Mozarts Musik austauschbar in seiner Zeit?

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littlemonk
Ist häufiger hier
#1 erstellt: 23. Jun 2015, 12:09
Hallo zusammen!

Da gestern James Horner gestorben ist, habe ich eben mal über seinen Wikipedia-Artikel drübergelesen und bin da auf ein für mich bemerkenswertes Zitat gestoßen. Falls jemand dazu was sagen und das bestätigen oder widerlegen kann, wäre ich dankbar
Hier das Zitat:

In der Ära Mozarts war Mozart von allen der Beste. Wenn man allerdings fünfzehn beliebige andere Komponisten der Zeit heranzieht, so war deren Musik mit der von Mozart im Grunde identisch. Hört man sich seinen Vater oder Michael Haydn an, so sprachen alle dieselbe musikalische Sprache. Filmmusik ist da diese sonderbare Sache, bei der sich jeder Score vom anderen unterscheiden muss, das sagen zumindest die Juristen. Aber für einen Künstler ist das unmöglich. […] Für mich ist klassische Musik – ernste Musik – eine wundervolle Welt, aus der ich mich bediene.

(https://de.wikipedia.org/wiki/James_Horner#Stil)

Es geht mir hauptsächlich um die ersten paar Sätze. Ist Mozarts Musik wirklich so austauschbar?

Falls sich jemand auskennt, bitte schreiben

Viele Grüße!
spawnsen
Inventar
#2 erstellt: 23. Jun 2015, 12:42
Hmm, mit dem Fragment "im Grunde identisch" bezieht sich Horner vermutlich auf den Kompositionsstil sowie auf die Kompositionsformen, wie sie in Zeiten der Wiener Klassik hervorgebracht wurden. Die meisten Komponisten dieser Zeit orientieren sich - mehr oder weniger stark - an diesen Formen sowie an der für die Wiener Klassik nicht untypischen Strukturiertheit sinfonischer Werke. Mozart und sein "Mentor" Hadyn ist ein gutes Beispiel. Im Vergleich zur komplex angelegten Instrumentalmusik späterer Epochen kann man den Satz (imho) durchaus so stehen lassen.
Kreisler_jun.
Inventar
#3 erstellt: 23. Jun 2015, 15:55
Der Satz ist entweder trivial richtig oder trivial falsch. Die Paradoxie zeigt sich ja in den Formulierungen "von allen der beste" und "im Grunde identisch". Wenn Mozart irgendwo der beste war, muss sich seine Musik ja irgendwie auszeichnen, also letztlich eben nicht gleichartig mit der Michael Haydns sein.

Andererseits stimmt es natürlich, dass es Stilelemente gibt, die fast alle Musik, sagen wir 1770-1800, gemeinsam haben. Aber das findet man ähnlich oder noch stärker und teils über längere Zeiträume in anderen Epochen ebenfalls, z.B im Barock oder auch noch im 19. Jhd. Es kommt immer darauf an, wie genau man hinschaut. Für jemanden, der nie Klassik hört, klingen Mozart und Brahms vermutlich "gleich" (halt mit Geigen und so). Für jemanden, der mit der entsprechenden Musik vertraut ist, unterscheiden sich zB Sinfonien um 1770 von Mozart, Haydn und Philipp Emanuel Bach sehr deutlich voneinander, ebenso Stücke von Bach, Händel und Rameau.

Es ist zwar richtig, dass sich Personal- oder Gruppenstile nach Mozart zunehmend stärker voneinander unterscheiden. Und natürlich kennen wir meistens nur noch die Komponisten, die in vieler Hinsicht besonders originell gewesen sind. Wenn man Klavierstücke von Chopin und Schumann vergleicht, wird man wohl die Unterschiede eher hören, als wenn man Chopin mit Hummel, Moscheles, Kalkbrenner... was es damals sonst noch so gab vergleicht.

