Sennheiser HD 559 Review und Modding

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captain_carot
Inventar
#1 erstellt: 29. Jan 2022, 17:28
Ein bisschen überspitzt formuliert, aber Sennheisers HD 5x9 Reihe ist sowas wie die letzten Kaufhaus-HiFi Kopfhörer. Neben all den Bluetooth Modellen und TV-Kopfhörern wird man 559, 569 und 599 wohl in nahezu jedem Elektronikmarkt treffen, bei großen Versandhändlern sowieso. Schon alleine der Bestsellerrang bei einem großen Online Händler spricht jedenfalls für reichlich Abverkäufe.
Mein persönlicher Kaufgrund war allerdings ein ganz anderer, bzw. deren drei. Der Sennheiser lässt sich problemlos mit einem Mikrofon zum Headset umrüsten, braucht kaum Leistung und ist leicht modifizierbar. Warum das aus meiner Sicht schon Pflicht ist wird das Review aufzeigen.

Der HD559 kommt in einem ordentlichen Karton mit Schaumstoffeinlage, und samt abnehmbarem KAbel mit 6,3mm Klinkenstecker. Einen 3,5mm Adapter sucht man vergebens. Aus meiner Sicht doppelt unpassend, aber dazu später mehr.

Verarbeitung:
Modell Plastikbomber. Der HD 559 ist angenehm leicht und Verarbeitungsmängel kann ich an meinem definitiv nicht erkennen, aber so richtig wertig will er nicht aussehen. Das liegt vielleicht an den silbergrauen Applikationen, vielleicht auch am nicht super wertig aussehenden Kunststoff. Das Gesamtergebnis jedenfalls will irgendwie nicht so ganz wertig wirken. Dabei passt auf den zweiten Blick eigentlich alles. Ordentliche Polster, sauber arbeitende Größenverstellung, es macht auch fast nix Geräusche. Bis auf das Kabel. Das ist leider das lauteste, das mir in letzter Zeit zwischen die Finger gekommen ist. Mit Kopfhörer auf den Ohren und Kabel, das sozusagen gegen sich selbst schlägt musste ich unweigerlich an die ZAun-Szene aus Jurassic Park und die Geräusche, die der Draht dort machte denken. Aber egal was es ist, das Kabel nimmt GEräusche zuverlässig mit und überträgt sie sauber auf den Kopfhörer. Ein HD 518 in der Familie gibt sich da übrigens deutlich unproblematischer.

Passform und Komfort:
Größtes Manko hier, der HD 559 hat ordentlich Anpressdruck, bei kleiner Einstellung gefühlt aber deutlich mehr als bei großer, unabhängig davon sitzt er aber generell eher straff und packt gefühlt auch fester zu als besagter HD 518. Davon abgesehen sollte er auf den meisten Köpfen aber gut sitzen und auch für die allermeisten Ohren genug Platz bieten. Im Auslieferungszustand wirkt der 559 zwar etwas offener als der 518 aber auch nicht so richtig offen. Mit den relativ festen Polstern komme ich persönlich gut klar, gerade das Kopfpolster tritt aber nie so in den Hintergrund wie bei meinen Beyerdynamic oder einem Kingston HyperX. Mit Brille kann es an den Ohrpolstern auch schon mal knarzen.

Klang:
Die große Problemzone des HD 559. Zumindest im Auslieferungszustand. Der komplette Bereich vom Tiefton bis weit in die Mitten ist dermaßen angehoben, dass er meist alles andere überdeckt. Und zwar um etwa 10dB, man spricht hier gerne von gefühlter, doppelter Lautstärke, in jedem Fall deutlich mehr als dem doppelten Schalldruckpegel. Damit deckt der HD 559 im Serienzustand den Bereich von Boombass über matschig/topfig bis boxig-hohl klingend effektiv ab. Die etwas grob wirkenden oberen Mitten und Höhen sind da nun auch nicht mehr weiter wild. Was interessanterweise im Idealfall noch überbleibt ist ein Ansatz zur Räumlichkeit. Das mag auch einfach an den angewinkelten Treibern liegen.

