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ECM, die Edition of Contemporary Music und ihre Platten

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arnaoutchot
Moderator
#101 erstellt: 13. Jul 2019, 12:42
Bitteschön. Sehr schön beschrieben. Schade, dass es hier tatsächlich nur die Vinyl-LP gibt.

Ich will wenigstens das Cover des Wolfgang Dauner Trios - Output (ECM 1006, 1970) zeigen. Die Trioaufnahme mit Eberhard Weber (b) und Fred Braceful (dr) hatte ich in den 1970ern wohl mal gehört, aber damals als zu abseitig verworfen. Ich glaube, ich muss da nochmals ein Ohr wagen.

1006
https://ecmreviews.com/catalogue/


[Beitrag von arnaoutchot am 13. Jul 2019, 12:47 bearbeitet]
arnaoutchot
Moderator
#102 erstellt: 14. Jul 2019, 15:15
Habe gerade mal in E geblättert, da wird es nicht unbedingt besser als bei D. Ein paar neuere Namen, die ich weder habe noch kenne (Mathias Eick, Mats Eilertsen, Sidsel Endresen), dann Peter Erskine, dessen Trio-Platten ich auch nicht habe und das Evan Parker Electro-Acoustic Ensemble, das eher für die Freigeister ist ... habe ich aber auch nicht ... Vielleicht sind sie ja in anderen Kollektionen vorhanden.

Die einzige in meiner Sammlung ist die wunderschöne, aber rare Steve Eliovson - Dawn Dance. Wenn Michael bereit ist, kann gerne jemand mit dieser weitermachen, ich denke da an Andreas, der die auch auch hat ...
andreas3
Inventar
#103 erstellt: 14. Jul 2019, 15:34
Hallo,

habe gerade wenig Zeit, ich werde heute Abend noch eine mit D einstellen!

Grüße!
dietmar_
Inventar
#104 erstellt: 14. Jul 2019, 18:45

Mr._Lovegrove (Beitrag #100) schrieb:
Aber mit "Dawn" von Double Image ist dafür ein ganz außergewöhnlicher Diamant dabei ...

Deiner Beschreibung ist nichts hinzuzufügen, außer dass ich sie einmal wieder auflegen sollte. Leider habe ich keine allzu gute Vinylausgabe davon, was bei dieser Musik nicht ganz nebensächlich ist.


arnaoutchot (Beitrag #101) schrieb:
Ich will wenigstens das Cover des Wolfgang Dauner Trios - Output (ECM 1006, 1970) zeigen. Die Trioaufnahme mit Eberhard Weber (b) und Fred Braceful (dr) hatte ich in den 1970ern wohl mal gehört, aber damals als zu abseitig verworfen. Ich glaube, ich muss da nochmals ein Ohr wagen.
https://ecmreviews.com/catalogue/

Ein Cover fast wie eine Ikone, in dieser Weise ungewöhnlich für ECM.
Hier - nur ein kurzer OT-Einwurf:
In der gleichen Besetzung, 6 Jahre zuvor, bei Lippmann + Rau, erschienen. Ich finde die ziemlich klasse.

Wolfgang Dauner Trio - Dream Talk
dietmar_
Inventar
#105 erstellt: 14. Jul 2019, 18:51

arnaoutchot (Beitrag #102) schrieb:
Steve Eliovson - Dawn Dance

Der Namen wurde sogar auf der ECM Artists Seite vergessen.
andreas3
Inventar
#106 erstellt: 14. Jul 2019, 21:22
Guten Abend,

Double Image gehört ebenfalls seit Jahrzehnten zu meinen Favoriten, schön dass sie soviel Anerkennung findet. Übrigens ist mir erst jetzt durch Michaels Rezension aufgefallen, dass es sich um ein Coverfoto handelt. Ich war mir sicher es ist ein Gemälde, der Hintergrund wirkt eher surrealistisch. In jedem Fall ein tolles Cover.

wie versprochen noch ein D:

red twist & tuned arrow

Christy Doran - Red Twist & Tuned Arrow
ECM 1342 (1987)

Der Schweizer Gitarrist Christy Doran, sein Landsmann Fredy Studer / drums, perc., beide Mitglieder des Quartetts OM, haben sich hier mit einem zweiten Gitarristen zusammen getan: Stephan Wittwer, der auch sequencer und synths einsetzt. Entstanden ist ein skurriles, aber, oder vielleicht gerade deshalb, hörenswertes Werk zwischen Free, Noise, Industrial, Fun, Jazz, Rock und teils herrlich schwebenden Gitarrenklängen, intelligent und abwechslungsreich gemacht. Ein Panoptikum.
Fredy Studer ist Endorser bei Paiste und verfügt über entsprechend exquisite Cymbalsounds, die hier sauber eingefangen sind. Kürzlich hat Mr._Lovegrove ihn im Zusammenhang mit Rainer Brüninghaus erwähnt. Die Platte ist inzwischen bei mir eingetroffen und wird gerne gehört! Wie auch bei OM zeigt sich Studer hier wie das berühmte Schweizer Uhrwerk, ein toller Drummer.

Grüße!

Mit Eliovson warte ich noch bis der TE den Buchstabenwechsel einläutet..
Mr._Lovegrove
Inventar
#107 erstellt: 15. Jul 2019, 08:04
Gut, dann kommen wir jetzt zum E.
Mr._Lovegrove
Inventar
#108 erstellt: 15. Jul 2019, 08:12

dietmar_ (Beitrag #105) schrieb:

arnaoutchot (Beitrag #102) schrieb:
Steve Eliovson - Dawn Dance

Der Namen wurde sogar auf der ECM Artists Seite vergessen. ;)

Bezugnehmend auf diesen Faux-Pas ist es umso amüsanter, dass ECM dieses Album zum Streaming auf den wichtigen Plattformen freigegeben hat. Läuft bei mir gerade via Spotify.
andreas3
Inventar
#109 erstellt: 15. Jul 2019, 20:31
Guten Abend,

da folge ich doch gerne arnaoutchots Vorschlag, es ist mit eine Ehre. Dieser Musik fühle ich mich wirklich eng verbunden, es war zu Studienzeiten in einem Laden in Tübingen, die hatten ein eigenes ECM- Regal, und als ich das Cover sah und Collin Walcott las, wanderte sie ungehört in die Tüte. Was ich bis heute nicht bereue, sie läuft gerade wieder, inzwischen als CD.

dawn dance

Steve Eliovson - Dawn Dance
ECM 1198 (1981)

Steve Eliovson stammt aus Südafrika, nahm diese Platte auf und verschwand. So liest man, allerdings war eine zweite bei ECM geplant, vor den Aufnahmen brach Eliovson sich in den Alpen beim Skifahren ein Bein. Die Aufnahmen wurden verschoben, er reiste zurück nach New York, wohnte angeblich bei Richie Beirach in einem winzigen Zimmer und verkaufte seinen Besitz, und eben auch die Gitarren, um zu überleben. Und danach hat man von diesem wahren Genie an der akustischen Gitarre nie mehr was gehört.
Traurige Geschichte, wie auch die seines Begleiters auf dieser Platte, Collin Walcott. Er studierte Geige und Schlagwerk, spielte Drums für Tim Hardin, lernte dann Sitar bei Ravi Shankar und Tabla bei Alla Rakha, beide waren in den 70ern die ersten indischen Musiker die im Westen bekannt wurden.
Als Mitglied von Oregon starb er 1984 bei einem Unfall des Tourneebusses.
Es ist unglaublich was die beiden hier abliefern, diese Aufnahme ist eine Perle, und auch im Gesamtwerk Walcotts ein Höhepunkt. Mr._Lovecrove fände sicher die passenden Worte, um die Musik zu beschreiben, ich kann gerade nur sagen: Einzigartig, auch im Vergleich mit den Gitarrengöttern der damaligen Zeit.

Grüße!
Mr._Lovegrove
Inventar
#110 erstellt: 16. Jul 2019, 08:40

andreas3 (Beitrag #109) schrieb:

Es ist unglaublich was die beiden hier abliefern, diese Aufnahme ist eine Perle, und auch im Gesamtwerk Walcotts ein Höhepunkt. Mr._Lovecrove fände sicher die passenden Worte, um die Musik zu beschreiben, ich kann gerade nur sagen: Einzigartig, auch im Vergleich mit den Gitarrengöttern der damaligen Zeit.

