Verzicht auf Frequenz- und Nachhalleinflüsse in Studios als Alternative zur Hörraumoptimierung ?

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soundrealist
Gesperrt
#1 erstellt: 29. Mai 2017, 09:59
Ein Gedankenspiel:

Auf jeder Aufnahme sind vom Toningenieur Frequenzverlaufs- und Rauminformationen (Nachhall) enthalten, um dem jeweiligen Werk eine eigene akustische "Identität" zu verleihen. Einflüsse des Hörraumes wirken sich hierauf verändernd aus, daher versuchen wir so weit als möglich, zu optimieren.

Wäre es diesbezüglich nicht eine super Sache, wenn man bei der Aufnahme ausschließlich "plugged" aufnehmen würde ? Also ohne jedwegen zusätzlichen Hall oder Frequenzmanipulation, direkt "verkabelt" und akustische Instrumente im schalltoten Raum auf den Master bannt ?

Dann wäre doch alles, was an widrigen Einflüssen in einem Hörraum vorhanden ist nichts anderes als ein Faktor, der sich in gleichem Maße auf das Geschehen auswirkt, wie wenn die Musiker "live" im Hörraum stehen würden (linear abgestimmter LS vorausgesetzt).

Die Referenz ist dann immer der eigene Hörraum und kein Szenario, das auf der Aufnahme drauf ist und sowieso niemals 100%ig, selbst unter den besten Voraussetzungen 1:1 "erhalten" werden kann. Ein solches Verfahren (z.B. unter der Bezeichnung "Real-Repro-Mastered") wäre extrem einfach zu realisieren (= im Rahmen der ohnehin meist schon vorhandenen Möglichkeiten) und würde die Produktionskosten sogar verringern statt zu erhöhen. Also eine echte Win-Win-Situation für Produzent und Konsument gleichermaßen.

Wie denkt Ihr darüber ?
Mickey_Mouse
Inventar
#2 erstellt: 29. Mai 2017, 12:59
also ich denke mal, dass bei den meisten Studio Aufnahmen auf Raumeinflüsse verzichtet wird?!?

und wenn so etwas eingesetzt wird, dann doch als Stilmittel (zum Zweck).
mir fallen da auf Anhieb ein paar sehr gute Beispiele ein, wobei die Musik sicherlich nicht jedermanns Geschmack ist:
die Birken-Sessions von Carolin No "open air" aufgenommen und zum Vergleich gibt es das erste Lied (Sick of Home Blues) auch nochmal HIER als Studio Produktion (die Version von der Backstage Scheibe nicht die Original Version weiter unten).

etwas ähnliches hat Stockfisch mal mit Kerstin Blodig Out Of The Woods gemacht.

bei Ole Bull Violine Concertos gibt es im Booklet mehrere Bilder von den Aufnahmen in der Kirche und der genaueren Orchester Aufstellung und wo die Mikrofone positioniert sind.
Passat
Inventar
#3 erstellt: 29. Mai 2017, 13:16
I.d.R. haben Aufnahmestudios nur eine sehr geringe Raumakustik.
Das sind schon fast schalltote Räume.
Die Raumakustik, Hall, etc. wird erst am Mischpult hinzugefügt, damit die Aufnahme nicht so "trocken" klingt.

Grüße
Roman
holger63
Hat sich gelöscht
#4 erstellt: 29. Mai 2017, 13:43
Ich denke, dass wohl genau das gemeint war: eben nichts am Mischpult hinzuzufügen.
Wäre an sich logisch, aber dann müssten es schon alle machen, da es sonst zuhause mal passt und mal nicht..
Und je größer die Besetzung, um so schwieriger stelle ich mir das vor. Bei einem großen Orchester wird - bei der Aufnahme oder am Mischpult - der Eindruck eines großen Raumes erzeugt. Sehr sinnvoll, denn in einen kleinen Raum passt ein großes Orchester nun mal nicht rein
Diese "weite" Räumlichkeit mit dem Hall der eigenen vier Wände zu erzeugen, dürfte schwerfallen..
Bei kleinen Jazzkombos etc schon interessanter.
Passat
Inventar
#5 erstellt: 29. Mai 2017, 13:49
Wenn da nichts am Mischpult hinzugefügt wird, dann würde sich so eine Aufnahme auch zu Hause sehr seltsam anhören.
Tauglich wäre so etwas nur mit Raumklangprozessoren in der Abhörkette, wie z.B. bei Yamaha AVRs mit deren DSP-Programmen.

