Eindrücke PLANTRONICS BACKBEAT PRO 2 (Over Ear, ANC, BT-Kopfhörer)

Vorwort: Schon vor einigen Monaten hatte ich mich mit einem Plantronics Over Ear, ANC, BT-Kopfhörer beschäftigt: dem damals neuen Backbeat Go 810 (siehe Eindrücke). Vor dem Kauf hatte ich zwischen diesem und dem etwas älteren, aber ursprünglich deutlich teureren Backbeat Pro 2, erschienen Ende 2016, geschwankt. Inzwischen ist der Pro 2 jedoch deutlich günstiger geworden, und da konnte ich nicht widerstehen. Es hat sich durchaus gelohnt....

Bezugsquelle/Preis: Mal wieder Amazon, für € 152,-. Der Preis beträgt überall so um die €150, außer bei Thomann, die noch €195 dafür haben wolen.

Lieferumfang: Die Verpackung kommt für einen Kopfhörer dieser Preisklasse vergleichsweise stylish herüber: Ein stabiler, mit Information übersähter Pappkarton, darin eine weitere Pappbox, darin - eingeschlagen in Samtpapier, der Kopfhörer in einer hochwertig anmutenden Tragetasche (nur die Special Edition kommt in einer Hartbox!) mit einem extra Fach für USB- & Audio-Kabel und Anleitung - beide Fächer mit sauberem Reißverschluss. Kann sich sehen lassen. Die verschiedenen Oberflächen und Knöpfe des Pro 2 sind alle mit transparenter Schutzfolie überzogen, um Kratzer vor der Benutzung zu vermeiden.



Design, Haptik & Materialien: Obwohl er mit Ausnahme der Kopfbügelverstärkung praktisch ausschließlich aus diversen Kunststoffen und -fasern besteht, bringt der Pro 2 satte 290 Gramm auf die Waage und gehört so zu den schwersten ANC-Kopfhörern seiner Klasse - der Go 810 ist deutlich leichter, wirkt aber auch fimschiger. Das Design ist schon ziemlich gewöhnungsbedürftig: gehalten in diversen Grau- und Brauntönen, mit glatten, perforierten, matten & glänzenden Oberflächenteilen, diversen Knöpfen/Reglern und Schiebern unterschiedlicher Art und Aufmachung und lichtgrauen Innenpolstern in den Ohrmuscheln. Besonders die imitierten Holzflächen in den Kappen sind bestimmt nicht jedermann Sache. Das erinnert mich irgendwie an manche Familienkutschen aus den USA der 1970er, wie hier (https://autoweek.com.../pontiac-acadian.jpg) zu sehen.

Die Verarbeitung wirkt robust, der Bügel knarzt auch nicht, alle Knöpfe und Schalter haben eine guten Druck- bzw. Einrastpunkt, auch der Dreh(!)regler für die Lautstärke sitzt nicht zu locker. Die Rasterpunkte an den Bügeleinstellungen sind ebenfalls straff. An beiden Seiten läßt sich der Bügel so um jeweils 3,5cm ausziehen.

Komfort/Trageeigenschaften: Die Polsterung der Ohren und des Bügels ist recht üppig geraten, wobei im Sinne der besseren Luftzirkulation für die Bügelpolsterung ein poröser Stoffbezug gewählt wurde. Die Ohrpolster sind nicht so weich wie z.B. jene des Sony WH-1000XM3, aber auch nicht so fest wie die Ledersattel des B&W PX. Der Anpressdruck auf meinen ziemlich großen Schädel ist moderat straff, nach mehr als 2 Stunden Hören macht sich aber ein leichter Druckschmerz am Kopfbügel bemerkbar. Unter den Muscheln staut sich zudem die Wärme - für ganz heiße Tage ist der Pro 2 eher nichts.

Die Bügelseiten lassen sich nicht einklappen, dafür sind die Ohrschalen um jeweils etwa 100 Grad horizontal drehbar und zusätzlich mit einem Gelenk ausgestattet, das eine 20-gradige vertikale Verschiebung ermöglicht. Der Pro 2 passt sich so jeder Kopfform an. Mit eingeschobenen Bügelseiten und geplätteten Muscheln passt er aber bequem in die Transporttasche. Die Innenmaße der Muscheln betragen 6cm x 3,5cm, womit sie gerade so meine Lauscher noch bequem umschließen.