Ich höre sie heute zum zweiten Mal und bin deutlich gebannter als beim ersten Mal gestern. Diese Platte braucht einen kleinen Anlauf, aber dann zündet sie wirklich. Eliovson ist ein brillanter Interpret, denn er verbindet außerordentliche Virtuosität mit einer höchst sensiblen und teils zurückgenommenen Art. Er spielt dabei deutlich harmonischer und klassischer als ein Ralph Towner es tut. Es ist weniger ein opulentes denn ein mikrofein temperiertes und teils zerbrechliches Spiel, das Eliovson vollführt. Er weiß zudem sehr genau, wie wichtig Pausen sind, setzt sie geschickt ein und beweist aufs vorzüglichste, dass ein Meistergitarrist ist, wer die Zeit zwischen den Noten gewandt verteilen kann.
Und mehr noch als auf seinen eigenen Soloplatten erlebt man die einzigartige Meisterschaft des Colin Walcott. Er und Eliovson gehen eine kaum mehr erklärbare Symbiose ein, die ich so auf einer Duettplatte noch nicht gehört habe. Der Percussionist bildet nicht einfach einen rhythmischen Hintergrund für die Saitenklänge, nein, er verbindet sich mit ihnen zu einer neuen Einheit. Sein Triangelspiel ist dabei fast noch genialer als seine Künste auf den Tablas.
Walcotts Erfahrungen aus dem Zusammenspiel mit Ralph Towner bei Oregon und seine einzigartigen Gestaltungsfähigkeiten dringen hier deutlich voller durch als auf anderen Aufnahmen. Womöglich hatte er in Eliovson einen Bruder im Geiste entdeckt. Diese beiden gehörten auf jeden Fall zusammen wie Pinsel und Leinwand.

Übrigens ist die Platte auch klanglich ein gigantischer Wurf geworden; audiophil eingefangen im Tonstudio Bauer von Martin Wieland.
andreas3
Inventar
#111 erstellt: 16. Jul 2019, 23:31


Volle Zustimmung in allen Punkten. Übrigens fand ich bei der Recherche auch den Hinweis auf Sessions mit Towner, das werden wir wohl nie zu hören bekommen.

Zu E kann ich nichts mehr beisteuern, die Sammlung ist zu klein..
Mr._Lovegrove
Inventar
#112 erstellt: 17. Jul 2019, 08:25
Ich bin da noch mit Mathias Eick beschlagen:
jpc.de
Mathias Eick
The Door
ECM 2059, 2008

Mathias Eick - Trumpet, Guitar, Vibraphone
Jon Balke - Piano, Fender Rhodes
Audun Erlien - Electric Bass, Guitar
Audun Kleive - Drums, Percussion
Stian Carstensen - Pedal Steel Guitar

Das Debütalbum des norwegischen Trompeters ist ein wahrer Glücksfall und ein herausragendes Beispiel dafür, dass Jazzmusik auch im neuen Jahrtausend noch neue Facetten bekommen kann.
Und wer sich bei der Besetzung durch Stian Carstensen und seine Pedal Steel Gitarre abgestoßen fühlt, der sei beruhigt. Hier wird keine johlende Countrymusik gespielt. Ganz im Gegenteil, Carstensen und seine Steel sind der rechte Kontrapunkt in dieser Musik,
Mathias Eick ist durchaus ein Mann der großen Melancholie und auch der Traurigkeit. Seine Trompete verliert sich manchmal durchaus in Wehmut, aber seine Kompositionen tun dies ebenson und so passt eins aufs andere. Und genau da greift die Pedal Steel diametral ein und verleiht dieser Schwere den rechten Hauch Hoffnung. Jon Balke wiederum spielt hier eine ganz eigene Rolle. Er ist der harmonische Gestalter im Hintergrund und zudem Eicks Multiplikator, der geschickt und auffällig Akzente setzt. Wie ich schon in meinem Beitrag zu Balke erwähnt habe, hält er sich aber durchaus auch zurück und spielt sich nicht auf. Geschickte atonale Einwürfe hört man aber auch hier wieder. Doch es passt wunderbar in diese so aufwühlende Welt.
Ja, es ist ein schweres Album voller Emotion und doch auch eine teils komplex anmutende Modernjazzplatte. Aber Titel wie "October" und sogar "December" sind beileibe gar kein Dancehall Swing, sondern leise, tiefgehende Balladen, der Opener "The Door" nimmt sich wie eine lange Autofahrt durch verschneite Alleen, der "Cologne Blues" bietet aschfahle und trostlose Akkorde.
Das ist ein brillantes Debüt für Freunde des ganz großen Gefühles.

Die Produktion aus dem Rainbow in Oslo ist ungewöhnlich knackig und irgendwie poppig gehalten. Der Tontechniker war auch nicht Jan- Erik Kongshaug und man hat sich wohl bewußt für einen etwas kompakten und runderen Sound entschieden, der die Scheibe in eine Alternative Richtung schwenken läßt. Es klingt eben nicht wie die meisten der ECM Scheiben aus diesem Studio, aber der Klang passt einfach zur Musik.

Eicks Nachfolgealbum "Skala" (ECM 2187, 2011) im übrigen fand ich weniger erbaulich, denn es klingt wie ein etwas inspirationsloser Klon dieses Debüts. "Midwest" (ECM 2410, 2015) dann war wirklich sehr countrylastig, während das letzte Werk "Ravensburg" (ECM 2584, 2018) doch wieder eine sehr gelungene Angelegenheit wurde.


[Beitrag von Mr._Lovegrove am 17. Jul 2019, 08:48 bearbeitet]
Mr._Lovegrove
Inventar
#113 erstellt: 19. Jul 2019, 07:54
Falls niemand was zu Sidsel Endresen oder Peter Erskine sagen kann, schlage ich vor mit F weiterzumachen.


[Beitrag von Mr._Lovegrove am 19. Jul 2019, 07:55 bearbeitet]
arnaoutchot
Moderator
#114 erstellt: 19. Jul 2019, 08:14
Mir fiel bei E noch die Everyman Band ein (mit Marty Fogel und David Torn), die ich aber auch nicht kenne oder habe. Dass scheinbar keiner von uns wenigstens eine der vier Peter Erskine-Platten hat (im Trio mit Palle Danielsson und John Taylor) hat (mich eingeschlossen ! ), bedrückt mich schon ein wenig. Die müssen gut sein. Da muss ich nacharbeiten.

Kurze Notiz: Gestern traf Arild Andersen - The Triangle bei mir ein. Eine Folge aus diesem Thread !

Bei F schaut es abermals nicht allzu gut aus bei mir Lediglich Pierre Favre - Singing Drums (ECM 1274, 1984) und Anat Fort Trio feat. Gianliuigi Trovesi - Birdwatching (ECM 2382, 2013) finden sich bei mir.

Es gibt Platten von First House (feat. Django Bates), Michael Formanek, Paolo Fresu und Bill Frisell. Hab ich alle nicht, aber sicherlich jemand anderes hier in der Gruppe.


[Beitrag von arnaoutchot am 19. Jul 2019, 08:24 bearbeitet]
HansFehr
Inventar
#115 erstellt: 19. Jul 2019, 08:37
Diese CD habe ich in Chicago gekauft. Quasi ein Reimport.

Bill Frisell
In Line
ECM 1241, 1983

Solo und im Duett mit Arild Andersen am Bass. Sehr ruhige Musik.

Mr._Lovegrove
Inventar
#116 erstellt: 19. Jul 2019, 09:17
Da habe ergänzend dazu folgende im Regal stehen:
jpc.de
Bill Frisell
Rambler
ECM 1287, 1985

Bill Frisell - Guitar, Guitar Synthesizer
Kenny Wheeler - Trumpet, Cornet, Flugelhorn
Bob Stewart - Tuba
Jerome Harris - Electric Bass
Paul Motian - Drums

Ich hatte sie mir im Rahmen der Touchstone Serie mal blind gekauft, weil ich Frisells Beiträge und Sounds bei Jan Garbarek sehr mag. Leider ist Frisells eigene Musik zumindest auf diesem Album so gar nicht meins. Frisell spielt doch tatsächlicherweise über weite Strecken atonale und äußerst schräge Marschmusik und lässt Wheeler und Stewart äußerst humoristisch auftreten. Er selber bleibt seinen countryesken Gitarrenklängen schon fast überstrapazierend treu. Diese argen Kontraste können sehr anstrengend sein; für geneigte Ohren ja vielleicht sogar spannend.
Mr._Lovegrove
Inventar
#117 erstellt: 19. Jul 2019, 21:05
Zwischendurch gebe ich mal die frohe Kunde weiter, dass ECM heute angefangen hat, 40 Alben als Stream und Downlaod (leider nicht als CD) online zu stellen, die es noch nie als Digitalvariante gab.
https://www.ecmrecords.com/news
Die Gesamtliste gibts wohl noch nicht, aber dass eine Double Image dabei ist, ist gar nicht weit her geholt. Ich bin gespannt.