Grüße
Roman
holger63
Hat sich gelöscht
#6 erstellt: 29. Mai 2017, 14:01
Ich bin regelmäßig in einem kleinen Jazzkeller in der Nähe. Der Raum ist ziemlich schallhart, von irgendwelchen Absorbern o.ä. keine Spur. Mindestens das Schlagzeug ist i.d.R. unverstärkt, kann also auch nicht mit Hall angereichert worden sein. Bei den Stimmen ist meist etwas Hall beigemischt, aber ich glaube bei vielen Instrumenten nicht. Das wäre ja fast ein entsprechendes Scenario.. Sind allerdings Lautstärken, die ich zuhause so nicht höre.
Witzig ist dabei, dass von der "punktgenauen Raumortung" hier nicht viel übrig bleibt: mit geschlossenen Augen kommt alles irgendwie von "da vorn", so ein wenig kann man noch das Klavier als links verorten.. Ich weiss gar nicht, ob das jeder so zuhause haben möchte
soundrealist
Gesperrt
#7 erstellt: 29. Mai 2017, 14:07
Hm..... Denke mal, daß wir beim Abmischen zunächst mal zwei Arten von "Effekten" unterscheiden sollten. Zum einen all die, welche ein Instrument oder eine Stimme jeweils auf seiner Spur mitbekommt, zum anderen die das, was beim Downmix passiert.

Die "Spur-Effekte" kann man problemlos dem "Original-Sound" der Schallquelle zuschreiben, egal ob Delay, Frequenzgangveränderung, Verzerrer, Vocoder oder was auch immer.

Anders bei Dingen, die beim Mastern hinzugefügt werden, also auf die komplette Aufnahme einheitlich wirken. All das simuliert ja einen virtuellen Raum. Würde man hierauf tatsächlich komplett verzichten, würde die Optimierung eines Wiedergabe- bzw.Hörraumes ja wirklich nur noch bei der Wiedergabe von Live-Aufnahmen Sinn machen (weil da eine Rauminformation mit drauf ist )

Bei allen "neutralen" Aufnahmen (also ohne virtuellen Raum") wäre eine Optimierung des Hörraumes hingegen absolut überflüssig. Beispiel: Kommt Eric Clapton mit seiner akustischen Gitarre zu mir nach Hause (schön wär´s ) und spielt einen Song, addieren sich sämtliche Eigenschaften des realen Raumes (in diesem Fall mein Hörraum) oben drauf. Es klingt also anders, als wenn er bei "Herr Meyer" oder "Frau Müller" seine Kunst gleichermaßen zum Besten gibt..

Etwas anderes passiert bei "raumeffektfreien Aufnahmen" letztendlich auch nicht. Denn die "akustische Realität" wird nicht während der Aufnahme, sondern erst bei der Wiedergabe erzeugt. Man mag nun also darüber streiten können, ob sich das "Wohnzimmer-Live-Konzert" bei Frau Müller mit dämpfenden Teppichen Gardinen und dicken Sitzpolstern, oder aber bei Herr Meyer mit seinem halligen, schallharten Raum. Also reine Geschmacksache. "Akustische Realität" wären aber auf jeden Fall beide Räume, egal wie konträr.

Oder lasse ich bei meinen Überlegungen irgend einen Aspekt außer acht ?


[Beitrag von soundrealist am 29. Mai 2017, 14:13 bearbeitet]
Big_Määääc
Inventar
#8 erstellt: 29. Mai 2017, 14:16
wenn ihr dir Möglichkeit hab an ein DemoTape einer durchschnittlichen Top40 Coverband zu kommen,
dann hört euch das zuhause an.

da wird einem der Unterschied zu "normalen" Produktionen brutal klar.
Stimmen und Instrumente direkt im Nahfeld abgenommen ohne weitere Effekte oder RaumKlang.

der Unterschied ist wie 80erJahre Superbike fahren oder ein Buch drüber lesen
Mickey_Mouse
Inventar
#9 erstellt: 29. Mai 2017, 14:23
ich habe z.B. Suzanne Vega inzwischen schon diverse Male live gehört.
dabei waren Auftritte in einer Kirche in Kreuzberg, OpenAir Stadtpark HH und Inselleuchten bei B, "Betonbunker" Mojo Club HH, mehr alternativen "Holzbude" in H bis hin zu einer schwimmenden Bühne auf dem Rhein in MZ.

wenn ich eine "trockene" Studio Aufnahme nehme, dann kann ich mit den Yamaha DSP Programmen recht nah an die jeweiligen Eindrücke der Live Events heran kommen. Natürlich wird das nicht 100%, es klappt nicht bei jeder Aufnahme und das Nebelhorn des vorbeifahrenden Schiffes kann ich auch nicht dazu mischen, genauso wenig wie das ständige Geschnatter der Tussies im Mojo Club.

ich mache das ehrlich gesagt nur sehr selten, aber manchmal bin ich in der Stimmung dazu.
holger63
Hat sich gelöscht
#10 erstellt: 29. Mai 2017, 14:29
Wenn wenigstens per 360°-Bildschirm die Optik der Tussies dazugemischt werden könnte..
cr
Inventar
#11 erstellt: 30. Mai 2017, 01:57
Wer wissen will, wie scheußlich eine im schalltoten Raum aufgenommene Musik klingt, braucht sich nur die Denon Anechoic CD besorgen. Viel Spaß beim Hören. Ohne Mehrkanal DSP zum Hinzufügen simulierter Räume (deren Hallanteile) wird das nämlich nichts....


[Beitrag von cr am 30. Mai 2017, 01:58 bearbeitet]
dacander100
Stammgast
#12 erstellt: 30. Mai 2017, 22:20
Denkt ein Toningenieur bei der Aufnahme an Raumakustik? Klingen deshalb die meißten CD´s nach nichts?

