Tonarmresonanz bei Öldämpfung

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Mario_Kempes
Stammgast
#1 erstellt: 23. Feb 2021, 11:42
Aus Interesse habe ich gestern geprüft, wie die Tonarmresonanz bei meinem Plattenspieler ist, bzw. ob die Compliance meines Tonabnehmers zur effektiven Masse meines Tonarms passt.

Der Tonarm meines Plattenspielers ist ein Pioneer PL-50LII mit geradem Tonarm. Die effektive Masse habe ich mit ca. 9,5g berechnet. Mein Tonabnehmer ist ein AT 33PTG/II mit einer dynamischen Compliance von ca. 20 (10Hz). Laut Tabelle bei vinylengine passt das sehr gut bzw. beträgt die Tonarmresonanz 9Hz, also voll im grünen Bereich.

Mein Tonarm hat eine, in der Skala 0 bis 5, einstellbare Öldämpfung (30.000 cps).

Nun zu meinen Fragen für die Experten:

- Wie verhält sich die Tonarmresonanz bei eingeschalteter Tonarmdämpfung, bzw. kann ich damit einen "schwereren" Tonarm simulieren?
Meine Vorlesungen in technischer Mechanik sind schon lange her, aber ich kann mich daran erinnern, dass ein gedämpftes Masse-Feder-System nicht so einfach in Eigenschwingung versetzt werden kann.

- Ein Tonarm soll sich möglichst frei bewegen (Pustetest). Welche negativen Auswirkungen hat die eingeschaltete Tonarmdämpfung?
Klarstellung: Meine Platten sind nicht extrem gewellt, ich höre keinen Unterschied und das interessiert mich eher theoretisch!

Grüße aus Hamburg!
Wuhduh
Gesperrt
#2 erstellt: 23. Feb 2021, 13:17
Laienhaft ausgedrückt:

Die eff. Masse bleibt unverändert. Die Bewegung des Tonarmes wird gebremst, siehe Pustetest.

Siehe Silikon als bremsendes Mittel bei den SME und Einpunktern wie Hadcock, Mayware Formula und Audiocraft/Ultracraft. Beim Moerch weiß ich nicht.

Die Tiefenresonanz wird bedämpft, ähnlich den Zusatzbürstchen an den Shure.

Wieviel es meßtechnisch in dB bringt und wie es sich akustisch auswirkt, muß ausprobiert werden.

Die Verwendung einer Dämpfung kann auch rein akademisch werden. Heutzutage denken die wenigsten über eine Resonanzüberhöhung an einem 8,6 - Gramm Carbon von Pro-Ject nach, selbst wenn zumindest ein 2M Bronze verwendet wird. Bestenfalls wird mit der Resonanzformel herumjongliert und weise Meinungen zum bevorstehenden Abtastverhalten abgegeben. BRUMMbären und Wildschweine müssen verscheucht werden. Sibilanten werden gedizzt und bekommen Stubenkloppe mit Handtuch und Seife.

MfG,
Erik
13mart
Inventar
#3 erstellt: 23. Feb 2021, 16:11

Mario_Kempes (Beitrag #1) schrieb:

- Ein Tonarm soll sich möglichst frei bewegen (Pustetest). Welche negativen Auswirkungen hat die eingeschaltete Tonarmdämpfung?


Bei passender Resonanzfrequenz halte ich eine Tonarmdämpfung für überflüssig
bzw. mit negativen Auswirkungen im Mittel- und Hochtonbereich verhaftet. Ohne
'Pampe' klang es bei mir immer besser.

Gruß Mart
#linn-fan#
Inventar
#4 erstellt: 23. Feb 2021, 16:19

Mario_Kempes schrieb:

Nun zu meinen Fragen für die Experten:

- Wie verhält sich die Tonarmresonanz bei eingeschalteter Tonarmdämpfung, bzw. kann ich damit einen "schwereren" Tonarm simulieren?
Meine Vorlesungen in technischer Mechanik sind schon lange her, aber ich kann mich daran erinnern, dass ein gedämpftes Masse-Feder-System nicht so einfach in Eigenschwingung versetzt werden kann.

