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Warum ich gegenüber moderner Musik skeptisch bin

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Martin2
Inventar
#1 erstellt: 22. Jun 2009, 02:47
Ich würde mir es doch sehr wünschen, wenn wir über das Thema "moderne Musik" doch einmal in ein grundsätzliches Gespräch eintreten könnten. Dabei verhehle ich nicht, daß ich eine eher konservative Einstellung habe und viele Dinge, wie etwa die 12 Tonmusik, für eine Fehlentwicklung halte.

An sich ist dies ja auch ein interessantes Thema und über diese Dinge ist ja auch sehr intensiv gestritten worden, vielleicht mehr noch in den Zeiten vor der Naziherrschaft. Heute aber hat man den Eindruck, daß jeder, der sich in irgend einer Weise gegen moderne Musik stellt, sich dem "Faschismusvorwurf" aussetzt. Die Argumentation geht dann so: Wer die 12 Tonmusik für eine Fehlentwicklung hält, der sagt ja im Grund auch nichts anderes, als das er diese in irgend einer Weise für "entartet" hält, im Grunde gibt er also den Nazis recht, also ist er im Grunde ein Faschist.

Diese Argumentation kann ich aber nicht für sehr gesund im Sinne geistiger Freiheit halten, im Grunde ist dies ein Totschlagsargument, was im Grunde jegliche Auseinandersetzung von vorneherein unmöglich macht.

Und dabei wird wie ich finde in vielen Fällen "Höflichkeit" dann auch noch mit Feigheit verwechselt. Gegen Höflichkeit ist rein gar nichts zu sagen. Wenn man aber mit seinen Meinungen letzlich hinter dem Berg hält, hat das nichts mehr mit Höflichkeit zu tun. Übrigens ist die Höflichkeit dann auch durchaus beidseitig. Dies drückt sich dann häufig in dem Satz aus: "Ich habe zu dieser Musik keinen Zugang". Mit dem "Zugang" drücke ich dann aus: Im Grunde halte ich diese Musik für gut. Zurück fragen ließe sich dann aber immer: Wenn Du keinen Zugang hast, was tust Du dagegen? Hier liegen die feinen Differenzen des Begriffs "Zugang". Manch einer meint: Ich habe keinen Zugang, aber im Grunde ist mir das auch wurscht. So gesehen ist die Sache dann aber plötzlich eine vollkommene Abwertung. Und nur wenn ich zu einer Sache keinen Zugang habe, aber wie ein Hund leide, daß ich zu ihr keinen Zugang habe, drücke ich dann eine wirkliche Wertschätzung, einen wirklichen Glauben an den Wert einer Sache aus.

Ich weiß im übrigen auch nicht, ob ich tatsächlich so "konservativ" bin. Allerdings lehne ich einen gewissen Fortschrittsbegriff in der klassischen Musik ab. Dazu muß man eben betonen: Ich lehne den Begriff des Fortschritts ab. Denn was eigentlich bedeutet der Begriff des Fortschritts? Im Grunde genommen ist der Begriff des Fortschritts aus dem naturwissenschaftlichen technologischen Bereich entlehnt, hier hat er einen ganz unmittelbaren Sinn, der jedem einleuchtet. Dagegen in der Musik ist "Fortschritt" nur eine Metapher, die vielleicht auch etwas bezeichnet, aber mehr dann auch nicht.

Die Entwicklung der Musik ist aber im wesentlichen ein Kulturprozeß. Und das ist letzlich etwas vollkommen anderes. Teil dieses Kulturprozesses ist: Ich finde etwas schön oder interessant. Aber auch: Ich begebe mich auf die Suche nach Dingen, die ich schön oder interessant finde. Letzteres ist Teil des dynamischen Prozesses kultureller Entwicklungen.