Das liegt meiner Meinung nach auch daran, das heute nicht mehr mit vielen Mikrofonen bei der Aufnahme gearbeitet wird. Im schlimmsten Fall hat nur noch der/die Sänger/in ein Mikrofon, alles andere ist oder kann zum Teil elektronisch erzeugt sein, oder wird in einer Nacht und Nebelaktion aufgenommen, und dann dazu gemischt.

Ich weiß nicht, aber (gute) Aufnahmen aus den 70/80er Jahren klingen für mich besser/räumlicher. Haben da vielleicht mehr Mikrofone bei der Aufnahme gestanden, und wurde da nicht so viel zusammengemischt wie heute? Da brauchts kein Mehrkanal DSP.

Ein Toningenieur fragt sich doch heute wie hoch er die Dynamikkomprimierung machen soll
holger63
Hat sich gelöscht
#13 erstellt: 30. Mai 2017, 22:22
Da hört einer andere Musik als ich...
soundrealist
Gesperrt
#14 erstellt: 30. Mai 2017, 22:49

dacander100 (Beitrag #12) schrieb:

Das liegt meiner Meinung nach auch daran, das heute nicht mehr mit vielen Mikrofonen bei der Aufnahme gearbeitet wird. Im schlimmsten Fall hat nur noch der/die Sänger/in ein Mikrofon, alles andere ist oder kann zum Teil elektronisch erzeugt sein, oder wird in einer Nacht und Nebelaktion aufgenommen, und dann dazu gemischt.

Ich weiß nicht, aber (gute) Aufnahmen aus den 70/80er Jahren klingen für mich besser/räumlicher. Haben da vielleicht mehr Mikrofone bei der Aufnahme gestanden, und wurde da nicht so viel zusammengemischt wie heute? Da brauchts kein Mehrkanal DSP.



Deinen Eindruck kann ich persönlich sehr gut nachvollziehen. Die bereits erwähnte "Eric Clapton-Unplugged" mit dem Schriftzug "Linear-PCM" scheint das zu untermauern. Da hat tatsächlich jeder Musiker und jedes Instrument mindestens 1 Mikro.
Passat
Inventar
#15 erstellt: 31. Mai 2017, 00:11

dacander100 (Beitrag #12) schrieb:

Ich weiß nicht, aber (gute) Aufnahmen aus den 70/80er Jahren klingen für mich besser/räumlicher. Haben da vielleicht mehr Mikrofone bei der Aufnahme gestanden, und wurde da nicht so viel zusammengemischt wie heute? Da brauchts kein Mehrkanal DSP.


Das kommt rauf an, wie aufgenommen wurde.
I.d.R. läuft das so ab, das da jedes Instrument einzeln und nacheinander aufgenommen wird und das dann erst am Mischpult zu einem Ganzen zusammengemischt wird.

Das da die komplette Band im Aufnahmestudio sitzt und gemeinsam spielt, ist die Ausnahme.

Grüße
Roman
soundrealist
Gesperrt
#16 erstellt: 31. Mai 2017, 07:39

Passat (Beitrag #15) schrieb:

dacander100 (Beitrag #12) schrieb:

Ich weiß nicht, aber (gute) Aufnahmen aus den 70/80er Jahren klingen für mich besser/räumlicher..


Das da die komplette Band im Aufnahmestudio sitzt und gemeinsam spielt, ist die Ausnahme.

Grüße
Roman


Wenn es dann aber so ist, klingt es überwältigend
Apalone
Inventar
#17 erstellt: 31. Mai 2017, 07:49
Hier wird aber auch eine Menge durcheinander geworfen, nämlich Sachverhalte, die so nicht vergleichbar sind.

Eine Liveaufnahme von akustischen Instrumenten ist etwas völlig anderes als eine Studioaufnahme.

Liveaufnahmen sind völlig unterschiedlich konzipierbar:

Legendär sind die "zwei-Mikro-Aufnahmen" von Denon (Klassik-Bereich).

Im Klassik-Bereich werden häufig viele/mehrere Mikrofone im Raum platziert, aber eben frei stehende Mikrofone.

Live-Aufnahmen im Pop-/Rockbereich werden so selten aufgenommen. Hier sind die Mikros häufig direkt an Schallentstehungsorten der Instrumente befestigt.

Manchmal gibt's auch Kombinationen beider Spielarten.

Eine Studioaufnahme ohne Nachbearbeitung kann nicht funktionieren. Erst das Nachbearbeiten der einzelnen Spuren ergibt ein stimmiges Gesamtbild. mMn ist deshalb der Ursprungsgedanke des Eingangsposts nicht durchführbar.
soundrealist
Gesperrt
#18 erstellt: 31. Mai 2017, 08:20

Apalone (Beitrag #17) schrieb:
Hier wird aber auch eine Menge durcheinander geworfen, nämlich Sachverhalte, die so nicht vergleichbar sind.

.


Ich weiß. Von meiner Seite aus war das auch eher ein "OT-schwelgen" in der Freude über ein absolutes Meisterwerk.
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