Frequenzweichen: Elkos haben zu hohe Werte

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Hifi_Headbanger
Neuling
#1 erstellt: 07. Jan 2013, 22:16
Hallo,

ich habe seit vielen Jahren ein Pärchen Quadral all-craft AC 410 II (damals gebraucht gekauft).

Vor ein paar Tagen hab ich den Klang mit ein paar guten Kopfhörern (Beyerdynamik DT 990 Pro) verglichen und empfand den Klang der Boxen gerade in den Höhen und Mitten sehr brei-ig, dünn und unpräzise. Bei genauerem hinsehen, ist miri aufgefallen, dass die zwei Bass-Lautsprecher ungleichmäßig ausschlagen.

Ich habe die Weiche im Verdacht und die Elkos durchgemessen. Als Messgerät habe ich die günstigere Eigenmarke einer bekannten deutschen Elektronikhandelkette gewählt (Voltcraft LCR-9063, ca. 45€). Bei den Elkos handelt es sich um Tonfrequenz-Folienkondensatoren der Firma WEGO
http://www.wego-mosbach.de/kondensa.htm

Ich habe die Kondensatoren ausgelötet und durchgemessen. Alle Kondensatoren weisen ZU HOHE Werte auf:
1,5 µF hat 1,751
2,7 µF hat 3,27
100 µF hat 111,8
22 µF hat 23,0

Ich verstehe gerade gar nicht, wie ich das bewerten soll . Wenn die Kondensatoren zu wenig oder gar keine Kapazität mehr hätten, könnte ich das verstehen - zu alt oder kaputt - aber zu hoch??? Mit Ungenauigkeit und Toleranzen kann ich mir das auch nicht erklären. Bei dem 100er sind das 11,8%.


P.S.: Der schlechte Ton lässt sich wie folgt erklären: Die Weiche ist anscheinend nachgerüstet. Es handelt sich um ein 3-Wege-System. Die Weiche hat jedoch nur 3 Spulen. Für einen Filter 2. Ordnung braucht es jedoch mind. 4 Spulen. Dadurch werden bei dem Mitteltöner die Höhen nicht gefiltert.


[Beitrag von Hifi_Headbanger am 07. Jan 2013, 22:31 bearbeitet]
Detsi_Bell
Stammgast
#2 erstellt: 08. Jan 2013, 03:29
Hi!

Die Toleranzen bei Elkos sind allgemein nicht so eng angesiedelt, 10% sind häufig normal und auch nicht kritisch. Der 2,7µF liegt da natürlich weit drüber. Steht denn eine Toleranz drauf?

Es gibt hier im Forum Hinweise auf alternde Ton-Elkos, deren Werte dadurch zunehmen. Kannst ja mal suchen.


Hifi_Headbanger schrieb:
Die Weiche ist anscheinend nachgerüstet. .... braucht es jedoch mind. 4 Spulen. Dadurch werden bei dem Mitteltöner die Höhen nicht gefiltert.


Es soll schon Hersteller gegeben haben, die ab Werk gespart haben. Ich kenne Deine Boxen nicht, aber genügend andere, wo das ein oder andere Chassis nach oben hin nicht durch eine Spule gedrosselt wurde.

Best: Detsi
#Dosenfutter#
Hat sich gelöscht
#3 erstellt: 08. Jan 2013, 04:53
Also erstmal ist das Voltcraft ein Schätzeisen, nix genaues. Es hat eine Grundgenauigkeit von 2%, dazu kommt bei Kapazitätsmessung noch 3% plus 3 Digits. Der Kondensator liegt ~20% außerhalb des Nennwerts. Der Meßwert liegt von der Toleranz vom Kondensator + die Toleranz vom Meßgerät zusammen grade eben außerhalb der normalen Schwankung. Wenn man noch mit einrechnet, daß die Luftfeuchtigkeit und die Temperatur auch noch einen Einfluß haben und auch die Testfrequenz von nur 250Hz einen weiteren Toleranzbereich hat, liegt alles voll im Rahmen. Generell würde ich sagen, daß das Schätzeisen, das Du da hast, nur einen Vergleich zwischen Kondensatoren erlaubt bzw. ob diese auch funktionieren. Besonders bei höheren Kapazitäten kommt auch noch die Stromschwankung vom Signalgenerator zum Tragen, weswegen die größeren Meßbereiche grundsätzlich eine viel größere Fehlmessung aufweisen werden als die kleinen. Du darfst von einem Schätzeisen mit einem Preis von weniger als 50 Euro einfach nix erwarten, üblicherweise haben amtliche Meßgeräte ein oder zwei Kommastellen mehr im Preis!

