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Jazz verstehen

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duex
Schaut ab und zu mal vorbei
#1 erstellt: 25. Nov 2008, 23:50
Guten Abend

Ich höre seit einiger Zeit öfters Jazz. Angefangen mit Esbjörn Svensson Trio jetzt bei Herbie Hancock, Miles Davis, Chick Corea.

Oft frage ich mich wie man Jazz verstehen kann. Wie ein Solo gedeutet werden kann. Ist nicht der Zweck eines Solos sich auszudrücken? Ich habe immer das Gefühl, dass mir etwas entgeht wenn ich nicht irgendwelche Ansätze habe die Musik zu verstehen oder die Genialität die dahintersteckt zu sehen. Es muss ja noch mehr hinter Jazz sein als nur der "Groove". Bis jetzt habe ich Jazz aus Faszination, Interesse an der Musik und weil die Musik interessant ist gehört.

Also: Braucht man theoretische Grundlagen um im Jazz etwas "sehen" zu können (wenn ja: welche)? Vielleicht etwas allgemeiner: Was braucht man um -jetzt im speziellen- Jazz verstehen zu können bzw. die Genialität eines Miles Davis und die (angebliche) Banalität (oder Berechenbarkeit?) eines Esbjörn Svenssons erkennen zu können (ich weiss, dass der Ligaunterschied zwischen einem Svensson und Davis extrem viel betragen muss).

Ich hoffe ihr könnt mein "Problem" etwas verstehen.

Freundliche Grüsse

duex
HolgerFfm
Stammgast
#2 erstellt: 26. Nov 2008, 12:54
Jetzt bitte keine Diskussionen über die musikalischen Welten, in denen sich Miles Davis und Esbjörn Svensson (stellvertretend für viele andere) angeblich bewegten, das führt auf diesem Wissensstand nicht weiter.

Die Beobachtung, dass Jazz nicht nur mit Rhythmus zu tun hat, ist sicher schon mal sehr richtig. Mindestens ebenso wichtige Elemente sind die Harmonien, die gespielten Soli (und ihr Umgang mit Rhythmus und Harmonie) und nicht zuletzt auch das Zusammenspiel der Musiker untereinander.

Für den Zuhörer bedeutet das alles vor allem eines: hinhören. Und weil im Jazz so vieles spontan und im Miteinander der Musiker entsteht, bedeutet es auch: dabeisein und miterleben. Warst Du schon mal in einem Jazzkonzert, idealerweise in einem kleinen Jazzclub?

Zusätzlich kann man sich dafür und dabei seine Sinne schärfen, z.B. indem man sich mit der Geschichte des Jazz beschäftigt, Musikerbiografien liest - ja, vielleicht sogar sich mit Gehörbildung und den Grundlagen der Harmonielehre beschäftigt. Man muss zwar kein Instrument spielen, um sich dem Jazz nähern zu können - aber (wie bei jeder Musik) hilft es natürlich ;).

Soviel vielleicht für den Anfang der Diskussion :D.

Herzliche Grüße aus Frankfurt am Main
Holger
Tannoymann
Stammgast
#3 erstellt: 26. Nov 2008, 14:29
Servus!
Ich empfehle das wirklich spannende Jazz-Buch von Joachim E. Berendt. Eine tolle Übersicht und Einführung.
Grüße
Willi
tappso
Neuling
#4 erstellt: 26. Nov 2008, 15:19
Hallo,

am besten ist: hören hören hören. Sich auch unbedingt mit
den Anfängen beschäftigen, nicht nur musikalisch sondern auch durch Lesen.
Die alten Behrendt-Bücher sind ein guter Anfang und bieten
auch viele Hör-Tipps.
Mir persönlich gefällt auch die 4 DVD Box von Ken Burns-Jazz
Wenn du persönliche Präferenzen für ein bestimmtes Instrument hast, macht es auch Spass sich durch die ganzen
z.b. Trompeter zu hören von Bunk Johnson, Beiderbecke, Armstrong über Fats Navarro, Gillespie, Chet Baker bis Hugh Ragin und so weiter. Das schöne am Jazz ist auch die bereits
ab den 50ern stellenweise hervorragende Aufnahmequalität.
Das Hobby HiFi soll man ja auch nicht dabei vergessen.
Josef
maconaut
Inventar
#5 erstellt: 26. Nov 2008, 15:39

tappso schrieb:

Mir persönlich gefällt auch die 4 DVD Box von Ken Burns-Jazz


Interessant - den kannte ich bisher nur vom Ken-Burns-Effekt...
hat_sich_gelöscht
Hat sich gelöscht
#6 erstellt: 26. Nov 2008, 23:38
Interessantes Thema!

Wie es so zuging in der Welt der Könner beschreibt auch die Miles Davis Autobiographie sehr gut; manchmal zum Totlachen; Coltrane popelt auf der Bühne oder kratzt sich am Sack...auch die andere Seite der Geschichte wird erzählt; Drogen; latenter oder offener Rassismus.....

Was diese Herrschaften mir Aushilfs-Bassisten voraus haben ist ihr Können; meistens geübt bis zum Umfallen; seltener einfach Genie. Aber selbst die interpretieren Songs. Um zu vergleichen was die Bläser, Pianisten oder sonstwer irres veranstalten hilft öfter eine Vokal-Version; gerade bei den unzähligen Broadway-Melodien. So gruselig kitschig die oft sind...

Alles andere ist bereits gesagt: der kleine Jazz-Forscher ist gefragt! Lesen; es gibt zahlreiche gute Bücher über den Jazz.

Und immer wieder hören. Leute wie Steve Lacy oder Ornette Coleman haben Jahre bei mir gebraucht.

Und wenn mal wieder alles zu vertrackt ist: Art Blakey!

Grüße

Carsten
Dualplattenspieler
Inventar
#7 erstellt: 27. Nov 2008, 13:29
Der Beitrag fing doch ganz einfach an:

Ich höre seit einiger Zeit öfters Jazz.


..ich persönlich empfand das bereits als gelungene Vorstufe zum Happy End

Holger aus FfM brachte es dann auch auf den Punkt:

Für den Zuhörer bedeutet das alles vor allem eines: hinhören.


Dies hier bringt aber aber wieder weit weg:(sorry Carsten)


der kleine Jazz-Forscher ist gefragt! Lesen; es gibt zahlreiche gute Bücher über den Jazz.


Liebe Leute: es gibt auch das Kamasutra. Man findet dort auf mehr vielen Seiten Einschlägiges eingängig erklärt ; Aber wer braucht es denn, wenn es das "Live Erlebnis" gibt

Sicher gibt es schöne Biografien und Stories über die "gute alte Zeit" und ich schmökere darin auch ganz gern. Aber mal ganz ehrlich: der Themenersteller fragte nicht:

- Wie erklärt sich "The New Thing" - oder
- Wo finde ich Anklänge an die Zwolftonmusik -

sondern gibt als Basiswissen Miles bzw e.s.t(ich schreib letztere 'mal absichtlich klein, um den Größenunterschied beider herauszustellen )

Ich besitze eine ganze Regalwand CD's: ein Bereich (ca. 1,5 qm) sind von Scheiben belegt, die ich seit Jahren nicht gehört oder bereits nach einmaligem Hören, dorthin verbracht habe, weil sie sich mir nicht erschlossen, mir nichts gaben/geben(u.a. zwei von e.s.t.). Glaubt ihr dies würde sich ändern, wenn ich Joachim Behrend dazu lesen würde?

Lasst ihn kaufen, hören, weglegen, wiederhören, lieben, hassen, weglegen. Aber doch nicht über den vermeintlichen Intellekt versuchen Jazz zu orten, während derart "existentielle Fragen" im Raume stehen:


Wie ein Solo gedeutet werden kann. Ist nicht der Zweck eines Solos sich auszudrücken?


Manche Soli sind Grund genug sich zu "verdrücken"
In diesem Sinne: Frohes Lesen....
hat_sich_gelöscht
Hat sich gelöscht
#8 erstellt: 28. Nov 2008, 03:38
Yep; da ist schon was 'dran; keine Frage! Den Jazz sollte man sich nicht erlesen sondern erhören. Immer wieder.

Bei dem Hinweis auf das Miles Davis Buch ging es mir eben um den Aspekt das diese absoluten Überflieger auch nur Typen wie wir alle sind: Es muss Geld verdient werden um die Familie zu ernähren. Vereinfacht; aber letzlich gehts' doch darum...

Aber deren Musik ist auf einem Niveau....boah!

