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Lust im Hirn: Wie (Musik-) Genuss biologisch verdrahtet ist

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Jenny4
Stammgast
#1 erstellt: 12. Mai 2012, 10:52
„Wenn ich was Neues lerne, teile ich es gern mit anderen.“ (mty55, #9; alle Zitate aus: Warum baut ihr Boxen selbst?) Ich lerne gerade sehr viel, und ständig kommen neue, grundsätzliche Fragen:

Was macht es mit meinem Gehirn, dass ich seit einigen Wochen meine erste HiFi-Anlage habe und so viel Musik höre wie nie zuvor in meinem Leben? Diese Frage treibt mich nicht nur privat um – zu erforschen, wie Menschen lernen und wie ihr Lebensstil sie formt, ist auch Teil meiner Arbeit. (Und meine Zeit hier im Forum ist auch eine Art teilnehmender beruflicher Feldforschung.)

„Man ist halt Enthusiast, wenn man mehr möchte als das Objekt der Begierde nur anzuschauen, man will alles davon erfahren, sehen und verstehen.“ (Big Määääc, #64) Ja! Deswegen vertiefe ich mich in medizinische und psychologische Fachliteratur über Wahrnehmung und Reizverarbeitung im Gehirn, z. B. diese:

esch brackmann bauer

In diesem Thread suche ich Menschen, „die Spaß daran haben, sich mit Werkstoffen und Verarbeitungstechniken intensiv auseinander zu setzen“ (Soundy73, #79) – in diesem Falle aber nicht auf der Seite der Geräte, sondern auf der Seite der menschlichen Empfänger. Ich will wissen, was mit der Musik geschieht, sobald sie mein Ohr erreicht hat. Was geht da ab?

„Man beschäftigt sich mit dem Lautsprecher, dem Aufbau, der Raumakustik, Aufstellung, Einstellung, DSP's etc. und lernt somit immens viel über die Theorie.“ (Ingo74, #14) Genau das macht mir auch bei meinen Fragen Spaß – ich will mehr wissen über die Einzelteile und das Zusammenspiel in der Neurobiologie der Musikwahrnehmung, über Botenstoffe im Gehirn (Dopamin, Oxytocin, endogene Morphine), über Angst („drohender Tiefbass“) und Lust beim Hören, über Körperwahrnehmungen.

„Mit den eigenen Händen was erschaffen, sich Gedanken zur Konstruktion machen, diese umsetzen und damit Erfolg haben.“ (Nanobyte, #11) Das gilt für theoretische Modelle ebenso wie für Geräte; ich frage: Wie ist unsere Reizverarbeitung konstruiert? Was machen wir mit unserem Hirn, indem wir es – jede/r auf spezielle Weise – so mit Musik füttern? Wie fühlt sich das an?

„Viele haben aber viel mehr Wissen und Erfahrungen, und sich mit denen zu unterhalten und sie kennen zu lernen, das macht Spaß und ist immer wieder schön!“ (Grosser09, #119) Eure Erfahrungen sind hier gefragt, auch Eure persönlichen Erklärungen, warum Euch gerade dieses oder jenes Musik- oder Sound-Erlebnis gefällt. Unterschiede und Vielfalt sind mir sehr willkommen, Holz- und Gold- und sonstige Ohren auch, denn was wir hier diskutieren, ist „eine wunderbare, kreative und hochbefriedigende Leidenschaft, über die es sich mit den meisten hier im Forum auch fair und partnerschaftlich austauschen läßt.“ (THWO, #24)

Also: Was fühlt Ihr, wenn Ihr Musik hört?
Grosser09
Inventar
#2 erstellt: 12. Mai 2012, 11:55
Moin moin Jenny,

du hast schon eine ander Weise an das Hobby Musik ranzu gehen! Aber auch interessant und schön! Ich werde später genauer lesen und versuchen meinen Senf abzugeben! Jetzt fahren wir weg!
Bis dann!
Soundy73
Inventar
#3 erstellt: 12. Mai 2012, 14:16
Gut aufgelegt, DJane-Jenny!

Auch ich musste viel über die Verdrahtung und Programmierung im Hirn lernen, im letzten Jahr wars bei mir dann mal so weit: Burnout nennt man das neuerdings.
Hätte nie gedacht, dass so'n Mensch so kompliziert verdrahtet ist.

Nun zum Thema:

Ich habe in meinem Wohnkino zwei "Schwabbelboxen" stehen, die so ja gar nicht funktionieren können
tun die natürlich auch nicht, Tiefbass ist Fehlanzeige - aber mit mittelklassigen Breitbändern war nicht mehr zu erwarten Aber das hört sich eben ganz schön livehaftig an. Ich als stolzer Lautsprechervater kann also nur Hatti zitieren, alles andere wäre (für mich!) müffelnd:

Die Onkyotranse vorgeheizt und CD rein = 0h, angenehm, FUNKTIONIERT
Sie machen Ihren Job recht gut, abgrundtiefe Bässe sind nicht, aber es ist auch für Orgelmusik alles da um glaubwürdig wiedergegeben zu werden. Womit Greencones gerne gefüttert werden, geben sie auch entspant wieder. Die gute 70er Jahre Party Mucke stecken sie locker weg und sie stimmen einfach.

Eine frequenzgangkorrigierter Lautsprecher, der sogar mir gefällt!


(-mit "entspant" hoffe ich, meinte er "entspannt" ) Quelle

So nun bist Du wieder an der Reihe, erklär' uns mal, warum man, bei eigentlich nicht makellosen Lautsprechern, ein besseres Hörgefühl hat, als bei linealglatten Vielwegerichen.
Was wirkt da hinter dem Ohr und lässt uns vermuten, wir wären mittendrin statt nur dabei?
THWO
Stammgast
#4 erstellt: 12. Mai 2012, 14:39
Hi Jenny,

Dein neuer Thread verdient es, sich ein paar Gedanken darüber zu machen, was intuitiv und kognitiv bereits alles "in mir" (in Anderen?) steckt bzw. was ich beim Hören jeweils empfinde und vielleicht auch weshalb (und wann!).

Dein erstes gezeigtes Buch wird dem Thema sicherlich ebenso gerecht werden wie alles in Zusammenhang mit der "Chemie der Gefühle". Endorphine, Adrenalin, alles, was wir subjektiv empfinden und "technisch" dennoch elektrisch-chemische Reaktionen sind, gehört hier mit hinein.

Zu Deiner nicht konkret benannten Arbeit: Du könntest das Thema evtl. zunächst generell, aber komprimiert, durchgehen - wie z.B. was löst (biologisch-technisch) was (Empfindungen) und wann (Rahmenbedingungen, Augenblickssituation) in mir aus? - um diese in der Fachliteratur allerdings bereits hinreichend beschriebenen Zusammenhänge dann am konkreten Beispiel des HiFi- Genusses zu verifizieren.

Perfekt wäre es, beim Musikhören und -empfinden Elektrodenhauben tragen und die Gefühle dann bildgeberisch darstellen zu können... :-)

Werde mich sicher noch eingehender zum Thema melden.

Gruß
Till
Jenny4
Stammgast
#5 erstellt: 12. Mai 2012, 16:09
@soundy73:


Die gute 70er Jahre Party Mucke stecken sie locker weg und sie stimmen einfach.

warum man, bei eigentlich nicht makellosen Lautsprechern, ein besseres Hörgefühl hat, als bei linealglatten Vielwegerichen


Eine historisch-biografische Erklärung scheint mir dafür passender als eine neurologische: Typische Klänge und bestimmte musikalische Motive haben ja ebenso ihre historischen Epochen wie die Musik, in der sie vorkommen. Heute wirkt eine Hammond-Orgel eher wie ein 1970er-Zitat, damals war es ein zeittypisches Instrument. Du hast Dich auf 70er-Jahre-Musik bezogen, da wird wohl auch Deep Purple dabei gewesen sein - das ist der historische Teil.

Wenn Du solche Musik hörst und sie für Dich gut klingt mit den beschriebenen LS, dann ist anzunehmen, dass Du zwischen 1955 und 1960 geboren bist - je nachdem, in welchem Alter Du auf Parties warst, wo Musik der 70er für Dich neu war. Deine musikalische Sozialisation hat vermutlich nicht mit "linealglatten Vielwegerichen" stattgefunden, sondern eher mit dem LS-Klang der oben zitierten, und zu der Zeit wirst Du sicherlich viele emotionale Erfahrungen zum ersten Mal gemacht haben, die sich sozusagen tief in Deine Erinnerung eingebrannt haben - das ist der biografische Teil der Erklärung.

Neurons that fire together, wire together - die Nervenzellen, die gleichzeitig angesprochen werden, bauen eine Verbindung zueinander auf. Das gilt nicht nur für diskret abrufbare Erinnerungen (z. B. welches Ereignis Du mit A whiter shade of pale assoziierst), sondern eben auch für typische Klangmuster. (Bei Motorrädern ist das übrigens auch sehr gut nachvollziehbar - der Sound einer "Güllepumpe", heute gehört, wirkt nur bei denjenigen, die sie kennen, aber ganz besonders bei denjenigen, die eine gefahren haben.)

Kurz und gut: Deine LS klingen mit dieser Musik für Dich gut, weil in Deinem Gehirn bestimmte angenehme Emotionen mit genau diesem Klangspektrum verbunden sind. Würdest Du auf denselben LS z. B. Madonna, The Immaculate Collection hören, dann würdest Du merken, dass da was fehlt.

Was hältst Du von dieser Erklärung?
mty55
Inventar
#6 erstellt: 12. Mai 2012, 22:21
Jenny4
Stammgast
#7 erstellt: 12. Mai 2012, 22:27
This is you brain on music: Gerade gekauft aber wenn schon, dann im Original. mty55, danke für den Tipp!
Soundy73
Inventar
#8 erstellt: 13. Mai 2012, 03:09
Fast getroffen, Jenny 1961 ist nah' dran

Musik wurde in der disco noch von Ilja oder mit der Hand gemacht, jeden Samstagabend gab's 'ne Band.
Mit den oben (von Hatti) kommentierten Lautsprechern/bzw. deren schrägem Gehäuseprinzip, hatte ich jedoch, in meiner gesamten vorigen Laufbahn, absolut nix am Hut.

Unser erster Verstärker mit der "Wupdität", eine Veranstaltung beschallen zu können war mit BD317/BD318 bestückt, für die ich am liebsten eine "Nachwurfvorrichtung" gehabt hätte, so oft haben wir die überreizt Man wusste eben zu wenig über das Gemütsleben von Lautsprechern.

Immer noch ist mein Hörsinn so ausgeprägt, dass ich beim ersten Hören eines Pop-/Rock-Titels im Radio abschätzen kann, ob Top oder Flop. da könnte ich mit Didda konkurrieren
Ebenso kann ich bei diletantischer Beschallung (aber so richtig ) in die Luft gehen, ebenso wie beim Gegenteil. Von mir gibt's schon mal Lob oder Tadel für den Mischling am Pult. Die Guten sind rar und wahrscheinlich teuer. Fast nur Musikanten, denen man sowas nicht zugetraut hätte, bedienen sich immer wieder der angenehmen Spezies.

-übrigens geht bei mir Partymucke von ~1954 bis morgen. Da braucht keiner zu hungern und zu frieren
Und auf deine Frage hin: Nein, auch bei z.B. Madonna oder Sunrise Avenue (die Live-Scheibe ist ein Tipp von mir, ein must-have!!) klingen die Dinger für mich und andere, ziemlich komplett und eben "richtiger", vielleicht sollte ich schreiben direkter oder livehaftiger?

Meine musikalische Sozialisation fand mit Electro Voice, JBL, Heco, WHD, Quadral, RFT... statt.
Wenn man mich nicht hätte zwingen wollen, mit der Blockflöte, meine ersten musikalischen Versuche zu gestalten, hätte aus mir wahrscheinlich ein passabler "Puffmusiker" werden können. Meine Schwestern, denen das Schicksal (sind jünger!) erspart blieb, musizieren noch heute. Schiefe Töne fallen mir meist sofort auf.
So nu mal weiter mit der Anneliese, oder wie so'ne Untersuchung heißt
Ich lerne gern was über mich und warum ich ticke, wie ich ticke. Jeder sollte nach Kräften versuchen, an sich zu arbeiten, bis er in die ewigen Jagdgründe eingeht - als Meinung kennzeichnen!
Janus525
Hat sich gelöscht
#9 erstellt: 13. Mai 2012, 07:14

Jenny4 schrieb:
Ich will wissen, was mit der Musik geschieht, sobald sie mein Ohr erreicht hat. Was geht da ab?


...das hier: http://www.musik-hifi-stammtisch.de/wbb2/thread.php?postid=197805

Viele Grüße: Janus...
Jenny4
Stammgast
#10 erstellt: 13. Mai 2012, 10:15
Guten Morgen Wolfgang, danke für den Link, der passt sicher hier her – ich kannte ihn auch schon.