Aus dem ersten Schub kann ich nur die "Desert Marauders" (ECM 1106, 1977) von Art Lande sowie "Picture This" (ECM 1226, 1982) von Gary Burton empfehlen.
arnaoutchot
Moderator
#118 erstellt: 20. Jul 2019, 10:58
Danke für die Information. Da bin ich mal gespannt, was da alles noch kommt !

Hier zu Anat Fort Trio feat. Gianluigi Trovesi - Birdwatching (ECM 2383, 2013). Die israelische Pianistin hat hier Gary Wang (b) und Roland Schneider (dr) als Triopartner dabei, zudem gesellt sich das italienische Jazz-Urgestein Gianluigi Trovesi (cl) dazu.

Das ist wieder so eine neuere ECM-Platte, mit der ich meine Schwierigkeiten habe. Es ist alles harmonisch und im Fluss, aber auch einfach glatt und teilweise belanglos. Auch Trovesi reisst das nicht wesentlich raus. Solche Platten gab es natürlich auch schon in den 1970ern auf dem Label, aber da war irgendwie noch eine andere Spannung dahinter. Wahrscheinlich liegt es an mir. Wer an dem impressionistischen Jazz von ECM Gefallen findet und selbstverständlich die übliche hohe Klangqualität sucht, sollte aber ruhig mal ein Ohr reinwerfen.

jpc.de
Mr._Lovegrove
Inventar
#119 erstellt: 20. Jul 2019, 13:18
Und gut, dass ich nächste Woche noch Urlaub habe, denn wenn ich demnächst das G freigeben werde, dann brauche ich wohl Zeit für meine Beiträge
arnaoutchot
Moderator
#120 erstellt: 20. Jul 2019, 13:39
Ich glaube ich fange an, Frisell, Formanek und Fresu nachzukaufen, um ein zu frühes Erscheinen von Mr. Gaga hier zu verhindern ...

Spass beiseite: Favre muss ich wirklich erst nochmals hören, melde mich dazu wieder.

Edit: Hab das Pierre Favre Ensemble - Singing Drums (ECM 1274, 1984) gerade aufliegen. Lange nicht gehört, ich hab auch nur die LP. Das ist eine faszinierende Platte für den "acquired taste". Ein reines Percussion-Quartett mit den Schweizern Favre und Studer, Paul Motian und als "Exoten" Nana Vasconcelos. Die vier schaffen ohne irgendwelche Melodieinstrumente doch eine harmonische Atmosphäre. Klanglich ist die Aufnahme sehr gut, allerdings nicht in den bekannten Studios, sondern in Willisau (aber scheinbar nicht live) aufgenommen.

amazon.de


[Beitrag von arnaoutchot am 20. Jul 2019, 18:41 bearbeitet]
Mr._Lovegrove
Inventar
#121 erstellt: 24. Jul 2019, 21:05
Ich eröffne nun das G und gemäß meiner Leidenschaft mit einem der ganz großen Künstler des Labels, Jan Garbarek.

Auch wenn er den meisten ein Begriff ist, so seien kurz ein paar einleitende Worte geschrieben:
Der norwegische Saxophonist (und manchmal auch Flötist) polnischer Abstammung ist ein waschechter Autodidakt, der schon mit 15 und nur ein Jahr nach Beginn seines Spiels einen Amateurwettbewerb gewann, der bis heute eine für Jazzverhältnisse doch recht große Fangemeinde besitzt.
Er startete Ende der 60er schnell beim großen Arrangeur George Russell durch, mit dem er einige Platten aufnahm. Hier traf er auch andere spätere Stars der nordischen Jazzszene wie Terje Rypdal, Jon Christensen und Arild Andersen. In dieser frühen Phase hört man Coltranes Einfluß auf den Saxophonisten noch recht deutlich und seine Musik ist oft noch wild und frei.
1970 dann kam Garbarek dann zu ECM und nahm sein erstes Album für Manfred Eicher auf. Bis heute ist das Label die Veröffentlichungsheimat des Musikers mit dem eigensinnigen Ton. Und sein Spielstil hat neben vielen Freunden durchaus auch Spötter hervorgebracht, die seine ureigene Art des Saxophonspiels als jaulend oder pathetisch ansehen. Und sicher hat sich Garbareks Spielart über die Jarzehnte hinweg verändert und womöglich auch auf dieses eher Weitschweifende und Überschwelgerische konzentriert, doch sein Einfluß als eine der zentralen Figuren des europäischen Jazz kann wohl niemand bestreiten.
Garabreks Diskographie umfasst ca. drei Dutzend Alben als Leader oder Co-Leader und etwa zwei Dutzend als Begleiter unter anderen Leadern. Darunter Ralph Towner, Shankar, Gary Peacock und natürlich Keith Jarrett.
Seine Zeit als Leader lässt sich ganz vernünftig in drei Perioden aufteilen.

1. Periode (1970 - 1979): Frühe freie Phase und nordische Klassiker im rein akustischen Kontext
2. Periode (1980 - 1986): Modernerer Jazz auf dem Weg zu einem gefestigten Stil
3. Periode (1987 - heute): Die bis heute bestehende Jan Garbarek Group und weltmusikalische Experimente aller Art.

Und wie ich schon mal erwähnte, werde ich zunächsteinmal die wichtigsten Alben der Perioden vorstellen. Nicht alle Alben Garbareks sind Meisterstücke und wer bei ihm einsteigen möchte, sollte erst zu den großen Platten greifen.

Gleich das ECM- Debüt ist auch so eine geworden:

jpc.de
Jan Garbarek Quartet
Afric pepperbird
ECM 1007, 1970

Auf diesem Debütalbum Garbareks für Manfred Eichers damals noch jungem ECM Label läßt sich fast nicht erahnen, welchen Weg der Autodidakt später einschlagen wird. Die meist kaum mehr als Skizzen zu bezeichnenden Stücke sind wild, laut, frei und bersten teilweise über vor Energie und innerer Spannung. “Beast of Kommodo” als noch fassbarste Komposition sei hier als nur ein Beispiel genannt. Man spürt deutlich, wie sehr alle Beteiligten den Free Jazz inhaliert haben und diese expressive Ausdrucksart mit ihren eigenen Mitteln kombinieren und umsetzen. In “Blow away zone” läßt Garbarek sein Tenor regelrecht schreien, während Terje Rypdals Gitarre giftig keift. Getrieben wird dieser Tanz von Jon Christensens peitschendem Schlagzeug und Arild Andersens wildem Bass. Eingebunden von drei kleinen Miniaturen bewegt sich das Quartett im Titelstück in einer Art rhythmischen Trancewolke, die von Rypdals Wah-Wah Sounds verdichtet wird. Garbareks ungestümer und ekstatischer Einsatz treibt die Gruppe dabei immer weiter in dieses Sounddickicht. Dieser tonale Tornado zeigt ohne Schleier die Wurzeln der späteren Legende auf.

Und wer es noch freier und noch atonaler haben will, greift zu:
jpc.de
Jan Garbarek
Sart
ECM 1015, 1971

Das ist Free Jazz reinsten Wassers und legt gegenüber o.g. noch eine Schippe in Sachen Wildheit und Ungezügelheit drauf. Terje Rypdal zeigte hier noch beeindruckender, welch großartiger und auch aggressiver Gitarrist er damals schon war.
Und wer dann noch nicht genug davon hat, kauft die Steigerung all dessen.
jpc.de
Jan Garbarek
Tryptikon
ECM 1029, 1973

Bis auf das folkig- mystische "Selje" lösen Garbarek, Andersen und Vesala jegliche Formenhaftigkeit einfach auf; ach was, sie lassen sie gar nicht erst zu. Für jemanden, der Freejazz kaum hört oder einfach nicht gewohnt ist, erklingt hartes Zeug.
Dieses dritte Free- Album ist dann auch der Endpunkt von Garbareks freier und fast schon unkontrolliert früher Phase. Was folgt, ist die Fortentwicklung dessen, was u.a. Jan Johansson in den 60ern schon initialisiert hatte - der ureigenständige nordische Jazz.
arnaoutchot
Moderator
#122 erstellt: 25. Jul 2019, 19:34

Mr._Lovegrove (Beitrag #121) schrieb:
Ich eröffne nun das G und gemäß meiner Leidenschaft mit einem der ganz großen Künstler des Labels, Jan Garbarek.


