Kopfhörer gemessen und gehört: die grössten Diskrepanzen

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chi2
Stammgast
#1 erstellt: 05. Jun 2012, 21:22
Geschätzte Hifi-Forianer!

Vorneweg: Ich finde Kopfhörermessungen wie jene von Tyll Hertsens aufInnerFidelity und von Goldenears interessant, reizvoll und anregend. In vielen Fällen vermögen vor allem Frequenzverlaufsdiagramme, aber auch solche zu Klirrgraden, zur Widergabe von Impulsen und Rechtecksignalen und manchmal sogar Wasserfallplots die zentralen Charakteristika eines Kopfhörers oder IEMs recht gut widerzuspiegeln.

In anderen Fällen aber fragt man sich, ob die wirklich den betreffenden Hörer gemessen haben oder ob da nicht eine Verwechslung vorliegen muss. Solche Situationen verweisen auf deutliche, bisweilen eindrückliche Grenzen der Möglichkeiten "Klang" zu messen und in Zahlen und Diagrammen wiederzugeben.

Meine Idee ist es nun nicht etwa, eine Diskussion der technischen Ursachen von Nichtentsprechungen zwischen Klangerleben und Messungen anzuregen. Stattdessen interessieren mich - und hoffentlich einige von euch ebenso - Schilderung eurer eindrücklichsten Erfahrungen solcher Diskrepanzen.

Das können positive oder negative Überraschungen sein in der Art, dass ihr aufgrund von Messschrieben eine bestimmte Klangcharakteristik erwartet habt, die sich dann in der Realität gerade nicht so bestätigt fand!

Ideal wäre es, wenn ihr das oder die entsprechende Diagramm/e gleich abdrucken könntet, damit deutlich wird, wovon ihr sprecht. Und es wäre toll, wenn ihr die Unterschiede oder besser: die Widersprüche möglichst prägnant beschreiben könntet.

Bin gespannt auf eure Posts und auf die anschliessende Diskussion!

Zudem möchte ich gleich den Anfang machen und meine Erfahrungen bezüglich des neuen Sony IEMs XBA-3 schildern. Dieser weist drei Balanced Armature-Treiber in echter Dreiwegtechnik auf.

Die auf Goldenears publizierten Messungen waren extrem vielversprechend.

XBA-3 FREQ

Der Frequenzverlauf ist überraschend ausgeglichen, zwar mit Bassbetonung und leichter Senke in den Mitten. Er reicht höher hinauf als die allermeisten 1- bis 4-Weg-IEMs. Die Höhen vermutet man entsprechend präsent, aber nicht aufdringlich, da kein offensichtlicher Peak besteht.

XBA-3 WATERFALL

XBA-3 IMPULSE

Ebenfalls mustergültig sind die Impulsantwort und der Wasserfallplot.

Und wie klingt der messtechnische Musterknabe? Voll besch...eiden!

Neben dem (im Diagramm erkennbaren) übertriebenen Bass hat er überraschend fiese, gepresste, metallisch klingende Höhen. Weit schlimmer als ER4S, UE700, TF10P oder PFE232!

In einem Wasserfallplot hätte dies nach Lehrmeinung eigentlich als Klingeln erscheinen sollen. Vielleicht zeigt es sich ja als Klirr, doch eine entsprechende Messung habe ich noch nirgends gefunden. Und ich hätte einen üblen Peak bei 10kHz oder erwartet. Beides ist nicht der Fall - und zeigt im Fall des XBA-3 eindrücklich die Grenzen des Schliessens von Messungen auf Klangeigenschaften.

Cheers,
Urs
NoXter
Hat sich gelöscht
#2 erstellt: 05. Jun 2012, 21:37
Ich kann für mich persönlich nichts aus solchen Messdiagrammen ziehen was mir Aufschluss über den Klang geben würde und daher ist das für mich eigentlich nur wertlos.
chi2
Stammgast
#3 erstellt: 05. Jun 2012, 21:48
Kann ich in dieser Absolutheit absolut nicht nachvollziehen.

Relativ sicher abzulesen sind m.E. etwa die obere und untere Grenzfrequenz (m.a.W. die Übertragungsbreite bzw. entsprechende Defizite) sowie mit gewissen Einschränkungen bzw. Komplizierungen die Balance zwischen den drei grossen Frequenzbereichen - wenn man sich mal an einer Dreiteilung orientieren will.

Was man weniger bis nicht ausgegeben bekommt sind Infos zur Tonalität bzw. zu Verfärbungen und zur Dynamik von Hörern.


[Beitrag von chi2 am 05. Jun 2012, 21:49 bearbeitet]
Kakapofreund
Inventar
#4 erstellt: 05. Jun 2012, 21:48
Moin Urs.