Diese Definition ist im übrigen völlig offen. Letzlich kann jeder schön oder interessant finden was er will. Allerdings gibt es einen Wert von Tradition insofern, als Tradition ausdrückt, was vergangene Generationen schön oder interessant gefunden haben. Dies ist im übrigen etwas, was mich an Ansermets Versuch, Tonalität aus Naturverhältnissen oder dergleichen abzuleiten stört. Vielleicht auch interessant, nur liegt der eigentliche Wert von Tradition nicht in "Naturverhältnissen", sondern in der gewissermaßen formalen Tatsache, daß sie Ausdruck einer im Grunde genommen jahrtausendealten Auseinandersetzung um das ist, was man für schön oder interessant hält. Eine vollkommen statische, sich nie entwickelnde Tradition hat es dabei nie gegeben.

Konservativ bin ich nun insoweit, daß ich denke, wie immer sich Musik weiterentwickelt, und in dieser Hinsicht sollte man offen sein, sie dies immer nur in Hinsicht eines Kulturprozesses tun kann. Begreife ich musikalische Entwicklung als "Fortschritt" und nicht mehr als Kulturprozeß, dann habe ich allerdings letzlich eine technokratische Definition an die Stelle einer kulturellen gesetzt. Und diese Frage wiegt für mich viel schwerer als die Frage Tonalität oder Nichttonalität und viele andere Dinge mehr - über all diese Dinge läßt sich letzlich diskutieren, aber ein technokratisches Kulturverständnis bedeutet für mich letzlich das Ende von Kultur - ein wichtiger Grund, warum ich gegenüber der Moderne skeptisch bin.

In dieser Hinsicht muß man sich auch über den kulturellen Freiheitsbegriff verstehen. Selbstverständlich muß Kultur frei sein und also auch Musik. Allerdings gibt es hier auch einen gewissermaßen futuristischen Standpunkt, der sich glaube ich mal bei Busoni ausgedrückt hat: Alles ist möglich, Vierteltöne und Neunzehnteltöne und tausend Skalen uns so weiter. Gegen diese Freiheitsvorstellung als Freiheitsvorstellung habe ich gar nichts. Nur bedeutet diese Freiheitsvorstellung zuende gedacht wieder einen Ausstieg aus dem Kulturprozeß. Das merkwürdige daran ist im übrigen, daß sich eine solche Freiheitsvorstellung dann wieder "in die Zukunft richtet", aber anderseits sich doch vollkommen mit der Vergangenheit berührt. Denn vor aller Kultur war der Mensch allerdings völlig frei, da wäre sozusagen "alles möglich" gewesen und es wäre sozusagen "denkbar" gewesen, daß man eine "ganz andere Entwicklung" genommen hätte. Was will man dann also eigentlich mit dieser Freiheit? Noch mal in der Steinzeit anfangen und den Kulturprozeß noch mal in Gang setzen?

Im übrigen findet für mich in der Moderne eine merkwürdige Verwechslung in Bezug auf das ein, was man "interessant" findet. Von Schönheit wollen wir ja nicht reden. Aber was meint eigentlich interessant? Auch hier findet für mich in der Moderne eine merkwürdige Verwechslung von "etwas interessant finden" und "interessant sein" statt. Viertelmusik etwa finde ich durchaus interessant. Ich kenne etwa die Vierteltonstücke von Charles Ives und fand diese durchaus interessant. Nur heißt dies tatsächlich, daß Vierteltonmuik "interessant" ist? Es wäre schon viel gewonnen, wenn man diesen Unterschied mal wahr nehmen würde, auch wenn eine Musik interessant ist - und nicht nur wenn sie schön ist - ist dies letzlich ein ästhetisches Werturteil. Ich kann mit tibetanischen Tonskalen arbeiten, mit indonesichen Orchesterinstrumenten orchestrieren und das ganze mit Sechsteltönen und Aleatorik anreichern und das mag alles "hochinteressant" sein - und nur trotzdem stinklangweilig klingen.

Und was völlig legitim ist, ist, daß sich Musik auf die Suche macht, was nicht nur eine Tradition für schön oder interessant hält, sondern was jemand außerhalb dieser Tradition an "schönem und interessantem" findet. Ich beiße mich dabei weder an dem Begriff des Schönen fest noch an der Tradition. Woran ich mich allerdings schon fest beiße, ist, daß das "Interessante" in der Musik sich nicht an irgend einer Technokratie fest macht. Und in dieser Hinsicht nun wieder hat die Aufforderung, irgend etwas als "interessant" finden zu sollen, weil es ja diese oder jene "interessanten Ingredienzien" enthält, für mich viel mit dem Prinzip der Reklame zu tun.

