Potentialausgleich und Überspannungsschutz SAT-Anlage

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AMiGAmann
Stammgast
#1 erstellt: 21. Okt 2022, 17:38
Hallo zusammen,

unsere SAT-Anlage im EFH besteht aus einer Schüssel mit LNB welches an einen Multiswitch BMS 5016 NT von Bauckhage angeschlossen ist, an welchem die Receiver (überwiegend VU+) angeschlossen sind. Im Moment ist lediglich der Mast der Schüssel mit einem 16mm² Kupferkabel an der Potentialausgleichschiene des Hauses angeschlossen. Ein äußerer Blitzschutz besteht (leider) nicht.

Ich würde den aktiven Multischalter, der permanent 9W zieht gerne gegen einen passiven Mutlischalter tauschen, z.B. den Jultec JRM0516T.

Bei der Recherche zum Thema bin ich darauf gestoßen, dass nach VDE eigentlich die vom LNB kommenden Kabel einmal vor und einmal nach dem Multischalter auf einen Erdungsblock geführt werden sollten, welcher per 4mm² mit dem Mast der Schüssel verbunden sein sollte (der Multischalter ist auf dem Dachboden in der Nähe der Schüssel montiert).

Nun sagt mir mein Hauselektriker, dass er dies niemals mache, seiner Meinung nach sei das nicht erforderlich. Nun meine erste Frage: in der VDE ist die Erdung/der Potentialausgleich beschrieben, ist das eine "Empfehlung" oder ist das eine verpflichtende Vorschrift?

Als zweites Thema bei der Recherche ist der Überspannungsschutz aufgekommen. Im Moment ist nichts vorhanden. Der Elektriker riet damals bei Installation der Anlage, komplett darauf zu verzichten, da im schlimmsten Fall der Multischalter und/oder Receiver defekt seien, was in keiner Relation zu Kosten eines Überspannungsschutzes stehe. Ist das tatsächlich so? Oder könnte eine Überspannung theoretisch auch über die per LAN vernetzten VU+ andere Komponenten im LAN oder über das hausinterne Stromnetz andere Komponenten im Stromnetz beschädigen?

Im Netz werden oft die sehr preiswerten DUR-line DLBS-3001-Module empfohlen, die hinter den Erdungsblock der vom LNB kommenden Kabel geschraubt werden können. In einigen Quellen lese ich, dass stattdessen Kathrein KAZ 10/Phoenix Contact C-SAT-BOX 2880561/DEHNgate FF5 TV/Astro SVP 20 (alle baugleich) als Schutz genutzt werden sollte. Die DUR-line sind sicherlich Feinschutz, was alleine ja nicht ausreichend sein kann. KAZ 10 ist Mittelschutz. KAZ 12 ist Grobschutz.

Was ist für ein privates EFH empfehlenswert? Tatsächlich auch ohne äußeren Blitzschutz die Kombination KAZ 12, dann KAZ 10 und ggf. noch DLBS 3001? Oder ist dies völlig übertrieben?

Ich freue mich über Eure Ratschläge!

Viele Grüße,
AMiGAmann
MosFetPapa
Stammgast
#2 erstellt: 21. Okt 2022, 20:38
Hi,
Blizschutz und Erdung sowie Potentialausgleich sind schon mal zwei unterschiedliche Dinge.
Ratgeber dazu gibt es online reichlich.

Ich glaub die EN50083-1 mit den Sicherheitsanforderungen enhält alles was du brauchst für eine handwerksgerechte Ausführung.

Blitzschutz hängt von der Lage, der Umgebungsbauten, der Antenneposition etc. ab. Sollte man durchaus im Auge haben bei Masten in exponierter Lage.
Da werden bei privaten Einzelanlagen gerne Abstriche gemacht und auch normativ Ermessensspielräume eingeräumt.
Bei professionellen Anlagen gibt es da weniger Spielraum ... ob Zeuss da auch unterscheidet?

Grundsätzlich kannst du die aktuelle Normung als "State of the Art" betrachten.
Im Zweifelsfall ist es damit immer bindend, selbst wenn nur Empfehlungen ausgesprochen werden.
Empfehlungen werden gerne national ausgesprochen, um Konsens in der EU-Harmonisierung zu erreichen.

Meinungen einzelner Handwerker als Gegenpol zu eindeutigen Festlegungen in der Normung möge jeder selber bewerten.

Diese Thema sollte man auch nicht unbedingt auf DIY-Basis behandeln, da gehören u.a. Prüfmittel zu über die ein Laie i.d.R. ohnehin nicht verfügt.