Es ging mir um die Fragestellung des Themenerstellers duex: Zum Verstehen dieser Musik gehört eben auch ein gewisser Kontext: Unter welchen Bedingungen erscheinen all diese Wahnsinnsplatten....

Charles Mingus: Wenn man erlesen hat, warum er "Fables Of Faubus" geschrieben hat; worum es ging; wer überhaupt Faubus war....auch ohne dieses Wissen kocht die Musik ohne Ende; aber mit dem Wissen um die Umstände auf jeden Fall nicht weniger!

Grüße von

Carsten


[Beitrag von hat_sich_gelöscht am 28. Nov 2008, 03:43 bearbeitet]
tappso
Neuling
#9 erstellt: 01. Dez 2008, 14:06
Zitat Dualplattenspieler:

Ich besitze eine ganze Regalwand CD's: ein Bereich (ca. 1,5 qm) sind von Scheiben belegt, die ich seit Jahren nicht gehört oder bereits nach einmaligem Hören, dorthin verbracht habe, weil sie sich mir nicht erschlossen, mir nichts gaben/geben(u.a. zwei von e.s.t.).

Nur mal so aus Neugier. Was beherbergen denn die 1,5 qm?

Gruß
Josef
Dualplattenspieler
Inventar
#10 erstellt: 02. Dez 2008, 22:26

Nur mal so aus Neugier. Was beherbergen denn die 1,5 qm?


Ich geh' 'mal davon aus, daß jetzt keine Inventarliste mit dieser Frage abgefordert wird (dat sind weit über 100 CD'S) und zitier mich daher einfach 'mal selbst

(ca. 1,5 qm) sind von Scheiben belegt, die ich seit Jahren nicht gehört oder bereits nach einmaligem Hören, dorthin verbracht habe, weil sie sich mir nicht erschlossen, mir nichts gaben/geben(u.a. zwei von e.s.t.).
(immer noch kleingeschrieben aber auch Jarrett's "Expectations" und Miles' "Quiet Nights"

PS: tappso: seit 4 Jahren angemeldet und nix
warum jetzt eine solche Frage? War alles andere so uninteressant???


[Beitrag von Dualplattenspieler am 02. Dez 2008, 22:29 bearbeitet]
hat_sich_gelöscht
Hat sich gelöscht
#11 erstellt: 03. Dez 2008, 02:24
....Ich hätte ja gern 20 qm Jazz....pro Stil, versteht sich!

Es sind seit Jahren immer die dunklen Monate, die mir die Ohren freimachen für den real stuff: Neben dem leider nicht eingeschlagenen AACM-Fred (was für geile Musik!) hat mich folgender leider zum Saturn zurückgekehrter Pianist/Bandleader aber zur Zeit komplett am Arsch!

Sun Ra !!!


Richtig fiese Jazz-Platten:

Billie Holliday: Lady In Satin (Columbia)
Wynton Marsalis: Hot House Flowers (Columbia)

Mit diesem Ansatz, Jazz mit was auch immer für einen Orchester/Geigen-Schmelz zu vereinen werde ich wohl nie zurechtkommen...."Charlie Parker & Strings"....uäch....

Verbindung zum Themenersteller:

Das Verstehen von Jazz hat mit der Erforschung der "Gestaltungsprinzipien" zu tun, ein Wissen um den Blues; die AABA-Form; oder die radikale Auflösung derer kann nicht schaden. Wenn man selbst musiziert kommt man da eh nicht dran vorbei.

Es mag viele andere geben; aber wo sich die Evolution eines R'n'B-Tenoristen bis zum komplett frei spielendem Spiritualisten wunderbar nachvollziehen lässt:

John Coltrane!

Ich arbeite seit 1986 daran; und werde es wohl nie wirklich verstehen. Das ist aber nicht schlimm: Die Musik zählt! Der Augenblick. Und solange meine Lebensumstände zulassen der afro-amerikanischen Musik zu lauschen bin ich happy!

Grüße von

Carsten
Dualplattenspieler
Inventar
#12 erstellt: 03. Dez 2008, 19:49
Hi Carsten!

Sun Ra ! Du bist wirklich hart drauf
Ich habe nur einen digipack einer alten Aufnahme aus den 50'ern (als er und das Arkestra noch richtige Musik machten )
Danach verstehe ich ihn nicht mehr und es nervt mich.
Muß man wohl in der Tat selbst Musiker sein um das verinnerlichen zu können?!

Richtig Fiese Jazz Platten

klingt wie ein guter, neuer Fred Titel oder?


[Beitrag von Dualplattenspieler am 03. Dez 2008, 19:52 bearbeitet]
hat_sich_gelöscht
Hat sich gelöscht
#13 erstellt: 03. Dez 2008, 20:10
Stimmt; wäre mal ein Thema wert! Allerdings dürfte das zum Streit über Geschmacksfragen führen....

So ist im Jazz-Funk Thread einer meiner absoluten All-Time-Greats verrissen worden...kicher

Womit ich wiederum genau garnichts anfangen kann ist dieses Weichspüler-Gejazze, a.k.a. "Fahrstuhl Jazz". Andererseits hat dieses Zeuchs Millionen Anhänger; bitte sehr!


Zum Thema "Jazz verstehen":

Auch ein gutes Beispiel, wie man sich den Jazz mit der Zeit "erhört" ist für mich Ornette Coleman: Den fand ich immer richtig schlimm, die Musiker schienen für mich aneinander vorbei zu spielen; und Colemans' Sax klang immer "falsch".

Irgendwann hat es "klick" gemacht; mit der "Change Of The Century": Nun finde ich sein Spiel richtig klasse; viele Phrasen klingen gar nach "Kindermusik"; man kann die mitsingen! Herrlich...



Carsten
Dualplattenspieler
Inventar
#14 erstellt: 04. Dez 2008, 12:22

Ornette Coleman: Den fand ich immer richtig schlimm


gilt für mich noch immer Meine Sammlung beinhaltet auch "Change.." und nur jene aus den 50'ern: "Something Else" und Stockholm . Die müßten eigentlich in dem 1,5 qm Sperrbereich stehen, aber ich muß meinem gewollten Image des "Pseudointellektuellen" genügen, und da muß man einfach OC haben

Im nächsten Leben: Musikhochschule statt Biz school, damit ich auch die schrägen Töne lieben kann


einer meiner absoluten All-Time-Greats verrissen worden


..hab' keine Angst: wir sind doch unter uns; lass wissen!
poubelle
Inventar
#15 erstellt: 05. Dez 2008, 14:55

Dualplattenspieler schrieb:



der kleine Jazz-Forscher ist gefragt! Lesen; es gibt zahlreiche gute Bücher über den Jazz.


Liebe Leute: es gibt auch das Kamasutra. Man findet dort auf mehr vielen Seiten Einschlägiges eingängig erklärt ; Aber wer braucht es denn, wenn es das "Live Erlebnis" gibt


das Kamasutra ist, wie auch die bücher über Jazz, nicht dazu da das "Live erlebnis" zu ersetzen!
es sollen eher mehr möglichkeiten aufgezeigt werden das erlebnis zu geniessen.
dazu gehört auch wissen um zusammenhänge und details, die ein einsteiger vielleicht noch nicht bemerkt, auf die ihn die lektüre aber hinweisen kann.
hat_sich_gelöscht
Hat sich gelöscht
#16 erstellt: 05. Dez 2008, 16:48




Dieses Buch hat mir viel Freude bereitet. Es ist zum Teil, sagen wir, merkwürdig übersetzt, trotzdem: wie der Autor manche Titel analysiert und zerpflückt...herrlich!
hat_sich_gelöscht
Hat sich gelöscht
#17 erstellt: 08. Dez 2008, 01:21
....Gestern war & heute ist so ein Tag: Jazz geht mir auf den Keks...Thema; und los gehts: Solo, und der nächste bitte; und der nächste bitte....pffff...ist bei mir normal, das mich das nach zuviel des Guten nervt; geht auch wieder weg.

Aber: Das bringt mich zum Thema "Jazz verstehen"! Der ist ja "nur" ein Teil der vielfältigen Musik der Afro-Amerikaner; will sagen Robert Johnson, der Blues-Klassiker aus den 30ern ist mindestens genauso wichtig, um sich dem Jazz-Ding zu nähern. Oder der gute alte handgemachte Soul...oder Gospel, Cajun, Zydeco, Doo Wop...gar (guter!) HipHop...immer wieder schön derartigen zu hören; ich alter Sack mach' das ja schon 'ne Weile; und die Weisheit, die ich jahrelang immer blöde fand; nähmlich das all diese Stile letzlich eins sind, erschließt sich mir immer mehr:

Im Grunde ist die afro-amerikanische Musik gespeist aus einem großen Pool der Möglichkeiten; je nach Geographie, Biographie und der gesunden Portion Zufall ergeben sich quer durch die Staaten eben hunderte von Crossovern; das ist ja gerade das Spannende!