Nun, fügen wir uns ins Unvermeidliche ... (wenngleich sich schon bei den Worten "einer der ganz grossen Künstler" in mir etwas windet ... ). Zu Afric Pepperbird allerdings meine uneingeschränkte Zustimmung, die ist wirklich superb.

Wie willst Du es haben, Michael ? Sollen wir uns zurückhalten und Dich erst mal mit Garbarek austoben lassen ? Oder sollen wir es mit anderen Gs aus dem Katalog auffächern ?

Ich hätte etwa 20 Platten von Egberto Gismonti im Bestand, dann Mick Goodrick, George Gruntz, Barry Guy und Tord Gustavsen. Freiwillige werden gesucht für Larry Grenadier, Michael Galasso oder Paul Giger, die kenne ich (tw.), habe ich aber nicht.


[Beitrag von arnaoutchot am 25. Jul 2019, 19:37 bearbeitet]
Mr._Lovegrove
Inventar
#123 erstellt: 25. Jul 2019, 20:01
Ich würde gerne noch in drei kompakten Abschnitten die wichtigsten Platten von Garbarek vorstellen. Wie schon zugesagt, ich halte mich zurück und gehe nicht auf jede obskure CD ein, außer es ist anders gewünscht.
Wer dann noch ergänzend etwas zu weiteren Scheiben sagen möchte, soll es gerne tun.


[Beitrag von Mr._Lovegrove am 25. Jul 2019, 20:02 bearbeitet]
Mr._Lovegrove
Inventar
#124 erstellt: 25. Jul 2019, 21:07
Ursprünglich hatte Pianist Bobo Stenson seine Musik in einem Trio mit Palle Danielsson (b) und Jon Christensen (dr) spielen wollen, doch dann kam Garbarek ins Spiel und gemeinsam ging man im November 1973 ins Talent Studio, Oslo und nahm einen DER Klassiker des Nordic- Jazz auf:
jpc.de
Jan Garbarek - Bobo Stenson Quartet
Witchi-Tai-To
ECM 1041, 1974

Obwohl vier der fünf Stücke Fremdkompositionen sind und das titelgebende Stück zudem gar nicht mal aus dem Jazz kommt, so formt das Quartett daraus eine Dramaturgie und eine Atmosphäre, die so noch nie war. Man trifft nicht nur auf Christensens schon damals typisch- puristische Rhythmusarbeit und einen stilprägenden Danielsson, sondern vorallem auf Bobo Stensons reich schattiertes und nordisch- belichtetes Piano, das so kühl wie warm erzählt und reich an Melodien ist. Und dann schwingt sich passend dazu Jan Garbarek das erste mal zu seinem intensiven Saxophongesang auf und schwingt dessen Flügel, so wie viele es bis heute lieben. Vorallem das Titelstück wird so aus seiner etwas mediokren Folkecke geholt und zu einem veritablen Jazzhit.

Das Album war so erfolgreich, dass man genau zwei Jahre später in gleicher Besetzung wieder ins Studio ging, um aber dieses Mal eine Handvoll Garbarek- Originale und ein altes norwegisches Folkstück aufzunehmen.
image
Jan Garbarek - Bobo Stenson Quartet
Dansere
ECM 1075, 1976
Das erste und gleichzeitige Titelstück ist für mich eine der ganz großen Sternstunde europäischer Jazzmusik. Garbarek und Stenson teilen dieses epochale Meisterwerk in zwei Teile und schaffen so eine unglaubliche Spannung. Die ersten sechseinhalb Minuten sind wie eine Wanderung durch dichten und unheimlichen Nebel, bis Stenson in einem genialen Moment das eigentlich Thema einleitet und Garbarek hier mit diesigem Saxophon einstimmt, während Christensen tautropfenglänzende Becken anschlägt. Dabei schreitet man bedacht und vorsichtig voran und lässt sich Zeit. Stensons Solo schließlich ist einfach eine gänsehauterregende Angelegenheit voll tiefer Poesie!
Doch das Album bietet auch im weiteren und bis zum wehmütigen Schlußstück "Til Vennene" ein ausnahmslos packendes Potpourri improvisierter Musik, die durchzogen ist von kühlen Norden und dessen mystischer Weisen und ist somit einer der Prototypen dessen, was man heute landläufig Nordic- Jazz bezeichnet. Wenn man nur ein Garbarek- Album besitzen möchte, dann sei es dieses!

In den 70ern hat Garbarek eine interessierte Platte nach der anderen gemacht, bzw. war daran beteiligt. Bezugnehmend auf Bill Connors "Of Mist And Melting" sei noch diese hier erwähnt:
jpc.de
Jan Garbarek
Places
ECM 1118, 1978

Auch im Dezember 1977 aufgenommen und auch mit Gitarrist Bill Connors (sowie Gary Peacock und Jack DeJohnette) ist dieses Album Garbareks düsterstes geworden. Er entführt den Hörer auf eine Wanderung durch Berg und Tal und durch Nebel und Regen, geflutet von ein wenig Sonnenschein zwischendurch. Die Platte ist fast genauso meisterhaft wie Dansere und besticht mit kompromißloser Haltung.

Und wer dann das atmosphärische Gegenstück hören möchte, der kauft noch diese hier:
amazon.de
Jan Garbarek Group
Photo with...
ECM 1135, 1979

Hier spielt das erste Mal Eberhard Weber mit, doch eigentlich ist dies John Taylors Platte. Er streichelt diese eh schon sanfte und fast bittersüße Musik mit seinem federzarten und gehaucht- melancholischem Piano und ist der eigentliche Hauptact dieser Platte, die so ganz anders klingt, als die düsteren Folkausritte von Garbarek davor. Doch trotz Webers Anwesenheit und dem Beinamen "Group" hat dieses Album noch gar nichts mit der späteren Musik von Jan Garbarek und der in den 80ern neu formierten Gruppe zu tun.


[Beitrag von Mr._Lovegrove am 25. Jul 2019, 21:13 bearbeitet]
crim63
Inventar
#125 erstellt: 25. Jul 2019, 22:23
Hallo !

Jetzt sind wir bei G, einem meiner Lieblingsjazzer, sorry Michael (arnaoutchot ), der Man hat mir`s angetan.
Ich hab auch noch eine Platte aus der frühen Phase wie Mr.Lovegrove schreibt, die Belonging, ich kann sie nur nicht so recht einordnen.
Lange nicht gehört, aber gut in Erinnerung.

Belonging

Jan Garbarek, Keith Jarrett, Palle Danielsson, Jon Christensen
Belonging
ECM 1050ST
1974

Gruß Maik
Mr._Lovegrove
Inventar
#126 erstellt: 26. Jul 2019, 07:33
"Belonging" muß man aber ganz offiziell Keith Jarrett zuordnen. Von ihm stammen alle Kompositionen auf dem Album und es war letztlich sein Quartett. Aber mit der Scheibe komme ich auch immer noch nicht zu Rande. Wahrscheinlich weil da Jarrett mitspielt.

Es gibt da übrigens eine Anekdote aus dieser Zeit: MItte der 70er war Garbarek sowohl mit Bobo Stenson als auch mit Jarrett im Quartett auf Tour, doch letzteres war beim Publikum deutlich beliebter und so wurden Garbarek und Stenson auf Tour immer wieder vom Publikum angehalten, doch bitte Sachen vom Jarrett- Quartett zu spielen, was man teilweise auch tat.


