Leistungsaufnahme/Abgabe Class A/B/C vs D

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nicojaekel
Ist häufiger hier
#1 erstellt: 12. Okt 2022, 14:52
Moin.

Ich bin mir fast sicher, dass dies hier das falsche Unterforum ist, da es sich im spezielleren um PA-Verstärker dreht, andererseits betrifft das sicherlich auch "normale" Stereo-Verstärker irgendwie. Falls also falsch hier, bitte verschieben
Danke.

Vorwort:
Ich bin das "schleppen" von Amps leid. Ich hab zwei Microtech-Endstufen von Amcron, die in einer 6HE Kiste untergebracht sind und deren Gewicht dafür sorgt, dass ich sie alleine kaum noch ins Auto bekomme.
Da mir klar ist, dass das ziemliche Retro-Technik ist und mit der Zeit ja irgendwie alles leichter wird, hab ich mich umgesehen. Zunächst Mal bei Thomann, die häufig empfohlenen T.Amp angeschaut und festgestellt: in der Tat... Man spart bei gleicher Leistungsklasse etwa 3 bis 4 Kilo pro Amp. Da das aber auch problemlos an kleineren Platinen und nem leichteren Gehäuse liegen kann, war irgendwie klar: das hilft nicht weiter.
Dann hab ich etwas weiter gescrolled und die D-Serie entdeckt, bzw. im Allgemeinen Class D Endstufen. Und plötzlich reden wir über eine Gewichtsersparnis von rund 15 Kilo pro Amp - bzw deutlich mehr, wenn man einfach einen mit mehr Kanälen und größerer Leistung nimmt.

Also habe ich mich versucht etwas einzulesen, hab glaube ich das Prinzip auch verstanden und bin dennoch so ratlos wie zuvor. Denn, mir erschließt sich nicht, wie eine Endstufe, egal ob nun mit Ringtrafo oder Netzteil, hinten deutlich mehr rausbekommen soll, als vorne rein geht. Irgendwie klingt das nach Bauernfängerei, wie bei den ganzen MC-Endstufen...
Das steht sogar witzigweise im Handbuch der Endstufe "Amplifiers don't create Energy. The AC Mains voltage and current must be sufficient to deliver the Power you expect."

Nun zur eigentlichen Frage:
Das RMS-Angaben einen Mittelwert darstellen, ist mir bewusst, wodurch Abweichungen von ein paar Watt zum Marketing durchaus erklärbar sind. Immerhin wird ja selten eine Dauerbelastung wie beim Rauschen auftreten.
Wenn eine 600er Makrotech also ~700 Watt zieht, weil sie reichlich Verluste hat, um effektiv 400 bis 600 Watt heraus zu geben, klingt das nachvollziehbar.

Nehme ich als modernes Pendant die Crown (gleicher Hersteller) XLi 800, braucht die zwar nur 450 Watt Eingangsleistung, um die entsprechende Ausgangsleistung zu bringen, da das aber nicht drastisch abweicht, nehme ich das Mal als Effizienzsteigerung und Marketing zur Kenntnis.

Kommt man aber nun zu den D-Class Modellen, wird's absurd... Die "kleine" XLS 1002 verspricht, wie die XLI 800 auch rund 200W pro Kanal bei 8 Ohm, sogar 350 statt 300 bei 4 Ohm. Die Eingangsleistung liegt aber bei nur(!) 175 Watt.

Nun raucht mir der Schädel... Wie macht man aus 175 Watt durch ein bisschen Technik 700 Watt, also die vierfache Leistung? Wurden da die Ringkerntrafos durch deutlich leichtere Hamster ersetzt, die in Rädern gefangen und zur Stromerzeugung verdammt sind?