Im verlinkten Beitrag geht es um folgende Themen:
- die Unterscheidung zwischen „reinen Hörleistungen“ und „auditiven Wahrnehmungen“
- populärwissenschaftliche Beschreibungen einiger Erkenntnistheorien
- das Wissenschaftsverständnis des Autors (Realismus und Objektivismus)
- Empfehlungen für höfliche Umgangsformen in der Diskussion

Zu gegebener Zeit werde ich darauf zurückkommen; ich will den Radikalen Konstruktivismus und Niklas Luhmanns Theorie Sozialer Systeme erst später einführen, das ist nämlich meine Antwort darauf.


Hallo Jürgen: Tja, dann halten wir fest, dass meine Herleitung in Deinem Fall vorerst nur einen Jahrgang zu Vorschein gebracht hat. Aber wenigstens ist damit der historisch-biografische Ansatz zur Erklärung individueller Hörerlebnisse schon mal grundsätzlich in die Diskussion eingeführt.

Lass uns doch bitte Deine ungeklärte Frage noch mal in allgemeinerer Form stellen – bitte korrigiere mich ggf.:

Wie kommt es, dass ich mit zwei „Schwabbelboxen“ (mittelklassige Breitbänder ohne Tiefbass) ein besseres Hörgefühl habe als bei linealglatten Vielwegerichen?

Oder umgekehrt: Wie kommt es, dass sich ein Mehrwege-System mit scheinbar „perfektem“ Frequenzgang weniger entspannt anhören kann als „Schwabbelboxen“?
Jenny4
Stammgast
#11 erstellt: 13. Mai 2012, 10:29
Meine Erkenntnis der vergangenen Woche war, welche Lust aus einer positiven Erwartungshaltung entsteht und wie das die Ausschüttung von Dopamin im Gehirn stimuliert. (Esch, s. o., S. 27 ff)

Dopamin ist ein ist ein molekularer Botenstoff. Er wird ausgeschüttet „bei aufregenden oder anregenden Tätigkeiten und und Aktivitäten, die mit einem gewissen Nervenkitzel oder auch Stress verbunden sind“ und auch bei erfolgreicher Bewältigung von Herausforderungen.“ (Esch, S. 33) „Dopamin ist auch wichtig z. B. beim Liebesakt, wo ebenfalls hohe Spiegel gemessen werden.“ (Esch, S. 35)

Es geht also um zwei Phänomene: 1. um die Erwartung, dass etwas Positives kommt, und 2. um den Nervenkitzel der kleinen Unsicherheit oder den Stress (die Anstrengung, die Herausforderung), das Schöne wirklich zu erjagen.

Wenn ich ein Musikstück höre, dann weiß mein Gehirn nach mehrmaligem Hören mit der Zeit immer besser, was als Nächstes kommt. Würde ich irgendwann alles ganz genau auswendig können und das Stück immer auf genau dieselbe Weise hören, dann wäre nach kurzer Zeit die Herausforderung weg, mir das Stück mental zu erarbeiten, und die Dopaminausschüttung würde zurückgehen, kurz: Das Stück ist nicht mehr so interessant, der anfängliche Kick ist weg.

Ich will diesen Kick beim Musikhören aber behalten. Also brauche ich irgend wo her diese bei Esch genannte Unsicherheit in meiner Erwartung auf das „glückliche Ereignis“, in diesem Fall ist das die kontinuierlich fortgeschriebene Erwartung, wie es mit dem aktuell gehörten Stück weitergeht.

Wie also schafft es ein Hörer, sich genügend Herausforderungen oder positiven Stress zu verschaffen, damit auch beim Hören bekannter Stücke die genussvoll hohe Dopaminausschüttung erhalten bleibt?

Welche potenziellen Stressoren oder Anstrengungen kommen dafür in Frage?

1. Er hört bei bekannten Stücken genauer hin, um Nuancen herauszuhören, die er bisher nicht so wahrgenommen hat.

2. Er verschafft sich verschiedene Aufnahmen, z. B. Liveaufnahmen und Studioaufnahmen, und vergleicht sie beim Hören.

3. Er hört immer wieder neue Musik, um der Gewöhnung auszuweichen.

4. Er hört so anspruchsvolle oder komplexe Musik, dass seine Erwartungshaltung, welche Töne als nächstes kommen, regelmäßig „enttäuscht“ wird, und diese genussvollen Überraschungen reichen aus, um die Dopaminausschüttung hoch zu halten.

5. Er stellt eine Beziehung her zwischen dem Stück, das er aktuell hört, und anderen Stücken oder Bands; er hört quasi ein Stück Musikgeschichte mit.

6. Er hört das Stück so laut, dass allein die Lautstärke körperlichen Stress verursacht.

7. Er wechselt oder erweitert regelmäßig das Equipment seiner Abspielmöglichkeiten und hört ganz genau hin, ob und wie die Musik durch die verschiedenen technischen Alternativen auch unterschiedlich klingt.

8. Er sucht nach dem idealen Klang und ist nie mit seiner aktuellen Anlage zufrieden.

Was haltet Ihr davon?
Soundy73
Inventar
#12 erstellt: 13. Mai 2012, 14:27
Danke an Janus525 für den Link!
Den muss ich mir mal zur Gänze reinziehen, im Moment bin ich dazu nicht wach genug.

@ Jenny, da gibt's nix zu korrigieren, ich folge (als Techniker) gespannt, Eurer (unserer) Diskussion.

Bin trotz menes hohen Alters noch (einigermaßen rüstig ) wissbegierig und lernbereit.

So, ich brauch' jetzt mal mein Dopamin
Janus525
Hat sich gelöscht
#13 erstellt: 13. Mai 2012, 14:53
Tja Jenny4,

Deinen Ansatz und die damit einhergehenden Thesen halte ich für sehr interessant, sie ließen sich um eine Reihe weiterer ergänzen. Damit stehen Dir die "Asketen" und "wahrheitsorientierten" Diskussionsteilnehmer hier in (aus meiner Sicht) gewohnt "freudloser" und "streng wissenschaftlich" orientierter Manier wohl diametral gegenüber. Diese schütten ihr Dopamin scheinbar in erster Linie dann aus, wenn es um Zahlen, Daten, Formeln, Fakten, Messwerte, Messgeräte, Screenshots, "wissenschaftliche" Diskussionen und Ähnliches geht..., und weniger bei der "lustvollen Beschäftigung" mit ihren Anlagen, die sehr wohl als völlig irrationale "Lustbringer" intensiv genutzt werden könnten..., wenn "man" es denn (noch) könnte ohne Messklemmen irgendwo dran zu halten...

Wie ich schon mehrfach geschrieben habe, hat dieses "Lustempfinden" (für mich) überhaupt nichts mit linealglatten Frequenzgängen oder Klirrfaktoren gleich mehrere Stellen hinter dem Komma zu tun. So kann (z.B.) ein heftig klirrender Röhrenverstärker an (z.B.) einer Sentry III in der richtigen Umgebung jede Menge Spaß machen, völlig losgelöst von den "schrecklichen" Messwerten.

Eine (für mich) rundherum überzeugende Anlage muss "anmachen", muss fesseln, muss faszinieren, darf nicht mit irgendwelchen Ungereimtheiten irritieren, darf keinesfalls lästig sein und muss darüber hinaus jede Menge Luft bewegen können. Mit (z.B.) den typischen, auf WAF und kleinere Wohnräume zugeschnittenen Kompaktböxchen und deren oft sterile, überbrillante "Mickymouse" - Darstellung ohne echtes Fundament kann ich überhaupt nichts anfangen. Klar, diese haben ihren Markt und damit ihre Existenzberechtigung, und ich habe sowas in einigen Räumen natürlich auch..., aber damit "Lust" erzeugen wollen...? Nein danke...

Es ist wohl ähnlich wie beim Sex: Die objektiven, messbaren Merkmale einer Partnerin / eines Partners, verglichen mit irgendwelchen "Idealwerten", sind für den Grad der vom jeweiligen Gegenüber empfundenen Lust nicht ausschlaggebend, und für dessen tiefe Befriedigung ebenso unwichtig wie es die Messwerte einer HiFi - Anlage bei der Befriedigung durch die wahrgenommene (nicht gemessene ) Musik sind. Die Phantasie..., die Hingabe..., das bewusste Ausschalten des wachen Verstandes ist der eigentliche Schlüssel zur Erlebnistiefe..., aber das muss ich ja nun wirklich niemandem mehr erklären, oder...? Einige "Holzohren" werden diesen Zugang und diese Sichtweise sowieso radikal ablehnen..., und einige "Goldohren" wissen eh wovon ich hier schreibe...

Viele Grüße: Janus...
Soundy73
Inventar
#14 erstellt: 14. Mai 2012, 02:46
@ Janus525, Du irrst - zumindest in meinem Falle, ich kann Dir aus tiefster Seele nachempfinden:


Eine (für mich) rundherum überzeugende Anlage muss "anmachen", muss fesseln, muss faszinieren, darf nicht mit irgendwelchen Ungereimtheiten irritieren, darf keinesfalls lästig sein und muss darüber hinaus jede Menge Luft bewegen können. Mit (z.B.) den typischen, auf WAF und kleinere Wohnräume zugeschnittenen Kompaktböxchen und deren oft sterile, überbrillante "Mickymouse" - Darstellung ohne echtes Fundament kann ich überhaupt nichts anfangen.

Rei - das isses! Ich sag dazu immer livehaftig und da kommt es wirklich darauf an, was man so auf den Ton-/Datenträger bannte. Mein Hör-, oder Unsinn ist da ziemlich gnadenlos - und das wird immer schlimmer, je mehr gute Referenzen man gehört hat.

Zum Bleistift: Martin Levac im CCH als Phil Collins- Klon, da möchte man sagen: Phil, schreib' die Musik und lass den Martin machen - der kann das!!!
I was extremely amused- the Queen would have said
Solche Dinger prägen meine musikalische Sozialisation, Jenny.
Janus525
Hat sich gelöscht
#15 erstellt: 14. Mai 2012, 08:13

Soundy73 schrieb:
- das isses! Ich sag dazu immer livehaftig und da kommt es wirklich darauf an, was man so auf den Ton-/Datenträger bannte.

Guten Morgen Jürgen,

auf den Punkt...! Für mich ist es wichtig die Atmosphäre, die z.B. die beiden Schlagzeuger aus Deiner Verlinkung da im Raum erzeugen, mit einer HiFi Anlage möglichst authentisch zu reproduzieren, was - da sind wir uns sicher einig - äußerst schwierig ist und natürlich nur näherungsweise gelingen kann..., aber zumindest sich weitgehend anzunähern ist unter bestimmten Bedingungen möglich. Hier ist auch noch ein Beispiel für eine solche "livehaftige" Atmosphäre, die etwas einfacher hinzubekommen ist aber immer noch verdammt hohe Ansprüche an die Anlage stellt, soll das Ganze einigermaßen realistisch wiedergegeben werden. Achte bitte einmal darauf wenn der Schlagzeuger ganz lässig und ohne Kraftanstrengung ab 0:33 die Fußmaschine tritt. Selbst mit kleinen Lautsprechern und höherer Lautstärke lässt sich erahnen wie das in Natura klingen müsste..., aber selbst für diese leichten Tritte bedarf es Membranfläche..., Membranfläche..., und noch mal Membranfläche..., und natürlich Wirkungsgrad und Kontrolle wenn es halbwegs "echt" klingen soll...

Unter HiFi - Gesichtspunkten (wie viele "Erbsenzähler" es verstehen) ist die Wiedergabe sicher lausig..., unter HiFi - Gesichtspunkten (wie ich sie verstehe) ist die Atmosphäre richtig gut im Sinne von "anmachend"...

http://www.youtube.com/watch?v=-fmCoUjOMXU&feature=related

ZITAT: "Aber warum reagieren dann unterschiedliche Menschen emotional in gleicher oder ähnlicher Weise vor einer solchen Musikanlage, mit der diese Grenze (Anm.: ...zum Nicht - Selektiven - Hören) überschritten wurde? Weil sie - wie bei einem Liveauftritt mit akustischen Instrumenten in einem kleineren Veranstaltungsraum - auf Musik emotional gleich oder sehr ähnlich reagieren. Niemand achtet dort darauf, ob die Anblasgeräusche eines Saxophons stimmig und mit genügend Atem wiedergegeben werden, wie klar oder verwaschen ein Xylophon klingt, ob die Saiten des akustischen Basses konturiert genug wirken und ob der Korpus des Instrumentes lange genug nachschwingt, ob das mit dem Besen angeschlagene Becken metallisch genug erscheint, lange genug ausschwingt usw. Wozu auch? Es klingt eben wie es klingt. Treten die gleichen Interpreten einige Tage später in einem anderen Raum auf, dann klingt es vielleicht anders, aber das spielt für die Zuhörer keine große Rolle. Was sich in diesen Livekonzerten wie von selbst einstellt, ist eine bestimmte Atmosphäre die mit allen Sinnen wahrgenommen wird, ist Entspannung, ist Freude an der Musik, ist Genuss, ist pure Emotion, etwas, das die allermeisten HiFi - Anlagen trotz exzellenter Messwerte nicht transportieren können. Wer würde sich in der Atmosphäre eines Livekonzertes schon den Kopf über die Linearität des Frequenzganges am eigenen Hörplatz, über plastische Mitten oder hoch aufgelöste Oberwellenspektren den Kopf zerbrechen? Warum geschieht dies dann andauernd vor einer typischen HiFi - Anlage? Wir glauben nur aus einem einzigen Grund: Diese Anlage kann beim Zuhörer - selbst bei geschlossenen Augen und mit gutem Willen - nicht annähernd die Atmosphäre erzeugen, deretwegen wir üblicherweise in Livekonzerte gehen". ZITAT ENDE

Viele Grüße: Janus...