- Ein Tonarm soll sich möglichst frei bewegen (Pustetest). Welche negativen Auswirkungen hat die eingeschaltete Tonarmdämpfung?
Klarstellung: Meine Platten sind nicht extrem gewellt, ich höre keinen Unterschied und das interessiert mich eher theoretisch!

Grüße aus Hamburg!


Hallo,

das Thema wie sich eine Dämpfung des Tonarms verhält (sei es Öl oder elektronisch geregelt) hat mich ebenso akademisch beschäftigt wie dich.

Meine Versuchsobjekte waren ein SABA PSP 248 (ÖL) und ein JVC QL Y5F (elektronisch)

Mit den Versuchen hat sich mein solides Halbwissen aus dem Jahrzente zurückliegenden Studien zur Schwingungslehre wieder etwas manifestiert.
Unter anderem, dass eine (wie auch immer geartete) Dämpfung an der Schwingung selbst nichts ändert. Die zu betrachtende Resonanzschwingung des Masse-Feder-Systems Tonarm/Tonabnehmer ist immer gleich, egal wie groß die Dämpfung ist. Sie verändert sich nicht. Warum sollte sie auch. Eine Dämpfung dämpft eine existierende Schwingung. Nicht mehr, nicht weniger.
Da sich auch der Grad der Schwingung nicht verändert, muss ich annehmen, dass die Dämpfungen der Tonarme für Frequenzen ausserhalb des üblichen Bereiches von 7-14Hz ausgelegt ist.

Einen "schweren" Tonarm mittels Dämpfung zu simulieren kann somit nicht klappen.
Eine Behinderung des Pustetests wird sich nach meiner Einschätzung auch nicht ergeben. Dieser Test generiert eine mehr oder weniger konstante Bewegung, jedoch keine Schwingung.

Zum Test habe ich die HiFi News Testschallplatte verwendet. Auf der finden sich Spuren zur Ermittlung der Resonanzschwingung.
Es war bei meinen, nicht repräsentativen, Tests nicht feststellbar dass sich die Frequenz der Resonanz und/oder deren Stärke mit veränderter Dämpfung signifikant verändert.
Die Messung erfolgte nicht mit techn. Equipment, sondern rein optisch durch beobachten.

Meine Schlussfolgerung aus diesen Übungen ist derart, dass Sinn und Zweck der bedämpften Tonarme (JVC, DENON, SONY, SABA) nicht aus der Thematik der Resonanzschwingung heraus entwickelt wurden, sondern aus den zur Hoch-Zeit der PS Ende der 70er/Anfang der 80er oftmals anzutreffenden Wohnverhältnissen mit trittschallempfindlichen Böden resultierten.

Parrott hat sich des Themas ebenfalls im Zusammenhang mit dem JVC QL Y5F angenommen und das Verhalten des Tonarms in Videos festgehalten. Bei "grobmotorischen" Störungen, wie welligen Platten zeigt die Dämpfung eine nachvollziehbare Wirkung.

Ich schließe daraus, dass es mit einer Dämpfung risikoloser ist an einem mittelschweren/schweren Tonarm einen sehr weich aufgehängten TA zu betreiben (am JVC liegt die horizontale Resonanzfrequenz <5Hz mit einem ELAC 796 H30)
Wobei auch das in die Tasche gelogen sein kann, da man heute die Herausforderungen von schwingenden Holzböden wenig antrifft und somit Anregungen des Tonarms via Trittschall eher wenig vorkommen

My2cent, R.


[Beitrag von #linn-fan# am 23. Feb 2021, 16:42 bearbeitet]
Mario_Kempes
Stammgast
#5 erstellt: 23. Feb 2021, 16:48
Vielen Dank für die ausführliche Antwort. Klasse, wie viel Wissen hier schlummert!
Wuhduh
Gesperrt
#6 erstellt: 23. Feb 2021, 20:34
@ linn-fan:

Gruß aus Bärlin mit sanierten Stuckaltbauten aus der Jahrhundertwende, Wiederaufbau 1958, Stahlbetonbauten, Plattenbau Ost und ungedämpftem Billig-Laminat !