Aufgrund meistens sehr guter Überlieferung gibt es nicht viele Werke Mozarts, deren Autorschaft umstritten ist. Bei Bach oder Händel sieht das anders aus, selbst von Brahms (oder eben nicht) gibt es ein Klaviertrio unsicherer Autorschaft, bei dem reine Stilüberlegungen kein eindeutiges Ergebnis bringen. (Und das sind keine bewussten späteren Fälschungen, sondern stilistisch ähnliche Werke von ungefähr gleichzeitig lebenden Komponisten.)
Thomas133
Hat sich gelöscht
#4 erstellt: 24. Jun 2015, 19:04
Ich möchte zu dem was Kreisler geschrieben hat - dem ich im Großen und Ganzen zustimmen kann - noch hinzufügen, dass es für mich auch noch einen Unterschied ausmacht von welcher Schaffensperiode man die Werke heranzieht. Man könnnte es grob in "Salzburger Zeit" (In Anführungszeichen auch deshalb weil er sich besonders in dieser Zeit viel im Ausland aufgehalten hat, also mehr als Bezeichnung seines gemeldeten Wohnsitzes angesehen werden kann ) und in Wiener Zeit unterteilen. Wobei hier auch die Grenzen fliessend sind und in beiden Perioden Ausnahmen die Regel bestätigen. Im Schnitt gesehen kann man in der Salzburger Zeit den Einfluss der Vorbilder viel deutlicher heraushören. Das "Alleinstellungsmerkmal" - wenn man es so nennen will - ist wie in der Wiener Zeit noch nicht so deutlich wahrnehmbar. So sind manche Jugendsinfonien (und andere Werke) noch deutlich vom großen Vorbild Johann Christian Bach geprägt, die frühen Opern (bis Idomeneo) sind bzgl. Gestaltung und Tonsprache denen der damaligen (älteren und schon etablierten) Zeitgenossen wie Cimarosa, Paisiello, Jomelli,... relativ ähnlich. Ich sehe diese Zeit auch als eine Art Reifeprozess, von etablierten Komponisten zu lernen und im Laufe der Zeit zu versuchen es zu verbessern und immer weiter auf ein höheres Niveau zu bringen...auch wenn Harnoncourt der Meinung ist er hätte sich schon seit Kindheit an deutlich von seinen Zeitgenossen abgehoben, dessen Meinung ich hier aber nicht teilen kann. Er war ungefähr auf Augenhöhe mit älteren Konkurrenten was für das Alter sicherlich erstaunlich war aber wenn man es ganz objektiv ohne Mozart-Brille betrachtet ist hier tatsächlich in Bezug zur Konkurrenz vieles austauschbar (und das sage ich als Jemand der Mozart neben Beethoven, Bach und Schubert als die Spitze seiner Musikwelt betrachtet)
In der Wiener Zeit hatte er sich jedoch nicht nur stilistisch sondern - abgesehn von einigen Werken Haydns - auch in der Kunstfertigkeit, Gewichtung mehrheitlich und deutlich von den komponierenden Zeitgenossen abgehoben. Es braucht sich nur jemand mal die Mühe machen ähnliche Qualität bei den Klavierkonzerten, der c-moll Messe, den letzten 4 Sinfonien und einigen Kammermusikwerken bei seinen zeitgenössischen Kollegen zu finden (ich hab das schon hinter mir da ich gerne etwas ähnlich gutes bei anderen Komponisten gefunden hätte, deswegen kann jeder Ungläubige sich selbst auf die Suche machen ) Je nach Gattung kamen signifikante Unterschiede dazu wie zB bei den Klavierkonzerten die eigenständige Behandlung aller Stimmen wie die größere zugemessene Bedeutung der Holzbläser die nicht nur allein als Begleitfunktion herhalten durften. Damals über die traditionell übliche harmonische Standardisierung teils weit über die Grenzen mit für damalige Zeiten sehr experimentellen Verläufe hinausgehend, rhythmisch variantenreicher, häufigere Kontrastierung als auch häufigere Verwendung von Polyphonie, Ausweitung der Formen und Gestalt in der Messe usw. usw.
Wer sich halbwegs damit beschäftigt kann das auch auf Anhieb im Vergleich heraushören ohne großartig analysieren zu müssen, nur ist es wie Kreisler schon schrieb klar, dass bei gewissen Hörgewohnheiten alles nur gleich klingt. Ich kenne Leute die können auch nicht einen VW Golf von einem Skoda oder Audi unterscheiden, weil sie sich überhaupt nicht für Autos interessieren. Deswegen hab ich auch allgemein im Leben gelernt bei gewissen Urteilen auch immer den Ausgangspunkt (evtl. Motivation) des Urteilenden heranzuziehen bevor oder inwieweit ich mir darüber ernsthaft Gedanken mache. Inwieweit sich Horner jetzt mehr oder weniger speziell mit dieser Epoche auseinandergesetzt hat weiß ich aber nicht, soweit mir bekannt ist kommt er nicht aus der Klassik-Szene...zum. wären mir keine klassischen Werke von ihm bekannt. Aber er hätte damit zum. auch teilweise Recht, wie auch immer er zu dieser Meinung kam und wie auch immer man sie relativierend verstehen kann.