Einen Kondensator zu tauschen macht deswegen absolut keinen Sinn! Davon mal abgesehen verlieren die Kondensatoren im Lauf ihres Lebens an Kapazität, von daher ist es eher positiv, wenn die Kondensatoren am oberen Toleranzende angesiedelt sind anstatt dem unteren.

Wenn die Tieftöner unterschiedlich auslenken, dann ist höchstwahrscheinlich einer der Tieftöner kaputt und wirkt nur noch als Passivmembran. Daran kann aber die Weiche auch nichts ändern. Davon abgesehen ist es nicht außergewöhnlich, daß in der Ramsch-Klasse (tw. aber auch bei deutlich teureren Lautsprechern) die Flankensteilheiten (elektrisch) nicht immer 12 dB sind sondern die Flankensteilheiten munter gemischt werden. Ob das akustisch sinnvoll ist (eine elektrisch 12/6dB-Weiche kann akustisch trotzdem 12/12dB ergeben) oder nicht, kann man nur durch Messungen in Erfahrung bringen. Nachdem die Lautsprecher eh kaum über den Entsorgungskosten angesiedelt sind, lohnt sich eine Weichenänderung einfach null komma null. Bau was vernünftiges selber oder kauf was gutes, tut mir leid, aber jeder Aufwand in die Teile ist total für'n Hintern.
ehemals_Mwf
Inventar
#4 erstellt: 08. Jan 2013, 15:20
Hi,

zu den Cs:

Hifi_Headbanger schrieb:
... Wenn die Kondensatoren zu wenig oder gar keine Kapazität mehr hätten, könnte ich das verstehen - zu alt oder kaputt - aber zu hoch???...

Die von dir gemessene Abweichung hat wahrscheinlich zwei Haupt-Ursachen:

1. sog. Glattfolien-Elkos (früher auch "Tonfrequenz-E.") -- auch und gerade von der Fa. Wego --, insbesondere aus den 80er und frühen 90er Jahren,
zeigen nach Jahren eine ansteigende Kapazität (und auch Verlustfaktor tand).
Ich erkläre mir das so:
Im Vergleich zu Motor- oder Netzteil-Cs, aber auch PA-Einsatz, werden Frequenzweichen-Cs im Heimbetrieb normalerweise selten /nie hoch belastet.
Ihr Leben ist eher die in Datenblättern genannte: "Spannungslose Lagerung".
Daher kaum die üblichen Verschleißmechanismen wie Elektrolytverlust durch Thermo-Stress.
Stattdessen könnten die speziellen Glattfolien langsam zu normalen Rauhfolien degenerieren, mit dem Ergebnis: höhere Kapazität entsprechend ihrer Baugröße + höhere Verluste.
In Einzelfällen (je nach konkretem Innenleben) könnte auch der Non-polare Aufbau sich durch Spannungslosigkeit zu polarem (= mehr Kapazität bei gleicher Baugröße) verändern.

2. Die Nennkapazität von Filter-Cs wird üblicherweise bei 1 kHz bestimmt, einfache Meßgeräte messen aber mit DC (= 0 Hz),
das bedeutet bei Elkos typ. +5 bis +10 %.
Dein Voltcraft misst lt. Datenblatt mit 250 Hz, da ist der Unterschied kleiner, geschätzt +1 bis +2 %.

-----------------
Die kleinen 1.5 und 2.7 µF unbedingt austauschen, kosten heute als langzeitstabile MKTs (oder noch edler) nicht mehr die Welt.
Bei den größeren Werten liegts an dir.

