Die Stars der Klassik

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GalloNero
Ist häufiger hier
#1 erstellt: 05. Nov 2005, 23:08
Eben ruft mich meine Frau ins Wohnzimmer...
...die Netrebko ist bei "Wetten das..."

Ich sitze da und bewundere die Schönheit von Frau und Stimme und fühle mich sofort an die Salzburger "La Traviata" erinnert (ja, mir hat diese Aufführung gefallen).
Die Szenerie erinnert mich aber ebenso an Andre Rieu, die drei oder irgendwelche drei Tenöre.

Bei Rieu stellen sich mir die Nackenhaare auf. Vielen anderen von Euch vielleicht "bereits" bei Netrebko.

Ich stelle mir in diesem Zusammenhang oft die Frage: "Ab wann ist ein Star ein Star und was ist schlecht daran?".

Die letzten Wochen habe ich mich durch dieses Forum gearbeitet und in manchen Threads bekommt man das Gefühl, es ist böse Musik von "Weltstars" wie Karajan oder Mutter zu hören. Ist denn Musik die kommerziell erfolgreich ist grundsätzlich schlecht? Darüber existieren sicherlich die verschiedensten Auffassungen. Und genau das ist es, was mich interessiert. Wie denkt ihr darüber?

Wann ist Erfolg böse? Wer wird überschätzt? Darf man Rieu und Mutter auf eine Stufe stellen? Sind bzw. waren denn Furtwängler, Szell und die vielen anderen großen Dirigenten aus vergangenen Tagen nicht auch Stars und wie wären diese vermarktet worden, hätte es damals die selben Möglichkeiten gegeben wie heute. War Liszt wirklich so gut oder war er einfach nur präsenter als andere?

Ich höre gerne Mutter, ich höre gerne Karajan und ich höre auch sehr gerne einen Geheimtip aus dem Forum oder genieße eine zufällige Begegnung mit einem mir unbekannten, in der Stadtbibliothek entdeckten Künstler. Für mich steht erst mal die Musik im Vordergrund. Im Fall der Oper spielen Ausdruck, Darbietung u.v.m natürlich auch eine große Rolle (deswegen mag ich auch Anna Netrebko).

Im Falle Rieu und Co. sehe ich allerdings nur Selbstinszenierung und Komerz. Bei wem seht ihrdas und wo schadet das?

Ich sage, was sich gut verkauft ist entweder gut vermarktet oder eben einfach gut - oder beides. Deswegen finde ich es schade, dass vieles Gute einfach als Komerz abgetan und abgehakt wird und andererseits finde ich es schade, wenn wunderbare Musik rücksichtslos vermarktet und lächerlich gemacht wird.

Dennoch - eine Opernsängerin muss nicht immer nur schön singen - sie darf auch schön sein



