32

IchhabeeineFrage (Beitrag #38) schrieb:
dass die Abneigung gegen die Musik an sich mit außerhalb der Partitur liegenden Umständen begründet wird.

Mit der Musik an sich ist das aber halt auch bei einem "Gesamtkunstwerk" recht schwierig. Ich verstehe ja schon, daß Wagner musikgeschichtlich einen gewissen Stellenwert hat, aber ich glaube, daß man den Anlaß, weshalb sich Hundertschaften den Ring antun tatsächlich außerhalb der Musik suchen muß.
IchhabeeineFrage
Hat sich gelöscht
#41 erstellt: 28. Nov 2015, 01:03

burninnik (Beitrag #40) schrieb:
Mit der Musik an sich ist das aber halt auch bei einem "Gesamtkunstwerk" recht schwierig.


Naja, selig sind dann die geistig Armen wie ich, die Wagner nur über die Ohren kennen / schätzen gelernt haben, ohne sich irgendwie mit dem Begriff Gesamtkunstwerk auseinandergesetzt zu haben.


burninnik (Beitrag #40) schrieb:
ich glaube, daß man den Anlaß, weshalb sich Hundertschaften den Ring antun tatsächlich außerhalb der Musik suchen muß.


Das ist eine interessante These. Wobei es nicht Hunderschaften sind sondern jedes Jahr Zehntausende, weltweit:

http://operabase.com/visual.cgi?lang=en&splash=t


[Beitrag von IchhabeeineFrage am 28. Nov 2015, 01:04 bearbeitet]
burninnik
Inventar
#42 erstellt: 28. Nov 2015, 03:15

IchhabeeineFrage (Beitrag #41) schrieb:
Naja, selig sind dann die geistig Armen wie ich, die Wagner nur über die Ohren kennen / schätzen gelernt haben, ohne sich irgendwie mit dem Begriff Gesamtkunstwerk auseinandergesetzt zu haben.

Als bombastische Filmmusik taugt ja manches, und wenn es einem gefällt, ist daran erst mal ja nichts auszusetzen. Mir gefällt auch ganz andere Musik nicht. Wenigstens muß ich nicht hin- und hergerissen sein zwischen Wagners abscheulich-lächerlichen Ergüssen und seiner Musik, weil ich beides nicht mag.
Nur Dein Matthäusevangelium kennst Du nicht richtig - oder wieso bezeichnet Du Dich als geistig arm?
IchhabeeineFrage
Hat sich gelöscht
#43 erstellt: 28. Nov 2015, 04:26

burninnik (Beitrag #42) schrieb:

IchhabeeineFrage (Beitrag #41) schrieb:
Naja, selig sind dann die geistig Armen wie ich, die Wagner nur über die Ohren kennen / schätzen gelernt haben, ohne sich irgendwie mit dem Begriff Gesamtkunstwerk auseinandergesetzt zu haben.

Als bombastische Filmmusik taugt ja manches, und wenn es einem gefällt, ist daran erst mal ja nichts auszusetzen. Mir gefällt auch ganz andere Musik nicht. Wenigstens muß ich nicht hin- und hergerissen sein zwischen Wagners abscheulich-lächerlichen Ergüssen und seiner Musik, weil ich beides nicht mag.
Nur Dein Matthäusevangelium kennst Du nicht richtig - oder wieso bezeichnet Du Dich als geistig arm?


Kann schon sein aber steht da nicht geistlich arm? Ich meinte auch nicht das Matthäusevangelium sondern eher ein deutsches Pendant zu ‘ignorance is bliss‘ - ich muss genauso wenig hin- und hergerissen sein wie du, weil ich mir die Ergüsse direkt erspart habe.


[Beitrag von IchhabeeineFrage am 28. Nov 2015, 04:28 bearbeitet]
burninnik
Inventar
#44 erstellt: 28. Nov 2015, 14:24

IchhabeeineFrage (Beitrag #43) schrieb:
ich muss genauso wenig hin- und hergerissen sein wie du, weil ich mir die Ergüsse direkt erspart habe.