--------------------
Insgesamt aber glaube ich nicht, dass die von Dir beobachteten Klangmängel wesentlich von den C-Toleranzen verursacht sind.
Da gehts um Grundsätzlicheres (Kopfhörer vs. Fernfeld-Raumklang)
und auch das Weichen-Konzept, wie von Detsi schon angedeutet.

Gruss,
Michael
ehemals_Mwf
Inventar
#5 erstellt: 08. Jan 2013, 18:33
Einige Ergänzungen ...nach einem Spaziergang mit Hund im idyllischen SH --

-- Bipolare Filter-Elkos haben standardmäßig eine C-Toleranz von +/- 10% (Kennbuchstabe "K").
Profis fordern (und kriegen problemlos) +/-5% ("J").

Fürs Reparatur-Archiv:
-- Meine WorstCase Bipolar-Elkos glatt haben nach ~20 Jahren ca. +70 %, Wego Serie ALR/U u. TFZ/TM bis +30%, d.h. praktisch unbrauchbar
...und das für die damals "besseren" /teureren (MKTs gab es kaum bis 6.8 µF und sehr teuer)...

-- Hingegen halten die grünen von Wego aus den 70ern -- also vor der 1. Ökologisierungswelle in D -- ihre Kapazität immer noch gut....

-- Bipolare Rauh-Elkos, -- gemeinhin als unterste Schublade in der C-Hierarchie angesehen -- sind viel besser als ihr Ruf und Preis, insbesondere ihre C-Konstanz (nur etwas Temp.-abhängig).
Das betrifft nicht nur Wego (Serie AR-B), auch die vielen Fernost-Lieferanten produzieren heute zuverlässige, langzeitstabile BP-Elkos.

Praktiker-Tip des Monats:
-- Wenn Platz oder Kosten MKT-Cs nicht zulassen, dann lieber >=2 Elkos rauh 100 V- parallelschalten (je halbe Kapazität),
anstatt rel. großer Glatt-Elkos oder Super- LowLoss (Fernost).


[Beitrag von ehemals_Mwf am 09. Jan 2013, 02:21 bearbeitet]
Hifi_Headbanger
Neuling
#6 erstellt: 08. Jan 2013, 20:31
Vielen lieben Dank für Interessanten und guten Antworten.

Da meine Verdacht war, dass die Weichen nicht Original sind, hab ich bei Quadral angefragt, ob die mir einen Schaltplan der Weiche zusenden könnten, damit ich Plan und Weiche vergleichen kann. Plan und Stückliste waren gleich am nächsten Tag in meinem E-Mail-Postfach. Sowohl Schaltung als auch Bauteile unterscheiden sich deutlich.

Ich werde also nicht die Elkos, sondern die kompletten Weichen austauschen.

Wenn die Ersatzteile da sind, werde ich nochmal ein bisschen was zu den Unterschieden schreiben. Es wurde wohl versucht die Weiche näher in Richtung Filter 2. Ordnung zu bekommen (die Original ist ein Filter 1. Ordnung).

Die unterschiedlich ausschlagen Basslautsprecher konnte ich beim aufzeichnen des Schaltplans auch ergründen: Es ist (und war) ein 4-Wege-System.


[Beitrag von Hifi_Headbanger am 10. Jan 2013, 03:18 bearbeitet]
Poetry2me
Inventar
#7 erstellt: 08. Jan 2013, 22:56
Sehr interessant, was Mwf / Michael und Detsi zur Alterung der Elkos schreiben.

Einen weiteren Erklärungsansatz für steigende Kapazitäten bei Alterung habe ich aus der Röhrenradio-Ecke mal erfahren:
Wenn Elkos austrocknen, rücken die Folien näher zusammen und die Kapazität vergrößert sich dadurch.

Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich ebenfalls bestätigen, dass es alte Elkos gibt, die 20 bis 30% über dem Nennwert sind. Meistens betrifft es dann alle Elkos einer Weiche (ein Hersteller?).

Mein Tipp wäre, die Original-Weiche aus neuen Bauteilen aufzubauen. Dabei alle Kondensatoren <50µ in MKT Folie realisieren. Alle Kondensatoren vor dem Hochtöner in MKP / 400V oder besser (600V) realisieren.

Kannst Du den Schaltplan hier posten? Wäre mal interessant.


- Poetry2me
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