So bleibt es immer eine Gratwanderung: das frühe Art Ensemble Of Chicago als Beispiel: Wenn die Sängerin loslegt ist das irgendwas, aber eben kein Free Jazz, wofür das Ensemle ja steht.

Wer nach dem Hören der Singles von Sun Ra immer noch von einem durchgeknallten Chaoten liest ist eines Besseren belehrt; das ist schlicht grandioser Pop.

Das allerschönste für die Ohren ist zumindest für mich die gewisse Ratlosigkeit, die afro-amerikanische Musik hinterlassen kann.

Also heute Robert Johnson und Curtis Mayfield. Dann hats' auch bald wieder Sehnsucht nach Monk & ählichen Verdächtigen....

Es grüßt euch

Carsten


[Beitrag von hat_sich_gelöscht am 08. Dez 2008, 01:23 bearbeitet]
Micha_L
Stammgast
#18 erstellt: 08. Dez 2008, 18:30
Verstehen muß man nicht wirklich.

Wenn einem Rock-/Popmusik irgendwann zu simpel ist, ergibt sich das Bedürfnis zu komplexerer Musik (einfach so, ohne das zu analysieren).
Das könnte auch Klassik sein. Aber der Jazz ist dem gewohnten Rockidiom ähnlich und es gibt ne Menge Grenzgänger.

Bei mir war es der Jazzrock, der mir nach 1970 als Brücke diente. Da der Rock damals simpler wurde als zuvor und zeitweise in der Disko endete, fiel mir dieser Wechsel leicht. Zunächst schloß John McLaughlin mir die durch den Tod von Hendrix entstandene Lücke nicht nur, sondern es gab da auch eine Weiterentwicklung.
Chick Corea und Miles Davis folgten und dann kamen immer mehr.

Gruß

Micha
Accuphase_Lover
Inventar
#19 erstellt: 09. Dez 2008, 02:27

Micha_L schrieb:
Aber der Jazz ist dem gewohnten Rockidiom ähnlich und es gibt ne Menge Grenzgänger.


Und gerade DIE machen die Sache oft erst so richtig interessant.

Ich bin auch erst durch den Fusion-Sound der 1970er zum Jazz gelangt. Allerdings hat mich das nicht unbedingt zum Verehrer von Miles und Coltrane gemacht.

Allerdings ist die immense Spannweite des Jazz schon ziemlich einzigartig, auch wenn immer wieder diskutiert wird, was nun Jazz ist und was nicht !

Angesichts der Tatsache, daß es immernoch verdammt schwer fällt, Jazz zu definieren, ist die Frage nach dem Verständnis von Jazz schwer zu beantworten.

Auch die Jazz-Päpste sehen (sahen) alles aus ihrem Blickwinkel, der sicherlich einiges bewust ausblendet.

Kann man eine Antwort finden auf die Frage WIE man Jazz verstehen kann, wenn noch nicht mal wirklich klar ist, warum der Mensch ÜBERHAUPT Musik macht ?




Grüße
rankenmaul
Neuling
#20 erstellt: 09. Dez 2008, 10:50
Interessante Diskussion hier ... Ich kann auch nur sagen: hören, hören, hören. Und sehen: live erleben !

Angefangen hab ich mit 16, da war'n wir grad mal in der Penne und sind zu den Blues- und Jazzkonzerten in die Studentenklubs getingelt. Ein Freund hat mich oft mitgenommen, er Fotograf mit Pressekarte, ich sein "Hiwi" (also brauchte ich nur ein paar Mark fürs Bier). Plätze in der ersten Reihe: Musik aufgesogen, Stimmung erlebt, hautnah den Musikern zugeschaut (wer kommuniziert mit wem ? Solo des einen Instruments, Antwort des anderen ...). Hab auch viel Klassik gehört (Konzertabo !) ... Man kann meistens irgendwas "mitnehmen", sei es, man saugt einen Klang auf, eine Harmonie, man entdeckt ein Zitat oder es gefällt ein Instrument besonders. Jazz / Rock / Fusion in den frühen Siebzigern hat mich auf die Schiene gebracht, habe dann auch viel Free Jazz gehört / gesehen, aber da war es oft der Gesmteindruck der Performance, der geblieben ist, weniger die eigentliche "Musik". Leider ist heute das ganze Musikgeschäft so kommerzialisiert, dass man den "clubmässigen" Zugang zur Szene (inkl. der after show Gelage ...) kaum noch mitkriegt. Ach ja, selber ein Instrument spielen kann ich leider nicht, ausser vieleicht Blockflöte in der Grundschule. Aber wer's kann, hat bestimmt einen Vorteil ! In diesem Sinne, allen eine schöne Adbetszeit.
Bye,
Hendrik


[Beitrag von rankenmaul am 09. Dez 2008, 10:53 bearbeitet]
HansFehr
Inventar
#21 erstellt: 09. Dez 2008, 11:03

Micha_L schrieb:
Bei mir war es der Jazzrock, der mir nach 1970 als Brücke diente.

Genau so bei mir. Mit Bitches Brew kam ich dazu. Dann die von Dir erwähnten Leute und auch Formationen wie Weather Report.

Dann habe ich mich mit den älteren Aufnahmen von Miles Davis befasst. Plötzlich habe ich es "verstanden".
Dualplattenspieler
Inventar
#22 erstellt: 09. Dez 2008, 14:16
Micha L:
Verstehen muß man nicht wirklich


kann ich nur unterstreichen, scheinen derselben Aera zu entstammen


...aber lieben sollte man's schon


[Beitrag von Dualplattenspieler am 09. Dez 2008, 14:17 bearbeitet]
Micha_L
Stammgast
#23 erstellt: 09. Dez 2008, 22:02
Als ich die Fusionsplatten von Davis ab Bitches Brew das erste mal hörte, gefielen sie mir nicht. Trotzdem vermeinte ich was Besonderes/Überragendes zu hören, zu dem mir der noch rechte Zugang noch fehlte.
Erst mit der Zeit hab ich ihn verdaut.

Etwas toll zu finden, was einem zunächst nicht gefällt, ist ein m. E. bemerkenswertes Phänomen.

Gruß

Micha
hat_sich_gelöscht
Hat sich gelöscht
#24 erstellt: 11. Dez 2008, 02:43
Stimmt. Komische Sache. Ich erinnere mich an die Canterbury Szene....Soft Machine, Caravan, Gong, die frühen Pink Floyd; oder eben auch Kevin Ayers, Mike Oldfield (!Ja, der gehört da auch hin!) Da war alles gut; hip war die Musik; und bekifft war erst recht alles gut...

Als die ein bisschen älteren dann mit Miles Davis ankamen...oh mann....aber: es muss so ca. '77 gewesen sein...Tony Williams geht von den Hi-Hats auf die Becken; was da passiert, wie das plötzlich abfetzt..."It's All About The Time" von der "In A Silent Way"....wie gottverdammt geil ist das denn? Und dieses Bass-Riff!!!

..jaja, so fing das an...

...die andere Schlüsselplatte war dann in den 80ern "A Night In Tunesia" von Art Blakey; damals ein Vinyl-Reissue der 1960er LP. "So Tired" und "Yama"....nee, Kinners, das ist der Stuff! Und seitdem.....

