der kleine Ärger

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richi44
Hat sich gelöscht
#1 erstellt: 18. Jan 2014, 16:42
So ab und zu „ärgere“ ich mich, wenn User Quellangaben verlangen. Das sieht dann so aus, als wäre ich nicht in der Lage, eine Schaltung zu berechnen.
Zugegeben, jedem kann mal ein Fehler unterlaufen, aber zu glauben, nur weil etwas in Papierform käuflich zu haben ist sei es über jeden Zweifel erhaben…?

Und dass ein Professor Dr. XY gegen jeden Denk-Fehler gefeit ist, scheint mir doch eine recht gewagte Annahme.
Ich erinnere mich an eine „Schlagzeile“ vor etwa 40 Jahren (es war während der „Saure Gurken-Zeit“). Ein amerikanischer Physikprofessor behauptete, es dürften keine zusätzlichen Satelliten mehr ins All geschossen werden, ohne dass es zu einer Abkühlung der Erde komme.

Erstens wäre dies eine Lösung des Klima-Problems und zweitens muss man wissen, was der Gute da für ein Experiment gemacht hat.
Er nahm einen Ballon, Faden, ein Fieberthermometer und eine Nachttischlampe. Im ersten Durchgang steckte er das Temperatur-Messgerät in den aufgepusteten Ballon und mass die Erwärmung der eingeschlossenen Luft als Folge der Wärmeeinstrahlung der Lampe.
Dann liess er den Ballon abkühlen, umwickelte ihn mit Faden (eine Windung für jeden Satelliten) und wiederholte den Wärme-Versuch. Er überlegte, dass der Satellit einen Schatten werfe und somit die Luft-Erwärmung geringer ausfallen müsse.
Tatsächlich erwärmte sich die Luft weniger, also musste da doch etwas dran sein. Was er nicht bedachte: Bei der Grösse des Ballons und der Dicke des Fadens wäre JEDER Satellit mehrere km im Durchmesser. Das geht schon mal nicht! Und jeder Satellit stellt als Schatten bestenfalls einen Punkt dar, niemals aber eine ganze Linie, entsprechend seiner Flugbahn. Das geht schon mal überhaupt nicht!!
Nichts desto trotz wurde dieses Experiment in jeder halbwegs vertrauenswürdigen Zeitung breit getreten unter der Annahme, der Herr Professor Doktor XY könne sich doch nicht irren.

Oder ich erinnere mich an einen Artikel vor gut 50 Jahren in einer Funkschau-Ausgabe. Da ging es um den Bau einer TV-Fernbedienung. Man hat da mit einem Potentiometer die Schirmgitterspannung der Ton-ZF-Röhre bis null zurück regeln können und dementsprechend konnte man die Lautstärke verändern. Das ist an und für sich nichts Neues. Neu war aber dass der Verfasser behauptet hatte, man könne wie bei einem Lichtschalter an jedem Regler (in der Fernbedienung und am TV) laut und leise stellen, also da laut und dort leise und da wieder laut und dort wieder leise…
Ich habe die Funkschau schon damals darauf hin gewiesen, dass beim Zudrehen des NF-Verstärkers man mit der Schirmgitterspannung tun und lassen kann, was man will, dass aber kein Ton mehr aus dem Lautsprecher kommt.
Die Antwort war, dass man schon wisse, was Sache sei und dass es sich um einen ausgewiesenen Fachmann handle, der das ausprobiert habe.

Ähnliche Dinge habe ich schon mit Geräte-Entwicklern erlebt, wobei ich sie daraufhin gebeten habe, abends die Schaltungsskizzen auf dem Pult liegen zu lassen, dass sie von den Raumpflegerinnen begutachtet und korrigiert werden könnten.

Heute bin ich per Zufall auf folgendes gestossen:
http://www.wissensch...ker-selber-bauen.pdf
Da gibt es einen Vorschlag, wie ein einfacher Röhrenverstärker aufzubauen sei. Ich habe nicht alles durchgelesen (da könnte man allenfalls noch weitere Ungereimtheiten finden) sondern lediglich mal das Schaltbild auf Seite 34 angeschaut. Da gibt es als Endröhre eine EL84 mit einer Betriebsspannung von 300V. Am Katodenwiderstand steht angeschrieben 180 Ohm und 52mA. Das ergibt einen Spannungsabfall (= Gittervorspannung) von 9.36V. Nehme ich mir das Datenblatt zur Hand, so habe ich im Maximum eine Anoden-Verlustleistung von 12W und eine Schirmgitterleistung von 1.8W.
Rechne ich nun aus, was die 52 mA sein könnten, so ergäbe dies 40mA für die Anode und 12mA für das Schirmgitter. Das wären dann 12W für die Anode und 3.6W für das Schirmgitter. Das geht so nicht! Oder rechne ich mit einem Schirmgitterstrom von 6mA, dann wäre der Anodenstrom halt 46mA, was auch nicht geht.
Und betrachte ich mir, wann diese Ströme realistisch wären, dann wäre dies bei 40mA Ia und 6mA Ig2 erreicht. Dann bekomme ich aber nur 8.28V Uk. Und wenn ich jetzt die Kennlinien betrachte, so würde aus dieser Gittervorspannung allein schon ein Anodenstrom von rund 54mA entstehen!
Da beginnt doch das grosse Wundern!