[Beitrag von Janus525 am 14. Mai 2012, 08:51 bearbeitet]
Nanobyte
Stammgast
#16 erstellt: 14. Mai 2012, 15:12
Vielleicht müssen wir Jenny noch erzählen, was der WAF ist?

Hallo Jenny,

Was bisher m.E. nicht genügend beleuchtet wurde, ist die Tatsache, daß es nicht nur ums hören und fühlen geht, sondern auch ums sehen und tasten. Der Spruch "Das Auge hört mit" gibt das nur unzulänglich wieder. Wer versteckt schon seine Boxen hinter einem Vorhang, selbst wenn dieser den Klang nicht verändert? Und alle mögen es, wenn sich der Verstärker "wertig" anfühlt, mindestens 15 kg schwer mit aus dem vollen gedrehten Knöpfen, metallener Frontplatte, massiven Anschlussklemmen, pipapo. Dieselbe Technik mit Plastikknöppen im Laborgehäuse würde nicht halb soviel Spaß machen.

Und das Wissen um die Leistung ist auch enorm wichtig. Ist wie auf der Landstraße beim Überholen: Hubraum ist durch nichts zu ersetzen. Dementprechend Verstärkerleistung und Membranfläche. Dynamik erfahren macht einfach Spaß.

Und um wieviel besser klingen die Boxen und machen sie im Auge des Betrachters/Ohr des Zuhörers her, wenn sie im Schweiße des Angesichts eigenhändig aus einem groben Klotz gehauen sind. Da interessieren keine Frequenzschriebe, das ist purer Stolz auf sich selbst. Apropos Frequenzschriebe: Ich belächele immer die Leute, die den Anspruch haben, mit der Anlage eine möglichst naturgetreue Wiedergabe des Originals zu erreichen. Die lügen sich doch was in die Tasche! Die kennen das Original doch zu 99% gar nicht. (Studioprofis jetzt mal ausgenommen). Die tun alles, aber auch alles, um diesem nebulösen Ideal des Originals nahe zu kommen. Kaufen sich sogar Kabel für viele tausend Euro. Obwohl sie gar keinen Plan von dem haben, hinter was sie eigentlich hereifern. Gewissermaßen als Ersatzplan muß der Frequenzschrieb herhalten, der bis mindestens 40.000 Hz linear verlaufen muß, selbst wenn die meisten von uns ab 15 kHz rein gar nichts mehr hören.

Auch der Faktor Statussymbol ist zu beachten. Selbst wenn man es kaum jemanden zeigt, aber man könnte ja. Man hat viel Geld ausgegeben. Soviel, wie andere sich gar nicht leisten könnten.

Die Musik selbst ist häufig gar nicht das wichtigste.

Schöne Woche!

D.


[Beitrag von Nanobyte am 14. Mai 2012, 15:20 bearbeitet]
Jenny4
Stammgast
#17 erstellt: 14. Mai 2012, 16:49

...eine möglichst naturgetreue Wiedergabe des Originals zu erreichen. Die lügen sich doch was in die Tasche! Die kennen das Original doch zu 99% gar nicht.

Danke! Darüber denke ich schon den ganzen Tag nach, das trifft nämlich genau auf mich zu. Ich gehe so gut wie nie in Live-Konzerte. Vor ein paar Jahren war ich gelegentlich mal mit meinen Eltern und deren Freunden auf Jazz-Konzerten - aber diese Musik, die mir live so gut gefallen hat, hätte ich mir nie und nimmer zuhause anhören wollen, auf keiner Anlage der Welt.

Ich hatte mir diesen Bezug zum Original schon mal beim Thema Wein überlegt: Wie soll ich den Duft eines Merlot oder eines Cabernet Sauvignon beschreiben, geschweige denn diverser Cuvees, wenn ich Bitterschokolade, schwarze Johannisbeeren, Griottes oder Mokka etc. nicht im Original kenne? Ich freue mich jedes Jahr auf die Beerensaison im Garten, das ist wie eine Kalibrierung meines Geruchs- und Geschmackssinnes - am sonnenwarmen Original.

Und jetzt denke ich darüber nach, ob ich nicht doch mal hier und da auf ein Konzert gehen sollte, um für Originale ein besseres Gehör zu gewinnen, wie oben genannt: für Bass, Saxofon, die satte Fleischigkeit leidenschaftlicher Gitarrenriffs?

Immerhin habe ich ja längst angefangen, Alltagsgeräusche schon viel neugieriger zu belauschen. (Ach übrigens: Hört Ihr auch, wenn Euer Auto Öl braucht, bevor es durch die Anzeige oder durch Nachmessen verifiziert wurde?) Ich stell's mir bloß so stressig vor, auf einem Konzert mit so vielen fremden Leuten auf so engem Raum zusammen zu sein.

Ja, bitte:

...was der WAF ist

...dürft Ihr mir gerne erklären, wenn es was ist, das Spaß macht!
Nanobyte
Stammgast
#18 erstellt: 14. Mai 2012, 17:23
Stell Dir vor, Du kaufst Dir eine neue Vase, paar Blumen dazu und drapierst sie elegant - quasi beiläufig - in den Wohnraum. Dann kommt Dein Mann nach Hause und fragt: "Was soll denn dieses Gestrüpp hier? Ist jemand gestorben?"

WAF bedeutet Wife Acceptance Factor, eine dimensionslose Größe umgekehrt proportional zum Mannshöhe der Boxen im gemeinsam benutzten Wohnzimmer.


[Beitrag von Nanobyte am 14. Mai 2012, 17:25 bearbeitet]
cptnkuno
Inventar
#19 erstellt: 14. Mai 2012, 17:48

Jenny4 schrieb:

Und jetzt denke ich darüber nach, ob ich nicht doch mal hier und da auf ein Konzert gehen sollte, um für Originale ein besseres Gehör zu gewinnen, wie oben genannt: für Bass, Saxofon, die satte Fleischigkeit leidenschaftlicher Gitarrenriffs?

Das macht natürlich Spaß, hat aber mit dem Original, das eine Stereoanlage wiedergeben soll eigentlich nichts zu tun.
Das hier angestrebte Original ist eigentlich das, was im Studio beim Abmischen aus den Lautsprechern gekommen ist. Auch Liveaufnahmen sind im Allgemeinen im Studio nachbearbeitet.
Jenny4
Stammgast
#20 erstellt: 14. Mai 2012, 18:30
@nanobyte: Danke für diesen grundlegend wichtigen Parameter. Ich werde dann bei Bedarf den PAF benutzen, den partner acceptance factor, angegeben in Mikrogramm Adrenalinausschüttung pro Sekunde bei Erstkonfrontation.

@cptnkuno: Na, dann hab ich ja noch mal Glück gehabt, dass eine Livemusik-Exposition der Probandin nicht zwingend erforderlich ist.

Kann mal bitte jemand was zu meiner wunderschönen Hypothese sagen, wie das Hochhalten-Wollen des Dopaminspiegels erklärt, dass manche Leute nie mit ihrer Anlage zufrieden sind?
Nanobyte
Stammgast
#21 erstellt: 14. Mai 2012, 19:34

Jenny4 schrieb:

Kann mal bitte jemand was zu meiner wunderschönen Hypothese sagen, wie das Hochhalten-Wollen des Dopaminspiegels erklärt, dass manche Leute nie mit ihrer Anlage zufrieden sind?


Das erklärt auch, daß manche Leute nicht aufhören zu rauchen.

Aber klar: Ein neues Kabel an der Anlage löst beim ersten Anhören eine Belohnungskaskade im Gehirn aus. Dopamin ist da ein wichtiger Botenstoff, aber auch z.B. Serotonin oder Phenethylamin. Da passiert ähnliches wie beim Raucher, wenn er sich vor der Kneipe zu seinem Rudel gesellen darf. Der erste Spruch geht über die doofen Nichtraucher, alle lachen, er fühlt sich bestätigt. Das Nikotin, was nach wenigen Millisekunden im Hirn ankommt, löst o.g. Belohnungssystem aus und verstärkt die positive Erfahrung. Wie die Ratte, die was zu fressen bekommt, wenn sie den Knopf mit der Klingel drückt.

Sorry, aber soo einfach sind die Beziehungen zwischen Psyche und Biochemie nicht. Sonst könnten wir uns zum Zweck der Fortpflanzung ja kurz was einwerfen und hätten sonst Ruhe davor. Dann wäre der Straßenverkehr auch viel ruhiger. Und Kriege gäbs auch nicht.

Vielleicht solltest Du mal einen somatisch orientierten Psychiater danach fragen.

VG

D.


[Beitrag von Nanobyte am 14. Mai 2012, 19:38 bearbeitet]
Soundy73
Inventar
#22 erstellt: 15. Mai 2012, 01:21
Hmm, ich finde Nanobyte stänkert so`n bißchen rum.

Ich schraube alle paar Jahre mal an einer meinen Anlagen rum. Kabel konfektioniere ich grundsätzlich selbst, wäre ja auch blöd, wenn nicht, habe ich schließlich gelernt.
Trotzdem darf ich in meinem hohen Alter nochmal überrascht sein, das Dinger gehen, die nach Lehrmeinung nicht gehen können. Statussymbole habe ich ('n eigenes Fahrrad und wenig Schulden).

Und wenn ich die Erinnerungen an ein gut beschalltes Konzert, mit dem Output der Aufnahme des Selben vergleiche, liege ich schief? - Ist ja kein A/B-Vergleich, keine kontrollierten Bedingungen und blablabla - ist mir völlig klar. Nur leider funktioniere ich als Mensch so.

Jeder der mal verstehen möchte, was ich meine, sollte folgendes tun (krass!), bei einigermaßen brauchbarer HiFi-Anlage: Man kaufe (oder: Ein Schotte würde sagen man leihe ) sich das zurzeit neueste Album von sunrise ave. - dann dazu das Live-Album und höre mal beide im Wechsel. - das Verständnis für mich sollte etwas wachsen. Es liegen ohrologisch Welten dazwschen. Oder das "Buddy Holly"Musical von der Konserve so genießen zu können, wie in der ersten Reihe im Hamburger Musical-Dom-Zelt? Für mich ist sowas high-fidel. Da gehe ich mit Janus völlig kondom ( oder wie das heißt) !

...sowas reicht für mein Dopamin, für alles andere gibt es sicher ratiopharm
Soundy73
Inventar
#23 erstellt: 15. Mai 2012, 01:24
P.S. Dann bin ich auch im Straßenverkehr gleich viel ruhiger. Dabei helfen auch die good vibrations meines Oldtimers - der Guzzi. Für einen Pkw reichte nämlich, rein statusmäßig gesehen, die Garage nicht, sowie auch der WAF
Janus525
Hat sich gelöscht
#24 erstellt: 15. Mai 2012, 09:33

Soundy73 schrieb:
Dabei helfen auch die good vibrations meines Oldtimers - der Guzzi.

Guten Morgen Soundy73,

damit hast Du eine gute Entsprechung in die Manege geworfen... Ich selbst fahre auch schon mein Leben lang Motorrad..., und eine (z.B.) Le mans III ziehe ich jedem modernen Hightech - Racer vor. Warum und was das mit HiFi zu tun hat...? Meiner Meinung nach sehr viel...

Messtechnisch ist der voll verkleidete Racer in jeder Hinsicht überlegen, und mit dem Ding mal eben zum Frühstück über Autobahnen quer durch die Republik zu jagen ist kein Problem..., aber irgendwie auch todlangweilig. Mit einem alten, unverkleideten, zweizylindrigen Schüttelbock wie (z.B.) der Guzzi, bei der mir die Hände und Füße einschlafen..., mich der Fahrtwind und das Fahrwerk durchrütteln..., und mir das Bollern, Stampfen, Scheppern, Rasseln und Schlürfen unter mir das Herz aufgehen lässt..., kriege ich nach zwei oder drei Stunden konzentrierter "Schwerstarbeit" in der Eifel (natürlich nicht am Wochenende!) das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht... Na...? Bekommst Du bei dem Anblick auch feuchte Hände und ein wohlig - flaues Gefühl im Magen...?

Guzzi-1

Ähnlich ist es auch mit hochmodernen Autos: Technisch perfekt..., aber todlangweilig. Vor etlichen Jahren habe ich mir aus Jux mal eine 65er Corvette (Sting Ray) geleistet. Das Auto war klein, hart, unsicher, unbequem, unvernünftig, teuer im Unterhalt, hatte keinen Kofferraum, Blattfedern, Starrachsen, eine Kupplung die praktisch nur zwei Zustände kannte, und der 60L Tank war nach gut einer Stunde (lebensgefährlicher) Vollgasfahrt auf der Autobahn leer...aber 6,3 Liter Hubraum mit 330 PS aus acht Zylindern und das dumpfe "Brab brab brab" aus dem Auspuff sind so tierisch geil (verzeiht mir den Ausdruck) und die schiere Power macht derart an dass es mir das zwei Jahre lang Wert war...