Aus all diesen Gründen bin ich gegenüber moderner Musik wiegesagt sehr skpetisch und habe dort wirklich wenig gefunden, daß in irgendeiner Weise "interessant" wäre, auch wenn ich sie zugegebener Maßen schlecht kenne.

Was ich im übrigen aber zugebe, ist, daß moderne Musik selten "trivial" klingt. Aber ist das schon ein Qualitätsmerkmal? Das kommt mir ziemlich billig vor. Meine Vorstellung von Musik ist das nicht. Mahler und viele andere etwa kommen vielen als trivial vor. Ich denke, das ist eine grundsätzliche Verwechslung. Das große Wunder ist für mich, daß sich gute Musik von schlechter meist gar nicht sonderlich unterscheidet, aber dasselbe, was bei dem einen Komponisten "platt und abgegriffen, kitschig" und was weiß ich klingt, ist beim guten Komponisten plötzlich großartig und gar nicht trivial.

Nichts geht mir deshalb mehr auf die Nerven als ein Liebhaber der Moderne, der meint einen besseren Geschmack zu haben als jemand, der spätromantische Musik hört, weil er weniger trivial ist, denn wenn ich den Unterschied zwischen Mahler, Strauss und Sibelius und einem fünftklassigen Komponisten der Spätromantik nicht höre, weil der Mahler ja auch so trivial klingt, dann allerdings habe ich keinen "guten" Geschmack, sondern eigentlich gar keinen. Und insofern habe ich einen großen Zweifel am guten Geschmack an den Liebhabern der modernen Musik, ich denke sie haben da einfach gar keinen Geschmack, nicht einmal einen schlechten. Das ist sicherlich sehr polemisch und kann mit Sicherheit das ganze Phänomen der modernen Musik auch nicht erfassen. Allerdings habe ich keinen Zweifel, daß sehr vieles an der Liebhaberei zur modernen Musik nicht unter "Geschmack" fällt, sondern unter den Begriff "Selbstsuggestion". Einen Komponisten wie Anton Webern, dessen nicht eben umfangreiches Gesamtwerk ich mal hörte, etwa mag ich überhaupt nicht und was ich überhaupt nicht mag ist diese "Bedeutungsschwangere" seiner atonalen Bemühungen, die irgendwie beeindrucken, aber im Grunde finde ich so etwas gut zu finden, eben Selbstsuggestion, eine Selbstsuggestion, die ich sogar teilweise nachvollziehen kann, die ich aber nicht mitmache.

So, ich hoffe, ich bin hier mit meiner Polemik niemandem zu nahe getreten. Würde mich freuen, wenn sich daraus eine höfliche, aber in Bezug auf die eigenen Meinungen offene und lebendige Diskussion entwickelt.

Gruß Martin
Tannoymann
Stammgast
#2 erstellt: 22. Jun 2009, 10:08
Lieber Martin!
Ich möchte jetzt gar nicht auf die einzelnen Punkte Deiner Argumentation eingehen, da würde der Thread wahrscheinlich sehr ausufern und irgendwann in billiger Polemik enden, weil sich bei letzlich philosophischen und ästhetischen Grundfragen alle die Schädel einhauen würden.
Letztlich wollen wir uns an der Musik erfreuen, bewegt werden, Glück empfinden.
Wenn Du mit der neuen Musik nichts anfangen kannst, ist das auch in Ordnung, aber ein bisschen schade.
Versuche mal modernen Werken ganz naiv zu begegen, öffne dich und lass die Klänge in dich rein. Das wird eine ungewohnte, spannende Reise. Du brauchst dazu keine Vorkenntnisse. Probiers einfach öfter, völlig gelassen und unvoreingenommen. Ich glaube nicht, dass wir einen Mozart unbedingt besser verstehen als einen Nono, er ist nur gewohnter. Versuche die maximale Hörwahrnehmung, gleichgültig welches Werk und vergiss mal die Reflexion. Hören, hören. Der Rest kommt dann schon.
Ich hör ab Perotin bis ins 21 Jhdt, dazu noch viel Jazz und unbearbeitete "Weltmusik" (Arabische Vokalmusik, Ragas, Flamenco, Fado, Gamelan.........)gleichermaßen offen und empfinde dabei großes Glück. Natürlich ist in Folge sehr wohl viel Reflexion dabei, aber die ist für andere nicht so wichtig.
Im Vordergrund sollte jedenfalls mal befreites Erleben sein. Kunst ist frei, Zwänge haben wir genug.
Liebe Grüße
Willi
Kings.Singer
Inventar
#3 erstellt: 22. Jun 2009, 10:55
Hi.