Gut argumentiert.
OT on
Mit meinem Kommentar zur Bergpredigt meinte ich, daß unser Herr Erlöser hier mit "geistlich" wohl eher auf die Non-Klerikalen und Nicht-Spirituellen als auf "geistig"-intellektuell Minderbegabte abgehoben hat,. Interessant ist, finde ich, daß "ignorance is bliss" beides, also das Nichtzugehörigsein zu einer "Glaubens"gemeinschaft und dasNichtverstehen einschließt. Hier also auch ein für gutes Argumentieren.
OT off
IchhabeeineFrage
Hat sich gelöscht
#45 erstellt: 28. Nov 2015, 15:39
Ich glaube, du hast verstanden, was ich gemeint habe. Aber du darfst natürlich um des Argumentierens willen gerne noch eine weitere unsinnige Auslegung raussuchen.

Es kommt eben darauf an, warum man die Musik hört. Ich z.B. stelle mir keine Wagner-Büsten ins Regal. Wenn ich Künstler verehren will, gibt's immer noch die Sänger und Dirigenten, die dafür herhalten müssen. Da beschäftige ich mich dann gerne auch mit der Person.

Insofern wäre interessant, warum Menschen auf der ganzen Welt sich diese ‘Filmmusik‘ antun, wenn es Gründe sind, die nicht in der Musik liegen. Und sicherlich haben die meisten sich auch nicht mit dem Judentum in der Musik auseinandergesetzt.
burninnik
Inventar
#46 erstellt: 28. Nov 2015, 15:47

IchhabeeineFrage (Beitrag #45) schrieb:
Insofern wäre interessant, warum Menschen auf der ganzen Welt sich diese ‘Filmmusik‘ antun, wenn es Gründe sind, die nicht in der Musik liegen.

Weil Wagner geschickt vermarktet wird. Ich schätze, es wird auch übertrieben, wieviel Wagner tatsächlich konsumiert wird. Das würde sicherlich im Rauschen untergehen, wenn es mit anderen Komponisten gegenrechnet. Aber Mozart und Bach werden halt nicht so pseudoreligiös verehrt, ebensowenig Beethoven.

Und sicherlich haben die meisten sich auch nicht mit dem Judentum in der Musik auseinandergesetzt.

Du sollst erläutern, was Du damit genau meinst. Ich verstehe es hoffentlich falsch und bitte daher zunächst um Erläuterung.
IchhabeeineFrage
Hat sich gelöscht
#47 erstellt: 28. Nov 2015, 17:20

burninnik (Beitrag #46) schrieb:

IchhabeeineFrage (Beitrag #45) schrieb:
Insofern wäre interessant, warum Menschen auf der ganzen Welt sich diese ‘Filmmusik‘ antun, wenn es Gründe sind, die nicht in der Musik liegen.

Weil Wagner geschickt vermarktet wird. Ich schätze, es wird auch übertrieben, wieviel Wagner tatsächlich konsumiert wird. Das würde sicherlich im Rauschen untergehen, wenn es mit anderen Komponisten gegenrechnet. Aber Mozart und Bach werden halt nicht so pseudoreligiös verehrt, ebensowenig Beethoven.

Und sicherlich haben die meisten sich auch nicht mit dem Judentum in der Musik auseinandergesetzt.

Du sollst erläutern, was Du damit genau meinst. Ich verstehe es hoffentlich falsch und bitte daher zunächst um Erläuterung.


Naja, schenkt man der Auflistung weiter oben Glauben, ist er zumindest der Opernkomponist, dessen Werke nach Verdi, Puccini und Mozart am häufigsten aufgeführt werden.

Ich meinte, dass die meisten oder zumindest viele der Wagner-Konsumenten sich die Opern jedenfalls nicht wegen seiner Person bzw. seinen Ergüssen wie ,, Das Judenthum in der Musik" antun. Das sind Umstände, die außerhalb der Musik liegen und trotzdem, glaube ich, nicht der Grund für den Erfolg sind. Vermarktung wäre natürlich denkbar, impliziert aber, dass da irgendwer hintersteckt - die Wagner-Gläubigen? Ich weiß nicht, wenn ich daran denke, wie mein Klavierlehrer damals von Bach geschwärmt und für Händel nichts Gutes übrig bhatte, kann ich mir vorstellen, dass es diese Anbetung schon auch für andere Komponisten gibt.
IchhabeeineFrage
Hat sich gelöscht
#48 erstellt: 28. Nov 2015, 17:24
Und umgekehrt glaube ich nicht, dass seine Musik populärer wäre, wenn er als besonders angenehmer Zeitgenosse in die Geschichte eingegangen wäre.
Hörbert
Inventar
#49 erstellt: 28. Nov 2015, 17:26
Hallo!