Funktionen und Bedienung: Bei der Bedienung geht Plantronics teilweise einen ganz eigenen Weg, wobei diese gegenüber dem Vorgänger schon etwas vereinfacht wurde. Statt auf berührungsempfindliche Oberflächen setzt der Pro 2 bei den Wiedergabefunktionen auf große, gut erfühlbare und zuverlässige Tasten auf der linken Ohrmuschel, die wiederum von einem drehbaren "Lautstärkekranz" umfasst sind. Die Drehung dieses Reglers erfolgt in Schüben: hat man die maximale Lautstärke erreicht, wird einem dass von der netten Frauenstimme des Pro 2 mitgeteilt. Überhaupt sollte man Sprachansagen nicht abgeneigt sein, denn von hat der Pro 2 einige zu bieten: Die Umschaltung der ANC-Funktion bspw. wird jeweils mit einem Kommentar quittiert, und zwar während die Musik darunter weiter läuft; der Verständlichkeit ist das nicht unbedingt förderlich.



Eine fünfpunktige LED-Anzeige (in hellem Blau, man will ja nicht langweilig erscheinen) informiert über den Ladezustand des Akkus. Angegeben sind die Laufzeiten mit BT/ANC bei 20 bzw. ohne ANC mit 24 Stunden - beide Werte sind realistisch, wurden in einzelnen Tests aber noch übertroffen. Der Akku bemisst dabei 680mA und ist in etwas über 2 Stunden (Angabe: 3 Stunden) wieder voll geladen. 5-minütiges Aufladen reicht für etwa 1 Stunde Musikgenuss, obwohl der Pro 2 keine dezidierte Schnellladung besitzt. Bei längerer Nichtbenutzung geht der Kopfhörer automatisch in den Standby und behält so bis zu 6 Monaten seine Ladung.

Zu den Smartfunktionen des Pro 2 gehört, dass er die Wiedergabe unterbricht, sobald man den Kopfhörer abnimmt. Das funktioniert in der Praxis sehr zuverlässig, allerdings auch dann, wenn man nach unten schaut. Aber die Funktion ist besser implementiert als z.B. beim B&W PX.

Das Pairing erfolgt durch Hochschieben und Halten des rechtsseitigen Powerschiebers - es funktioniert an allen meinen Mobilgeräten (z.B. Huawei P20 Pro, Huawei Mediapad M5 und Samsung Galaxy S3) einwandfrei - und es lassen sich zwei Quellen gleichzeitig verbinden. Über NFC verfügt hingegen nur die etwas teurere SE Version.

Wie andere ANC-Kopfhörer auch verfügt der Pro über eine "Durchzugsfunktion", mittels derer man unterwegs kurzzeitig Kontakt mit der Außenwelt aufnehmen kann - allerdings läuft die Musik dabei nicht weiter. Über eine zusätzliche Taste kann man das Mikrophon zudem stumm schalten. Die Telefonfunktion des Pro 2 ist übrigens etwas dürftig: Der Klang des eingebauten Mikrophons ist etwas entfernt und dünn, Außengeräusche dringen mit ein. Für ein kurzes Gespräch wird's reichen.



Durch die ganzen Tasten und Reglern hat die Bedienung schon so etwas wie eine "learning curve" - aber wirkliche Probleme macht sie nicht. Die Sprachansagen erfolgen in Englisch, lassen sich aber über eine von Plantronics angebotene Software auf Deutsch umstellen. Das habe ich nicht ausprobiert. Das Englisch der netten Dame sollte selbst Benutzer des Hifi-Forums nicht überfordern.

Und, wie jedem Kopfhörer heutiger Zeit ab einem gewissen Preisniveau: App muss sein! Plantronics bietet dafür eine gemeinsame Android-App für verschiedene (aber nicht alle!) Modelle an, "Plantronics Hub". Diese erkennt zwar sehr zuverlässig, dass der Kopfhörer verbunden ist - aber meist nicht den aktuellen Akkustand! Dann erscheint ein Warnhinweis, man möge doch den Pro 2 aus- und wieder einschalten. Mir reichen die 5 LEDs allemal. Insgesamt ist "Hub" eher eine "Erklär-App", und eignet sich weniger für die Steuerung des Kopfhörers. Neben Bedienungserklärungen enthält sie auch Verbindungen zum telefonischen Produktsupport für alle Länder sowie - recht praktisch - eine Karten-basierte "Find my headphones" Funktion, die anders als beim Skullcandy Venue ANC aber nicht über eine separate App (Tile) angesteuert wird, sondern in "Hub" direkt implementiert ist. Hier einige Screenshots aus der App:




Anders als viele Konkurrenten verfügt der Plantronics über Bluetooth der Klasse 1 und ermöglicht so eine abbruchfreie Wiedergabe über die üblichen 10 Meter hinaus. 100 Meter sind angegeben, das konnte ich nicht ausreizen. Aber 50 Meter mit einer Glasscheibe dazwischen waren drin. Allerdings gab es am Huawei gelegentliche, aber seltene Sprünge - das scheint eher an der Handysoftware zu liegen, denn am Galaxy S8 läuft alles glatt.