Da sind u. U. effektive Gegenmaßnahmen direkt an der Quelle erforderlich.

MfG,
Erik
ParrotHH
Inventar
#7 erstellt: 23. Feb 2021, 20:40

Wuhduh (Beitrag #6) schrieb:
Da sind u. U. effektive Gegenmaßnahmen direkt an der Quelle erforderlich.

Das fällt in der Failed Stadt unter dem Rot-Rot-Grünen Senat wahrscheinlich schon unter "Luxussanierung".

Parrot
Mario_Kempes
Stammgast
#8 erstellt: 23. Feb 2021, 21:03
Da hilft dann keine Tonarmdämpfung mehr, sondern nur ein gutes Subchassis!
Wuhduh
Gesperrt
#9 erstellt: 24. Feb 2021, 01:19
UND geduldige Experimente mit Materialien am gewünschten Aufstellungsort. Etliche Spieler mußte ich wieder verkaufen, weil ich diese nicht optimal betreiben konnte. Schulterzucken ...

Phonophono ist ein klassisches Beispiel für den Berliner Stuckaltbau mit seinem Eigenheiten.

Wenn die Versuche mit irgendeiner Dämpfung ncht den Aha-Effekt bringen, würde ich auf Null drehen oder z. B. die SME-Ölwanne deaktivieren = Frei Fahrt voraus !

Wenn eine Silikonöldämpfung eine notwendige Komponente darstellt, ist das etwas anderes.

MfG,
Erik
raindancer
Inventar
#10 erstellt: 24. Feb 2021, 01:24
Jesses, linn-fan erfindet die Physik neu.
Gemäß traditioneller Lehre sinkt die Eigenfrequenz bedämpfter Systeme sehr wohl, zu sehen hier: Dämpfung. Eingeführt wurde die Viskodämpfung um die Ende der 70er Jahre häufigen Leichttonarme tauglich für MC-Systeme zu machen, die sich im Top-level immer mehr durchsetzten. Bei SME wurde das Dämpfungssystem optional angeboten.
Wuhduh
Gesperrt
#11 erstellt: 24. Feb 2021, 01:40
Alleine die ersten 2 Sätze des verlinkten wikipedia-Beitrages zeigen, daß dieser Beitrag nichts mit der mechanischen Abtastung einer Schallplatte zu tun hat.

Aber ich will nicht streiten und verweise lieber auf die publizierten Resonanzdiagrammen von Tonabnehmertests. Meinetwegen auch auf den technischen Hintergrund des DUAL Anti-Resonators.

MfG,
Erik
raindancer
Inventar
#12 erstellt: 24. Feb 2021, 02:01
Wow, soviel Lesefreude hatte ich nicht erwartet. Hier genügt Betrachtung des Diagramms.
#linn-fan#
Inventar
#13 erstellt: 24. Feb 2021, 10:36

raindancer (Beitrag #10) schrieb:
Jesses, linn-fan erfindet die Physik neu.
Gemäß traditioneller Lehre sinkt die Eigenfrequenz bedämpfter Systeme sehr wohl, zu sehen hier: Dämpfung. Eingeführt wurde die Viskodämpfung um die Ende der 70er Jahre häufigen Leichttonarme tauglich für MC-Systeme zu machen, die sich im Top-level immer mehr durchsetzten. Bei SME wurde das Dämpfungssystem optional angeboten.


Um da Missverständnisse zu vermeiden, Physik neu zu erfinden liegt mir fern. Aber Physik zu verstehen versuche ich ganz gerne.
Was mich bewogen hat mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln empirisch nachzuvollziehen, was all die Diagramme, Abhandlungen und Prospektversprechen im Alltag halten.
Und nein, im Bereich zwischen 7-14 Hz, dem üblichen Zielbereich der Eigenresonanz von Tonarm/Tonabnehmer habe ich keinen signifikanten und reproduzierbaren Effekt feststellen können.