Wem Wagners Musik nicht gefällt der braucht sie ja nicht zu hören, das ist doch nicht anders als bei anderen Komponisten auch.


........ Aber Mozart und Bach werden halt nicht so pseudoreligiös verehrt, ebensowenig Beethoven.......


Sehe ich anders, gerade bei Bach gibt es etliche "Missionare" die nichts anderes gelten lasssen.

Das Beethoven heillos überdrehte Verehrung mittlerweile etwas geschwunden ist kann man nur als Vorteil sehen und das Mozarts massenproduzierter Musik immer noch der Ruf der "Feinsinnigkeit" anhaftet mag verstehen wer will, -ich tue es nicht.

Klar gibt es von allen drei genannten Komponisten anhörenswerte Werke aber gerade bei Mozart und Bach gegen genau diese in der Massenproduktion von Gebrauchsmusik die beide getätigt haben geradezu unter.

Eine quasireligiöse Verehrung Wagners, oder auch eines anderen Komponisten wird mit Sicherheit kaum von den Konsumenten von Tonträgern vorgenommen sondern eher von Live-Rezeptionisten die möglichst jeder Aufführung der Werke des verehrten jeweiligen Meisters beiwohnen wollen unmd dort auf gleichgesinnte treffen werden. Hier wo es dann doch eher um die Tonkonserven an sich geht finde ich die Relevanz solcher Verehrungen eigentlich recht gering, es gibt hier wahrscheinlich mehr Hörer entsprechender Komponisten die praktisch gar nichts über die Komponisten selbst wissen (wollen) als Hörer die über jedes Augenzwinkern ihres Idols informiert sind.


......Als bombastische Filmmusik taugt ja manches, und wenn es einem gefällt, ist daran erst mal ja nichts auszusetzen...........


Nun gerade da muß Wagner ja nicht besonders oft herhalten, da sind ja eher Mahler, Bruckner oder Resphigi die Vorlagen, -zuweilen auch der gute R. Strauss oder sogar Schönberg-.

Zumal finde ich das der Vorwurf der "bombastischen" Musik in der Regel von Leuten gemacht wird die Wagners Musik gar nicht kennen. Das ist so wie der Vorwurf bei Mozarts Musik sie sei zuckersüß und kitschig von Leuten die allenfalls KV 525 kennen.

MFG Günther
burninnik
Inventar
#50 erstellt: 28. Nov 2015, 23:03
@Hörbert
Gebe Dir recht. Das meiste ist nicht bombastisch, sondern schlicht und einfach belanglos.
Hörbert
Inventar
#51 erstellt: 29. Nov 2015, 04:34
Hallo!

@burninnik


.......sondern schlicht und einfach belanglos.......


Das ist reine Ansichtssache da ich das gleiche spontan von Bach sagen würde.

Aber es ist das eine Wagner in der Retrospektive zu beurteilen und Wagners musikalischer Einfluß auf die Entwicklung der Musik des späten 19 und frühen 20 Jahrhunderts zu sehen.

Wagners Wirkung war eben nicht auf den deutschsprachigen Raum beschränkt, ja die wagnerischten Opern wurden erst lange nach seinem Ableben z.B. in Frankreich geschrieben, auch der Einfluß seiner musikalischen Ideen auf seine Zeitgenossen und auf die beiden nachfolgenden Komponistengenerationen ist beträchtlich, weder Schönbergs noch Regers Musik wäre ohne Wagners wirken denkbar, ebenfalls nicht die Musik Mahlers, Debussys, Scriabins und vieler anderer.

Natürlich kann man das nicht sehen wenn man sich ohnehin zeitlebens an der Musik Bachs, Mozarts und Beethovens abarbeitet. Aber das verlang ja auch niemand, da sollte man dann die Namen Wagners, Bruckners und Brahmsens ohnehin besser einfach vergessen und sich in der sicheren Erkenntniss wiegen das die Musik nach Beethoven ohnehin zu Ende war.

Jeder wie er will.

MFG Günther


[Beitrag von Hörbert am 29. Nov 2015, 04:37 bearbeitet]
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