Klang: Trotz nur 93 db bei 32 Ohm erreicht der Pro 2 selbst an den schwächlichen Verstärkern von Mobiltelefonen eine hohe Lautstärke, die für alle Genres, inklusive Meditationsmusik und Klassik, völlig ausreicht. Bei Pop/Rock erreicht man sogar Lärmbelästigungslevel, was zeigt, wie wenig die nackten Zahlen aussagen können. Es kommen (natürlich) 40mm Treiber zum Einsatz.

Insgesamt präsentiert sich das Klangbild des Plantronics Backbeat Pro 2 "amerikanisch": eher warm timbriert, dabei satt und sehr direkt - mit zuweilen etwas derbem (ohne ANC) bzw. leichter akzentuiertem (mit ANC) Oberbass. Der Bass reicht zwar tief hinunter, ist aber insgesamt eher weich-voluminös als trocken-"schnell" - das Bassvolumen kann bei an sich schon sehr basslastiger Musik zum Problem werden. Bei der Wiedergabe von Mainstream Pop/Rock und Country empfand ich den zusätzlichen "Kick" jedoch eher als angenehm, die Einstellung ohne ANC sagt mir sogar mehr zu. Das Klangbild ist eher auf Druck und Präsenz ausgelegt als auf maximaler Auflösung, bei überschaubarer Stereobühne, allerdings ordentlicher Tiefe und Lokalisierung einzelner Instrumente. Die Präsenz von Stimmen in Pop/Rock Stücken ist sehr gut, mitunter produzieren Frauenstimmen jedoch ein leichtes Zischeln. Der kräftige Bass überlagert die anderen Frequenzen kaum (Einschränkung s.o.) und auch Höhen kommen ordentlich, wenn auch nicht so brillant wie bei beim Sony, zum Tragen. Alles in allem ist der Pro 2 wohl als "Spaßmacher" für Pop & Rock ausgelegt - und da macht er auch reichlich Spaß. Von Linearität/Neutralität ist er deutlich entfernt; hier regiert die "Hifi-Badewanne". Mir erscheint das Sounding jedoch insgesamt gelungen.



Bei klassischer Musik und Jazz macht sich die geringere Auflösung gegenüber teureren Modellen bemerkbar, aber lange nicht so störend wie beim Plantronics Go 810, bei dem Streicherstimmen z.B. schon sehr "matschig" klingen. Auch beim Pro 2 gibt es Einbußen in der Artikulation, aber ich finde sie akzeptabel. Sinfonische Filmmusik, Kammermusik und nicht zu komplex angelegte Orchesterwerke beherrscht der Kopfhörer. Bei Wagner-Opern? Na, ja. Auch mit diesen Einschränkungen würde ich den Pro 2 als sehr soliden "Allrounder" bezeichnen, außer vielleicht für Death Metal und andere brachiale Bassorgien.

Am Kabel - mit ANC! - klingt der Plantronics dann noch einmal etwas ausgeglichener und "kultivierter", löst auch noch etwas besser auf. HiRes-fähig ist er nicht. Am Charakter des Klangs (warm, voll, direkt) ändert der Kabelbetrieb aber wenig. Verwendet man den Pro 2 hingegen komplett passiv, wirkt der Klang doch etwas muffig.

Noise Cancelling/ANC: Die passive Isolierung von Geräuschen beim Backbeat Pro 2 würde ich als gut bis sehr gut bezeichnen, und zwar in beide Richtungen: Auch bei höherer Lautstärke bekommt der Sitznachbar nur wenig mit, Geräusche werden nach Innen ebenfalls ordentlich gefiltert. Hier machen sich der etwas straffe Sitz und die Polsterung/Konstruktion positiv bemerkbar.

Das Active Noise Cancelling hat (abgesehen von der zusätzlichen "Open Listening" Funktion) nur eine Stufe. Hier präsentiert sich der Backbeat Pro 2 auf dem Level etwa des Skullcandy Venue ANC - gleichmäßige, tieffrequente Störgeräusche wie Rumpeln und Turbinendröhnen werden deutlich, teilweise auch fast völlig ausgeblendet, plötzliche Störgeräusche und Stimmen hingen nur milde gefiltert. Es scheint, als bekämen nur Sony und Bose höherfrequente Störungen in den Griff. Allerdings reicht es auch beim Pro 2 vollkommen zum "zuverlässigen Reisebegleiter", wenn man sich in Zug und Flugzeug weitgehend abkapseln will. Hört man Pop bei entsprechender Lautstärke bekommt man von der Außenwelt sowieso nichts mehr mit. Insgesamt befindet sich der Pro 2 in punkto Geräuschminimierung im guten Mittelfeld.