Geht es beim Musikhören zuhause nicht auch in erster Linie um intensive Emotionen wie sie in einem Livekonzert meist entstehen...? Und Jenny, wenn Du wissen willst wie Instrumente tatsächlich klingen hätte ich einen Tipp für Dich: Im Erdgeschoss des mehrstöckigen Mietshauses, in dem meine Lebensgefährtin wohnt, ist ein großes Musikgeschäft. Der Inhaber, mit dem ich mich ein wenig angefreundet habe, ist Mitglied einer Düsseldorfer Band, spielt allerlei Instrumente und bildet Schüler in einem (fast) schalldichten Raum hinter seinem Laden aus...

So ein Geschäft gibt es bestimmt auch in Deiner Nähe. Gehe hin und höre Dir einmal an (um nur ein Beispiel zu nennen) wenn jemand im Verkaufsraum Saxofon spielt..., und dann gehst Du nach Hause, legst einen Titel von (z.B.) Candy Dulfer ein..., und dann weisst Du was Du da zuhause wirklich hast bzw. nicht hast. Ist es einigermaßen dicht dran, Gratulation...! Ist es das nicht... Kann Deine Anlage das Saxophon näherungsweise richtig wiedergeben, dann hörst Du Dir im Laden mal ein Schlagzeug..., eine Tuba..., eine Trompete..., einen Kontrabass..., falls möglich einen Flügel (werden die vermutlich nicht haben)..., eine Geige..., Flöte usw. an..., was die eben so da haben. Du wirst zunächst einen Schrecken bekommen wie laut solche Instrumente sind wenn Du daneben stehst, selbst wenn sie "leise" gespielt werden..., aber das sind sie nun einmal in Natura. Kann Deine Anlage all das einigermaßen "lebensecht" und mit der nötigen "Power" wiedergeben, kann sie alles Andere vermutlich auch...

Viele Grüße: Janus...


[Beitrag von Janus525 am 16. Mai 2012, 09:02 bearbeitet]
Jenny4
Stammgast
#25 erstellt: 15. Mai 2012, 09:58
Musikinstrumente einzeln hören: Ja, gute Idee, danke für den Tipp. Das hat dann doch diese und jene Erinnerung hochgeholt: Ostergottesdienst mit dem Solo-Fagott in der Kirche; die Klarinette eines befreundeten Jugendlichen zum Geburtstag seiner Mama; Gesang auf nächtlicher Terrasse nach der Konfirmation letztens zur Stahlsaitengitarre des Hausherrn... eigentlich ist Livemusik doch öfters präsent bei mir!

Ich möchte noch mal meinen Ansatz in den Vordergrund rücken, die menschliche Reizleitung näher zu erforschen. Im Grunde zeigt das sowohl meine Holzohr- als auch meine Goldohr-Seite: Das Goldohr hört und genießt, ohne wissen zu wollen, warum das Leben so schön ist. Das Holzohr fragt, wenn die Gelegenheit vorbei ist: "Wie funktioniert das, und wie kriegen wir das wieder?" und diese sachliche Analyse genieße ich ebenso!

Ihr kennt ja hoffentlich das Gefühl intensiver Vorfreude - z. B. wenn man eine CD gekauft hat und wahnsinnig gespannt darauf ist, wie sie sich auf der eigenen Anlage anhören wird. Oder wenn man sich auf eine schöne Verabredung freut. Oder aufs Motorradfahren. Ich habe mich schon so oft gefragt, warum diese Vorfreude bei mir mindestens die Hälfte des Gesamtgenusses ausmacht. Manche meiner Freund/innen warnen mich mitunter, ich solle mich nicht zu sehr freuen, damit ich nachher nicht enttäuscht bin. Das bin ich aber in den allerseltensten Fällen - ich hab mich vorher schon so gefreut und mein Freu-Konto weist einen sehr hohen Stand auf. Das eigentliche Ereignis nimmt dieser Vorfreude nichts. (Daher ja auch das Sprichwort "Vorfreude ist die größte Freude".) So, und wie funktioniert das bitte im Gehirn? - Das war für mich diese wesentliche Erkenntnis mit dem Dopamin, siehe oben.

Insofern muss ich Nanobyte widersprechen - es geht mir hier nicht oberflächlich um das Belohnungssystem im Ganzen, sondern um ganz spezifische Vorgänge, in diesem Fall das Phänomen der lustvollen, positiven Erwartung. Radikal gesprochen: Wieso sollte ich das nur bei Musik und HiFi haben - wieso nicht gleich jeden einzelnen Tag, sobald ich morgens die Augen aufschlage?

Jedes Mal, wenn Ihr hier (oder in anderen Threads) über etwas berichtet, was Euch intensiven Spaß gemacht hat, schlägt mein Radar an, denn das liefert mir Rohdaten für meine Hypothesen. Ein weiteres Phänomen, dem ich mich noch widmen werde, ist die Synthese und Ausschüttung von Oxytocin beim gemeinsamen Musikhören, was in der neurobiologischen Fachliteratur auch gelegentlich erwähnt wird. Ich will's einfach genauer wissen, wie sich diese Erlebnisse in der Biochemie unseres Körpers gestalten.
Janus525
Hat sich gelöscht
#26 erstellt: 15. Mai 2012, 11:18

Jenny4 schrieb:
Ihr kennt ja hoffentlich das Gefühl intensiver Vorfreude - Ich habe mich schon so oft gefragt, warum diese Vorfreude bei mir mindestens die Hälfte des Gesamtgenusses ausmacht. Wieso sollte ich das nur bei Musik und HiFi haben - wieso nicht gleich jeden einzelnen Tag, sobald ich morgens die Augen aufschlage?

Warum stellst Du diese Frage...? Entscheide Dich einfach dafür...! Dein ganzes Leben ist doch ohnehin nichts weiter als eine Abfolge von individuellen Wahrnehmungen und Interpretationen; in sofern sind wir alle Regisseure und Darsteller unseres eigenen Lebensfilms, sozusagen in Personalunion, der mit "Wahrheit" und "Realität" gemeinhin nicht viel zu tun hat.

Ich halte es hier mit (der leider im Dezember 2011 verstorbenen) Vera Birkenbihl, mit der ich über viele Jahre beruflich zu tun hatte und deren häufig gestellte Frage lautete: "Sind Sie Gehirnbesitzer oder Gehirnbenutzer...?" Als Gehirnbenutzer kannst Du Dir die Welt genau so vermitteln wie Du es willst..., eine Fähigkeit die von vielen linkshirnig - intellektuell geprägten Menschen rundweg abgelehnt wird, eine Modeerscheinung, weil dies in unserer "aufgeklärten", auf effizienz ausgerichteten westlichen (Arbeits-) Welt als "unschicklich" gilt. Viele Menschen sind hochintelligent und sehr stolz darauf..., zugleich sind sie mit keinerlei Vernunftbegabung gesegne, was sie jedoch nicht erkennen können weil der "Regisseur" in ihnen dies nicht zulässt. Aus meiner Sicht bedauernswerte Geschöpfe...

Nun, in vielen Bereichen des Lebens halte auch ich einen wachen, kritischen, nüchternen und kühlen Verstand für zwingend erforderlich..., aber doch nicht wenn es um sowas Lächerliches wie HiFi oder andere "Spaßbringer" geht. Aber gut, das muss jeder für sich entscheiden..., falls er Gehirnbenutzer ist, als bloßer Gehirnbesitzer hat er keine Wahl. Viele Menschen klammern sich aus tiefer Furcht und ausgeprägten Verlustängsten an vermeintliche "Gewissheiten", zerstören ihre Phantasie, ihre Kreativität, gehen keine Risiken mehr ein und kosten das Leben nicht mehr aus weil sie viel zu viel Angst vor den möglichen Konsequenzen haben. Sie ernähren sich gesund..., rauchen nicht..., fahren (z.B.) nicht Motorrad und - halte Dich fest - raten anderen aus "Vernunftsgründen" dazu mit möglichst billigen Geräten das Hobby HiFi auszuüben und jeden überflüssigen Euro einzusparen weil ja eh alles gleich klingt..., stellen sich aber z.T. selber für zigtausend Euro Geräte hin nur weil diese so toll und wertig aussehen, "beknackt" oder...? Ich schließe mich da überhaupt nicht aus. Ein einziger Blick auf meine Seite und Du erkennst sofort wie "beknackt" ich bin...

Nun ja, im Krefelder Plattdeutsch heißt es sinngemäß: "Jeder Bekloppte ist anders..." und da ist sicher etwas dran. Und was die Vorfreude anbelangt, die (wie Du schreibst) die Hälfe des gesamten Genusses ausmacht..., was z.B. das ständige Verändern oder verbessern Wollen der Anlage und die damit einhergehende Erwartungshaltung anbelangt:

Es gibt nunmal zwei Tragödien, die wir alle in unserem Leben hinnehmen müssen. Die erste Tragödie, das sind die unerfüllten Sehnsüchte, Wünsche und Träume..., und die zweite Tragödie, das sind die erfüllten...

Denk mal unter dem Aspekt "Goldohren" versus "Holzohren" drüber nach; die Einen sind ebenso arm dran oder glücklich wie die Anderen, es ist nur eine Frage der Entscheidung...

Viele Grüße: Janus...
Jenny4
Stammgast
#27 erstellt: 15. Mai 2012, 19:00
Janus525 schrieb:

...sind wir alle Regisseure und Darsteller unseres eigenen Lebensfilms, sozusagen in Personalunion, der mit "Wahrheit" und "Realität" gemeinhin nicht viel zu tun hat.

Einverstanden!

Und nach dieser Steilvorlage muss ich's halt doch schon jetzt sagen - sorry, wenn das für den einen oder anderen Leser etwas komplex klingt, ist aber spannend!

Ich bin eine radikale Konstruktivistin. Ich gehe nicht mehr davon aus, dass es eine Realität gibt, die nicht das Konstrukt eines Einzelnen oder einer aufeinander abgestimmten Gruppe ist. Ich gehe tatsächlich (auch in meinem Beruf!) davon aus, dass ich es ausschließlich mit Konstrukten zu tun habe, bei mir wie bei anderen.

Das, was z. B. reine Holzohren als "Objektivität" beschreiben, ist in meinem Weltbild daher auch nur ein Konstrukt, wenn auch eines, das die jeweilige Bezugsgruppe (in diesem Fall die anderen Holzohren) eben als "außerhalb der eigenen Subjektivität liegend" anerkennt.
 Insofern halte ich es für zwecklos, dass eingeschworene Holzohren und Goldohren z. B. zum Thema "Kabelklang" weiter nach einer Einigung suchen, denn sie haben schon völlig unabhängig von diesem Thema eine vollkommen unterschiedliche Weltsicht.

Für reine Holzohren gibt es "die Wahrheit" und "Die Realität", die sie eben mit entsprechenden Mitteln suchen; für Konstruktivist/innen gibt es nur Konstrukte, die ihnen persönlich jeweils mehr oder weniger plausibel erscheinen. Diese Konstrukte können die von mir und auch von anderen mehr oder weniger akzeptiert werden, je nach Thema, und auch dies ist dann nicht eine Bewertung in richtig oder falsch, sondern in akzeptabel für mich oder nicht akzeptabel für mich, also vollkommen subjektiv - eben ein persönliches Konstrukt.

Statt nach "Wahrheit" zu suchen, frage ich eher, "wie muss ich (m)eine Beschreibung des Themas konstruieren, damit... [Ziel] erreicht wird?"

 Mein Reden und Handeln muss in irgend einer Weise anschlussfähig sein an das Weltbild der anderen, damit ich mit ihnen kommunizieren kann.

Allerdings kann ich die Weltsicht Anderer in mein Weltbild integrieren. Deren "Realität" oder "Wahrheit" ist in meiner Nomenklatur "das, was der andere für außerhalb seiner Subjektivität für wahr/real" hält. Das ist keineswegs abwertend gemeint, es ist einfach die logische Folge, wenn man, wie ich, radikalkonstruktivistisch denkt.

Umgekehrt könnten reine Holzohren von meiner Weltsicht sagen, "Jenny verweigert sich der Realität" oder "Jenny kennt nur ihre Wahrheit". Streng logisch gesehen ist das absolut schlüssig - in deren Weltbild.


Literaturempfehlung: Fritz B. Simon: Einführung in Systemtheorie und Konstruktivismus. - Carl-Auer Verlag 2008 (120 Seiten)

Die Elektrotechniker hier im Forum mögen daran bemerkenswert finden, dass ein wichtiger Ausgangspunkt dieser Theorien die Kybernetik ist.
Janus525
Hat sich gelöscht
#28 erstellt: 15. Mai 2012, 20:07
Du bist Dir schon darüber im Klaren, Jenny, dass Du hier ein (aus meiner Sicht) ebenso interessantes wie umfangreiches Thema anfasst, das in einem HiFi - Forum vermutlich nur äußerst zurückhaltend bejubelt werden wird - um es einmal sehr vorsichtig auszudrücken...