[Beitrag von Thomas133 am 24. Jun 2015, 19:07 bearbeitet]
hifi-zwerg
Stammgast
#5 erstellt: 26. Jun 2015, 13:30
Hallo!

Es ist ein Fragmet aus einer Aussage, vor allem die Frage zu der Antwort fehlt. Man stelle sich eine Frage in der Atr von "Ist nicht eigeltlich alle Filmmusik gleich und zugleich zu stark an langweiliger Klasssik orintiert?" Und lese dann den Satz nochmal.

Dazu ist es auch eine Frage der Perspektive, es wird wohl genau so einen klassikunerfahrenen Heavy Metal fan geben, der selbts mit einigen Hinweisen eine Mozartsinfonie nicht von einer Haydn Sinfonie unterscheiden kann wie ich alle Heavy Metall Stücke unterschiedlos als gelichklingendes Geschrei mit Krach höre.

Gruß Zwerg
Thomas133
Hat sich gelöscht
#6 erstellt: 26. Jun 2015, 17:13
Hallo,
"langweilig" kann ich in seiner Aussage nicht herauslesen. "identisch" ist für mich nicht das Synonym für langweilig - es kann etwas identisch sein aber trotzdem interessant, auch wenn es austauschbar oder ähnlich ist.
Und das mit der Perspektive hat auch Niemand bestritten - das läßt sich natürlich auf viele Gebiete in unserem Leben ausweiten.
gruß
Martin2
Inventar
#7 erstellt: 21. Jan 2017, 20:15
Also ich finde Mozarts Meisterwerke überhaupt nicht austauschbar mit der Musik anderer Meister. Sicher hat Mozart viel gelernt von anderen Komponisten, wenn man zum Beispiel mal Johann Christian Bach hört, dann merkt man schon, wo Mozart seinen Stil zum Teil auch her hat, wobei Johann Christian Bach allerdings auch ein recht guter Komponist war, von dem für Mozart auch etwas zu lernen war, nicht nur vulgäres Handwerk, sondern auch etwas vom Stil eines für sich selbst genommen nicht unbedeutenden Komponisten. Mich stört bei dem obigen Zitat ein bißchen das "im Grunde identisch". Die Musik Mozarts ist eben gerade nicht "im Grunde identisch" mit der anderer Komponisten, sondern sie ist eben von anderen unterschieden in einem entscheidenden Sinne. Sie ist genial und in ihrer Genialität unverwechselbar. Hört man die schlechteren Komponisten, dann denkt man: Na ja, das ist ganz gut gemacht, aber einen besonderen Nährwert hat diese Musik nicht, und dann langweilt man sich und denkt bei sich "Na ja, ganz interessant das mal gehört zu haben, aber begeistern tut's mich nicht."

Das ist ungefähr so, als ob man sagen würde: Dostojewski war ein guter Krimischreiber, mit Edgar Wallace "im Grunde identisch". Kann man behaupten, aber es ist genauso albern, wie zu sagen, daß die Musik von Mozart mit der schlechterer Komponisten "im Grunde identisch" ist. Das einzige ist, daß Mozart sein Handwerk gelernt hat. Man muß bei Mozart allerdings zugeben, daß er eben als junger Mann auch Sachen geschrieben hat, in denen er sich noch sehr ausprobiert hat und noch nicht das Niveau der späten Sachen erreicht hat. Allerdings sind auch die frühen Sachen von Mozart nicht unbedingt immer schlecht.
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