[Beitrag von Mr._Lovegrove am 26. Jul 2019, 07:36 bearbeitet]
Mr._Lovegrove
Inventar
#127 erstellt: 26. Jul 2019, 08:02
Doch nochmal zurück zu Garbareks Diskographie. Er tat sich Anfang der 80er für zwei Alben mit Bill Frisell zusammen. Die erste Kollaboration ist mein absoluter Liebling unter den Garbarek- Alben:
amazon.de
Jan Garbarek
Paths, Prints
ECM 1223, 1981

Hier hört man den Jazzstar auf einem seiner kreativen Höhepunkte. Das Album ist dabei eine Schnittstelle, in der Garbarek gekonnt frühe Freiheiten mit seiner späteren weiter ausgeprägten Überschwenglichkeit verbindet. Man kann schon auf dem wunderbaren Cover (Foto: Petra Nettelbeck, Design: Barbara Wojirsch) erahnen, wohin einen die Musik führt und wie weit und grenzenlos sie ist. “The Path” als Opener ist durchflutet von Mythik und emotionaler Freiheit. Diese allerdings verpackt die Gruppe eher in eine elegische und ruhige Hörlandschaft. Jon Christenses präzises Spiel verleiht dem Stück dazu die nötige Prise Hypnose. Ein zurückhaltender, aber immer präsenter Bill Frisell wirft gekonnt diverse countryeske Sprengsel ein und manifestiert sich auf dieser Platte als einer der genialsten Partner von Garbarek. Garbareks Melodien sind greifbar, aber nicht pathetisch, sein Spiel wenig prätentiös. Und seine abwechslungsreichen und auch mal atonalen Kompositionen, wie “The move” lassen Zeit und Raum einfach vergessen. Ihm gelingt hier die großartige Kunst der äußerlichen Kontemplation, die aber immer spannend und abwechslungsreich bleibt.
Auch klanglich weiß die Platte im übrigen zu überzeugen, wobei die Percussion im Intro von "Footprints" so leise ist, dass sie auf einem knisternden Vinyl (das ich in diesem Fall sogar auch noch habe) ziemlich absäuft.

Garbarek und Frisell nahmen zusammen noch eine Platte auf, doch "Wayfarer" (ECM 1259, 1983) kommt bei weitem nicht an die Meisterhaftigkeit des Vorgängers heran, ist aber dennoch eine interessante Platte, in der beide ihre hervorragend passenden Spielstile gekonnt vermischen.

Wesentlich interessanter wird es dann wieder zwei Jahre später.
amazon.de
Jan Garbarek
It´s OK To Listen To The Gray Voice
ECM 1294, 1985

Eberhard Weber ist wieder mit an Bord, doch nun hat der Norweger mit Michael DiPasqua (dr) und David Torn (g) zwei echte Modernisten mit an Bord. Doch das Album ist das ganze Gegenteil einer atonalen oder schrägen Angelegenheit. Ganz im Gegenteil, alle Kompositionen, deren Titel genauso wie der des Album im übrigen Gedichten von Tomas Tranströmer entnommen sind, entwickeln von Beginn an einen äußerst ruhigen und teils Soundscape- haften Sog. Doch zwischendurch entwickelt das Quartett durchaus Druck und schreitet voran. Das liegt auch an DiPasquas typisch- druckvollem Spiel und Webers außergewöhnlichem Bassspiel. "Mission: To Be Where I Am" wiederum ist so eingängig, dass es leider auch das einzige Stück ist, welches hier kaum hineinpasst. Doch danach wenden sich die vier wieder auf magische Art und Weise atmosphärischen Klängen zu. Es entstehen zwei Stücke, die wie das weite Meer klingen, die das Salz im Wasser gar schmecken und das Watt erfühlen lassen. Weber spielt im Titelstück zudem das wahrscheinlich brillanteste Solo seiner Laufbahn. Fantastisch!
Mr._Lovegrove
Inventar
#128 erstellt: 26. Jul 2019, 14:06
Hier zwischendurch ein erneutes Update bezüglich der neuen Digitalveröffentlichungen. Heute hat ECM u.a. und endlich "Dawn" von Double Image zum Stream und zum Download eingestellt!!! Juhi! Ich hab sie mir gleich gekauft, auch wenn ich 16,49 für einen Download so ohne Cover für recht teuer halte.
Aber das Album endlich ohne Knistern und Rauschen und in voller CD Qualität zu genießen ist ja fast unbezahlbar.
Außerdem gibt es noch die hier im Thread schon erwähnten "Output" von Wolfgang Dauner und "Faces" von John Clark.
arnaoutchot
Moderator
#129 erstellt: 26. Jul 2019, 15:05
Scheinbar liest hier jemand von ECM mit ...
dietmar_
Inventar
#130 erstellt: 26. Jul 2019, 17:09
Ist das zu optimistisch gedacht, dass es dann bald „Dawn“ auch auf CD geben wird?
arnaoutchot
Moderator
#131 erstellt: 26. Jul 2019, 17:19
Ja. Ich denke, die Downloads werden nun statt CD angeboten. Alles andere würde mich wundern. Vielleicht in einer Touchstones-Reihe zum 60. Geburtstag des Labels, 2029 ...
Mr._Lovegrove
Inventar
#132 erstellt: 27. Jul 2019, 09:04
Zurück zu Garbarek und seiner dritten Schaffensphase, die seinen bis heute gültigen Sound manfiestierten sollte. In dieser Phase stellte er die bis heute bestehende und so weltberühmt gewordene Group zusammen. Zu seinen nun ständigen Begleitern sollten Eberhard Weber (b), Rainer Brüninghaus (p, keyb) und auf den Touren zumindest abwechselnd Marilyn Mazur (perc), Trilok Gurtu (perc) oder auch mal Manu Katché (dr) gehören.
Garbarek fokussierte sich seit 1988 auf Musik, die in schwelgerischer und erzählender Weise nordische Folkelemente mit kompositorisch recht stringent und strukturiert angelegter Musik verbindet. Nun fanden auch Keyboardsounds sowie sein durchaus immer pathetischerer Saxophonsound ihren Weg in Garbareks Kosmos.
Die ersten drei Platten aus dieser Zeit gehören definitiv zur Basis einer jeden Garbareksammlung und auch in den Grundstock der ECM- Diskographie an sich; ich denke, auch Garbarek- Verächter werden mir dem zustimmen (müssen):
jpc.de
Jan Garbarek
Legend Of The Seven Dreams
ECM 1381, 1988

Schon hier finden sich ausschweifende Themen und Melodien, extrem detaillierte Arrangements und dominante Keyboards finden. Doch gerade dadurch gewinnt dieses Album mit zunehmendem Hören an Charakter. Ist der Beginn “He comes from the north” auch eher außergewöhnlich, fasziniert aber mit seiner Tranceartigkeit, so steuert die Gruppe danach auf diesen klassischen Kurs. “Tongue of secrets” ist schauerlich düster und veranschaulicht, wie bildlich und greifbar der Virtuose komponieren kann. Bei “Brother wind” wird dies noch deutlicher, ist dies doch bis heute Garbareks bekannteste Melodie. “Send word” beeindruckt mit einer wehmütigen Melodie und “Voy cantando” wird von düsteren Keyboardsounds und einer inneren Verschliffenheit dominiert, die exemplarisch ist für dieses nordisch- kühl geprägte Albumhighlight von Garbarek.

jpc.de
Jan Garbarek
I Took Up The Runes
ECM 1419, 1990

Was sich auf “Legend of the seven dreams” schon angekündigt hat, zeigt sich erstmals in seiner vollendeten Form. Auch wenn “Gula gula” von Mari Boine ist, so hört man deutlich, welche Intention Garbarek verfolgt. In der fünfteiligen Suite “Molde canticle” wird dies noch offensichtlicher. Große Melodien treffen dort auf pathetisch eingefärbte Soli und artmosphärische Keyboardsounds und Pianotöne aus Rainer Brüninghaus virtuosen Händen. Eberhard Weber korpusloser Kontrabass ist mehr als nur Rhythmusknecht und speziell in “Part 3” zeigt Manu Katché seine Klasse als Drummer. Auch die anderen Stücke, wie der schöne Titelsong, zeigen, dass die Gruppe hier das musikalische Land beschreitet, mit dem sie kommerziell erfolgreicher wurde und viele neue Liebhaber gewonnen hat. Experimentierfreudig ist das Album nicht, aber für den nordischen Jazz allemal ein Markstein.

jpc.de
Jan Garbarek Group
Twelve Moons
ECM 1500, 1993

Auch wenn man hier schon deutlich auf den Pathos seines Saxophonspieles trifft, den Garbarek später weithin überstrapaziert hat, so hört man den
Autodidakten hier auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Die hier gespielten Kompositionen sind atmosphärisch, vielschichtig und lassen seinen
längjährigen Mitstreitern einigen Raum zur Entfaltung ihrer Spielkultur. Gleich im Titelstück wagt Garbarek aber ein weiteres mal das Spiel mit der Elektronik. Und es entsteht ein dicht gewobener Klangteppich, der sehr bildlich und dreidimensional die Phantasie des Hörers beflügelt. Doch den großartigen Kern bilden 6 neue, punktgenau arrangierte und atmosphärische Stücke für die klassische Garbarek Group. Und gerade im eleganten “There
were swallows” oder im treibenden Epos “Gautes-Margijt” manifestieren die Herren Weber, Brüninghaus und Katché, aber auch Marilyn Mazur ihre Einzigartigkeit. Die Kollaborationen mit Mari Boine und Agnes Buen Garnas rücken da fast in den Hintergrund. Und seine finale Neudeutung von
”Witchi-Tai-To” ist der einzige Streitpunkt dieses ansonsten nicht angreifbaren Meilensteines.