Ich bewege mich auch - ebenfalls beruflich bedingt - in einem Kreis von Leuten, für die offensichtliche "Realitäten" in weiten Bereichen nichts Unbeeinflussbares oder gar Unumstößliches sind, viel eher eine Art weitgehend gefügter Matrix zu sein scheint mit (unter ganz bestimmten Voraussetzungen) beeinflußbaren Variablen jenseits des physikalisch Bekannten. Für mich war es, erst einmal aufmerksam geworden, immer wieder erstaunlich, wenn selbst beruflich streng wissenschaftlich arbeitende Menschen hinter vorgehaltener Hand und im engsten Kreis glaubhaft von Ereignissen berichten, die mit unserer (scheinbaren) "Realität" nicht in Einklang zu bringen sind, die sie eigentlich nicht wahrhaben wollten und die sie dennoch weder verleugnen noch verdrängen konnten. Das soll es aber zu diesem Thema gewesen sein, Jenny, weiter werde ich hier darauf nicht eingenen, wofür ich Dich um Verständnis bitte...

Zu Deinem eigentlichen Thema: Ja, wir regissieren unseren Lebensfilm selbst, ohne Zweifel, und dazu gehört natürlich auch jegliche Form von Wahrnehmung und Interpretation. Da Du offensichtlich viel und gerne liest, könnte für Dich auch interessant sein Sartre´ s Versuch einer phänomenologischen Ontologie mit dem Titel: "Das Sein und das Nichts"; hierdurch wird m.E. vieles im ersten Moment Unverständliche etwas verständlicher...

Viele Grüße: Janus...
Jenny4
Stammgast
#29 erstellt: 15. Mai 2012, 20:46
Ach übrigens, was ich unbedingt noch erwähnen muss: Mein Mann hat mir vorhin den Sound einer Guzzi vorgemacht und dann auch noch diverse andere Zweiräder. (Ich erwähne das Wort "Betonmischer" nur ungern...) Das sind so die Momente, wo ich weiß, warum ich den geheiratet habe! [Herzchen-Smily]

Allet andre krijen wa dann späätaaah!
Janus525
Hat sich gelöscht
#30 erstellt: 15. Mai 2012, 20:56
Und...ähhhh...*lach*...wie hat er Dir den Sound einer Guzzi vorgemacht...???

Liebe Grüße an Deinen Schatz: Janus...
Jenny4
Stammgast
#31 erstellt: 15. Mai 2012, 20:59
Tjaaa [rot werd] das passt jetzt schon sehr gut zu diesem Threadthema, von wegen Hormone im Hirn und so, aber das würde jetzt doch den Rahmen sprengen, vor allem die Körpersprache zu verschriftlichen... aber Du kannst Dir ja vorstellen, wie man beim Motorrad Gas gibt
Janus525
Hat sich gelöscht
#32 erstellt: 15. Mai 2012, 21:21
Jep...
Mr._Lovegrove
Inventar
#33 erstellt: 16. Mai 2012, 07:34
Das ist ja endlich mal ein interessantes Thema abseits von Anlagen- und Plattentips und Diskussionen über Remasterings und Medien.

Ich werde mir mal Gedanken darüber machen und empfehle jedem, der etwas über die psychologischen und auch biologischen Prozesse des Hörens wissen möchte, folgendes Buch:
amazon.de
Janus525
Hat sich gelöscht
#34 erstellt: 16. Mai 2012, 08:56
Guten Morgen Mr. Lovegrove,

vielen Dank für Deinen Buchtipp...! Dieser passt nicht nur genau zum Thema hier, sondern auch zu den ganzen "verqueren" Aussagen von "Holzohren" in anderen Threads, alle Verstärker, CDP usw. würden gleich klingen..., wobei sie in Wirklichkeit davon schreiben dass die Messwerte dieser Geräte unterhalb der Hörbarkeitsschwelle differieren. Nach mehreren tausend Beiträgen zum Thema Kabelklang ("Gibt es echte Beweise für Kabelklang...", Jenny wird sich bestimmt erinnern, sie war in der Endphase ebenfalls an diesem Thread beteiligt...) habe ich mich mit folgendem Beitrag dort zurückgezogen:

ZITAT #3786: Da bislang noch immer keine Beweise für Kabelklang vorgelegt wurden, muss ich weiterhin davon ausgehen er entsteht auf neurophysiologischer Ebene, also unmittelbar im Gehirn eines Menschen. Damit ist er so real oder irreal wie alle Wahrnehmungen, die mit Messgeräten der Elektrotechnik nicht erfasst werden können. In sofern bleibe ich bei meiner Zusammenfassung die da lautet:

"In der Außenwelt (also im elektrischen oder akustischen Signal) gibt es "Kabelklang" nicht. In der Innenwelt (Wahrnehmung, Interpretation, Einbildung) gibt es ihn selbstverständlich. Das ist (nach meinem derzeitigen Kenntnisstand) Konsens und es besteht damit kein Diskussionsbedarf mehr..., es sei denn jemand fühlte sich dazu berufen einem anderen vorzuschreiben oder vorschreiben zu wollen, ob er sein Hobby mit Hilfe der Möglichkeiten in der Außenwelt oder mit Hilfe der Möglichkeiten in der Innenwelt zu betreiben habe."

Was den Aufruf anbelangt: Ganze sechs! der hier anwesenden Aktiven und / oder Beobachter haben sich gemeldet mit der Aussage, sie hätten bisweilen klangliche Veränderungen nach dem Tausch von Kabeln wahrgenommen. Ob es sich dabei um "Holzohren" oder "Goldohren" gehandelt hat ist (aus meiner Sicht) ohne Bedeutung, da die Zahl (ebenfalls aus meiner Sicht) ohnehin vernachlässigbar klein ist. In sofern halte ich die hier mehrfach geäußerte Behauptung, unsere Beiträge, insbesondere die warnenden Beiträge von "Holzohren", dienen einem größeren als dem uns bekannten Kreis als Entscheidungshilfe für oder gegen den Erwerb teurer Kabel für..., nun... sehr wahrscheinlich nicht zutreffend...

Aus dem Thema Kabelklang bin ich jetzt raus. An anderer Stelle gerne, hier nicht mehr...

Viele Grüße: Janus...
:) ZITAT ENDE

Das Verhalten und die ausschließlich technik-zentrierten Beiträge von "Holzohren" korrelieren mit meiner These des selbst regissierten Lebensfilms. Grob vereinfacht: "Holzohren" hören keinen Unterschied, weil sie ihn nicht hören (im Sinne von wahrnehmen und interpretieren) wollen..., oder sie hören einen Unterschied, nehmen ein Messgerät zur Hand und beweisen sich dass da kein Unterschied gewesen sein kann...

Mein Fazit daraus lautet: Es ist offensichtlich bislang nicht möglich, einem technisch / wissenschaftlich orientierten "Holzohr" zu vermitteln, dass der "gehörte" Klang (und die aus ihm resultierenden Beschreibungen) im Kopf entsteht..., und genau hier könnte Deine Buchempfehlung hilfreich sein, wenn sie denn nur von "Holzohren" angenommen und gelesen würde, was m.E. nicht geschehen wird, ebensowenig wie jemand mit derart verengter Weltsicht sich an diesem Thema hier beteiligen wird, getreu der Devise: "Wenn ich keine Messgeräte anschließen kann, ist es Spinnerei, Esoterik, Spekulation etc..." Schlichte Gemüter halt, die auf Platons Höhlenwand starren, sich jedoch im Besitz der alleinigen "Wahrheit" wähnen...

Viele Grüße: Janus...
Jenny4
Stammgast
#35 erstellt: 16. Mai 2012, 09:08

Das ist ja endlich mal ein interessantes Thema


ein ...ebenso interessantes wie umfangreiches Thema..., das in einem HiFi - Forum vermutlich nur äußerst zurückhaltend bejubelt werden wird


Dafür, dass in diesem Forum an diversen Stellen so intensiv darüber gestritten wird, was Einbildung ist und was durch Messen nachweisbar ist und ob es dazwischen noch etwas gibt, das von verschiedenen Menschen wahrgenommen wird - dafür werden mir die anatomischen und biochemischen Grundlagen der menschlichen Empfänger noch viel zuwenig einbezogen, und denen lohnt es sich m. E. nachzugehen.

Im Grunde ist das ein ganz analytischer Vorgang: Jemand berichtet von einem Hör-Erlebnis, und wir listen Hypothesen dafür auf, wie dieses Erlebnis zu Stande kommt. Bevor ich mich - was ich irgendwie zu einfach finde - dafür entscheide, eine besondere Hörerfahrung als "einzigartig individuell" zu klassifizieren, möchte ich schon noch genauer wissen, ob es da nicht doch ein reproduzierbares Muster gibt.

In dem Zusammenhang beschäftigt mich immer noch die oben beschriebene Anlage von Soundy73:

warum man, bei eigentlich nicht makellosen Lautsprechern, ein besseres Hörgefühl hat, als bei linealglatten Vielwegerichen.


Unser Hörspektrum hat ja in dem Sinne auch keinen linealglatten Frequenzgang. Mit Entsetzen habe ich mal die Geschichte eine pensionierten ground hostess gehört. (Eine gh ist ist eine Flughafenmitarbeiterin, die Passagiere vom Boarding bis zur Maschine begleitet.) Die hatte einen seltsamen Sprechfehler, wie eine Art Nuscheln. Als ich sie darauf ansprach, sagte sie sehr betroffen, das sei eine Spätfolge mangelnden Gehörschutzes in ihrem Beruf - ihr fehlen einige Frequenzen, die sie nicht mehr wahrnimmt, und das schlägt durch bis auf ihre eigene Lautproduktion.

Was ich damit sagen will: Das Zusammenspiel zwischen dem, was wir an Frequenzen von einer Anlage zugespielt bekommen, und dem, was das individuelle Ohr tatsächlich hören kann, muss doch irgend eine Rolle spielen - aber welche? Wenn jemand z. B. hohe Frequenzen sehr gut hört, bevorzugt er möglicherweise einen anderen LS-Klang als jemand, für den die Höhen rein anatomisch nicht so gut zu hören sind. Er könnte entweder nach einer Kompensation suchen - also einen betont trockenen, oben sehr transparenten Klang; oder genau umgekehrt, er könnte die Höhen vermeiden, weil er sie zu penetrant empfindet gegenüber seinen sonstigen Hörgewohnheiten.

Und zur Dauerdiskussion, ob man alles erklären muss: Ich find's schön zu wissen, wie was funktioniert und wie ich funktioniere. Meine berauschenden Gefühle werden ja nicht dadurch entwertet, dass sie reproduzierbar sind und von anderen geteilt werden können.

@Mr. Lovegrove: Könntest Du uns Deine persönliche Zusammenfassung des empfohlenen Buches geben, in dem Sinne, was für Dich daran bedeutsam war? (Ansonsten steht es jetzt auch auf meiner Leseliste.)
Mr._Lovegrove
Inventar
#36 erstellt: 16. Mai 2012, 12:38

Jenny4 schrieb:

@Mr. Lovegrove: Könntest Du uns Deine persönliche Zusammenfassung des empfohlenen Buches geben, in dem Sinne, was für Dich daran bedeutsam war? (Ansonsten steht es jetzt auch auf meiner Leseliste.)


Der Psychologe und Musikwissentschaftler Jourdain gibt sowohl dem Laien als auch dem Kenner einen transparenten Einblick in die Funktion des Gehörs von der Ohrmuschel über das Mittel- und Innenohr bis hin zur Rezeption durch die Nervenzellen. Er erklärt nicht nur die biologischen Vorgänge der Schallaufnahme, sondern veranschaulicht sehr unterhaltsam und vorallem verständlich, wie Musik in unserem Gehinr funktioniert, was sie auslöst und warum unser Gehirn auch die komplexesten Sinfonien anaylsieren kann.
Auch aussergewöhnliche Menschen, wie "Inseltalente" finden ihren Platz in dem Buch.
Bedeutsam ist für mich an dem Buch der Umfang gewesen. Und es entmystifziert das Thema Musikrezeption deutlich. Es stellt keine haltlosen Theorien auf, sondern erkundet auf Fakten basierend und hochunterhaltsam die Wechselbeziehung zwischen Schall, Musik und Gehirn. Es ist niemals trocken, sondern sehr frisch und gut zu lesen.
Addbase
Ist häufiger hier
#37 erstellt: 16. Mai 2012, 12:46
Dieses Buch habe ich auch gelesen.
Es liest sich sehr schoen und bietet wahnsinnigen aufschluss.
Es kam so oft vor das ich das Buch zu gemacht habe und dann kam ein.. "ahaaaaaa ! interessant"
Mr._Lovegrove
Inventar
#38 erstellt: 16. Mai 2012, 13:41

Jenny4 schrieb:

Also: Was fühlt Ihr, wenn Ihr Musik hört?


So, nun habe ich Zeit, meine (schon lange existierenden) Gedanken zu dieser auch doch philosopischen Frage etwas auszubreiten.

Und ich möchte die Frage mal nicht mit simplen Worten wie "Glück", "Trauer", "Ergriffenheit" oder "Aggression" beantworten, sondern das Thema in "Was passiert in mir, wenn ich Musik höre" abwandeln.