Nachtrag
EN50083-1 ist abgelöst durch DIN EN 60728­-11 (VDE 0855-­1):


[Beitrag von MosFetPapa am 21. Okt 2022, 20:45 bearbeitet]
KuNiRider
Inventar
#3 erstellt: 22. Okt 2022, 12:14
Das Thema Blitzschutz und PA ist komplex, dazu findest du im Forum viele Beiträge.
Zum Einlesen: http://kleiske-it.de/files/EN-60728-11_VDE-0855-1-_10-2017.pdf

Dein jetziger Multischalter braucht 9W also
9*24*365*0,40€/1000= 31,53€/Jahr davon kannst du seeeehr optimistisch 50% einsparen. Wenn du Geräte hast, die die LNB-Spannung nicht abschalten nur ca. 10%
Was kostet der Jultec?
Wenn schon neuen Switch, dann solltest du über Unicable nachdenken um Receiver und TV mit Twin-Tuner voll nutzen zu können.
raceroad
Inventar
#4 erstellt: 22. Okt 2022, 12:35

AMiGAmann (Beitrag #1) schrieb:
Nun sagt mir mein Hauselektriker, dass er dies niemals mache, seiner Meinung nach sei das nicht erforderlich. Nun meine erste Frage: in der VDE ist die Erdung/der Potentialausgleich beschrieben, ist das eine "Empfehlung" oder ist das eine verpflichtende Vorschrift?

Ob das eine verpflichtende Vorschrift ist, wird teils kontrovers diskutiert. Für mich besteht daran kein Zweifel. Erdung / PA werden u.a. in der erwähnten EN-60728-11 (Basis-Aussagen dazu bei
Kleiske nachlesbar) gefordert. Nun sind Normen zwar keine Gesetze, aber in der Rechtsprechung wird eine Ausführung von Arbeiten nach dem Stand der Technik gefordert, und Normen definieren Mindest-Anforderungen für das, was man aktuell als Stand der Technik ansieht.

Insofern besteht für mich kein Zweifel daran, dass ein Elektriker, der die Antennenanlage niemals in den Schutzpotenzialausgleich einbezieht, (grob) fahrlässig handelt!

Für die fachliche Motivation gibt es zwei Ausgangspunkte:

Auch jedes intakte Elektrogerät der Schutzklasse II (z.B. ein Fernseher mit zweipoligem Euro-Netzstecker) darf über sein Gehäuse oder seine Anschlüsse bis 0,5 mA Netzstrom ableiten. Für ein einzelnes Gerät mag das bereits unangenehm kribbeln, es wäre aber ungefährlich. Gibt es keine sonstige Möglichkeit zur Ableitung dieses Stromes (… wie ein Gerät im Verbund mit Schuko-Netzstecker), summieren sich die Ableitströme aller über mit AV- oder Antennenkabeln verbundenen Geräte auf. Der Summenableitstrom kann so hoch sein, dass die Loslassschwelle überschritten wird und es so zu einer Personengefährdung kommt. Um hier save zu sein, wird gefordert, dass der Potenzialausgleich auch beim Ausbau von Komponenten wie etwa einem Multischalter erhalten bleibt. Das erreicht man, indem man nicht nur einen PA-Leiter an den Multischalter anschließt, sondern alle Aus- und Eingangskabel über in den PA einbezogene Erdungswinkel führt. Eine Ausnahmeregelung, wonach auf den PA verzichtet werden kann, solange der Ableitstrom in der Summe < 3,5 mA beträgt, ist kaum praktikabel.

Mit Antenne im einschlaggefährdeten Bereich ist ein PA immer verpflichtend! Denn für die Satellitenantenne kommt noch ein zweiter Aspekt dazu: Antennen-Blitzschutz dient in erster Linie dem Brandschutz. Schlägt ein Blitz in die Antenne ein, hat das eine ganz erhebliche Potenzialdifferenz (bis Größenordnung 10 kV) zwischen der HES (= Haupterdungsschiene = früher Potenzialausgleichsschiene) und auch einer korrekt daran geerdeten Antenne zur Folge. Die Antennenkabel liegen aber zunächst noch auf HES-Potenzial, können aber nicht ausreichend isolieren, so dass es zu einem Überschlag zischen Antenne (.. bzw. Mast) und den Kabeln kommt. (= Brandgefahr!). Daher müssen für eine direkt geerdete Antennen die Antennenkabel mastnah (.. i.d.R. nahe des Eintritts der Kabel in das Gebäude) über einen Erdungsblock / -winkel geführt werden, der mit den geerdeten Mast verbunden ist. Ausgangspunkt des Antennen-PAs ist damit immer der geerdete Mast, nicht die HES! Bis zu einer Novellierung der EN-60728-11 (...in 2017 ?) wurde sogar ein schleifenfreier PA gefordert, d.h. es durfte neben der Verbindung der Erdungswinkel zum Mast keine zur HES geben. Inzwischen hat ein Umdenken stattgefunden, und man darf bzw. sollte sogar bis zur HES vermaschen.