Danke fürs Durchlesen!
the_flix
Inventar
#2 erstellt: 12. Okt 2022, 16:14
Kurz gesagt: Das liegt daran, dass die aufgenommene Netzleistung und die abgegebene Ausgangsleistung unterschiedlich ermittelt bzw. angegeben werden.
Ausgangsleistungen sind in der Regel "Power ratings", welche sich auf eine kurzfristige Leistungsspitze beziehen. Das ist in sofern legitim, da Audiomaterial kein Dauersignal ist, sondern in der Regel einen hohen Crestfaktor (Peak zu Dauerleistung) aufweisen. Die klassische Angabe einer Dauerleistung ist für Audio eher praxisfern.
Die Netzleistung wird meist bei 1/8 der angegebenen Ausgangsleistung ermittelt. Dieser Faktor entspricht einem Crestfaktor von 12 dB, wenn die Ausgangsleistung nach üblichem Vorgehen angegeben wird. Diese 12 dB sind ein guter Mittelwert dessen, was so in der Realität vorkommt.
Wenn du also die Netz- und die Ausgangleistung vergleichen willst, nimm die Netzleistung x8 oder teile die Ausgangsleistung entsprechend. Das gilt aber nicht uneingeschränkt. Vernünftige Datenblätter liefern auch die passenden Informationen, wie die Daten genau zu interpretieren sind.

Ich habe mich dazu an anderer Stelle ausführlicher geäußert:
Grundlagen zur Ermittlung und Angabe der Ausgangsleistung von Audioverstärkern
nicojaekel
Ist häufiger hier
#3 erstellt: 12. Okt 2022, 16:19
Wow mega! Danke!
nicojaekel
Ist häufiger hier
#4 erstellt: 12. Okt 2022, 16:48
Nochmal nachgehakt, ob ich das alles jetzt kapiert habe...

Würde man der genannten XLS bei ihren 175W Eingangsleistung dauerhaft 200w Sinus "abverlangen", könnte es sein, dass sie dabei in die Knie geht.

Dadurch, dass es bei normaler Musik aber keine Dauerbelastung in dieser Entsprechung gibt, kann da auch um den Faktor X mehr raus kommen.

Wenn ich das so richtig kapiert habe, erklärt das für mich auch, warum in modernen Endstufen ne träge Sicherung verbaut wird, während mein Retro-Klotz eine flinke haben will...
the_flix
Inventar
#5 erstellt: 12. Okt 2022, 17:18

nicojaekel (Beitrag #4) schrieb:

Würde man der genannten XLS bei ihren 175W Eingangsleistung dauerhaft 200w Sinus "abverlangen", könnte es sein, dass sie dabei in die Knie geht.

In erster Linie wird die Eingangsleistung bei 200 W Ausgangsleistung (average) deutlich über 175 W liegen. Ob die Endstufe das dauerhaft mitmacht oder ob ihr irgendwann zu warm wird, ist so nicht vorherzusagen. Die 175 W bedeuten nicht "die Netzleistung wie nie über diesem Wert liegen", sondern "das langfristige Mittel liegt nicht über diesem Wert".
Aber 200 W durchschnittliche Ausgangsleistung muss man mit Audio-Material erst mal erzeugen, ohne an das Spannungs- oder Stromlimit der Endstufe zu stoßen. Die dazu notwendigen Crestfaktoren sind deutlich geringer, als in realem Musikmaterial vorhanden (Vollaussteuerung an 2 Ohm 550 W Spitze zu 200 W average wäre ein CF von 7.4 dB als Extrembeispiel).
DB
Inventar
#6 erstellt: 12. Okt 2022, 17:48
P.M.P.O.

nicojaekel
Ist häufiger hier
#7 erstellt: 12. Okt 2022, 18:23

DB (Beitrag #6) schrieb:
P.M.P.O.

:D


So kam mir das auch zunächst vor, aber irgendwie traue ich das weder Crown noch Thomann zu. Und das machen scheinbar alle bei Class D so.
DB
Inventar
#8 erstellt: 12. Okt 2022, 18:33
Mit den Zauberkunststücken hoher Schienenspannung aber weicher Netzteile kommt man dem Charakter von Musik (kurze Spitzen, niedriger mittlerer Pegel) entgegen.
Wenn Du wissen willst, was ein Verstärker wirklich dauerhaft kann, findest Du das nur mit einem Sinusgenerator, Oszilloskop und Lastwiderstand heraus.
lens2310
Inventar
#9 erstellt: 17. Okt 2022, 18:38
Ich würde die Microtech oder auch Crown Endstufen behalten und nen anderen Träger nehmen. Das ist noch Qualität vom Feinsten.
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