Zunächst sein erwähnt, dass ich mich seit ziemlich genau 20 Jahren (seit dem Kauf meiner ersten CDs am 11. Mai 1992) intensiver mit Musik besschäftige und auch seit ca. 19,5 Jahren Jazz höre. Mittlerweile höre ich sogar hauptsächlich Jazz, manchmal Klassik und seltener Popmusik.

Mit improvisierter Musik kann ich auch gut erklären, wie mein Bewusstsein bei Musik funktioniert. Es hat sich bei mir zu einer Art "Levelhören" entwickelt. Über all die 20 Jahre hinweg, wurde es mir Schritt für Schritt möglich, Musik und Klang immer differenzierter zu begreifen und auch zu erkennen. Wenn ich will, kann ich mich in dem Level, in dem ich mich heute befinde, trotz komplexer Arrangements und Klangverbindungen, einzelne Spuren sozusagen in "Realtime" herausfiltern und mich damit beschäftigen. Was spielt der Schlagzeuger auf der Hi-Hat, ist das rhythmische Gespür des Pianisten gut, wie past sich der Bassist in die Gruppe ein. Aber hier geht es nicht nur um Analyse, sondern tatsächlicherweise empfinde ich mittlerweile für einzelne Noten und einen einzigen Akkord etwas.
Als Beispiel dafür nenne ich mal das Stück "Avskjed" von Terje Rypdal Album "Descendre". Rypdal spielt dort im zweiten Drittel des Stückes einen unglaublichen Akkord, der mich immer wieder ganz besonders berührt, und das unabhängig vom genialen Rest des Stückes. Ich freue mich immer besonders auf diesen einen Akkord, wenn ich die Platte höre.

Aber ich möchte dieses "Levelhören" mal transparenter auszuführen. Musik begreifen und emotional zu erfahren hat durchaus etwas mit Erfahrung und fortschreitender Beschäftigung zu tun. Das ist ja auch nichts neues. Und dennoch ist es erstaunlich, wie anders und intensiver man bestimmte Platten empfindet und erfährt, wenn zwischen dem ersten Hören und dem Heute nicht ur viele Jahre liegen, sondern viele Tausend andere Platten.
Aktuell geht es mir bei dieser CD so:
jpc.de
The Paul Bley Quartet
Ich kenne diese Scheibe seit über 15 Jahren, und schon damals übte sie eine ungemeine Faszination auf mich aus, die ich aber kaum erfassen konnte und die auch eher oberflächlich aus der dichten Atmosphäre der Musik resultierte.
Ich habe diese Musik dann sehr viele Jahre nicht gehört und erst vor ein paar Wochen wiederentdeckt. Sie war mir zwar sofort Vertraut und doch entdecke ich sie nun auf meinem heutigen Level viel intensiver, erkenne ihre komplexen Strukturen, erkenne, welche Wechselwirkung die vier Musiker untereinander verbindet. Erst nach vielen vielen anderen einfacheren und schließlich immer komplexeren Platten und meiner andauernd vom Gehirn ausgebauten Fähigkeit, Dinge in der Musik, die abseits von Melodien, Akkorden, Notenfolgen und Intro-Strophe-Refrain-Strophe-Bridge-Refrain-Abfolgen liegen, zu erkennen und zu begreifen, tauche ich bis auf den Grund dieser Platte ein. Ihre Faszination liegt im Zusammenspiel, aber auch in den Gegensätzen der Musiker. Manchmal glaubt man, dass diese mäanderartige Improvisation fast auseinanderfällt und zerbricht und kurz bevor dies zu passieren scheint, kommt ein Impuls, eine Note, ein Beckenschlag und treibt die Musiker und ihre Reise weiter.

Das mag sich alles sehr analytisch anhören, aber genau das ist oft mein Antrieb, Musik zu hören. Und genau das macht mich glücklich. Das ist mittlerweile das spannendste an Musik. Wechselwirkungen zu erfahren. Was passiert, wenn ich eine Platte zum ersten mal höre? Wie klingt sie? Wie ist die Aufnahme? Werden meine Erwartungen erfüllt? Was passiert, wenn ich keine Erwartungen habe?

Und bevor einer denkt, ich könnte bei solchen Ansprüchen keine einfacher erscheinende Popmusik mehr geniessen, dem sage ich nur, dass ich immer noch fast weinen muß, wenn Tina Dico "Sacre Coeur" singt.

Aber diese Ausführungen sind eh nur ein kleiner Teil meiner Empfindungen über Musik. Das Thema ist ein ausufernd weites Feld, dessen praktische Beispiele anhand von Plattentipps ein Buch füllen würden.

Und über Tontechnik und den klanglichen Aspekten und dessen Wechselwirkung mit der Musik an sich habe ich noch gar nicht gesprochen.....


[Beitrag von Mr._Lovegrove am 16. Mai 2012, 14:28 bearbeitet]
Jenny4
Stammgast
#39 erstellt: 16. Mai 2012, 14:25
An alle: Ich freue mich total über diese Diskussion!!!

Bin schon ganz gespannt, was ich am Sonntag vorfinden werde - bis dahin bin ich offline.
Janus525
Hat sich gelöscht
#40 erstellt: 16. Mai 2012, 15:50

Mr._Lovegrove schrieb:
Und über Tontechnik und den klanglichen Aspekten und dessen Wechselwirkung mit der Musik an sich habe ich noch gar nicht gesprochen..... :)


Sehr interessant wie Du Musik wahrnimmst und was Du dazu ausführst...,und was ich durchaus bis ins Detail nachempfinden kann, wenn auch schwerpunktmäßig bei einer etwas anderen Musikrichtung...

Über Tontechnik, klangliche Aspekte und deren Wechselwirkung mit der Musik denke ich wie folgt: Je besser und realitätsnäher (in meinem Sinne) eine Anlage ist, um so weniger achte ich - bewusst oder unbewusst - selektiv auf bestimmte Merkmale der Wiedergabe an sich, und um so weniger mühsam ist es für mein Gehirn die Illusion zu akzeptieren und mich auf das, was Du hier beschreibst, zu konzentrieren.

Eine "gute" Anlage erlaubt entspanntes, dennoch aufmerksames und gefühlsmäßig bereicherndes Hinhören, ohne dabei beurteilen zu wollen oder zu müssen, wie sauber und hoch aufgelöst die Höhen wiedergegeben werden..., wie lange ein Ton im Raum verhallt..., wie tief, druckvoll und zugleich konturiert der Tieftonbereich ist usw. Mit einer wirklich "guten" Anlagen kann man problemlos über mehrere Stunden hinweg selbst jene Musik genießen, die man zuvor nicht einmal kurz anhören mochte, weil sie einem überhaupt nicht gefiel. Darüber hinaus vermittelt eine "gute" Anlage stets eine klare Vorstellung davon, welche Gefühle die jeweiligen Interpreten mit ihren Instrumenten oder Stimmen auszudrücken versuchen, welche Botschaften sie dabei zu transportieren beabsichtigen, ob und in wie weit ihnen dies gelingt..., oder ob sie bei ihren Versuchen frühzeitig an Grenzen stoßen oder gar kläglich scheitern.

Viele Grüße: Janus...
Mr._Lovegrove
Inventar
#41 erstellt: 16. Mai 2012, 20:39
Wobei ich zu jener Musikgenußspezies gehöre, die über all die Jahre hinweg zwar eine gute Anlage zusammengestellt haben und diese für den von dir beschriebenen Genuß auch vollkommen ausreicht, ich aber nie in die Versuchung gekommen bin, die Technik über die Musik zu stellen. Ich habe in den letzten 20 Jahren ca. €12000,- in Tonträger gesteckt und bin nie in den Gedanken verfallen, horrend viel Geld anstelle für CDs für Equipment auszugeben, sprich wesentlich mehr aufzufahren,. als ich jetzt besitze.
Das hätte ich tun können. Dann würde jetzt vielleicht einer meine innig geschätzten Dynaudios oder gar Avalons an einem adäquaten Verstärker in meinem Hörzimmer stehen, ich wäre aber an ziemlich vielen genialen Alben vorbeigegangen.
Das ist übrigens ein Phänomen, was bei vielen Musikfreaks zu erkennen ist. Sie haben gute, aber nie überragende (oder besser gesagt überragend teure) Anlagen und beschäftigen sich auch nicht wirklich mit den Ausuferungen von ebenso teurem Zubehör. Sie hocken nicht stundenlang vor der Anlage, tauschen Kabel und Sicherungen und hören Kondensatoren quer.
Ganz ehrlich, das machen u.a. Leute, die sich in Wahrheit nicht mit der Musik auseinandersetzen, sondern in ihrem Inneren irgendwie einen Weg suchen, sich zufrieden setelln zu müssen.
Das mag nicht auf all High End Fans zutreffen, aber ich sehe wenig Sinn darin, meine knappe Freizeit damit zu verbringen, Kabl ab- und wieder anzustöpseln und Geräte auszuphasen, Klangschalen an die Wand zu schrauben und mit einem Noise Sniffer nach Luftgeistern zu suchen. Ich bin ja kein Ghostbuster, sondern Musikfreak. Natürlich habe ich meine 08/15 Cinch Strippe gegen eine Supra ausgetauscht und es wurde auch klanglich besser, aber da sind für mich die Grenzen auch erreicht.
Ich möchte Musik genießen, sie mir einverleiben, sie erleben, sie zu einem Teil meiner Seele machen. Und wenn dann das letzte Quentchen Basspräzision und das letzte Bißschen Luft bei der dritten Violine links fehlt, ja dann ists halt so. Das ist in meinen Augen ab einer gewissen Qualitätsuntergrenze der Wiedergabekette auch völig irrelevant, um die Musik in ihrer Gänze zu genießen und zu rezipieren.
Ich mag nun einigen hier vors Schienbein getreten habe, ist aber mein Empfinden zum Thema der Beziehung zwischen Software und Hardware.


[Beitrag von Mr._Lovegrove am 16. Mai 2012, 20:41 bearbeitet]
Janus525
Hat sich gelöscht
#42 erstellt: 16. Mai 2012, 21:16

Mr._Lovegrove schrieb:
...die Technik über die Musik zu stellen...horrend viel Geld anstelle für CDs für Equipment auszugeben...teurem Zubehör...tauschen Kabel und Sicherungen und hören Kondensatoren quer...Klangschalen an die Wand zu schrauben und mit einem Noise Sniffer nach Luftgeistern zu suchen... usw.


Wie bist Du denn jetzt auf solche merkwürdigen Überlegungen gekommen...*lach*... Ich habe zwar von einer "guten" Anlage geschrieben und davon was diese erlauben sollte, aber kein Wort über Marken, Kabel usw. und schon garnicht über irgendwelche Preise. Könnte es sein (das ist nicht böse gemeint) dass Du bei dem Begriff "gute" Anlage sofort etwas assoziiert, in Deiner Vorstellungswelt etwas konstruiert hast, das Deinen Annahmen aufgrund Deiner Erfahrungen entsprungen ist, das aber weder mit meiner Realität noch mit meinem Beitrag etwas zu tun hat..., wobei wir wieder beim Thema wären: "Regisseur unseres eigenen......."

Oder hast Du das ohne Bezug zu meinem Beitrag geschrieben...? Du siehst, im Moment bin ich etwas irritiert...

Viele Grüße: Janus...
Nanobyte
Stammgast
#43 erstellt: 16. Mai 2012, 21:53
Mir gefällt dieser Thread immer besser. Er hebt sich wohltuend von der Masse ab, da hier alle sehr überlegt posten, mit profundem Fachwissen. Sehr schön, liebe Kollegen, weiter so!

Ich möchte mal einen neuen Beleuchtungspunkt in die Arena werfen:

Seid Ihr selbst Musiker?


Beherrscht Ihr ein Instrument, oder gar mehrere? Spielt Ihr in einer Band oder in einem Orchester?

Ich selbst habe leider kein sonderlich musikalisches Elternhaus genossen, meinem Vater wurde es durch die Umstände verleidet, somit sah er die musikalische Erziehung als nebensächlich an. Ich selber habe mich immer mit meinen Wurstfingern rausgeredet. Tatsächlich war ich aber in meiner ganzen Jugendzeit Band-Mate und Kabelaffe. Ich höre jeden falschen Ton, kann ihn aber nicht benennen. Habe immer noch einen E-Bass neben mir stehen, Shortneck-Fender-Nachbau. Hin und wieder nehme ich ihn mal in die Hand, vielleicht gründe ich mal ne Rentnerband. Meine Tochter (8) hingegen trietze ich, täglich ihre Geige wenigstens mal für eine Viertelstunde anzufassen.

Ich stelle diese Frage, weil ich denke, daß je mehr man selbst Musiker ist, desto weniger High-End-affin ist man. Behaupte ich jetzt mal. Wer drei Gitarren zur Auswahl hat, das Riff nachzuspielen, dem reicht auch ein Kofferradio. Im Studio hat man dann Profi-Technik, wo alles stimmt. Kabelklang hat man nicht nötig.