Garbarek hat danach zwei weitere Alben in ähnlicher Konzeption gemacht; einmal "Visible World" (ECM 1585, 1996) und dann noch das Doppelalbum "Rites" (ECM 1685/86, 1998). Beide können nicht mehr als durchgängig gelungen bezeichnet werden und auf beiden überstrapaziert er seinen Pathos und seine lieblich- dramatische Spielweise sehr; auf "Rites" wird dies mit Hilfe eines Orchesters gar absolut unerträglich.
arnaoutchot
Moderator
#133 erstellt: 27. Jul 2019, 13:13
Ich habe gerade mal Discogs befragt zum Stichwort Garbarek und es warf immerhin 26 Platten von ihm oder mit seiner Beteiligung in meiner Sammlung aus. Gut zehn davon sind Platten unter eigenem Namen. Bei den frühen bis Ende der Siebziger bin ich im wesentlich einverstanden, das waren schon gute Platten, die mir auch heute noch gefallen. Die meisten habe ich noch auf LP, zB Witchi-Tai-To, Dansere, Belonging. Oder es waren hevorragende Kollaborationen wie mit Haden und Gismonti oder Ralph Towner's Solstice.

Eine der Platten aus der Zeit, die ich immer noch beachtlich finde, und die noch nicht genannt wurde, ist die Jan Garbarek / Kjell Johnson: Aftenland (ECM 1169, 1980) Garbarek mit nur einem Organisten, die Stücke in einer nordischen Kälte spielen, dass einem das Blut gefriert. Man sollte das vielleicht nicht in depressiven Phasen hören, irgendeine Kritik nannte es mal den perfekten Soundtrack für Ihren nächsten Selbstmordversuch, aber das bleibt für mich etwas Besonderes.

jpc.de


Andere Dinge, die hier stehen, finde ich inzwischen grauenvoll bis unhörbar. zB Dis, in der Garbie gegen eine Windharfe anbläst oder die völlig misslungende Kooperation mit den pakistanischen Musikern auf Ragas & Sagas. Letztere ist ein Musterbeispiel, wie Garbarek null auf die ethnischen Musiker hört, sondern alles überbläst, was ihm in den Weg kommt. Selbiges hat er auch zwei Jahre später dann bei Officium veranstaltet. Zuerst mag die Idee mit Garabareks Linien über dem Renaissance-Gesang des Hilliard Ensembles ja ganz reizvoll klingen, aber schnell stellte ich fest, dass Parce mihi domine von Cristobal de Morales, das immerhin drei mal auf der Platte dargeboten wird, in der einen Version ohne Garbarek die mit Abstand beste ist

Irgendwann fand die Dresden noch zu mir (angeregt durch die Diskussionen hier), die fand ich gar nicht sooo schlecht, aber sie ist das einzige geblieben, was ich von Garbarek nach den 1990ern noch habe.
Mr._Lovegrove
Inventar
#134 erstellt: 28. Jul 2019, 08:33

Mr._Lovegrove (Beitrag #126) schrieb:

Es gibt da übrigens eine Anekdote aus dieser Zeit: MItte der 70er war Garbarek sowohl mit Bobo Stenson als auch mit Jarrett im Quartett auf Tour, doch letzteres war beim Publikum deutlich beliebter und so wurden Garbarek und Stenson auf Tour immer wieder vom Publikum angehalten, doch bitte Sachen vom Jarrett- Quartett zu spielen, was man teilweise auch tat.

Ich muß mal man eigenes Zitat korrigieren: Wie Bobo Stenson richtigerweise erzählte, verlangten die anderen Musiker von ihm, die Jarrett Sachen zu spielen. Garbarek, Danielsson und Christensen waren damals parallel mit Jarrett unterwegs und trugen diesen Wunsch an Stenso n heran. Stenson meinte, dass er Stücke aus "Belonging" spielen sollte und das mal mehr mal weniger klappte, auch weil die Musik schwer zu speien zu war. So ist es im Buch "Horizons Touched" nachzulesenn.


[Beitrag von Mr._Lovegrove am 28. Jul 2019, 10:24 bearbeitet]
Mr._Lovegrove
Inventar
#135 erstellt: 28. Jul 2019, 08:48

arnaoutchot (Beitrag #133) schrieb:

Andere Dinge, die hier stehen, finde ich inzwischen grauenvoll bis unhörbar. zB Dis, in der Garbie gegen eine Windharfe anbläst oder die völlig misslungende Kooperation mit den pakistanischen Musikern auf Ragas & Sagas. Letztere ist ein Musterbeispiel, wie Garbarek null auf die ethnischen Musiker hört, sondern alles überbläst, was ihm in den Weg kommt. Selbiges hat er auch zwei Jahre später dann bei Officium veranstaltet.
.....
Irgendwann fand die Dresden noch zu mir (angeregt durch die Diskussionen hier), die fand ich gar nicht sooo schlecht,


Deshalb habe ich die alle mal nicht erwähnt. "Dis" (ECM 1093, 1976) allerdings ist weit mehr als der von dir beschriebene Zustand. EIgentlich ist das eine hervorragende Duettplatte mit Ralph Towner, mit dem Garbarek ja auch auf den beiden "Solstice"- Alben zu hören ist.
"Ragas und Sagas" (ECM 1442, 1992) aber habe ich schätzungsweise 1x ganz gehört und danach ins Regal verbannt. "Officium" (ECM 1525, 1994) lief nach Erwerb öfters mal, doch auch ich sehe das heute als eher kaum hörbar an. Die Nachfolger habe ich auch, allerdings ausschließlich der Vollständigkeit halber.
In diesen Kanon der weniger gelungenen Kollaborationen fügt sich aber in meinen Augen auch "Madar" (ECM 1515, 1994) ein. Selbst wenn dort mit Anouar Brahem ein großer Mitmusiker dabei ist, so passt hier ebenso wenig zusammen. Und wenn wir schon bei den künstlerischen Schattenseiten Garbareks sind, dann darf sein absoluter Tiefpunkt nicht unerwähnt bleiben, nämlich "In Praise of Dreams" (ECM 1880, 2004), die er zusammen mit der Cellisten Kim Kashkashian und jeder Menge Drumcomputerschmonz aufgenommen hat. Hier erklingt eoterisches New Age Geschwurbel in unerträglichster Form!

"Dresden" (ECM 2100/2101, 2009) ist aber hingegen ein vitales Livedokument voller Verve und wenig Pathos.

Von meiner Seite aus ist das Thema Jan Garbarek damit abgeschlossen und ich überlasse anderen das Feld.
crim63
Inventar
#136 erstellt: 28. Jul 2019, 11:01
Hallo !

Von meinem Dutzend Garbarek Platten ist die "In Praise of Dreams" auch die am wenigsten gehörte Platte.
Aber eine Platte sei noch von meiner Seite erwähnt, eine reine Solo LP von Garbarek, ich weiß nicht ob er wirklich alles selber spielt,
die " All Those Born With Wings " von 1987.
Die Platte höre ich doch ganz gern, ist nicht übermäßig nordisch düster aber der von Dir Mr. Lovegrove beschriebene nordische Jazz
kommt meines erachtens sehr zur Geltung.