Grüße

Carsten
Mr._Lovegrove
Inventar
#25 erstellt: 21. Dez 2008, 13:40
Ich kann mich noch ein meine erste Begegnung mit einer Jazzplatte erinnern. Es war "Kiss my axe" von Al di Meola. Ich war sofort gebannt vom Klangreichtum und der Atmosphäre dieser Platte (heute immer noch eine der 4 besten Platten aller Zeiten für mich).
Dies brachte mich schnell zu klassischem Jazz.
Aber richtig verstanden habe ich viele Jazzscheiben erst nach einer längeren Abstinenz vom Jazz selber und zu einer Rückkehr dorthin. Jetzt mit gereifterem Ohr und einer sicherlich besseren Bewertungsgabe erschließen sich mir die meisten Jazzscheiben sofort und ich kann recht schnell sagen, ob sie gut sind oder nicht.
Mein Tipp für solche, die mit Jazz anfangen und ihn verstehen wollen: vergleichendes Hören! Und sicher im Zweifelsfall auch mal was zu einer Platte oder Ära lesen, um zu verstehen, warum z.B. "Bitches Brew" so schwer zugänglich ist.
Je mehr Vergleiche man hat, desto einfacher ist es, Platten zu verstehen, deen Qualität zu erkennen und sie einzuordnen. Wer nur eine Klaviertrio- CD kennt, der weiß gar nicht, ob sie gut ist oder nicht. Ob der Pianist wirklich eine Aussage hat oder nur Barmusik klimpert.
Und man sollte sich auch mal Referenzwerke anhören; stilprägende Platten, die Einfluß hatten und haben.
Selbstverständlich empfindet dann jeder ein Album trotzdem anders, als ein anderer, aber wer Querverweise kennt, der versteht viel einfacher, welchen Sinn die Platte haben kann.
Ich glaube, gerade im Jazz ist Hörerfahrung der wichtigste Schatz eines Musikliebhabers. Wichtiger als jedes Buch.
HansFehr
Inventar
#26 erstellt: 21. Dez 2008, 19:48

Mr._Lovegrove schrieb:
warum z.B. "Bitches Brew" so schwer zugänglich ist.

Ja, wer den Zugang zu Bitches Brew gerne sucht, ein Einstieg wäre das Stück Sanctuary. Wunderbar.

Dann zu dem Track Pharaoh's Dance. Dabei auf die Zeit 16:38 achten. Davis mit dem Thema, der Melodie, phantastisch. Das deckt die Idee des Stücks auf.

Und dann so weiter. Nicht das ganze Album gleich zu Beginn voll durchspielen. Zeit lassen.

Ich habe es an einer anderen Stelle hier im Forum schon erwähnt. Das 4er-Album "The Complete Bitches Brew Sessions" ist sehr zu empfehlen. Die Sound-Qualität ist hervorragend. Aber diese (finanzielle) Investition zu tätigen, ist schon etwas für die Extrem-Fans.
Wildebreze
Ist häufiger hier
#27 erstellt: 14. Dez 2014, 17:29
Ein etwas älterer Thread, aber irgendwie passend zu meiner Suche

Die einleitende Frage stelle ich mir auch öfter und jetzt wieder.

Ich liebe Musik, und ich sage Musik, weil ich sehr viel sehr gerne höre, aber vor allem Blues und Soul und Hip Hop, alles was Seele hat.

Nur zu Jazz fehlte mir immer der Zugang, und ich hab es schon öfter versucht; sprich ich würde Jazz gerne verstehen und ihm mehr abgewinnen können als nur Passagen oder einzelne Lieder zu mögen.

Was ich vor allem am Blues mag, ist, dass egal wie lang das Solo ist, man immer wieder zurück, zueinander findet, während dem Solo und am Ende. Und genau das finde ich grandios. Das Thema bleibt immer als Konstante und dient als Ruhepol.
Wohin gegen ich beim Jazz meist das Gefühl habe, dass die Musiker sich verlieren und wegdriften.

Ich war vor kurzem auf eine Konzert von Gregory Porter, den ich super finde. Das ist auch der Auslöser, wieso ich es mal wieder mit dem Jazz versuche
Das Konzert war Klasse, aber auch hier waren vor allem die Sax-Solis in jeden zweiten Lied so "abstrakt" das ich dem nicht folgen konnte.

Ich muss da immer an den Spruch aus "The Commitments" denken : Jazz ist musikalische Masturbation

Und so genau so kommt es mir oft vor, Soli die gespielt werden, ohne auf die Band zu achten und einzugehen.

Und bitte nicht falsch verstehen, das soll jetzt kein geflame über Jazz sein.

Es gibt aber auch Platten die ich gerne höre, "Kind of Blue" zum Beispiel.
Finde ich grandios, da es immer smooth und harmonisch klingt.
Aber für meine Teil, ist das eine von wenigen.
Micha_L
Stammgast
#28 erstellt: 14. Dez 2014, 19:26
Deine Beschreibung mag auf den Freejazz zutreffen.

Weniger freie Stile sind, da eben weniger frei, logischerweise strukturiert.

Das mit den Soli und dem Zusammenfinden ist dabei nicht anders.
Mr._Lovegrove
Inventar
#29 erstellt: 15. Dez 2014, 09:28

Wildebreze (Beitrag #27) schrieb:

Und so genau so kommt es mir oft vor, Soli die gespielt werden, ohne auf die Band zu achten und einzugehen.
Und bitte nicht falsch verstehen, das soll jetzt kein geflame über Jazz sein.

Nein, ist es gar nicht. Ganz im Gegenteil, das passiert sehr häufig im Jazz. Natürlich sind der Drang nach Aufmerksamkeit um jeden Preis und der Egoismus bei ddem ein oder anderen Jazzmusiker (zu) allgegenwärtig. Da habe ich auch die ein oder andere Scheibe im Regal stehen. Jeder Solist zeigt gerne, was er kann. Das ist ein Teil des künstlerischen Daseins eines Solisten. Das hat schon und gerade in der Zeit des Bebop sogar zu allabendlichen Battles in den Clubs geführt. Miles Davis beschreibt das in seiner Autobiographier hervorragend; wie er Dizzy Gillespie einen Abend von der Bühne fegt und es am nächsten heimgezahlt bekommt.
Aber es stimmt schon, auf guten Jazzplatten findet sich immer eine Gruppe zu einem gemeinsamen musizieren und auf guten Jazzplatten spürt und hört man das genau.



Wildebreze (Beitrag #27) schrieb:

Es gibt aber auch Platten die ich gerne höre, "Kind of Blue" zum Beispiel.
Finde ich grandios, da es immer smooth und harmonisch klingt.
Aber für meine Teil, ist das eine von wenigen.

Wenn du dieses stilbildende Album so gut findest und darüber womöglich einen Zugang zum Jazz erreicht hast, dann solltest du es mit folgenden Scheiben probieren:

Cannonball Adderley/Bill Evans - Know what I mean
Cannonball Adderley - Quintet plus
Miles Davis - 'Round about midnight
Herbie Hancock - Maiden Voyage (mehr dichtes Miteinander geht nicht!)
John Coltrane - My favourite things
Gil Evans - Out of the cool
Kenny Burrell - Midnight blue
Sonny Clark - Cool struttin'
Bill Evans - Portrait in Jazz
Chet Baker - Chet (the lyrical trumpet of Chet Baker

Das sind sicherlich alles Klassiker des Jazzcanons, aber wenn man damit nicht anfangen sollte, womit dann? Gerade im direkten Umfeld von Kind of Blue finden sich viele Schätze, die den Atem dieser Platte entweder gegeben oder gehaucht haben. So habe ich jedenfalls den Jazz der 60er entdeckt (und tue es noch).

Mach nicht den Fehler und höre wie wild alles durcheinander. Mal hier neue Scheiben, mal dort altes Zeug, mal da Kram aus den 70ern. Sicher kann man das an und dann machen, aber wenn du in einer Ära Feuer gefangen hast, bleib erstmal da dran. Du wirst mit dem ganzen Reichtum dieser Ära beglückt werden. Ich empfehle, dem roten Faden, den man aufgenommen hat, relativ strikt zu folgen. Und erst wenn du das Gefühl hast, du brauchst anderen Stoff, dann hol dir anderen.
Ich habe mich lange lange Jahre, ja bald Jahrzehnte vor Free Jazz und insgesamt freieren, alternativen Improvisationsformen (Cecil Taylor, Ornette Coleman) gedrückt, weil ich sie eben auch gar nicht verstanden habe. Doch nun fange ich an, mich ein wenig damit zu beschäftigen und nach so vielen Jahren des Jazzhörens ist die Rezeption relativ einfach und fasziniert auch sehr. Aber wie gesagt, hat gedauert....


[Beitrag von Mr._Lovegrove am 15. Dez 2014, 09:29 bearbeitet]
peacounter
Inventar
#30 erstellt: 15. Dez 2014, 10:39
"Verstehen" ist für mich irgendwie ein komischer Begriff bei Musik.
Ich hab nicht das Gefühl, irgendwas zu verstehen, wenn ich höre.
Wenns nicht groovt, dann groovt es eben nicht.
Das kommt dann evtl später oder auch gar nicht und dann is es auch ok.
So hab ich das immer gemacht und das hat ganz automatisch dazu geführt, dass ich immer mehr (angeblich) "komplizierte" Musik gehört habe.
Als Kind war's viel dixieland, später dann Glen Miller und andere einfache "poppige" Standards, dann als Jugendlicher über die rockschiene mit Hendrix zu etwas ausufernderer Improvisation und mit Zappa den zirkelschluss zum Jazz zurück und mitlerweile auch mal richtig gerne freejazz und Mathcore a la John Zorn.