Die Verschaltung im Gehirn ist bei aktiven Musikern auch eine ganz andere, da sie mit vielen Millionen Neuronen eine Direktverbindung zu den motorischen Zentren im Parietallappen bereitstellt, die selbst im Suff noch einwandfrei funktioniert. Die fühlen die Gemeinschaft der Band, kennen das Stück so gut, daß sie easy variieren können, machen sogar noch Tanzbärenschritte und sind super Entertainer. Die meisten von uns wären schon mit einer dieser Tätigkeiten völlig überfordert.

VG
Janus525
Hat sich gelöscht
#44 erstellt: 16. Mai 2012, 23:22

Nanobyte schrieb:
Ich stelle diese Frage, weil ich denke, daß je mehr man selbst Musiker ist, desto weniger High-End-affin ist man. VG


Ja, das habe ich auch schon von mehreren Musikern (einem Bassgitarristen..., zwei Schlagzeugern...) in meinem direkten Umfeld gehört; im Grunde sind sie nicht HighEnd - affin, weil sie Musiker sind und weil sie am (z.B.) Mittwochabend wieder mit ihrer Band üben..., und spätestens am Samstagaben wieder auf der Bühne stehen. Denen reicht nach eigenen Aussagen auch ein Kofferadio um sich berieseln zu lassen, weil sie sich problemlos "vorstellen" können wie es "eigentlich" klingt oder klingen sollte...

Aber..., und das ist das große "Aber" dabei..., zu einer Zeit, als ich mich noch mit HiFi im klassischen Sinn und in einer Weise beschäftigt habe, wie die meisten Anlagenbesitzer (möglichst gerade Frequenzgänge, möglichst niedrige Klirrfaktoren, schlanke Standboxen mit lausigem Wirkungsgrad usw.), wurde ich regelmäßig belächelt wenn einer von ihnen zu Besuch kam, und ich ihm (ganz stolz) einmal etwas vorspielte, das ich für "highendig" hielt. Regelmäßig bekam ich zu hören: "Das ist keine richtige Musik, das ist grauenhaftes Gefiepe und Gezirpe..., das ist kein Bass, das ist eine Lachnummer..." oder Ähnliches.

Klar, mit "Livemusik" hatte das wirklich nichts zu tun, aber es war doch so wunderbar...ähhh...genau..., und so präzise..., und so klar..., und so detailliert..., und so neutral..., und so linear..., und, na klar, so langweilig..., und so blutleer..., und so künstlich..., und so steril..., und so weit weg von richtiger Musik wie die meisten Klangbilder, die viele Anlagenbesitzer "auf dem falschen Weg" noch immer für erstrebenswert halten...

Nicht umsonst habe ich Jenny empfohlen in ein Musikgeschäft zu gehen und sich mal beispielsweise eine Tuba oder ein Saxofon im Verkaufsraum vorspielen zu lassen. Der Raum hängt, liegt und steht wahrscheinlich voller Zeugs, und die Akustik ist wahrscheinlich unter aller Kanone. Na und...? Die Tuba klingt trotzdem wie eine Tuba, das Saxofon trotzdem wie ein Saxofon..., und in Jennys Wohnzimmer klingen die Instrumente zwar anders, aber zweifelsfrei immer noch wie Tuba und Saxofon...

Das Fazit für mich: Entweder "(re)konstruiere" ich diesen Klang in meinem Kopf..., dann reicht natürlich jede beliebige Anlage in jedem beliebigen Raum aus..., oder ich erspare mir diese "Rekonstruktionen", nähere mich so gut ich kann dem Originalklang an..., dann sind aber die allermeisten Attribute, auf die einige freidrehende "Highender" und einige freudlose "Messfettischisten" so überaus scharf sind, ziemlich überflüssig...

Viele Grüße: Janus...
Mr._Lovegrove
Inventar
#45 erstellt: 17. Mai 2012, 07:51

Janus525 schrieb:

Oder hast Du das ohne Bezug zu meinem Beitrag geschrieben...? Du siehst, im Moment bin ich etwas irritiert...

Ich bin da von A-Hörnchen zu B-Hörnchen gekommen und etwas von deinen Überlegungen abgeschweift. Hat prinuzipiell mit deinen Gedanken nix zu tun, um dich mal zu entwirren.

Zum Thema Musiker vs. Hifi Freund/Musikhörer:
In etlichen Interviews mit vielen Musikern, die ich gesehenm gehört und gelesen habe, tritt exakt das gleiche Phänomen auf:
Sie hören Musik entweder nicht sehr häufig oder kaum oder gar nicht. Und wenn dann auf billigen Anlagen und einfachem Equipment. Manche hören auch gar keine Musik mehr, sondern machen nur noch welche.
Und dies zieht sich quer durch alle Strilrichtungen und quer durch alle Altersklassen. Sicher gibts da auch umgekehrte Fälle oder Musiker, die noch in normalen Dosen Musik hören, aber die Tendenz geht doch in exakt die gegenläufige Richtung.
Das mag wohl vielleicht auch daran liegen, dass Musiker eben anders hören und auch anders analysieren, als Nicht-Musiker.
Ob der Weg, den manche High-Ender und Musikintensivhörer mit ihren Anlagen gehen, nun immer ein für Musiker falscher ist, ist sicher nicht zu pauschalisieren. Wir haben mit Dieter Burmester z.B. einen HIgh End Hersteller, der auch ein recht passabler Musiker ist und selbst auch noch häufig musiziert. Auch wenn er zwischen Hobby und Business sicher unterscheiden kann, so kann er seine Sichtweise als Musiker in seinen Entwicklungen sicher nicht ausblenden, sondern läßt sie wohl eher mit einfliessen.
Oder der Hifi Redaktuer Dirk Sommer (Image Hifi). Der ist passionierter Jazzbassist und schreibt trotzdem für einen recht extremes High End Blatt.
GünterPauler vom Stockfisch Label ist auch so ein Fall. Vielleicht sogar ein extremerer. Er produziert nämlich Platten sehr expliziert für High Ender und Hifi Freaks, die meist die CDs eher nach Klang, als nach Inhalt kaufen.
Außerdem gibt es das eine oder andere Hifi Studio, das von Musikern betrieben wird, die somit ebenso zwischen diesen Welten changieren.
Nichtsdestotrotz haben wir "Nichtmusiker" sicher eine andere Sichtweise des klanglichen und interpretatorischen Ideals, als Musiker. Und ich glaube, dass genau dieser Punkt das Thema Musikrezeption so spannend macht.
Janus525
Hat sich gelöscht
#46 erstellt: 17. Mai 2012, 09:57

Mr._Lovegrove schrieb:
Sie hören Musik entweder nicht sehr häufig oder kaum oder gar nicht. Und wenn dann auf billigen Anlagen und einfachem Equipment. Manche hören auch gar keine Musik mehr, sondern machen nur noch welche.

Das kann ich auch aus mehreren sehr trivialen Gründen gut nachvollziehen. Dein Satz: "Sie machen nur noch welche..." könnte darauf hindeuten, dass ihr "Bedarf", sozusagen ihr "erforderliches Quantum" nach musikalischer Befriedigung durch die vielen Übungsabende und Auftritte einfach gedeckt ist und keiner weiteren Anreicherung mehr bedarf. Hinzu kommt, dass sie - zumindest in den Proben - die Musik machen die ihnen gefällt, und nicht auf vorgegebene Konserven angewiesen sind.

Das gilt ähnlich sicherlich auch für einen DJ, der am Sonntagmorgen um 06.00 Uhr, wenn alle Gäste endlich weg sind, kaum zuhause vor dem Einschlafen noch eine CD einlegt um "noch etwas" Musik zu hören weil es ihn danach gelüstet..., es sei denn um das Pfeifen und Schnarren seines Tinnitus zu maskieren... Gleiches gilt, das weiß ich definitiv, auch für den Mitinhaber eines bekannten HiFi - Geschäftes in Düsseldorf, zu dem ich ein lockeres privates und geschäftliches Verhältnis habe, der mir mehrfach wörtlich gesagt hat:" Wenn ich abends zuhause bin will ich nichts mehr sehen und hören, weil ich mir die ganze Woche über von morgens bis abends den Krach anhören muss..., ich bin schon fast allergisch gegen Musik, vor allem wenn sie laut ist..."

Ein Tennislehrer wird nach der Arbeit kaum "zum Spaß" eine Wii Konsolo einschalten, ein Stück Plastik in die Hand nehmen, auf einen Bildschirm starren und so tun, als würde er Tennis spielen. Ein Testfahrer aus Zuffenhausen wird am Wochenende kaum das Bedürfnis verspüren, so zum Spaß noch ein bisschen mit dem Auto in der Gegend herumzufahren. Ein Pornodarsteller wird nach einem harten Drehtag wohl kaum besonders wild darauf sein..., na ja, ihr wisst was ich meine...

Aber was ist mit uns "armen Teufeln"...? Wann haben wir mal die Gelegenheit Livemusik zu hören...? Okay, ich bin hier dicht an der Düsseldorfer Altstadt, und irgendwo spielen hier immer irgendwelche Leute in irgendwelchen Kneipen, so wie in anderen großen Städten auch. Aber viele werden die Gelegenheit kaum haben - sozusagen zu Fuß - von einem Liveauftritt zum Nächsten zu rennen. Also versuchen viele vermutlich das, was andere im Überfluss haben, zumindest ein Stück weit auch zu bekommen. Zuhause..., per Substitut..., mit ihrer HiFi - Anlage...

Allerdings auf sehr verschiedene Art und Weise. Bei meiner Lebensgefährtin und mir z.B. läuft in deren Wohnung fast nur noch Musicload per Abo. vom Rechner über einen Wandler zur Anlage, und ihr CDP war schon seit Monaten nicht mehr eingeschaltet, geschweige denn ihr Plattenspieler im Einsatz. Ist ja auch bequem: Einloggen..., Suchen..., Entscheiden..., Anklicken..., auf Leiste legen..., und schon läuft genau die Musik auf die man gerade "Bock" hat... Wohl gemerkt: Bei Ihr zuhause, nicht bei mir, weil dort die Prämissen völlig andere sind...

Um auf Deinen Beitrag und Deine Überlegungen zurück zu kommen: Ja, viele von uns streben wohl häufig genau das an, was sie nicht so leicht haben können (z.B. Livemusik)..., andere tragen wenig Sehnsucht nach dem in sich, was für sie jederzeit verfügbar ist (z.B. Livemusik)...

Viele Grüße: Janus...
Mr._Lovegrove
Inventar
#47 erstellt: 17. Mai 2012, 13:43

Janus525 schrieb:

Aber viele werden die Gelegenheit kaum haben - sozusagen zu Fuß - von einem Liveauftritt zum Nächsten zu rennen. Also versuchen viele vermutlich das, was andere im Überfluss haben, zumindest ein Stück weit auch zu bekommen. Zuhause..., per Substitut..., mit ihrer HiFi - Anlage...

Ich gebe zu, dass Musik aus der Konserve für mich kein Ersatz für ausbleibende Livemusik ist.
Ich mag das sogar überhaupt gar nicht gleichsetzen. Für mich sind das verschiedene Welten.
Und da wäre ich auch schon beim tendenziell philosophischen Punkt der Kunstform Plattenaufnahme. Ich genieße Musik explizit vom Tonträger unheimlich gerne. Auch gehe ich selten und weniger gerne auf Konzerte. Ich finde, das Musikfan sein und nicht gerne auf Konzerte gehen schließt sich auch nicht aus. Musik aus dem Studio entfaltet ihre ganz eigene Wirkung. Hier kann der Künstler seine Intention unterstützt von der Technik deutlich kompromißloser umsetzen, als im Konzert. Oder die Technik wird sogar zu einem Teil seiner Intention. Und wenn es einem Künstler nicht oder nur begrenzt gelingt, dieses sein im Studion und durch technische Maßnahmen gestützte Werk auf eine Livebühne zu bringen, wo er weniger Möglichkeiten hat, dann ist überhaupt nicht verwerflich oder inkompetent.
Aber auch in den Verhältnissen der Livedarbietung liegen viele Schwachpunkte, die mich persönlich immer wieder stören und mir den Spaß an ansonsten guter Musik schon öfters verdorben haben.
Als Beispiele nenne ich mal als erstes ein Konzert vom Nils-Henning Orsted-Pedersen Trio bei uns hier im Jugendzentrum vor vielen Jahren. Die Musik war einfach großartig, aber das Schlagzeug war viel zu laut und der Bass wummerte. Die Akustik war grauenerregend. Das hat mir den Spaß echt verdorben.
Dann war ich 1999 bei Earth, Wind & Fire und Barry White in der Hambuerger Sporthalle. Ich stehe einfach auf beide Künstler und ihre Platten sind ein ganzheitlicher Genuß, aber die Akustik war so schlecht, dass davon wenig blieb. Es war nur ein im Hall der Halle erstickter Klangbrei ohne Definition. Wie als wenn man eine Ghettoblaster auf volle Lautstärke dreht. Nur ein Mittengewusel ohne Höhen und Bässe.
Dann war ich vor kurzem bei den Söhnen Mannheims in Hannover. In die von mir wenig gemochte Musik konnte ich mich einfinden und die Sänger waren großartig, aber der Sound war einfach schlecht. Dröhnende Bässe, wenig Details, alles über Gebühr laut. So war das kein Genuß.
Sicher ist es wichtig zu wissen, wie Instrumente in Wirklichkeit klingen, aber um das ungefiltert und transparent zu erfahren, muß man wohl in die SInfonier, auf einen Kammermusikabend, in einen kleinen Club oder aufs Marschmusikkonzert ins Festzelt gehen.
Ich erninnere mich da noch an das Kari Bremnes Konzert bei "Folk im Schloß" anno 2004 in Bad Wildungen. Ich weiß nicht, wer das Mischpultgenie war, aber es klang so herausragend transparent und detailscharf, das war ganz nah an einer Studioaufnahmen.
Mich befriedigt die Eigenart der Studioproduktionen einfach deutlich mehr, zudem ich hier nur höre und nichts sehe. Das fördert die Fantasie ungemein. Und das ist ein ganz großer Antrieb, Musik zu hören.
Janus525
Hat sich gelöscht
#48 erstellt: 17. Mai 2012, 19:05

Mr._Lovegrove schrieb:
...zudem ich hier nur höre und nichts sehe. Das fördert die Fantasie ungemein. Und das ist ein ganz großer Antrieb, Musik zu hören.