JG ATBWW

Jan Garbarek ‎/ All Those Born With Wings / 1987 / ECM Records ‎/ ECM 1324,

Gruß Maik
arnaoutchot
Moderator
#137 erstellt: 28. Jul 2019, 14:30

Mr._Lovegrove (Beitrag #135) schrieb:
"Dis" (ECM 1093, 1976) allerdings ist weit mehr als der von dir beschriebene Zustand. EIgentlich ist das eine hervorragende Duettplatte mit Ralph Towner, mit dem Garbarek ja auch auf den beiden "Solstice"- Alben zu hören ist.


Das werde ich demnächst nochmals hörend überprüfen. Die heulende Windharfe hat sich wesentlich stärker in mein Gedächtnis eingegraben als Towner, muss ich zugestehen. Lange nicht mehr gehört.

Ich bereite dann mal den Gismonti vor. Ich versuche, fokussiert zu bleiben. Zu den anderen Gs (siehe oben) Freiwillige vor.


[Beitrag von arnaoutchot am 28. Jul 2019, 14:31 bearbeitet]
Jazzy
Inventar
#138 erstellt: 28. Jul 2019, 17:05

Cellisten Kim Kashkashian

Bratschistin,soviel Zeit muss sein
arnaoutchot
Moderator
#139 erstellt: 28. Jul 2019, 17:43
Richtig, hätte mir auch auffallen müssen.

Hier also mal ein wenig zu Egberto Gismonti. Gismonti ist für mich einer der grössten Komponisten und Musiker Brasiliens und steht für mich in direkter Nachfolge eines Heitor Villa-Lobos. Gleich ihm ist er begnadeter Solist auf der Gitarre (und Klavier), ausgebildeter klassischer Komponist und eng vertraut mit der indigenen Musik seines Landes, ohne jemals grösser in eine Bossa-Nova-Seligkeit verfallen zu sein. Stossen wir es mal mit den drei aus meiner Sicht wichtigsten Platten von ihm auf ECM an. Anstossen passt, Gismonti ist glühender Fussballfan, der auch schon mal eigene Konzerte verschob, wenn die brasilianische Nationalelf spielte.

Es ist die Trilogie (wenngleich nicht als zusammenhängende solche zu verstehen)

Dança das Cabeças (ECM 1089, 1976),
Sol do Meio Dia (ECM 1116, 1977) und
Solo (ECM 1136, 1978)

Meine Lieblingsplatte ist die Solo, die einige der bekanntesten Stücke von Gismonti auf Gitarre und Klavier gespielt enthält. Allen drei Platten ist die Liebe zu seiner brasilianischen Heimat und Natur gleich, die sich in den Stücken spiegelt. Auf der mittleren Platte begegnet er verschiedenen anderen ECM-Musikern wie Ralph Towner, Collin Walcott und Garbarek darf auch auf ein bis zwei Stücken mittröten. Auf Dança und Sol ist Nana Vasconcelos auf den meisten Stücken dabei. Die Zusammenarbeit mit ihm erbrachte dann noch weitere Platten wie zB Duas Vozes, aber der wesentliche Grundstein wurde auf diesen drei Platten gelegt.

Die erfolgreiche Zusammenarbeit Ende der 1970er mit Charlie Haden und Jan Garbarek sollten wir bei Haden besprechen. Zu Gismontis Quartett Academia de Danças und späterem Werk komme ich noch. Ich werde auch noch etwas zu den von ECM unter Gismontis eigenem Label CARMO vertriebenen CDs sagen.

jpc.de jpc.de jpc.de
Mr._Lovegrove
Inventar
#140 erstellt: 28. Jul 2019, 17:52

Jazzy (Beitrag #138) schrieb:

Cellisten Kim Kashkashian

Bratschistin,soviel Zeit muss sein ;)

Oha, da habe ich im Schnellschuss die falsche Größe gewählt.
Jazzy
Inventar
#141 erstellt: 28. Jul 2019, 18:53
Vielen Dank an euch übrigens für diesen tollen Thread!
Don_Tomaso
Inventar
#142 erstellt: 28. Jul 2019, 23:21

arnaoutchot (Beitrag #133) schrieb:
...oder die völlig misslungende Kooperation mit den pakistanischen Musikern auf Ragas & Sagas. Letztere ist ein Musterbeispiel, wie Garbarek null auf die ethnischen Musiker hört, sondern alles überbläst, was ihm in den Weg kommt. ...

So mag ich diese Aussage nicht unkommentiert stehenlassen. "Ragas and Sagas" ist nicht umbedingt meine Lieblings-CD von Garbarek, einfach weil ich mit der traditionell pakistanischen Musik nicht viel anfangen kann. "Ethnische Musiker" ist übrigens mal eine lustige Formulierung. Sind wir das nicht alle?
Aber was sollte denn diese Platte sein? Jan G. entdeckt den Pakistani in sich? Eben nein, sondern nordischer Romantiker trifft auf klassisch ausgebildete pakistanische Musiker. Gerade für die "Ethniker" ist es doch die Höchststrafe, von wohlmeinenden Europäern paternalisiert zu werden. Dann doch lieber Auseinandersetzung. Ich bin mir im übrigen auch sicher, dass sich Ustad Fateh Ali Khan und die anderen Pakistani sehr gut gegen Garbarek behaupten konnten. Die Platte nicht zu mögen, ist ja völlig ok.

Doch nun zu meinen beiden Garbarek-Platten, über die ich gerne etwas schreiben möchte. Grundverschieden, eint sie doch eins: Es sind Live-Aufnahmen.

amazon.de

Jan Garbarek, Egberto Gismonti, Charlie Haden - Magico: Carta de Amor. Ist das überhaupt eine Garbarek-Platte? Die meisten Stücke sind von Gismonti, je zwei von Haden und Garbarek. Vielleicht war es einfach so, dass die Gruppe, die das Album 1981 in München einspielte und ja schon einiges herausgebracht hatte, in sich gleichberechtigt war und die Namen einfach alphabetisch aufs Cover kamen. Wichtig? Nein.
Viel wichtiger ist, dass sich Manfred Eicher um 2012 endlich entschlossen hatte, die Aufnahme im Rainbow-Studio mit Jan-Erik Kongshaug zusammen abzumischen und als Doppel-CD herauszubringen, denn sie ist wunderschön. Nicht seicht oder easy-listening, dafür ist wohl keiner der drei zu haben, sondern melodisch, romantisch, manchmal schroff in "Spor", und dann wieder im Wortsinne zum Weinen schön, "Don Quixote", oder hochdramatisch in "Two Folk Songs" Die beiden langen Stücke "La Pasionara" und "All That Is Beautiful" von Charlie Haden sind komplex und von tiefer Schönheit. Niemand ist hier der Leader, Haden, Gismonti und Garbarek verstehen sich blind.

amazon.de

Jan Garbarek Group - Dresden. Mit Jan Garbarek (ss, ts, fl), Rainer Brüninghaus (p, key), Yuri Daniel (b), Manu Katché (dr). Auch hier hat siche Manfred Eicher viel Zeit gelassen, bis er die Aufnahmen von 2007 veröffentlichte. Herausgekommen ist eine Live-Platte von erheblicher Wucht, ohne das Garbarek oft angekreidete Pathos. Die Platte geht einfach ab. Rainer Brüninghaus ist imho in Top-Form, Manu Katché ebenfalls. Yuri Daniel finde ich etwas blass, aber er trat auch in große Fußstapfen, und Garbarek trägt das ganze Konzert mit einer erstaunlichen Leichtigkeit. Am Ende tobt der Mob, so soll es sein.
Mr._Lovegrove
Inventar
#143 erstellt: 29. Jul 2019, 07:17

Don_Tomaso (Beitrag #142) schrieb:

Jan Garbarek, Egberto Gismonti, Charlie Haden - Magico: Carta de Amor. Ist das überhaupt eine Garbarek-Platte?

Die beiden damals schon erschienen und dieser Liveaufnahme vorangegangenen Studioalben werden hochoffiziell unter Charlie Hadens Flagge geführt. Deshalb hatte ich sie nicht erwähnt. Da kommen wir dann bald zu. Sind ja beide großartig.
arnaoutchot
Moderator
#144 erstellt: 29. Jul 2019, 19:10

Mr._Lovegrove (Beitrag #143) schrieb:
... die vorangegangenen Studioalben werden hochoffiziell unter Charlie Hadens Flagge geführt. Deshalb hatte ich sie nicht erwähnt. Da kommen wir dann bald zu. Sind ja beide großartig.