Gruß Gallo
johnnychesterfield
Ist häufiger hier
#2 erstellt: 06. Nov 2005, 00:35
Du hast recht!!!!!!
Mit Andre Rieu gebe ich dir aber nur bedingt recht (ich kann ihn auch nicht sehen bzw, hören)!
Wissen wir eigentlich genau, was Johann Strauss abgeliefert hat, um an den Ruhm heranzukommen? Natürlich war er ein sehr guter Komponist, aber wozu diente seine Musik? Zum Tanzen, zum Unterhalten!!!!!
Musik soll unterhalten und ich denke es ist durchaus legitim, das von Künstlern aller musikalischen Gattungen zu erwarten. Ich z.B. war einmal zu einer Oper von Musalek (der Name wird kaum jemanden was sagen) eingeladen. Nun, es war eine "moderne" Oper und ich ging deswegen hin, weil 1. mein Gitarreprofessor und meine Gesangslehrerin dort auftraten und 2. ich schon immer wissen wollte, wie so eine "neue" Oper klingt. Das Ganze fand in Wien beim Verein der Freunde......(den Namen hab`ich eigentlich vergessen!) statt. Es kam so wie ich es mir erwartet hatte: 30 Zuschauer, atonale Musik, keine schönen Akteure und wenn man sich das zu Hause anhören würde - totale Langeweile!
Ich aber wurde unterhalten und es gefiel mir sogar!!!!!!
Die Zuhörer, die dort waren, würden über unseren "geliebten" Holländer die Nase rümpfen und alle die Rieu lieben gingen wahrscheinlich nur unter Zwang zu so einer Veranstaltung!!!!
Eine zweite Episode aus meinem Leben:
Ein Feuerwehrfest in Niederösterreich. Musik..wir wissen schon welche, Alkoholpegel jenseits des Erlaubten und ich wurde wieder unterhalten!!!!
Und zum Schluss noch: Neulich vorm Fernseher, zappen und dann MTV....ein paar Schwarze springen herum, viel nacktes Fleisch, stereotype Bewegungen aber was für ein Groove.....ich wurde unterhalten!!!
Was ich meine ist, dass Klischees immer gerne hochgehalten werden, wenn es darum geht irgend einen internen Status für sich zu verteidigen. Es ist eine gewisse Kurzsichtigkeit, die manche Äußerung zu Künstlern begleitet, die diese für einen bestimmten "elitären" Kreis inakzeptabel macht!
Es sind Leute, die einer Musik Mozarts zujubeln und nicht wissen, dass der Musik zur Freude der Menschen, für seinen Geldbeutel und für sein Ego gemacht hat, die nicht wissen, dass so ziemlich jeder Musiker Anerkennung sucht, gerne im Rampenlicht steht und immer mit seiner Darbietung Unterhalten will!!!!!!!
Die Netrebko ist eine wunderschöne Frau, die sehr gut singt und ein Charisma hat! Das bringt Neider hervor. Gut, dann sollen sie sich halt Opern anschauen, wo die Sängerinnen das Kaliber von Dampfschiffen haben und ein mittelalterliches Alter erreichen und dabei jugendliche Geliebte darstellen! Wo alternde Sänger feurige Liebhaber darstellen, usw.....!
Wenn sie gut singen und Charisma haben ist es in Ordnung, dann ist die Musik vorrangig, aber bei einer Oper gibt es auch eine Handlung die gespielt werden soll!!!!
Und gerade die "Klassik" hat immer ihre Superstars gehabt: vom feschen Liszt bis zur göttlichen Callas!!!
Die, die über heutige Stars schimpfen, hören sich dann zu Hause einen Guiseppe di Stefano (auch nicht hässlich), eine Callas oder einen Tauber (kein Frauenfeind) an!!!
Zu deren Zeit hätten sie wohl auch gejammert und gewehklagt,
wären bei Karajan auf die Barrikaden gestiegen.....denn sie wollen zwar unterhalten werden, wen anhimmeln, begeistert sein, nur gut aussehen sollten er oder sie nicht!!!
Leider wurde dieses Thema von mir, aufgrund seiner Fülle, mit der gleichen "Borniertheit" abgehandelt, wie es die Argumente derjenigen sind, die sich über solche Lichtgestalten mockieren!!!
Ich weiß, dass ich deine Fragen nicht wirklich beantwortet habe, aber es stösst mir immer wieder auf, wenn ich die Meinungen von manch so kulturgebildeten Menschen ertragen muss, der in allem Alten das Gute und Heile sieht und dabei vergisst, dass da auch einmal Neu und Jung war!!!!!
Redet mit den Künstlern....Sie sind "geil" auf Erfolg!
Die Alten waren es auch!!!!!!!!!!!
Oder warum glaubt ihr gibt es Virtuosentum???????????
Genug ereifert, liebe Grüße an alle Euer


[Beitrag von johnnychesterfield am 06. Nov 2005, 00:38 bearbeitet]
Nite_City
Stammgast
#3 erstellt: 06. Nov 2005, 12:51
Hallo,

ich denke, das Problem liegt darin, dass ein eher unbekannter Künstler eine echte Top-Leistung abliefern muss um Beachtung zu finden, während ein Künstler mit Reputation sich auch mal eine mäßige Leistung erlauben kann (beispielsweise hat sich Bernstein ja im Vorwort der "LB-Edition" selbst dazu bekannt, dass auch er "nicht immer ein sehr guter Dirigent" wäre) und dieser dann aber trotzdem gekauft wird. Von den mäßigeren Leistungen unbekannterer bekommt man freilich weniger mit.