Irgendwie ging das von alleine und ich glaube nicht dran, dass man sich da zu etwas zwingen sollte.
Jazz hat als holperige unterschichtenmusik in verschwitzten Kellern mit zugedröhntem und sexuell aufgeheiztem Publikum angefangen.
Die haben auch nix "verstanden", die haben gefeiert!
Im Prinzip nix anderes als ein Techno-Event oder ein hiphop-Konzert, wo auch mal die Grenzen ausgelotet oder überschritten werden und sich so neue ausdrucksformen entwickeln und schließlich etablieren.

My 2 cent...


Edit: als tip für jemanden, der vom Blues kommend Jazz "ausprobieren" möchte, empfiehlt sich imo aber dann doch Zappa und da gerne seine Blues-improvisationen.
Sein despektierlicher und ironischer Umgang mit dem ollen 12-takte-Schema macht imo ne Menge Spaß und hat regelrecht humoristische Momente.

Edit2: imo gehört Jazz nicht auf so einen elitären Thron, wo ihn heute viele "sophisticated People" sehen (wollen).
Das ist originär eigentlich wie gesagt Musik für "Partygänger" und nichts intellektuelles.
Der großartige Robert Glasper, dessen tolle Musik auf jeden fall auch einen Versuch wert ist, hat imo sehr gute Worte dafür gefunden: Klick!


[Beitrag von peacounter am 15. Dez 2014, 11:02 bearbeitet]
traubenfluesterer
Ist häufiger hier
#31 erstellt: 16. Dez 2014, 00:09
Jazz vertsehen ist vielleich nicht der richtige Ansatz. Besser vielleicht : Jazz entdecken. Das kann man nicht erzwingen oder erlernen. Das kommt, vorausgesetzt der für Jeden individuell richtige Stoff ist greifbar, ganz von selbst.
Wenn ich den Fred-Ersteller und auch Wilde Breze richtig verstehe, sind es doch eher jüngere Leute, die den Einstieg in den Jazz suchen. Mit Funk,Hip Hop, Soul und Blues kommen sie bestens klar, der olle Miles funzt auch prima, was jetzt eigentlich nur fehlt, ist eine gangbare Brücke zu den in den vorigen Beiträgen genannten Klassikern, die zweifellos zur Pflicht gehören, aber bitte erst später, wenns geklingelt hat.
Wie wärs denn mit Eric Trufazz, super relaxter Groove, aber je nach Album auch höchst anspruchvolle Arrangements, die die volle Konzentration erfordern.
Auch gut und noch relaxter: Takuya Kuroda "Rising Son" und dann, wenns beim Gebläse bleiben soll und man dem Funk nicht abgeneigt ist, dann ist Trombone Shorty ein Muß. Wem die Posaune gefällt, und wer mal wirlich gelungene Improvisation hören möchte, der macht dann weiter mit Ray Anderson, insbesondere das Album "So What?" Was, das hat der schon 1984 gemacht? Unglaublich!
guter Stoff ist auch Helmut Hattler, speziell "The Kite" 4. Stück "Ballhaus Rubeau", oder bei Youtube zu finden "Dheli News"
Weiter mit "out point>acid county", gerade läuft "United Future Organization", jazziger dann schon wieder Boom Pam, afromäßig: Mulato Astatke, und das könnte man ebenfalls endlos fortsetzen, so, wie die vorangegangen Empfehlungen.
Der Einstieg isses!
Wie war das denn bei mir?
Nun, ich bin mehrmals an den Jazz geraten. Als ich noch"klein" war hörte mein großer Freund neben den üblichen Rock und Pop Geschichten auch Jazz, also hörte ich mit. Abgesehen von einzelnen Platten blieb da aber erst mal nicht viel hängen. Es war die Zeit, in der man noch in den Kneipen rauchen durfte, zum Rauchen mußte man aber nach draußen um die Ecke, was seinerzeit der Grund war, warum eine gute Kneipe meist nach wenigen Monaten wieder geschlossen wurde. Die übliche Mucke war Santana, Ten Years aAfter, Balck Sabath, Burdon, Stones, Hendrix, usw. Wir kamen gerade vom Rauchen zurück in den Laden und da lief. Airto Moreira, "Fingers" und zwar das Stück "Parana". Ich weiß noch als wärs Gestern gewesen, wie es mich aus den Schuhen gehauen hatte. Das war Jazz, "Latin Jazz", aber was solls?
Jahre später ziehe ich in eine WG, in der mein Vormieter ein paar Platten zurückgelassen hatte, die ich bis Heute wie meinen Augapfel hüte. Garry Bartz Ntu Troop, ein Doppealbum, live in Montreux von 1974,
Dito, "Follow The Medicine Man", Leon Thomas "The Leon Thomas Album", Dito "Blues And the Soulful Truth" (da kann Herr Gregory Porter einpacken)
Was habe ich mit diesen Scheiben meine Mitbewohner gequält. Angesagt war damals Raggea, Funk und Afro Pop.
Aber ab diesem Zeitpunkt vermischten sich meine Hörgewohnheiten immer mehr, was bis Heute so geblieben ist, wobei der Schwerpunkt meist mehr im Jazz liegt. Aber wo fängt Jazz überhaupt an, und wo hört er auf? Gut, den Anfang kriegt man ja vielleicht noch halbwegs definiert, aber ein Ende ist da nicht in Sicht. Wer die Welt bereisen möchte, den heimischen Sessel aber nicht verlassen kann oder will, dem empfehle ich JAZZ in all seiner Vielfalt, jedweder Provinienz.
Beispiel "African Marketplace" von Abdullah Ibrahim (Dollar Brand) Augen zu und schon brodelt ein afrikanischer Markt um einen herum.
Rabih Abou Kalil, egal welche,< Augen zu und ich reite mit einer Karawane durch die Wüste, erfrische mich in einer Oase, verliere mich in den Ornamenten der Fenster einer Moschee
Eric Truffaz "Arhangelsk" und schon befinde ich mich in diesem bizzarren Kaff im Norden Russlands ...
Das lässt sich endlos fortsetzen.
Und da fällt mir noch ein, dass wir auch damals in den "wilden Zeiten" schon Jazz gehört hatten, aber gar nicht wussten dass es welcher war. Ist mir erst kürzlich wieder aufgefallen, als ich die alten Softmachine Platten wieder ausgegraben habe, Blood Sweet and Tears, Chicago, If usw.
Mein Tip für Einsteiger, Ohren auf, ein bischen Verstehhilfe ist nicht Pflicht, hilft aber ungemein, und alles zulassen. Irgendwann geht die richtige Tür auf, und von da aus eröffnet sich eine ganz neue Welt.
Gruß Traubenflüsterer


[Beitrag von traubenfluesterer am 16. Dez 2014, 00:19 bearbeitet]
Mr._Lovegrove
Inventar
#32 erstellt: 16. Dez 2014, 09:53
Das hört sich nicht nur nach einem interessanten Leben an , sondern auch
nach einer klassischen Musiksozialisation früherer Jahre.
Jahren, in denen der Jazz in vielen Schichten viel näher an der Popmusik war, als heute,
so dass man damit viel schneller unabstichtlich in Berührung kam.
Heute ist das leider kaum mehr so. Wenn ich mich mit jüngeren Kollegen über Musik unterhalte,
dann wissen die oft gar nichts mit dem Wort Jazz anzufangen.
Als Jazzhörer stehe ich auch in meinem Freundeskreis sehr allein da.

Ich kann mich noch an eine Szene von letztens erinnern. Wir saßen gemütlich abend beisammen
und bei meinem Freund lief ein Internetradio. Alle fandens gut, man unterhielt sich auch über die
Musik, die 70er- und folklastig war. Doch dann lief "The pan piper" aus Miles Davis' "Skethces of Spain"-
Album. Ich fands sehr geil, dass das lief, aber der Rest machte blöde Kommentare, wohlweislich meine
Freunde das ja gar nicht verstanden konnten, was da lief. Auch meine kurze Erklärung zum Album und dessen
Idee machte es kaum besser.