Im Schaltbild ist die Rede von Ra 4k. Zeichne ich einen Ra von 4k in das Kennlinienfeld, so ergibt dies eine Ruhe-Anodenleistung von 22.5W. Nehme ich als Basis die erlaubten 12W, so ergibt dies einen Strom von 40mA und eine Lastimpedanz von 7.5k. Für die 4k Ra müssten wir die Speisespannung von 300V auf etwa 210V reduzieren.
Da geht das Wundern munter weiter.

Als Vorröhre ist eine EABC80 eingesetzt. Davon wird das „C“ gebraucht, der Rest ist für die Katz. Gehen wir mal davon aus, dass es sich um ein Radiogerät handeln würde, so würden „A“ und „B“ Sinn machen, denn diese sind als Demodulatoren für AM und FM eingesetzt. Und dabei „gehen“ zwei der drei Dioden mit der Katode an Masse und eine mit der Anode.
Betrachtet man die Beschaltung der EABC80, so stellt man fest, dass an den 9 zur Verfügung stehenden Pin nicht alle Elektroden getrennt aufgeschaltet werden können.
EABC80
Die Katode der Triode und zweier Dioden ist gemeinsam und MUSS daher in der Praxis an Masse liegen. Pin 7 gehört damit an Masse! Die Gittervorspannung wird daher bei der EABC80 üblicherweise durch einen Gitterableitwiderstand von 10M erreicht, an welchem die Spannung aus dem Gitteranlaufstrom entsteht!
Natürlich ist dies bei einem Bastelgerät egal, aber wenn man diese Röhre verwenden will, sollte man sie auch so einzeichnen, wie sie in der Praxis verwendet wird.
Aber wundern wir uns weiter, das dicke Ende kommt gleich!

Da ist von Gegenkopplung die Rede und zwar eine, welche von der Endröhren-Anode an deren Steuergitter geht. Und es ist da die Rede von Schwingschutz. Ein Schwingschutz macht im Prinzip durchaus Sinn, aber dafür ist zuerst mal der 1k Widerstand in der Steuergitter-Leitung verantwortlich. Und in zweiter Linie wäre dies ein Widerstand von etwa 100 Ohm in der Schirmgitter-Leitung. Damit wird das Schwingen schon mal wirksam unterdrückt. Und wenn das nicht reicht kann man eine Gegenkopplung in der erwähnten Art einfügen, allerdings dann mit einem kleinen Kondensator zwischen Anode und Steuergitter. Hier sind es aber 10nF (C6) in „Zusammenarbeit“ mit dem Längswiderstand von 470k (R7). Rechnen wir diese Grenzfrequenz des „Filters“ aus, so haben wir eine Dämpfung oberhalb von 33.8Hz. Sowas nenne ich Bass und nicht Schwingung. Und wenn der Verstärker pumpen würde, was eine spezielle Art von Schwingung ist, dann kann ich dies nicht mit dieser Gegenkopplung beseitigen, denn diese Schaltung führt letztlich zu einer BassANHEBUNG und damit zu vermehrtem Pumpen!
Und wir können auch die Wirkung berechnen. Wir haben nämlich R7, welcher gegen die Parallelschaltung von R6 (470k), R1 (82k) und Ri der Triode (ca. 60k) arbeitet. Diese drei „Widerstände“ ergeben zusammen einen Wert von 32.27k, das macht also einen Spannungsteiler von 0.06425 Oder anders gesagt: Bei Vollaussteuerung der Endröhre kämen auf das Gitter rund 32V von der Anode zurück. Das entspräche einer Gegenkopplung von rund 12dB.
Mit dieser Massnahme kann ich also den Tiefbass um bis zu 12dB anheben (bezw. Die Verstärkung in den Mitten und Höhen um diesen Prozentsatz verringern). Und das wäre eigentlich genügend Gegenkopplung in dieser Schaltung, aber eben, das dicke Ende…

Von der Ausgangsseite des Ausgangstrafos (das sind etwa 0.5 Ohm gegen Masse!) führt eine Gegenkopplung mit 47nF (C5) und 100 Ohm (R3) auf das Gitter der EABC80. Das bedeutet, dass dieses Gitter über 100.5 Ohm an Masse geführt ist (zumindest in den Höhen) und dass demnach aus dem Teiler aus P1 und besagtem R3 nur noch ein Tonsignal mit einem Pegel von minus 47.5dB wiedergegeben wird.

Fazit 1:
Aus diesem Verstärker kommt nahezu nichts! Erst bei voll aufgedrehtem Lautstärkeregler hat man Chancen, etwas zu hören. Dann wird aber das Quellgerät mit den 100 Ohm (R3) belastet. Und dafür sind die üblichen Geräte nicht gebaut. Es handelt sich hier also um eine absolut unüberlegte, unprofessionelle Schaltung. Und es ist egal, wer das erfunden hat, ob Profi oder Laie. Sowas dürfte NIE veröffentlicht werden.

Fazit 2:
Immer noch egal, wer es ausgedacht und niedergeschrieben hat, es taugt nichts. Es taugt allenfalls dazu, jenen Usern den Glauben am „gedruckten Wissen“ etwas zu nehmen, jenen, die meinen, alles was gedruckt und käuflich zu erwerben sei, garantiere Wissen. Eine solche Schaltung als „Vorbild“ zu nehmen und zu zitieren würde die eigene Glaubwürdigkeit in Frage stellen…..
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