Ein weiterer Aspekt, dem meiner Meinung nach auch Bedeutung zukommt, ist das teilweise ignorante Verhalten der Anhängerschaft des Künstlers.
(Ich erinnere nur mal als Beispiel an die Feindseligkeiten zwischen einigen Karajan- und Bernstein-Anhängern.)
Dabei sollte doch eher der Wert des vorgelegten Werkes im Vordergrund stehen!
Zu, sagen wir mal etwas weniger bekannten Künstlern ist die Einstellung da zum Teil liberaler, toleranter.
Das kann meiner Ansicht nach schon bewusste oder unbewusste Auswirkungen auf persönliche Einstellungen haben und zu einer eher negativen Haltung zu den "ganz großen" führen, ist also gewissermaßen ein psychologischer Aspekt.

Ich denke aber, dass "optische Gründe" in der Klassikwelt weniger Bedeutung haben. Gut, bei der Netrebko mag da was dran sein, aber der Großteil der "echten" Klassikliebhaber dürfte sich wohl in erster Linie für die musikalischen Qualitäten interessieren. (Natürlich kommt auch gutes Aussehen der Opernaufführung zugute, keine Frage, aber der Rest sollte auch stimmen!)
Das "Phänomen", dass das Aussehen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg hat, würde ich eher in der kommerziellen Popmusik sehen.

Viele Grüße,
Michèl


[Beitrag von Nite_City am 06. Nov 2005, 13:02 bearbeitet]
johnnychesterfield
Ist häufiger hier
#4 erstellt: 06. Nov 2005, 18:24
Dass ist wohl logisch. Jeder Neueinsteiger und noch relativ Unbekannte muss zuerst auf sich aufmerksam machen, um in die Riege der Spitzenverdiener zu kommen.
Vielleicht ist es auch ein guter Ansatz, wenn man bedenkt, dass sich die Musikwelt in den letzten 50 Jahren massiv verändert hat.
Vorreiter waren anfangs die Amerikaner mit ihrem Rock and Roll. Diese neue Art der Musik brachte auch eine neue Art der Vermarktung von Musik mit sich. Weiters wurden die Proportionen im Musikgeschäft selbst (eigentlich schon seit 1930, Bing Crosby, Frank Sinatra,..) verschoben. Konnte man damals mit Klassik noch recht gut verdienen, kam es mit der Zeit zu einer Wachablöse zu gunsten der Popmusik. Hier sind die meisten Protagonisten jung. Heutzutage nicht nur das, sondern auch noch unverschämt gutaussehend. Damit lässt sich Geld verdienen. Wenn man sich Plattencover der letzten 60 Jahre genauer anschaut, endeckt man, dass ab Mitte 1950 zunehmend die Künstler in den Mittelpunkt, also auf das Cover, gerückt wurden. Zugpferd dieser Entwicklung sind uns bekannte Namen wie Karajan und Bernstein. Die Deutsche Grammophon verdankte ihm ihr überleben über mehrere Jahre!!!
Inzwischen gehört es zum guten Ton Künstler möglichst sexy auf den diversen Bildern erscheinen zu lassen!!!!
Aber da nähern wir uns ja in Wirklichkeit nur der Hochromantischen Phase im 19. Jh. an, wo das Virtuosentum voll um sich griff und Komponisten wahre Fangemeinden um sich scharrten(Wagner, Brahms,..).
Und Hand aufs Herz: Ich bin kein Musikwissenschaftler, der jedes Musikstück in kleinste Teile zerlegt, um jede noch so unbedeutende Harmonieverschiebung zu ergründen.
Das Wesen der Musik ist die Unterhaltung! Unterhält es, dann ist die Welt in Ordnung, dann kann man damit auch "Botschaften" verschicken, belehrend wirken, Impulse geben und, und, und......!
Musik muss mich psychisch "ergreifen". Das kann eine hhervorragende Interpretation, eine solistische Tour de force oder einfach nur ein genialer Groove, Beat oder was auch immer, sein!
Thats it!!!!
P.S.: So einfach ist es natürlich nicht, aber es kommt meiner Meinung nach dem, was wir da disskutieren, ziemlich nahe. Ich freue mich schon auf eure weiteren Beiträge
Herzlichst
johnnychesterfield
Ist häufiger hier
#5 erstellt: 06. Nov 2005, 18:26
Ach ja, bevor ich es vergesse: die Netrebko ist seeeexxy!
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