Sicher hat Jazz seine Wurzeln im Blues und war ursprünglich reine Unterhaltungsmusik. Doch
die improvisierte Musik hat sich schon bald nach dem 2. Weltkrieg auch zu einer Musik der
Denker und Former gewandelt, was man z.B. im Third Stream sehr gut nachvollziehen kann.
Und das eben nicht nur Groove und Swing zählen, sondern Ausdruck und Aussage, zeigt ja der
Free Jazz in kompromisslosteser Form.

Und ich glaube, dass man heute kaum noch auf natürliche Art und Weise mit dem Jazz groß werden kann.
Der Jazz ist weitgehend aus der allgemeinen und leicht zugänglichen Medienlandschaft verschwunden.
Radio und Fernsehen spielen kaum noch Jazz und wenn dann spät nachts. In den Charts kommt diese Musik
gar nicht mehr vor, es sei denn, man heißt Gregory Porter oder Norah Jones (die keinen Jazz mehr spielt).
Und das sind leider beides Sänger.
Die unaufgeforderte Berührung mit der Musik, die früher oft stattgefunden hat, weil die Musik im Radio und in
Kneipen lief, weil in der Studenten WG "Bitches Brew" oder eine frühe Chicago aufgelegt wurde, kommt so gut
wie gar nicht mehr zu stande. Die Musik erreicht nicht mehr so leicht die jungen Generationen, um einen
natürlichen Entdeckungsprozeß in Gang zu setzen.

Wer Jazz hören will, weil er mal damit in Berührung kam, tut das eher, wie einige hier im Forum. Er informiert sich,
weil er orientierungslos ist. Es kommt mir fast wie bei einem Studium vor. Welche Kurs muß ich belegen, welchen
Professor muß ich anhören, zu welchem Tutorial muß ich hin, damit ich ans Ziel komme.
Und im Jazz ist das manchmal leider auch so. Da wir die Generation sind, in der die Geschichte des Jazz schon erzählt
ist und wir im neuen Jahrtausend nicht mehr in den Genuß kommen können, sozusagen innerhalb der Geschichtsentwicklung
des Jazz aufzuwachsen, können wir nur auf sein Erbe zurückgreifen. Und als jemand, der wissen will, wie Jazz
funktioniert, woher er kommt, was seine Beweggründe sind, muß man sich durch das Erbe wühlen.

Denen, die Jazz interessiert, bleibt da nur der Gang ins Internet, Wikipedia, Youtube (und natürlich diesews Forum ).
Was zum Schluß dazu führt, dass eine derartige Aufarbeitung auch zu einem gesammelten Wissenskonvolut
führen kann, das aber keinen Zusammenhang besitzt. Man kenn Coltrane, man kennt Miles Davis und Satchmo, aber
die Kette, an der alle mitgearbeitet haben, kann man aber nur ganz erkennen, wenn man sich systematisch mit der
Sache auseinander setzt. Und das dauert oftmals viele Jahre und ist eben auch eine Sache der natürlichen Entwicklung,
die man nicht erzwingen kann. Wer sich im Grundsatz zu Jazzhören zwingt, sollte es lassen.

Das alles mag jetzt so gar nicht nach Genuß und Leidenschaft klingen und klingt paradox gegenüber der Tatsache, dass
Musik doch nichts anderes als unterhalten, beglücken und Emotionen freisetzen soll. Und das tut der Jazz besser als jede
andere Musikform. Aber der Jazz ist halt auch oftmals wie Rubbellos beim Lotto. Man sieht nicht sofort das Glück, sondern
muß ein wenig was tun.
Wildebreze
Ist häufiger hier
#33 erstellt: 16. Dez 2014, 20:29
Wow, das war mehr Reaktion als ich erwartet habe

Erst danke für die zahlreichen Hör-Tipps, werde mich da mal durcharbeiten:)



Jazz vertsehen ist vielleich nicht der richtige Ansatz. Besser vielleicht : Jazz entdecken.


Ja das ist wohl der bessere Begriff.



Edit2: imo gehört Jazz nicht auf so einen elitären Thron, wo ihn heute viele "sophisticated People" sehen (wollen).
Das ist originär eigentlich wie gesagt Musik für "Partygänger" und nichts intellektuelles.
Der großartige Robert Glasper, dessen tolle Musik auf jeden fall auch einen Versuch wert ist, hat imo sehr gute Worte dafür gefunden: Klick!


Ja das stimmt wohl, Jazz-Hörer gehen (bei uns in München) ins Gasteig, schauen arte, wenn Sie überhaupt einen Fernseher haben, usw.
Und viele Jazz-Hörer sehen sich ja selbst auch so.

Ich denke, das ist aber relativ leicht zu erklären, eigentlich schon mit diesem Thread an sich.

Bei anderen Genres, ich nehme mal den Blues als Beispiel, drückt sich die "Komplexität", oder vielleicht eher der technische Anspruch etwas anders aus.
Die Stücke, bzw. die Musiker, die für das geschulte und anspruchsvolle Blues-Gehör ein Genuß sind, sind trotzdem meist für den Laien immer noch erträglich wenn nicht sogar gut.
Ich nehm hier mal als Beispiel einen Stevie Ray Vaughan, da er zu meinen absoluten musikalischen Helden gehört. (für die Blues Puristen die jetzt aufschreien, man kann sich hier gerne auch einen John Lee Hooker oder B.B. King etc. reindenken :))
Auf den ersten Blick liefert er erstmal solide, gute Rock-Blues Nummern und spielt viele Hendrix-Nummern nach.
Wenn man sich aber für die Blues-Gitarre interessiert, und sich mit ihm beschäftigt, und was andere Musiker über seine spielweise sagen, erkennt man die Genialität hinter ihm und seiner Musik, und hört diese auch.
Natürlich ist das nicht immer so, originale Nummern von Rober Johnson sind für den Laien auch eher anstrengend, aber immernoch kein Vergleich, zu dem, was das Jazz-Portfolio bietet

Beim Jazz ist das etwas anders. Hier gibt es die "verträglichen" Nummern, die auch dem Laien gefallen. Aber wenn es an das "schwere" Zeug geht, ist das für den Laien, wie mich eher unverdaulich und erst mal nervig.
Mit Jazz muss man sich erst beschäftigen um die Ganze Bandbreite geniesen zu können.

Und ich denke, genau daher rührt auch diese "sophisticated" Haltung, man hebt sich dadurch von der Maße ab.
Ein bisschen so wie bei Whiskeytrinkern, hier muss man sich auch erst hintrainieren, bis man den richtig fiesen, torfigen was abgewinnen kann

Ich halte aber nichts davon Musik generell so zu bewerten, vor allem nicht Ganze Genres.

Gute Musik definiert sich für mich nicht durch die Anzahl der Fans, der verkauften Alben, und auch nicht durch Ihre Komplexität.
Mit der Komplexität kann ein Künstler sein "handwerkliches" Können zeigen, das macht es aber nocht nicht automatisch "gut".


Dito "Blues And the Soulful Truth" (da kann Herr Gregory Porter einpacken)


Dem entnehme ich, dass Gregory Porter kein hohes Ansehen bei Dir genießt?
Ich weiß, dass Gregory Porter sicher nicht zu den Vorbild-Jazzern gerhört und eher "poppigen" Jazz fabriziert.

Aber wieso nicht? Ich fand sein Album super, und das Konzert auch. Seine Musik ist sehr soulig und ja es gibt sicher auch bessere als Ihn, aber gibts nicht immer einen besseren?
Ich denke das er dem Jazz aber genau durch seinen etwas "aufgeweichten" Jazz, oder durch seine Soul-Nummern mit Jazzelementen dem Genre einen großen Dienst erweist.
Genauso wie es ein John Mayer, ein Jack White oder die Black Keys für den Blues tut/tuen.
Sie gewinnen Leute für diese Genres, die davor keine Berührungspunkte damit hatten und bieten Ihnen vielleicht einen Einstieg in das jeweilige Genre.

Und genau das ist ja jetzt zum Beispiel bei mir passiert, ich sitze hier, schreibe mit Euch, lese Eure Beiträge und höre mich durch Eure Vorschläge

Und ich bin 29, ob das nun jung ist oder nicht, das kommt auf den Betrachtungswinkel an
traubenfluesterer
Ist häufiger hier
#34 erstellt: 16. Dez 2014, 21:03

Wildebreze (Beitrag #33) schrieb:



Dito "Blues And the Soulful Truth" (da kann Herr Gregory Porter einpacken)


Dem entnehme ich, dass Gregory Porter kein hohes Ansehen bei Dir genießt?
Ich weiß, dass Gregory Porter sicher nicht zu den Vorbild-Jazzern gerhört und eher "poppigen" Jazz fabriziert.