Wenn ich eines gelernt habe aus dem ganzen heftigen Vergleichen von verschiedensten Kopfhörern, dann besteht dies darin, dass man weder den Beschreibungen anderer, noch diversen Messungen, noch sich selbst vertrauen kann.

Natürlich sind gerade Messungen, wenn korrekt durchgeführt, schon aussagekräftig. Aber sie sagen nichts darüber aus, wie ich den Kopfhörer dann letztlich empfinde. Und Letzteres hängt dann auch -so verflixt es auch ist- mit einer situativen Begebenheit zusammen, denn mal gefällt mir ein Hörer sehr gut und ein anderes Mal mit der selben Musik, Lautstärke, etc. überhaupt nicht.

Für mich habe ich nach langer Suche und irrsinnigem Vergleichen doch wieder fest gestellt, dass mir der HD800 von allen Hörern einfach am Besten passt. Dass dieser auch messtechnisch noch relativ vernünftige Werte abliefert, kann dazu beitragen, muss aber nicht zwangsläufig sein.

Wahrscheinlich hat der verantwortliche Ingenieur für den HD800 zufällig einfach meinen Geschmack getroffen.

Und so ist es z.B. auch mit Ultrasone und seinen 40mm Treibern, deren Modelle für mich alle metallisch klingen und ich sogar deswegen den kleinen HFI-580 bevorzuge, weil der nicht diesen Metall-Klang hat.

Auf einem Diagramm kann man davon freilich nichts sehen.

Jedenfalls finde ich Messungen interessant, aber letztlich niemals entscheidend. Leider, denn sonst würde dieses vieles sehr stark vereinfachen...

Beste Grüße,
Frank
audiophilanthrop
Inventar
#5 erstellt: 05. Jun 2012, 22:13
Gerade Messungen von In-Ears scheinen ihre Tücken zu haben.

Vergleichen wir mal mit dem SE425, der ja als "Neutralo" gilt.
Messungen

Bei der Messung mit den Triflanges scheint ein Gehörgangsknick o.ä. zugeschlagen zu haben, aber das nur nebenbei. Ansonsten fällt auf, daß der Shure gerade im unteren Höhenbereich deutlich weniger hat als der XBA-3, welcher im für einen "metallischen" Klangeindruck typischen Bereich um 6 kHz ordentlich zulangt.

Ich denke, es ist das alte Entzerrungsproblem - In-Ears werden einfach 'ne andere brauchen, damit der Graph dem Höreindruck entspricht. Ihre Frequenzgänge vergleicht man am besten wie gehabt nur untereinander.

Bei "ausgewachsenen" Hörern haut es aber m.E. ganz gut hin.
chi2
Stammgast
#6 erstellt: 06. Jun 2012, 06:11
Danke für die kritischen Inputs, die mich auf Auslassungen in der Ausgangspost hinweisen und auch auf Grenzen des Unterfangens. Insbesondere teile ich die Einschätzung, dass Frequenzgangdiagramme nur innerhalb von IEMs und innerhalb von KH verglichen werden sollten und können. Und festhalten sollte ich selbstverständlich auch noch, dass aufgrund des Einflusses der Messanlage nur Vergleiche innerhalb der Charts aus einer Quelle, z.B. von Tyll oder von Goldenears möglich sind. Insofern müssten streng genommen immer nur Paare von IEMs oder KH verglichen werden.

Wie gesagt glaube ich nicht daran, "Klang" in Messschrieben umfassend und bündig abgebildet zu finden. Dennoch geben m.E. v.a. Frequenzdiagramme immer wieder Hinweise, die zweckdienlich sind.

Erwähnt seien nur mal der sprichwörtliche "Beyerpeak", der sich ebenso klar und deutlich wie die gewisse Tiefbassschwäche des ATH-W5000 oder die Bassdröhnung des Ultrasone PRO 900 findet.

Oder der "schräge" Frequenzgang eines Beyerdynamic Beyerdynamic T50p, der auf eine misslungene Abstimmung hinweist, während der weit besser klingende, technisch eng verwandte DT 1350 auch einen viel ausgeglicheneren Verlauf zeigt.

Ein weiteres Beispiel: Der Baby-Stax SR-001 bzw. SR-003 klingt bei genialem Bass und schönen Höhen in den oberen Mitten irgendwie falsch. Das Frequenzdiagramm des SR-003 von Tyll bestätigt den Eindruck durch eine krasse Senke bei 3 kHz.

Aber eben gibt es auch immer wieder überraschende Nichtentsprechungen. Und die interessieren mich besonders.


[Beitrag von chi2 am 06. Jun 2012, 06:12 bearbeitet]
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