Ich habe in der Kürze der Zeit erstmal nur einige kurze Rückfragen an Martin.


Martin2 schrieb:
Hier liegen die feinen Differenzen des Begriffs "Zugang". Manch einer meint: Ich habe keinen Zugang, aber im Grunde ist mir das auch wurscht. So gesehen ist die Sache dann aber plötzlich eine vollkommene Abwertung. Und nur wenn ich zu einer Sache keinen Zugang habe, aber wie ein Hund leide, daß ich zu ihr keinen Zugang habe, drücke ich dann eine wirkliche Wertschätzung, einen wirklichen Glauben an den Wert einer Sache aus.


Du willst den Begriff Zugang differenziert betrachten, lieferst aber selbst nur eine sehr schwarz-weiß gedachte Definition. Zugang zur Musik hängt für mich viel mehr mit Verständnis zusammen. Verstehe ich nämlich die Musik, kann sie mir gefallen. Verstehe ich nicht, was die Musik mir sagen soll, ist die Chance, dass sie mir gefällt sehr viel geringer. Dann nicht zu sagen, dass die Musik "schlecht" ist, sondern dass ich nur "keinen Zugang" dazu habe drückt natürlich eine gewisse Wertschätzung für die Musik aus. Aber dann vielleicht auch nur in dem Sinne, dass ich ihr die Möglichkeit eröffne "gut" zu sein. Das Leidenskriterium, das du anführst ist da in meinen Augen doch eher schwammig.
Denn nicht sagen zu wollen "Ich finde die Musik schlecht" und anstatt dessen zu sagen "Ich habe keinen Zugang" hängt auch mit Respekt zu tun. Respekt vor der Musik, vor der Arbeit des Komponisten und vor den anderen Hörern dieser Musik. Ob man da selbst unter dem fehlenden Zugang leidet oder nicht, ist eine persönliche Geschichte, die zur Sache an sich herzlich wenig dazu tut.



Martin2 schrieb:
Nichts geht mir deshalb mehr auf die Nerven als ein Liebhaber der Moderne, der meint einen besseren Geschmack zu haben als jemand, der spätromantische Musik hört, weil er weniger trivial ist, denn wenn ich den Unterschied zwischen Mahler, Strauss und Sibelius und einem fünftklassigen Komponisten der Spätromantik nicht höre, weil der Mahler ja auch so trivial klingt, dann allerdings habe ich keinen "guten" Geschmack, sondern eigentlich gar keinen.


Daraus wird sehr deutlich, was dir an Liebhabern der zeitgenössischen Klassik "auf die Nerven" geht. Denkst du nicht, dass das eine standpunktspezifische Sache ist? Was den persönlichen Geschmack angeht, haben Liebhaber der Spätromantik mitunter ähnliche Standpunkte. Das präsentierst du uns selbst im gleichen Absatz hervorragend:


Martin2 schrieb:
Und insofern habe ich einen großen Zweifel am guten Geschmack an den Liebhabern der modernen Musik, ich denke sie haben da einfach gar keinen Geschmack, nicht einmal einen schlechten. Das ist sicherlich sehr polemisch und kann mit Sicherheit das ganze Phänomen der modernen Musik auch nicht erfassen. Allerdings habe ich keinen Zweifel, daß sehr vieles an der Liebhaberei zur modernen Musik nicht unter "Geschmack" fällt, sondern unter den Begriff "Selbstsuggestion". Einen Komponisten wie Anton Webern, dessen nicht eben umfangreiches Gesamtwerk ich mal hörte, etwa mag ich überhaupt nicht und was ich überhaupt nicht mag ist diese "Bedeutungsschwangere" seiner atonalen Bemühungen, die irgendwie beeindrucken, aber im Grunde finde ich so etwas gut zu finden, eben Selbstsuggestion, eine Selbstsuggestion, die ich sogar teilweise nachvollziehen kann, die ich aber nicht mitmache.



Du willst sicherlich nur provozieren und den Leuten, die du kritisierst, exemplarisch vor Augen führen was dich nervt. Nur sachdienlich ist es eben nicht, über Geschmack zu diskutieren und sich gegenseitig schlechten Geschmack zu unterstellen. Das würde ja den Sinn und Zweck verfehlen, den du selbst deinem Thread geben willst. Oder habe ich da etwas missverstanden?


Viele Grüße,
Alex.
Tannoymann
Stammgast
#4 erstellt: 22. Jun 2009, 11:58

auch wenn ich sie zugegebener Maßen schlecht kenne.

Eben darum: vorbehalt- und vorurteilslos kennen lernen.
Der Gegenstand, über den gesprochen wird, muss eben erst kennengerlernt werden. Und das zuerst mal über die Wahrnehmung. Kennenlernen braucht Zeit.
Grüße
Willi
Martin2
Inventar
#5 erstellt: 22. Jun 2009, 12:48

Tannoymann schrieb:

auch wenn ich sie zugegebener Maßen schlecht kenne.

Eben darum: vorbehalt- und vorurteilslos kennen lernen.
Der Gegenstand, über den gesprochen wird, muss eben erst kennengerlernt werden. Und das zuerst mal über die Wahrnehmung. Kennenlernen braucht Zeit.
Grüße
Willi


Hallo Willi,

das ist ein zu einfacher Gesichtspunkt. Ich werde letzlich nie das, was ich schätze, so gut kennen, wie das was ich nicht schätze. Wenn ich Rudolf Steiner für einen esoterischen Spinner halte, ist es unwahrscheinlich, daß ich mich in seinen Werken gut auskenne. Bei vielen anderen Dingen ist es ähnlich.

Natürlich gibt es den strammen Rechten, der Marx besser kennt als die Marxisten, oder den Religionsfeind, der die Bibel besser kennt als die Religiösen, um sie ihnen um die Ohren hauen zu können - aber das sehe ich eher als die Ausnahme als die Regel an. Mit Musik ist dies aber ähnlich.

Immerhin habe ich übrigens das Gesamtwerk Weberns wiegesagt mal gehört und manches andere auch. Damit kenne ich sicherlich mehr als mancher Verteidiger moderner Musik - und auch das ist ein Phänomen - der sie überhaupt nicht hört.

Übrigens bin ich eben nicht in so ausgeprägter Weise "antimodern" eingestellt, wie das scheint, Charles Ives etwa schätze ich sehr und manches andere auch.

Wenn übrigens Toleranz darauf beruht, daß alle Menschen in Bezug auf eine Sache einer Meinung sein sollen, ist dies eine merkwürdige Auffassung von Toleranz. "Moderne Musik lehne ich ab" ist da "intolerant", dagegen "wir finden alle alles gut" ist tolerant. Das ist doch albern - Toleranz bedeutet die Toleranz für andere Standpunkte, sonst macht der Begriff letzlich gar keinen Sinn mehr.

Ähnlich belustigend fand ich kürzlich die Aussage, daß jemand "seine eigene Meinung über andere stelle" und daß dies ja ganz fürchterlich sei. Auch sehr putzig - anzuerkennen, daß ein anderer auch Recht haben kann, ist ja in Ordnung, aber eine Meinung zu haben, bedeutet ja wohl, daß man sie für richtig hält - sonst hat man letzlich überhaupt keine Meinungen zu gar nichts mehr.