Aber wieso nicht? Ich fand sein Album super, und das Konzert auch. Seine Musik ist sehr soulig und ja es gibt sicher auch bessere als Ihn, aber gibts nicht immer einen besseren?


Wie ich Gregory Porter finde, sollte Dir am A... vorbei gehn. Wenn Du mit Ihm was anfangen kannst, ist das doch ok.
Aber merke dir trotzdem mal diesen Leon Thomas. Insbesondere das Stück "Pharoas Tune" auf "The Leon Thomas Album"
Das passt dann auch gut zu dem was ich über "Reisen mittels Musik" geschrieben habe. Und es ist eben alles andere als so glattgeleckt, wie die Porter Mucke. Ich meine der ist nicht schlecht, aber kein Fisch kein Fleisch.
Und um Gottes Willen rechtfertige dich nicht für deinen Hörgeschmack. Du bist sowieso auf dem richtigen Weg.
Noch ein Wort zu den "Klassikern". Du findest im Jazz Millionen Interpreten, und davon 990.000 die die Jazz Standards rauf und runter dudeln. Auch, und das ist das erschreckende richtig gute junge Musiker. Viele kauen auf dem Sound von Miles Davis rum, andere wie Joshua Redman wollen unbedingt so sein Coltrane.
Es ist Zeitverschwendung. Coltrane ist unvergleichlich, und Miles und all die anderen auch. Die hatten Ihre Zeit und sind zeitlos. Und inzwischen hat sich der Jazz 50 Jahre irgendwohin entwickelt, wo man Ihm folgen sollte, anstatt sich mit der 956 sten Version von "Take Five" zu beschäftigen.
Gruß TF


[Beitrag von traubenfluesterer am 16. Dez 2014, 21:05 bearbeitet]
peacounter
Inventar
#35 erstellt: 16. Dez 2014, 21:10
man ist übrigens immer auf dem richtigen weg, was musik angeht.
egal ob man bohlen, dire straights oder peter brötzmann hört.
bei musik gibts kein richtig oder falsch, nur "gefällt" oder "gefällt nicht".

wenn ich meine musik nach genres ordnen würde und gregory porter-cd's hätte, käme ich aber auch nicht auf die idee, sie bei jazz abzusortieren...
Bob_Weir
Stammgast
#36 erstellt: 23. Dez 2014, 23:34
Jazz verstehen?

Wie bei jedem anderen Genre auch, halte ich es für unabdingbar, nicht nur Platten zu kaufen und diese zu hören, sondern auch entsprechende Literatur zu lesen. Man wird Miles Davis besser verstehen, sobald man seine Biografie gelesen hat. Auch ein Buch über die Geschichte oder die Sozialgeschichte des Jazz hilft, Zusammenhänge und Hintergründe besser zu verstehen, genauso natürlich Bücher über wichtige Persönlichkeiten des Jazz (nicht nur Musiker, auch Leute wie Norman Granz oder Nica Rothschild).

Wissen hilft beim Verstehen.
peacounter
Inventar
#37 erstellt: 23. Dez 2014, 23:58
nicht echt jetz, oder?
um die pistols zu verstehen brauch ich kein buch!
für nofx auch nich!
muß man nich kapieren....
kann man aber!
Bob_Weir
Stammgast
#38 erstellt: 24. Dez 2014, 00:07

peacounter (Beitrag #37) schrieb:
nicht echt jetz, oder?
um die pistols zu verstehen brauch ich kein buch!
für nofx auch nich!
muß man nich kapieren....
kann man aber!

Was Du brauchst, weiß ich nicht. Ganz sicher versteht man Punk aber besser, wenn man nicht nur hört sondern auch liest. Wie gesagt, es geht um Zusammenhänge und Hintergründe. Will man sich die Anfänge des Punk wirklich ernsthaft und tiefgreifend erschließen, sollte man sich auf den Kauf von Singles konzentrieren und zusätzlich die englischen Weekly's (NME, Melody Maker) der Jahre '76 bis ca. '81 besorgen.

Hier in diesem Thread wurde jedoch explizit nach Jazz gefragt. Und ja, klar ist es da wichtig, über die Hintergründe, Zusammenhänge und Entwicklungen bescheid zu wissen. Man kann das natürlich auch sein lassen und auf Literatur verzichten. Dann kratzt man aber nur an der Oberfläche und wird Jazz eben nicht verstehen.
onkel_böckes
Inventar
#39 erstellt: 24. Dez 2014, 00:07
verstehen geht am besten mit mary jane, so habe die fürher wie heut auch gespielt.
Zieht die töne auseinander, so wird es einfacher den einstig zu finden
Mr._Lovegrove
Inventar
#40 erstellt: 24. Dez 2014, 07:48

peacounter (Beitrag #37) schrieb:
um die pistols zu verstehen brauch ich kein buch!
für nofx auch nich!

Jazz und Punk sind zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe! Und die Erstrezeption funktioniert
auch völlig anders! Wenn man eine Punksingle das erste mal hört, dann bekommt man ja sofort die
Energie mit und auch die Message dahinter kommt ja direkt und unverschleiert rüber; 2-3 Akkorde,
2-3 Minuten, "God save the queen"; "This is just a punkrocksong"; "Self esteem" dafür braucht man kein
Hintergrundwissen, das wirkt wie eine Spritze direkt ins Herz!
Aber bei komplexer Musik, deren verschiedenste Interpreten allerlei unterschiedliche Einflüsse und
beeinflußte, aber auch beeinflussendet Spielweisen haben, kriegt man die ganze Geschichte
womöglich erst durch Nachforschen erzählt. Das geht definitiv kaum ohne HIntergrundwissen.
peacounter
Inventar
#41 erstellt: 24. Dez 2014, 10:11
Das Beispiel mit dem Punkrock war vielleicht etwas platt aber ich bleibe dabei, dass Musik im Prinzip keine Erklärung benötigt.
Zumindest bei mir war das immer so.
Entweder erreicht mich etwas emotional oder eben nicht.
Wie schon gesagt:
Die Leute, die Jazz mal ursprünglich gemacht oder die Auftritte besucht haben, waren keine intellektuellen Schöngeister sondern (oft) zugedröhnte Partygänger.
Die haben auch nicht über zusammenhänge schwadroniert sondern gefeiert!
Und diesem Gefühl nähert man sich imo nicht durch Bücher oder Seminare.


[Beitrag von peacounter am 24. Dez 2014, 10:17 bearbeitet]
Bob_Weir
Stammgast
#42 erstellt: 24. Dez 2014, 10:26
Ich verstehe was Du meinst, glaube aber, dass wir von unterschiedlichen dingen sprechen. "Mögen" oder "gut finden" ist etwas anderes als "verstehen".

Ich muss jetzt zur Arbeit, schreibe aber nachher nochmal mehr dazu.
onkel_böckes
Inventar
#43 erstellt: 24. Dez 2014, 10:31

peacounter (Beitrag #41) schrieb:
waren keine intellektuellen Schöngeister sondern (oft) zugedröhnte Partygänger. .


Genau das hab ich ja geschrieben, die Musiker waren selber alle drauf.
Das man das nicht lesen muss sondern den Zugang ganz leicht durch Mary Jane bekommt.
Aber die Intelektuellen Jazz Kasper die meinen alles verstehen zu müssen, als sich dem Groove hinzugeben verstehen das nicht, war immer Tabu Thema.

Nen Freund von mir ist Musiker, in Jugendjahren waren wir in vielen kleinen Regionalen Jazzclups, habe Hankook auch Live erlebt.
Habe noch nie was vorher lesen müssen.
Bob_Weir
Stammgast
#44 erstellt: 24. Dez 2014, 16:02

onkel_böckes (Beitrag #43) schrieb:
...Intelektuellen Jazz Kasper...

Es gibt überhaupt keinen Grund, hier ansatzlos persönlich zu werden und Schärfe in die Diskussion zu bringen.