Da mag sich sonst wer in den letzten 50 Jahren auf der Basis der Physik sonstwie einen Kopf gemacht haben, wenn es sich nicht nachprüfbar nachvollziehen läßt, stellt sich die Frage wozu es faktisch gut ist. Und nicht theoretisch.

BTW: wenn ich den Wikipedia Artikel zur Schwingungsisolierung richtig verstehe, dann beschreibt dieser den Effekt von Elastomeren (zur Schwingungsisolierung) auf die Eigenresonanzen eines starren Systems (Maschine/Brücke). Nach meinem Verständnis somit wie aus einer "Brücke" ein Masse-Federsystem wird und wie dies wirkt.
Auf das System Tonarm/Tonabnehmer übertragen kann dies erklären warum die Eigenresonanz am PS durch den TA beeinflusst wird, welcher schlussendlich auf einem Elastomer gelagert ist (gummigelagerter Nadelträger).

Auf die Eingangsfrage des TE bezogen, ob man mittels der Tonarmdämpfung einen schweren Arm "simulieren" kann, muss nach meinem Kenntnisstand mit Nein geantwortet werden.
Was ich aus Parrots Beobachtungen schließe, ist, dass man die negativen Folgen einer unpassenden Kombination aus TA mit hoher Compliance und zu schwerem Arm reduzieren kann.

Gruß und genießt den Tag

R.


[Beitrag von #linn-fan# am 24. Feb 2021, 10:38 bearbeitet]
Mario_Kempes
Stammgast
#14 erstellt: 24. Feb 2021, 12:35
@raindancer: Kannst Du genauer erklären wie die Viskodämpfung Leichttonarme tauglich für MC-Systeme macht bzw. machen sollte? Hatten in den 70ern die MC-Systeme eine niedrigere Compliance?
Wuhduh
Gesperrt
#15 erstellt: 24. Feb 2021, 15:19
Konstruktionsbedingt haben MC-Systeme ( Moving Coil = bewegte Spule ) immer eine niedrige Nadelnachgiebigkeit. Das ist unabhängig von dem Herstellungs- oder Entwicklungsdatum.

Siehe alle mehr oder minder technische, mehrsprachige Publikationen all around da world.

MfG,
Erik
vinylrules
Inventar
#16 erstellt: 24. Feb 2021, 16:27

Konstruktionsbedingt haben MC-Systeme ( Moving Coil = bewegte Spule ) immer eine niedrige Nadelnachgiebigkeit. Das ist unabhängig von dem Herstellungs- oder Entwicklungsdatum.


Das stimmt nicht. Ist nur sehr aufwendig. Alte ATs kamen mit 32er Compliance daher, die Highphonic MCs konnte man nur an sehr sehr leichten Armen betreiben. Es ist halt eine elende Frickelei, den Dingern eine niedrige reproduzierbare Nachgiebigkeit anzuerziehen, geht aber.

Deswegen gibt es bei den ganzen mundgeklöppelten und fußgeblasenen High-End-Keller-MCs immer harte Aufhängung und hohe Auflagekraft - kann nichts schief gehen.
Mario_Kempes
Stammgast
#17 erstellt: 24. Feb 2021, 18:00
Mein AT33 PTG/II ist ein MC und hat eine Compliance von annähernd 18 (AT gibt eine dynamische Compliance von 10 bei 100Hz an, was um die 18 bei 10hz entspricht). Es ist also mittelweich.
raindancer
Inventar
#18 erstellt: 24. Feb 2021, 20:36
Bitte betrachtet die Vergrößerungsfunktion eines bedämpften Einmassenschwingers: Vergößerungsfunktion, Quelle wikipedia.
Mit zunehmender Dämpfung verschiebt sich die Eigenfrequenz des System nach links, d.h. zu tieferen Frequenzen. Dieses nutzten Hersteller sehr leichter Arme - waren mal eine Modeerscheinung zusammen mit hohen Nadelnachgiebigkeiten und niedrigen Auflagekräften - zur Ertüchtigung ihrer Arme für MC-Systeme, die ab Ende der 70er bei zahlungsbereiter Kundschaft (viele damals alte Herren mit Klassikplatten) populär wurden.
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