Das Noise Cancelling funktioniert - solange der Akku reicht - auch im Kabelbetrieb. Hier wie dort vernimmt man das übliche leichte Grundrauschen, das verschwindet, sobald die Musikwiedergabe startet.



Fazit: Auch angesichts des gewöhnungsbedürftigen Designs, des direkten, etwas bassverliebten Klangs und des nur ordentlichen ANCs kann man für den Plantronics Backbeat Pro 2 zum aktuellen Preis von etwa €150 Euro durchaus eine Preis-/Leistungsempfehlung aussprechen. Er bewegt sich in etwa auf der Ebene des Skullcandy Venue ANC - preislich und in der Qualität, wobei der Backbeat Pro 2 noch etwas druckvoller, und körperlicher, der Venue etwas "zivilisierter" agiert. Gerade Liebhabern von Mainstream Pop/Rock kann man den Plantronics wirklich ans Herz legen, aber er ist auch ein brauchbarer Allrounder. Er gefällt mir deutlich besser als das leichtere GO 810 Modell, weil der Klang bei etwas anspruchsvoller arrangierter Musik nicht so matschig/flächig wird und er insgesamt mehr Präsenz und Druck im Klangbild entwickelt. Natürlich ist das alles Geschmackssache.

+ sehr solide, saubere Verarbeitung
+ guter Lieferumfang mit höherwertigem Transportbeutel und ordentlichen Kabeln (SE Version mit Hardcase)
+ großer Funktionsumfang (Open Listening, Mikro Stummschaltung, Lokalisierung mit Tonsignal, App-Unterstützung)
+ straffer Sitz, verrutscht nicht - nicht für ganz große Ohren geeignet!
+ kraftvoller, direkter und voluminöser Klang für Pop/Rock
+ brauchbare Auflösung und Tiefenstaffelung als "Allrounder"
+ gute Stimmenpräsenz und Isolierung einzelner Instrumente
+ Klangcharakter insgesamt warm, aber nicht stumpf
+ unterbrechungsfreie Übertragung auch über 10 Meter hinaus (BT Klasse 1)
+ Akkulaufzeit tendenziell höher als angegeben (Akkustandsanzeige per LEDs)
+ aptX Codec wird unterstützt
+ hohe erzielbare Lautstärke trotz nur 93 db Empfindlichkeit (bei 32 Ohm) - für jegliche Musik "laut genug"
+ trotz Fehlen einer Schnellladefunktion nur etwas über 2 Stunden von 0 auf 100% (5 Minuten für 1 Stunde BT-Betrieb)
+ im ANC Betrieb keine komplette Verwandlung des Klangbilds (etwas zurückgenommener Bass, etwas präsentere Höhen)
+ am Kabel im Aktiv-Betrieb ausgewogener und besser auflösend
+ gute passive Geräuschdämmung in beide Richtungen
+ Verbindung mit 2 Quellen gleichzeitig möglich
+ zum aktuellen Tarif sehr gutes Preis-/Leistungsverhältnis

+/- Design ist ein "Alleinstellungsmerkmal"

- bei längeren Hörsessions leichter Druckschmerz am Kopfbügel (nicht über die Ohrmuscheln)
- vergleichsweise schwer (290g, gemessen ohne Kabel)
- Bedienung könnte einfacher sein
- NFC nur in der SE Version (+ €30-40)
- Telefonfunktion nicht optimal (schwaches Mikro)
- kräftiger, eher weicher Oberbass kann bei "härteren" Musikstilen zum Problem werden (ANC gleicht das teilweise aus)
- mitunter leichtes Zischeln bei Frauenstimmen oder Beckenschlägen
- ANC unterdrückt wirksam nur tieffrequente Störgeräusche wie Rumpeln im Zug
- im komplett passiven Betrieb über Kabel zu dunkler, etwas muffiger Klang

Insgesamt gefällt mir der Plantronics Backbeat Pro 2 gut genug, um ihn zu behalten. Bei Pop/Rock gefällt er mir mit seiner direkten, zupackenden Art sogar sehr gut. Defizite in der Ausgeglichenheit des Klangs und der Effektivität des ANC kann ich verschmerzen, zumal er bessere Ergebnisse beim ANC erzielt als die deutlich teureren Pioneer und Panasonic-Modelle, die ich zuletzt da hatte. Darf bleiben.