Dann wäre da noch der 6,3mm Klinkenstecker. Irgendwie spricht der ja für die heimische Stereoanlage. Der typische 559 Käufer wird jedenfalls keinen Kopfhörerverstärker nutzen. Dummerweise reagiert der 559 impedanzkritisch und bläht die unteren Lagen am HiFi Verstärker mit hochohmigem Ausgang noch weiter auf, was dann endgültig jenseits von gut und böse ist.

Fazit:
Hier wird, aus meiner Sicht völlig unnötig, der Klang deutlich mehr verschlechtert als nötig wäre. Der HD 599 nutzt den gleichen Treiber und auch beim HD 579 war das der Fall. Beide klingen deutlich besser als der 559, der einfach schrecklich aufgebläht wirkt. Der HD 559 hätte das Zeug zu einem brauchbaren Einsteiger-Kopfhörer, wird aber wirklich extrem ausgebremst.
Der erste einigermaßen gescheite Kopfhörer, den ich in den Fingern hatte war ein Sennheiser HD 480. Mein erster und ziemlich lange Zeit einziger guter Kopfhörer war ein Sennheiser HD 525. Auch der war der kleinste seiner Baureihe, setzte auf die gleiche Technik wie seine besseren Geschwister und profitierte damals deutlich von Velours Polstern. Aber er wirkte auf mich nie so dermaßen künstlich verschlechtert wie der HD 559. Wer sich nicht ans Modding traut und auch nur einen ansatzweise HiFi-tauglichen Kopfhörer will, der sollte sich nach etwas anderem umsehen. Außerdem sollte der Anschaffungspreis für ein besseres Kabel mit 3,5mm Klinkenstecker eingeplant werden.

Modding
Meine eigene Zielsetzung war hier aber ohnehin eine andere. Ich 'brauchte' (eigentlich eher wollte) ein offenes Headset, möglichst leicht anzutreiben sollte es auch sein und außerdem versprach der HD 559 ein brauchbares Bastelobjekt zu werden. Der HD 560S macht dem gegenüber viel zu viel richtig.
Einen gelungenen Modding Ansatz findet man bei diyaudioheaven. Dabei war mir von Anfang an klar, dass der Filter für mein primäres Anwendungsgebiet kein Thema sein wird. In jedem Fall gibt sich der HD 559 relativ umbaufreundlich. Das festgeclippte Polster abziehen, dre Schrauben lösen und schon kann man loslegen.

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Dieses kleine Stück Schaumstoff lässt sich einfach lösen und verkleinert den offenen Rücken mehr, als nötig wäre, also weg damit.

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Subjektiv wirkt der 559 so ein wenig offener, ich kann allerdings nicht behaupten, dass sich klanglich etwas ändert.

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Treiber noch unbehandelt

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Die große, mittlere Öffung auf 3mm reduziert. Das reichte nicht ansatzweise, die Mitten waren hier noch zu aufgebläht und das Klangbild deutlich zu fett.

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Zwei der vier kleinen Löcher ebenfalls verschlossen, so geht das schon ganz gut.

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Günstiges Kabel mit Mikrofon vom großen Fluss. Kein Highend und ich denke auch nicht, dass es nennenswerte Richtcharakteristik hat, aber in ruhiger Umgebung lässt sich hiermit ordentlich chatten.

Zum Klang modifiziert:
Neutral ist der 559 so immer noch nicht, im Endeffekt ist es eine Badewanne. Superfeine Höhen gibt es hier auch nach wie vor nicht, tatsächlich wirken die eher rauh bis hart aber ohne echte Schärfe. Die Mitten sind nun etwas zu zurückhaltend, allerdings und man findet (allerdings primär bei teureren Kopfhörern) auch konturierteren Bass. Tatsächlich macht der HD 559 mit Mods aber durchaus Spaß (mit der passenden Erwartungshaltung), der in meinem Fall immer noch betonte, Bass ist nun wirklich Bass statt Gematsche und auch die räumliche Abbildung profitiert sichtlich von den Änderungen.