Und alles auf "Geschmackssache" zu schieben, verhindert jede Diskussion. Auf meine Argumentation geht hier keiner ein - was mich aber auch nicht wundert.

Gruß Martin
Pilotcutter
Administrator
#6 erstellt: 22. Jun 2009, 12:53

Martin2 schrieb:
Auf meine Argumentation geht hier keiner ein - was mich aber auch nicht wundert.


Deine Argumentation ist gut 10 Stunden alt und heute ist Montag. Erlaube uns etwas Zeit, das kommt schon noch in die Gänge. Manche müssen sich erst sammeln.

Gruß. Olaf
Kings.Singer
Inventar
#7 erstellt: 22. Jun 2009, 13:30
Hi.


Martin2 schrieb:
Und alles auf "Geschmackssache" zu schieben, verhindert jede Diskussion.


Ich zitiere von mir selbst: "Nur sachdienlich ist es eben nicht, über Geschmack zu diskutieren und sich gegenseitig schlechten Geschmack zu unterstellen."


Martin2 schrieb:
Auf meine Argumentation geht hier keiner ein - was mich aber auch nicht wundert.


Dito.


Viele Grüße,
Alex.
Tannoymann
Stammgast
#8 erstellt: 22. Jun 2009, 14:16
Hallo MArtin!

das ist ein zu einfacher Gesichtspunkt

Probiers mal mit vorbehaltloser Wahrnehmung, das ist scheinbar alles andere als einfach.


Wenn übrigens Toleranz darauf beruht, daß alle Menschen in Bezug auf eine Sache einer Meinung sein sollen, ist dies eine merkwürdige Auffassung von Toleranz.

Habe nichts in dieser Richtung behauptet.
Grundsätzlich geht es mal nicht um Geschmack. Und moderne Musik ist eben u. a. aufgrund mangelnder Gewohnheit scheinbar etwas schwieriger zugänglich. Ich halte es für unnütz, sich jeglichen Zugang schon von vornherein durch aufgesetzte durch nichts haltbare Vorurteile und Meinungen zu verbauen.

Es zwingt dich niemand zur Moderne. Du schmeißt allerdings mit Argumenten herum, die ich für unfundiert und problematisch halte.

Versuche mal wertfrei "Werte" zu finden.
Grüße
Willi
Martin2
Inventar
#9 erstellt: 22. Jun 2009, 14:28

Kings.Singer schrieb:
Hi.


Martin2 schrieb:
Und alles auf "Geschmackssache" zu schieben, verhindert jede Diskussion.


Ich zitiere von mir selbst: "Nur sachdienlich ist es eben nicht, über Geschmack zu diskutieren und sich gegenseitig schlechten Geschmack zu unterstellen."


Martin2 schrieb:
Auf meine Argumentation geht hier keiner ein - was mich aber auch nicht wundert.


Dito.


Viele Grüße,
Alex.


Hallo Alex,

wenn ich jemandem "schlechten Geschmack" unterstelle, ist das immer auch verletzend. Und letzlich ist dies auch das Ende der Diskussion. Da gebe ich Dir vollkommen recht. Ich verstehe Dein Argument. Man kann natürlich dann überhaupt fragen: Was soll so eine Diskussion überhaupt.

Allerdings war meine zugegebenermaßen polemische Argumentation etwas anders. Ich hatte etwa derart argumentiert: Geschmack bildet sich erst heraus aus dem, was sich vielleicht "stilistisch ähnlich" ist, aber in der Qualität abweicht. In dieser Hinsicht, mag dann auch ein Haydn "platt" erscheinen, ein Mahler "kitschig" und dergleichen mehr. Er ist es aber nicht, weil dies nur stilistische Merkmale sind, die Qualität ist eine andere. Wird aber in der Moderne überhaupt über "Geschmacksfragen" diskutiert? Ich habe den Eindruck, daß die Frage des Geschmacks zurück getreten ist. In diesem Sinne hatte ich auch argumentiert, daß es vielleicht auch eine Musik gibt, die "keinesfalls trivial" erscheint, aber eben dies ist für mich kein Qualitätskriterium, ein Qualitätskriterium ist für mich eher eine Musik, die keinesfalls einen "Eindruck" von Trivialität vermeidet, aber eben nicht trivial ist.