Und nochmal: es gibt einen Unterschied zwischen "mögen" und "verstehen". Man kann natürlich kein Interesse daran haben, etwas zu verstehen und sich mit der Freude an der Musik als solcher begnügen. Aber selbstverständlich versteht man die Musik dann nicht, sondern bleibt an der Oberfläche, weiß nicht, wie die unterschiedlichen Spielarten des Jazz entstanden sind, welche Rolle die unterschiedlichen Ethnien in den USA gespielt haben, welche Rolle Drogen gespielt haben, welche Einflüsse klassische Komponisten gehabt haben, welche Bedeutung welche Plattenlabels hatten und warum und so weiter und so fort. Schon allein die Etymologie des Wortes "Jazz" erklärt vieles über die Ursprünge dieser Musik.

Gerade bei Musik, die man nicht selbst erlebt hat, weil sie vor der eigenen Geburt entstanden ist oder weil man nicht zur rechten Zeit am rechten Ort war, ist begleitende Lektüre überaus erhellend. Wenn Miles Davis in seiner Biographie von seinen Auftritten mit Dizzy Gillespie und Charlie Parker im Minton's erzählt, ist das ungeheuer mitreißend, plastisch, kurz: Gold wert.

Ähnliches trifft auf quasi alle Musikrichtungen zu. Ich halte es schlichtweg für ausgeschlossen, dass jemand Ursprünge, Entwicklungen und Veränderungen in der Musik verstehen und erklären kann, ohne entweder selbst dabeigewesen zu sein oder entsprechende Kenntnis über das Lesen einschlägiger Literatur eingeholt zu haben.

Ich bin aber gerne bereit, meine Haltung zu überdenken, wenn hier entsprechende Gegenargumente gepostet werden sollten. (Und nein, Herbie Hancock gesehen zu haben - ich habe ihn übrigens dreimal live erlebt - bedeutet nicht, Jazz zu verstehen.)
Bob_Weir
Stammgast
#45 erstellt: 24. Dez 2014, 16:13

peacounter (Beitrag #41) schrieb:

Die Leute, die Jazz mal ursprünglich gemacht oder die Auftritte besucht haben, waren keine intellektuellen Schöngeister sondern (oft) zugedröhnte Partygänger.

Das stimmt wirklich nur zu einem sehr kleinen Teil. Drogen waren besonders in den Zeiten des Bebop und des Hardbop ein großes Thema bei den Jazz-Musikern und beim Jazz-Publikum. Aber: Tatsächlich wurden die Jazz-Clubs im New York der Vierziger und Fünfziger Jahre wurden vorwiegend von intellektuellen Weißen besucht. West-Coast-Jazz ist sogar ein beinahe ausschließlich intellektuelles Thema, die Einbeziehung klassischer polyphoner Elemente im Cool-Jazz ist ganz sicher auch ein intellektuelles Thema.

Übrigens waren Eckpfeiler-Persönlichkeiten des Jazz, wie zum Beispiel Miles Davis und Thelonious Monk auf einer Musikhochschule.
arnaoutchot
Moderator
#46 erstellt: 24. Dez 2014, 16:17
Ich meine, es ist ein wenig so, wie es Mozart schon vor über 200 Jahren anhand eines Klavierkonzerts selbst folgendermaßen beschrieb: „Die Concerten sind eben das Mittelding zwischen zu schwer, und zu leicht – sind sehr Brillant – angenehm in die ohren – Natürlich, ohne in das leere zu fallen – hie und da – können auch kenner allein satisfaction erhalten – doch so – daß die nichtkenner damit zufrieden seyn müssen, ohne zu wissen warum."

Man kann Jazz einfach hören und emotional auf sich wirken lassen oder sich damit befassen und ein tieferes Verständnis erreichen. Ich halte es da mit meinem Vorredner, "man hört nur was man weiss".
chriss71
Inventar
#47 erstellt: 24. Dez 2014, 16:23

Bob_Weir (Beitrag #44) schrieb:

Und nochmal: es gibt einen Unterschied zwischen "mögen" und "verstehen".


Bester Satz des Threads. Ich sehe es wie @Bob Weir und @Michael: Will man wirklich Jazz verstehen, kommt man um Lektüre nicht umhin.
Ein Beispiel: Die Linie von Bill Evans über Chick Corea und Keith Jarrett zu Brad Mehldau und Fred Hersch ist eine Gerade - trotzdem sind Welten dazwischen. Das kann man aber nur raushören, wenn man grundsätzlich über Harmonik, Ornamentik, Phrasierung, Improvisation und Melodik Bescheid weiß.

traubenfluesterer
Ist häufiger hier
#48 erstellt: 24. Dez 2014, 17:30

Bob_Weir (Beitrag #44) schrieb:

...
Und nochmal: es gibt einen Unterschied zwischen "mögen" und "verstehen". Man kann natürlich kein Interesse daran haben, etwas zu verstehen und sich mit der Freude an der Musik als solcher begnügen. Aber selbstverständlich versteht man die Musik dann nicht, sondern bleibt an der Oberfläche, weiß nicht,...


Ich glaube, dass hier zwei verschiedene Themen unnötig kontrovers diskutiert werden. Den Fredersteller habe ich so verstanden, dass er den Jazz nicht nur emotional, sondern auch geschichtlich und evtl. musikwissenschaftlich verstehen möchte. Ok, wer`s mag.
Dannn gibt es hier die Fraktion derjenigen, und ich zähle mich auch dazu, die den Jazz, sowie jede andere Musik auch über das Hören und Empfinden verstehen. Was heisst hier verstehen? Mitspielen, oder wenigstens mit schwingen, abfahren, wegfliegen....

Nur an der Oberfläche bleiben???? Jetzt hör aber auf. Ich habe geweint, als ich zum ersten Stimela von Hugh Massakela gehört habe. Ich muss nicht wissen, dass gewisse Musiker Schwarze sind, nein, das höre ich. Und auch einen richtig guten Raggae gibts tatsächlich nur aus Jameika, da kann Gentleman soviel Erfolg haben wie er will, er ist nicht authentisch und ich HÖRE und FÜHLE das.
Wer mir jetzt erzählen will, dass dies nur mit dem Studium entsprechender Fachliteratur, der mag vielleicht ein guter "Fachmann" sein, von Musik hat er deswegen nicht zwingend eine Ahnung.

Ja wer glaubt denn ernsthaft, dass die Musiker damals wie Heute von Ihrem Publikum erwarteten, dass es sich erst mal entsprechend vorgebildet hatte, bevor es den Jazzkeller, die Bar oder den Konzertsaal betreten hat.
Also wer über Musik reden möchte, der muß wohl viel darüber lesen.
Wer Musik hören will, der braucht nur die Ohren aufzusperren, vielleicht die Augen zu schliessen, sich ggfs. dem Zustand der Musiker etwas anzupassen, und los gehts.
Mit gutem Wein gehts mir überigens ebenso. Wenn dann die "Fachleute" rumkauen, von den anbenteuerlichsten Geschmacksnoten, Auf und Abgängen faseln, dann nehme ich zuweilen einen Schluck, warte einen Augenblick und sage: "Hmmmm, Lecker" Das funktioniert immer wieder.

Gruß TF
Bob_Weir
Stammgast
#49 erstellt: 24. Dez 2014, 17:44

traubenfluesterer (Beitrag #48) schrieb:

Ja wer glaubt denn ernsthaft, dass die Musiker damals wie Heute von Ihrem Publikum erwarteten, dass es sich erst mal entsprechend vorgebildet hatte, bevor es den Jazzkeller, die Bar oder den Konzertsaal betreten hat.

Das wurde hier doch von niemandem behauptet. Da Du es aber ansprichst: von Miles Davis weiß man, dass er ein informiertes und kundiges Publikum überaus geschätzt und sich über Unkundige sehr abfällig geäußert hat.

Aber das kann man natürlich nur wissen, wenn man seine Biographie gelesen hat...
traubenfluesterer
Ist häufiger hier
#50 erstellt: 24. Dez 2014, 19:37

Bob_Weir (Beitrag #49) schrieb:

...
Aber das kann man natürlich nur wissen, wenn man seine Biographie gelesen hat... ;)


Und von Gary Barts weiß ich, dass Er und seine Band bei einem Gig als erstes immer "Nommo - the majick song" gespielt haben. Nach diversen Erklärungen fordert er gegen Ende des Stücks schliesslich alle Leute, die schlechte Laune haben und bad vibes verbreiten, den Raum zu verlassen.

Aber das kann man natürlich nur wissen, wenn man dabei war, oder die Platte hat und zuHÖRT.

Und jetzt fröhliche Weihnacht
TF
Bob_Weir
Stammgast
#51 erstellt: 24. Dez 2014, 19:39
Frohes Fest zusammen!
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