In meinem Fall hab ich für unter 100€ ein ziemlich brauchbares, offenes Headset. Also etwas, das der Markt ohnehin nicht bietet. Bei knappem Budget wird durch den Mod aus dem HD 559 aber auch ein relativ brauchbarer HiFi Kopfhörer.
Blechdackel
Inventar
#2 erstellt: 29. Jan 2022, 18:04
Wirklich interessant auch einen Allerwelts-Hifi-Kopfhörer der Midbudget-Klasse hier in Review im Detail vorgestellt zu bekommen.
Diese Qualitäts- und Preisklasse ist mir trotz eines Beyerdynamic T 90 in meiner Sammlung und dass im letzten Jahr hochwertige Hörer wie ein Fostex TH 610 und ein Austrian Audio HI-X 65 bei mir Station machen durften, auch heute nicht fremd geworden. Liegen hier doch bei mir Youngtimer wie Beyerdynamic DT 331, Sennheiser HD 530 und MB Quart QP 55 X auch herum.

Aber dennoch überrascht die unausgewogene Klangabstimmung, solch eine hat keiner dieser alten Budget-Hifi-Hörer. Ein Zugeständnis an moderne, durch Beats und Bose geprägte Klanggewohnheiten?

Ein HD 530 von Ende der 80er Jahre, den ich auch bei mir habe, könnte sich aus echten Hifi-Aspekten noch locker mit dem HD 559 messen oder könnte ihm sogar überlegen sein, scheint mir.

Der Vorgänger des HD 525 war übrigens der HD 520. Ein Modell unter dem HD 530. Und bei Tests in der Stereoplay distanzierte sich schon der HD 530 eine Klasse vom HD 520(aus der Erinnerung, ohne jetzt die alten Hefte nacheschlagen zu haben).

Edit: Aber schon der HD 599 hat eine Hifi-gerechtere Abstimmung und der HD 555 war nicht so bassbetont.


[Beitrag von Blechdackel am 29. Jan 2022, 18:25 bearbeitet]
captain_carot
Inventar
#3 erstellt: 29. Jan 2022, 20:23
Im Prinzip hab ich mich genau deswegen zu dem Review mit Modbeschreibung entschieden. Eventuell nützt es ja dem einen oder anderen stillen Mitleser.

Der HD 559 ist trotz der Nomenklatur der Nachfolger des HD 518. Nachfolger vom 558 war der 579. Warum auch immer. Der 599 ist ziemlich warm, aber IMO noch HiFi-gerecht abgestimmt. Der geschlossene 569 hat zwar angehobenen Bass von 200Hz abwärts, ist aber ansonsten noch halbwegs ausgewogen. Der 560S mit anderem, höherohmigem Treiber ist IMO richtig gut und wäre hier als HiFi Kopfhörer wohl auch meine Wahl gewesen. Meine Zielsetzung war in diesem Fall aber auch eine andere.

Was die alten Sennis angeht, ich hab den HD 525 um 1996 gekauft, damals für 99 DM, wenn ich mich richtig erinnere, was als Schüler aber auch nicht so wenig Geld war. Der HD 535 klang damals für mich nicht viel anders oder besser und im Gegensatz zu den beiden großen Modellen hatten die auch beide Kunstlederohrpolster. Der 525 war damals jedenfalls eine ganz andere Hausnummer als heute der HD 559.

Irgendwann gab es dann mal Velours Ohrpolster als Ersatz für die alten, neues Kabel... aber nach zwanzig Jahren mit sehr viel Nutzung war er dann 2016 endgültig durch. Saß mittlerweile einfach zu locker auf dem Kopf, die Originalpolster waren sauteuer geworden und beim letzten Reparaturversuch hab ich obendrein eine Klemme gekillt.
musicreo
Stammgast
#4 erstellt: 30. Jan 2022, 12:08
Ich finde es interessant, dass die immer noch dieses Schaumstoff/Gummi hinter dem Treiber kleben. War ja auch der einzige Unterschied damals zwischen HD555/595.
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