Das stimmt (grossartig). Koninzidenz der Ereignisse: Zur gleichen Zeit, als Don Tomaso die Carta de Amor gestern vorstellte, hörte ich diese CD auch mal wieder. Wirklich sehr fein.

Hier ein paar Gismonti-Platten, die nicht auf ECM erschienen, aber von ECM in Europa vertrieben wurden. Es handelt sich um Academia de Danças (CARMO/5, 1974), Circense (CARMO/2, 1980) und Alma (CARMO/10, 1987). Allen diesen brasilianischen Aufnahmen ist gemein, dass sie erdiger und direkter sind, natürlich auch mit dem Nachteil, dass sie die hohe Tonqualität von ECM nicht erreichen. Mein Favorit ist Circense, die Gismonti-Klassiker wie Cego Aderaldo, Magico, Palhaço oder Ciranda Nordestina in einem etwas anderen Licht darstellt. Alma ist eine Piano-Solo-Platte, die Academia de Danças stellt seine Band in den Vordergrund, die dann in Teilen auch bei der ebenfalls hervorragenden Sanfona (ECM 1203/04, 1981) mitwirkte. Die zweite Platte der ursprünglichen Doppel-LP ist übrigens auch wieder solo und live im Amerikahaus München im April 1981 wie die Carta de Amor aufgenommen. Grossartige Platte !

IMG_7320

jpc.de
tomstereo
Stammgast
#145 erstellt: 30. Jul 2019, 00:01
Vielen Dank für diesen tollen Thread. Ich als Neuling in diesem Bereich, habe erstens schon eine Menge gelernt und zweitens ganz viel (für mich) neue Musik kennengelernt.


[Beitrag von tomstereo am 30. Jul 2019, 00:01 bearbeitet]
Mr._Lovegrove
Inventar
#146 erstellt: 30. Jul 2019, 07:25
Auch das ist der Sinn dieses Threads. Schön, dass dir unsere Exkursionen gefallen und du Anregungen bekommst.
Aber ich habe auch noch einen Nachtrag zu Gismonti:
image
Egberto Gismonti/Nana Vasconcelos
Duas Vozes
ECM 1279, 1985

Arnaoutchot hatte sie kurz schon erwähnt, aber ich dachte ich stelle sie nochmal vor. Dieses im Rainbow Oslo entstandene Album liegt mir als Original CD vor; aktuell gibt es sie in der Touchstone Serie, sowie sogar als Japan SHM.
Die beiden Meister ihrer Instrumente machen es dem Hörer aber nicht leicht. Diese hat Musik hat auch so gar nichts mit lockerem und leichten Brazil zu tun, sondern ist eine kunstvolle Verwebung von südamerikanischen Spielweisen, freien Improvisationen und vorallem der Teammagie zweier großer Könner. MIt dieser Platte kann man auch exemplarisch lernen, wie Musiker miteinander spielen, wie sie aufeinander hören und interagieren. Wer einmal Zugang zu dieser doch recht sperrigen, aber auch poetischen Platte gefunden hat, wird reich belohnt.


[Beitrag von Mr._Lovegrove am 30. Jul 2019, 07:26 bearbeitet]
arnaoutchot
Moderator
#147 erstellt: 30. Jul 2019, 07:55

Mr._Lovegrove (Beitrag #146) schrieb:
Diese hat Musik hat auch so gar nichts mit lockerem und leichten Brazil zu tun, sondern ist eine kunstvolle Verwebung von südamerikanischen Spielweisen, freien Improvisationen und vorallem der Teammagie zweier großer Könner.


Das ist richtig, gilt aber im Prinzip für nahezu alle Gismonti-Platten. Mit Samba und Bossa haben die - wenn überhaupt - nur indirekt zu tun.

Hier abschliessend von mir noch zwei Gismonti-Platten: Die Dança dos Escravos (ECM 1387, 1989) ist eine Solo-Platte, aber diesmal ausschliesslich mit Gitarre(n). Sehr schön ! Als Beispiel des klasssischen Komponisten und Spätwerks sei auch noch die Meeting Point (ECM 1586, 1997) erwähnt. Hier spielt das Litauische Staats-Symphonieorchester Werke von Gismonti, er selbst ist dabei nur am Klavier zu hören. Seine Formsprache zwischen westlicher Klassik und brasilianischen Einflüssen erinnert - wie eingangs schon erwähnt - an seinen grossen Landsmann Villa-Lobos.

amazon.de amazon.de
Don_Tomaso
Inventar
#148 erstellt: 30. Jul 2019, 19:31

tomstereo (Beitrag #145) schrieb:
... Ich als Neuling in diesem Bereich, habe erstens schon eine Menge gelernt und zweitens ganz viel (für mich) neue Musik kennengelernt.

Das freut mich sehr für dich, denn ich kenne das Gefühl gut. Der einzige Nachteil ist, es wird nicht billig. CDs, Streaming, Konzerte, das kostet...
Mr._Lovegrove
Inventar
#149 erstellt: 30. Jul 2019, 20:06
Und wir sind erst beim G!


[Beitrag von Mr._Lovegrove am 30. Jul 2019, 20:06 bearbeitet]
arnaoutchot
Moderator
#150 erstellt: 30. Jul 2019, 22:12
Dann gleich mal weiter !

Nicht völlig unpassend zu Gismonti ist die George Gruntz Concert Jazz Band '83 - Theatre (ECM 1265, 1983). Hier haben wir modernen Big Band Jazz à la Gil Evans mit weltmusikalischen Einflüssen (zB Dino Saluzzi) in einer exquisiten All-Star-Besetzung (Namen siehe Cover). Leider ist die Band für mich inhaltlich schon immer unter ihrem Potential geblieben. Ich muss auch zugeben, dass ich noch nie ein grosser Fan des eklektischen Schweizers Gruntz war.

Tipp: Deutlich griffiger ist die Concert Jazz Band auf einer Aufnahme des Rundfunks der DDR aus Rostock 1982, die auf Amiga als LP erschien, siehe hier .

R-1905171-1270056757.jpeg
Mr._Lovegrove
Inventar
#151 erstellt: 31. Jul 2019, 08:31
Wer, wie ich, alle ECM Veröffentlichungen mit Jan Garbarek in Betracht ziehen will, der landet automatisch auch bei einer dieser obskureren Experimente, die Eicher zuließ:
jpc.de
Paul Giger
Alpstein
ECM 1426, 1991

Der schweizer Violinist ist auf mehreren ECM Alben zu hören. Dieses ist seine zweite Veröffentlichung bei Eichers Label, für die er sich mit Jan Garbarek und dem schweizer Percussionisten Pierre Favre in Oslo bei Jan-Eirk Kongshaug traf, um folkloristisch- avantgardistische Musik zu machen.
Hörer, die womöglich noch nicht ganz so erfahren mit eher Experimentellem sind, werden kaum einen Zugang zu diesen schroffen und kargen Klanglandschaften finden, aber wer tief heineinhorchen kann und will, findet sich in dieser abstrakten Alpenwelt gut zurecht und erkennt die Schönheit von Gigers Heimat. Favre erschafft mit seinem Instrumentarium dabei ein erstaunliches Panorama inkl. imitierter Kuhherden.
Gigers teils elektrisch verstärkte, teils aber auch barock klingende Violine wirkt hierbei manchmal wie die Luft und das Wetter, manchmal wie der Atem des Schicksals in den Bergen.
Ehrlicherweise kann ich bei aller Faszination nicht nachvollziehen, welche Aufgabe Garbarek hier hat. Seine ansonsten so vertrauten Saxophonklänge passen so gar nicht in diese Welt, und auch wenn er sich manchmal bemüht, sensibel und leise zu spielen, so wirkt er eher deplaziert. Dennoch erwirkt die Platte eine außergewöhnliche Faszination, die die Welt um einen herum vergessen lässt.

Klangtechnisch toll aufgezeichnet und mit einem fantastischen Artwork von Andrew Ward versehen kann man das Album durchaus als Gesamtkusntwerk betrachtren.


[Beitrag von Mr._Lovegrove am 31. Jul 2019, 08:32 bearbeitet]
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