Die Verbindung der Kabel zum geerdeten Mast wird nicht selten in ungutes Gefühl hervorrufen, macht sie doch klar, dass im Fall eines Einschlags ein mehr oder weniger großer Teils des Blitzstromes nicht über den Erdungsleiter (z.B. 16 mm² Cu), sondern über die Antennenkabel abfließen wird. Vielleicht verzichtet der eine oder andere deswegen sogar bewusst auf diese Verbindung. Nur wäre das eine allzu naive Vorstellung, die Kabel können das nicht isolieren. Den galvanischen Eintrag von Teilen des Blitzstromes in die Antennenkabel kann man nur unterbinden, indem eine getrennte Fangeinrichtung dafür sorgt, dass der Blitz gar nicht erst in die Antenne einschlägt (= indirekter Blitzschutz).



Als zweites Thema bei der Recherche ist der Überspannungsschutz aufgekommen. Im Moment ist nichts vorhanden. Der Elektriker riet damals bei Installation der Anlage, komplett darauf zu verzichten, da im schlimmsten Fall der Multischalter und/oder Receiver defekt seien, was in keiner Relation zu Kosten eines Überspannungsschutzes stehe. Ist das tatsächlich so? Oder könnte eine Überspannung theoretisch auch über die per LAN vernetzten VU+ andere Komponenten im LAN oder über das hausinterne Stromnetz andere Komponenten im Stromnetz beschädigen?

Was passieren würde, wird niemand exakt vorhersagen können. Ich sehe aber auf jeden Fall eine reale Gefahr, dass es zu weiteren Defekten kommen könnte (… angefangen bei den TV-Geräten, die hochpreisig sein könten). Grundsätzlich hat der Eli hier natürlich recht: Es ist letztlich auch eine Kosten- / Nutzen-Abwägung. Ein wenig wie reverses Lotto, hofft man nicht auf den unwahrscheinlichen Fall.


Im Netz werden oft die sehr preiswerten DUR-line DLBS-3001-Module empfohlen, die hinter den Erdungsblock der vom LNB kommenden Kabel geschraubt werden können. In einigen Quellen lese ich, dass stattdessen Kathrein KAZ 10/Phoenix Contact C-SAT-BOX 2880561/DEHNgate FF5 TV/Astro SVP 20 (alle baugleich) als Schutz genutzt werden sollte. Die DUR-line sind sicherlich Feinschutz, was alleine ja nicht ausreichend sein kann. KAZ 10 ist Mittelschutz. KAZ 12 ist Grobschutz.

Inhaltlich überzeugt mich am meisten die Kombination aus mastnahen Blitzstromableitern KAZ 12 und Multischalter-nahen Überspannungsableitern KAZ 11:

   (Bildquelle).

Ich kann das nicht sauberer begründen, aber KAZ 10 kommt mir irgendwie wie weder Fisch noch Fleisch vor. Erstens macht i.d.R. die räumliche Trennung von Blitzstrom- und Überspannungsableiter Sinn, zweitens ist der Überspannungsschutz von KAZ 11 (= DEHN DGA FF TV) mit zusätzlich zur Suppressordiode noch einem Varistor etwas umfangreicher bestückt als beim KAZ 10 (= DGA FF5 TV). So wird dann auch für den Schutzpegel bei 1 kV/µs C3 (U P ) für DGA FF TV mit ≤ 60 V eine nur halb so hohe Restspannung angegeben.

DUR-line DLBS-3001 ist kein Feinschutz! Denn DLBS-3001 ist nur mit einer Funkenstrecke bestückt und damit am ehesten mit dem Blitzstromableiter KAZ 12 (= DEHN DGA GF TV) verleichbar. Kostet zwar wenig, bringt aber auch wenig für Naheinschläge, die viel häufiger als Direkteinschläge vorkommen, aber auch bereits zu Geräteschäden führen können.



******
Ganz anderer Aspekt:

[....] an welchem die Receiver (überwiegend VU+) angeschlossen sind.
[…]
Ich würde den aktiven Multischalter, der permanent 9W zieht gerne gegen einen passiven Mutlischalter tauschen, z.B. den Jultec JRM0516T.

Die meisten aktuellen Receiver von VU+ sind mit einem FBC-Frontend bestückt, das acht virtuelle Tuner bietet. Dieses FBC-Frontend kann man in konventioneller Verteiltechnik nicht voll ausnutzen. Mit nur einem oder zwei Kabeln zu einem FBC-bestückten VU+ wären das für mich zumindest unschöne Einschränkungen, die man mit "Unicable" aushebeln kann. Auch dazu bietet Jultec inkl. LNB-Versorgung receivergespeiste Verteiltechnik an (seit a²CSS2 bis acht Tuner pro Port), die allerdings in der Anschaffung deutlich mehr als Einkabelumsetzer in dCSS-Technik kostet.
Dipol
Inventar
#5 erstellt: 24. Okt 2022, 21:00

MosFetPapa (Beitrag #2) schrieb:
Nachtrag
EN50083-1 ist abgelöst durch DIN EN 60728­-11 (VDE 0855-­1):

Korrekt!

Und das seit Oktober 2005.
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