Mit allem was Du geschrieben hast einverstanden; den oben zitierten Satz möchte ich sogar ausdrücklich unterstreichen. Allerdings unterstütze ich dort, wo es möglich ist, die Entfaltungsmöglichkeiten der Fantasie mit ganz konkreten Maßnahmen. Hierzu ein Beispiel, das jeder der es möchte zuhause realisieren könnte..., wenn er denn wollte und wenn er die "Erlaubnis" dazu bekäme...

Ich vertrete die Auffassung, dass eine HiFi-Anlage eine "Illusionsmaschine" ist (und sein soll) die nur einem einzigen Ziel dient: Für den sie Benutzenden eine möglichst perfekte Illusion zu erzeugen. Die permanente Mitarbeit des menschlichen Gehirns steht dabei für mich außer Frage, allerdings ist sie nur in dem Umfang erforderlich, den die Illusionsmaschine ihrem jeweiligen Benutzer abverlangt. Hinzu kommen noch die äußeren Bedingungen, die ein Benutzer der Maschine zur Erzeugung von Illusionen zur Verfügung stellt...

Natürlich wäre es banal über "Binsenweisheiten" zu schreiben. Jeder halbwegs Informierte weiß, dass große Luftmengen, wie sie (z.B.) ein Jazztrio mit akustischen Instrumenten zu bewegen in der Lage ist, sich nicht mit "kleinen" HiFi-Lautsprechern auch nur annähernd realistisch bewegen lassen, dazu bedarf es anderer Gerätschaft. Aber: Selbst die unter den gegeben, einschränkenden Umständen erzeugte Illusion einer üblichen HiFi - Anlage lässt sich durch den bewussten Einsatz von Einbildung deutlich "verbessern", ohne das Gehirn dabei mehr anstrengen zu müssen oder ein Gerät, die Lautsprecher oder etwas anderes wechseln zu müssen; im Gegenteil, das Gehirn wird mit einem kleinen Trick in seiner notwendigen "Beteiligung" an der Illusion sogar deutlich entlastet.

Stellen wir uns eine Standardsituation vor: In einem (sagen wir) fünf mal fünfeinhalb Meter großen Wohnraum stehen zwei größere Kompaktlautsprecher leicht eingewinkelt auf Ständern vor einer der kürzeren Wände; ihr Abstand von der Rückwand beträgt 0,4 Meter, von den Seitenwänden ist jeder Lautsprecher 0,7 Meter entfernt. Zwischen den Lautsprechern steht ein Regal mit Geräten, darüber hängt ein größeres Bild, der Hörplatz befindet sich in einem Abstand von etwa 4,0 Metern...

Wenn diese Anlage mit mittlerer (und noch nachbarnfreundlicher) Lautstärke betrieben wird, dann erzeugt sie die Ilusion, etwa zwei, drei oder mehr Meter hinter der Anlage steht eine Interpretin und singt. Zugleich sehen wir eine Wand, eine HiFi-Anlage im Regal und ein Bild. Hinzu kommt, dass die Sängerin sich scheinbar hinter dieser Wand, also im Nachbarraum befindet. Um sich einer solchen Illusion trotz des Widerspruchs zwischen dem Gehörten und dem Gesehenen wirklich hingeben zu können bedarf es vermutlich enormer Anstrengungen des Gehirns...

Wenn nun die Lautsprecher auf gedachten Linien immer weiter nach vorne gezogen werden, geschieht etwas sehr "Merkwürdiges": Unterstellt die Lautstärke wird korrekt nachgeregelt und die tonale Veränderung wird nicht berücksichtigt, dann bleibt die Sängerin dort wo sie zuvor war, nämlich hinter der Wand. Selbst dann wenn die Lautsprecher nur noch anderthalb Meter vor dem Hörplatz stehen und am Zuhörer vorbeistrahlen. Um die Sängerin in den Raum zu bekommen, müsste die Lautstärke erheblich angehoben werden, was aber in diesem kleinen Raum und der Nachbarn wegen nicht so einfach geht, ein Dilemma.

Was hier enorm helfen könnte, wäre ein "Cleveres Spiel mit der Einbildung". Die Anlage und das Bild könnten woanders hin, an die Seite, und auf der Wand zwischen den Lautsprechern könnte ein leicht getönter Spiegel, bestehend aus vier oder fünf großen Elementen angebracht werden, die nahtlos aneinander stoßen und etwa die Basisbreite der Lautsprecher in ihrer ursprünglichen Position abdecken. Virtuell wäre der Raum nun doppelt so groß und würde optisch um etwa fünf Meter über die real vorhandene Wand nach hinten hinausreichen. Zwischen diesem Spiegel und den Rückwänden der Lautsprecher könnten Pflanzen so aufgestellt werden, dass die Rückwänder der Lautsprecher im Spiegel nicht zu sehen sind, die Spiegelfläche selbst - sollte sie als störend empfunden werden - kann über Tag verhangen werden...

Sowas ist nicht ganz billig, kostet aber nicht mehr als z.B. ein wirklich teures (und überflüssiges) Highend-Kabel. Ideal ist es dann in der Dunkelheit den Raum nur minimal zu beleuchten - z.B. mit zwei Teelichtern links und rechts des Hörplatzes, die so abgeschirmt werden, dass der Zuhörer selbst im Spiegel praktisch nicht zu sehen ist, und sich der virtuell entstandene Raum nur als gerade noch erkennbarer, fast schwarzer Quader darstellt. In diesem virtuellen "Raum" fällt es dem Gehirn viel leichter, die Illusion einer dort stehenden Sängerin zu akzeptieren; die Anlage ist dieselbe...

Das ist eine von vielen Möglichkeiten ein cleveres Spiel mit der Einbildung zu spielen, das Gehirn zu entlasten und der Illusion Vorschub zu leisten. Wie gefällt Dir der Vorschlag...?

Viele Grüße: Janus...


[Beitrag von Janus525 am 17. Mai 2012, 19:10 bearbeitet]
Mr._Lovegrove
Inventar
#49 erstellt: 18. Mai 2012, 07:59
Deine Idee hat schon etwas verrücktes und verqueres, ist aber sehr fantasievoll. Ich muß aber zugeben, dass ich nie soweit gehen würde, um der Illusion einer dreidimensionalen Darstellung so nahe wie möglich zu kommen. Für meinen Musikgenuß ist DAS auch nicht der wichtigste Faktor. Sicher ist es ein schönes Erlebnis, wenn die räumliche Staffelung einer Aufnahme gut dargestellt wird, wenn der Sänger "beinhart" zwischen den Boxen steht, aber was nützt mir all das, wenn die Musik nicht stimmt.
Und da wären wir wieder bei den "Holzohren". Die kaufen Platten leider zu oft nach Klang und nicht nach Inhalt. Ich habe 10 Jahre im Tonträgerhandel gearbeitet und habe zum Schluß eine kleine Ecke mit audiophilen Aufnahmen gehabt. Da kamen Leute zu mir, die richtig richtig gute Anlagen hatten und explizit nach Stockfisch oder Chesky CDs fragten, weil die halt gut klängen. Ich war sehr schockiert, wie fixiert diese Kunden waren. Auf einer B&W oder eine von Schweikert klingen doch auch andere Alben gut.

Ich muß zugeben, dass ich vielleicht paradoxerweise auch auf gutklingende Aufnahmen stehe, und auch (des Sammlertums halber) einige wegen ihres explizit außergewöhnlichen Klanges gekauft habe. Ich habe sogar spasseshalber mal ein 50 Seiten starkes Heftchen geschrieben, das solche Scheiben zum Inhalt hat.
Ich kann auch die Faszination einer über Gebühr gut klingenden Aufnahmen verstehen, aber meine Anlage ist nicht dazu da, für sich selbst zu stehen. Sie ist ein Dienstleister, mehr nicht. Kein Kultfaktor, kein Altar! Ich höre Musik NIE, um ein neues Kabel oder eine neue Netzleiste oder Komponente auszuloten, sondern um der emotionalen Wirkung halber.

Der Klang einer Aufnahme ist aber ein ganz wichtiger Faktor ihrer Wirkung. Er gehört zum Inhalt der Musik. Er ist manchmal das Salz in der Suppe.

Weitere Gedanken folgen; ich muß jetzt arbeiten...
HansFehr
Inventar
#50 erstellt: 18. Mai 2012, 14:57

Mr._Lovegrove schrieb:
Der Klang einer Aufnahme ist aber ein ganz wichtiger Faktor ihrer Wirkung. Er gehört zum Inhalt der Musik.

So empfinde ich das.

Eine schlechte Aufnahme lenkt mich ab. Ich denke, was haben die nur gemacht, wie kam das zustande?

Nach ein bis zwei Minuten habe ich mich dann vorerst mit der Situation abgefunden und kann die Musik einigermaßen konzentriert zu Ende hören.
Aber rein informativ. Ein zweites Mal wird eine solche Aufnahme nicht mehr abgespielt.
Mr._Lovegrove
Inventar
#51 erstellt: 19. Mai 2012, 07:56

HansFehr schrieb:

Eine schlechte Aufnahme lenkt mich ab. Ich denke, was haben die nur gemacht, wie kam das zustande?


Da ich viel über Kopfhörer höre (auf dem Fahrrad und dem Weg zur Arbeit und zurück), ist es um so schlimmer, wenn die Aufnahme von nur unzurreichender Qualität ist. Das habe ich nun bei mehreren Metal Platten erleben müssen, die mir musikalisch geafllen, die aber so künstlich und vorallem schlampig im Editing klingen (und damit meine ich nicht die Komprimierung), dass ich sie ausmachen musste.
Eine der ganz wenigen Ausnahmen, die zwar wirklich ungünstig klingen, die ich aber trotzdem immer wieder supergerne höre, ist folgende Scheibe:

jpc.de
David Friesen
Star Dance

Die Aufnahme ist kompakt, mumpfig, stumpf und ziemlich intransparent, aber das Spiel der Musiker ist von so viel Freude und Intensität geprägt, dass ich in diesem Fall über den Klang hinwegsehen kann.
Aber das ist tatsächlicherweise eine Ausnahme, gerade im Jazzbereich. Bei Popmusik bin ich da etwas toleranter. Aber da habe ich auch eine andere Erwartungshaltung an das Gesamtbild der Musik, als im Jazzbereich. Hier gibt es sogar ein wunderbares Beispiel, wo der gänzlich unperfekte Klang ein integraler Bestandteil des Gesamtkunstwerkes ist:

jpc.de
Beth Gibbons and Rustin' Man
Out of season

Die Platte klingt eigentlich sehr unfertig, sehr analog zwar, aber auch recht rauh und roh, so als ob der Endmix noch bevorsteht. Aber genau diese Tatsache macht diese Aufnahme zu dieser unheimlichen, heimeligen und mysteriösen Sache, die sie ist.

Die Wechselwirkung von Klang und Musik ist eben eine sher komplexe, und jeder Hörer nimmt sie anders war.
Und doch ist es so, das an bestimmte Genres und Stile im Schnitt durchweg die gleichen Ansprüche gestellt werden:

- Klassik sollte transparent und natürlich klingen (echter Raumhall, keine Kompression, keine künstlichen Nacharbeiten)
- Rockmusik muß knallen und fett klingen.
- Jazzmusik darf auch im Stuio geschehen, aber die Instrumente sollten nicht zu entfremdet klingen, aber hier weht duetlich mehr Toleranzwind, als in der Klassik, aber deutlich weniger, als im Rock/Pop Bereich.

Kein Hörer würde es als angenehm empfinden, wenn man jeden der Berliner Symphoniker einzeln mit eigenem Hall abnimmt und das Ergebnis dann künstlich abmischt und mit allerlei Studiospirenzien versieht. Umgekejrt würde kein Metalfan eine Scheibe gut finden, die ohne Studiotricks live in der Frauenkirche aufgenommen wurde.

Das ist jedenfalls meine Ansicht.....
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