Gut, das mag auch eine Sache persönlicher Präferenzen sein - ich tue mich da möglicherweise auch mit anderer Musik schwer als nur der Modernen. Was allerdings letzlich nicht verhandelbar ist, ist die Tatsache, daß in der Musik "Unterschiede" heraus gehört werden müssen. Ein Anhänger der modernen Musik hätte etwa überhaupt nur dann den Anspruch, überhaupt ernst genommen zu werden, wenn er in der Lage ist, Unterschiede heraus zu hören. Also welche moderne Musik ist denn etwa wirklich "platt", "trivial"? Gar keine? Hat Stockhausen vielleicht mal einen "richtigen Reinfall" erlebt, weil ihm da schlicht etwas "mißlungen" ist?

In dieser Hinsicht kann man denke ich, moderne Musik wirklich nicht mehr in die Pfanne hauen, wie wenn man sie pauschal verteidigt. Selbst die großartigsten Komponisten der Vergangenheit, Puccini etwa, haben mit gewissen Werken, vollkommene Pleiten erlebt. Hat das dieser Musik geschadet? Ganz im Gegenteil.

Das wirklich komische ist doch nun wirklich, daß wir mit den größten Heroen der musikalischen Vergangenheit wirklich kritischer umgehen als mit irgendwelchen "modernen Komponisten". Das ist doch schlicht albern.

Gruß Martin
Tannoymann
Stammgast
#10 erstellt: 22. Jun 2009, 14:41

Geschmack bildet sich erst heraus aus dem, was sich vielleicht "stilistisch ähnlich" ist, aber in der Qualität abweicht.

Nicht haltbar, wieso auch?
Tannoymann
Stammgast
#11 erstellt: 22. Jun 2009, 14:45

Geschmack bildet sich erst heraus aus dem, was sich vielleicht "stilistisch ähnlich" ist, aber in der Qualität abweicht.

Nicht haltbar, wieso auch?


Wird aber in der Moderne überhaupt über "Geschmacksfragen" diskutiert?

Ja. Aber Geschmack sollte wohl gar kein Kriterium sein. Geschmack ist das große Unrecht.



Das wirklich komische ist doch nun wirklich, daß wir mit den größten Heroen der musikalischen Vergangenheit wirklich kritischer umgehen als mit irgendwelchen "modernen Komponisten".


Du untertstellst pauschal. Es gibt auch schlechte Werke in der Moderne, wirklich Mislungenes. Und das gibt es in jeder Periode.

Niemand greift Dich an, aber du machst da einen ziemlichen Rundumschlag.

Unverständlich!

Grüße
Willi
Kings.Singer
Inventar
#12 erstellt: 22. Jun 2009, 15:32
Hi.

Nun wird mir dein Standpunkt klarer. Aber aus der Perspektive eines Verteidigers der zeitgenössichen Klassik (der Neuen Musik) würde ich jetzt sagen, dass es einfach schwieriger ist in der Neuen Musik eines Stockhausen etwa zwischen Misslungenem und Gelungenem zu unterscheiden. Für mich (und ich vermute auch für dich) dauert es viel länger sich ein Werk eines Stockhausen - ich benutze ihn fortan mal als pars pro toto - zu erschließen, den Sinn und den Gehalt zu verstehen, als etwa bei der Programmusik eines Berlioz wie der Symphonie Fantastique (spontan gewähltes Beispiel). Die Grenze zwischen Gewolltem und der Willkür ist bei dieser Musik einfach bis zum Maximalen ausgelotet.

Weil eben ein (kritisches) Urteil bei einem Streichquartett eines Haydn viel schneller und spontaner gebildet werden kann, ist es schwieriger unsere Zeitgenossen bei gleichem Aufwand zu kritisieren. Ein Qualitätskriterium ist dies aber auch in meinen Augen nicht.

Etwas in Eile, deswegen vielleicht morgen mehr.

Viele Grüße,
Alex.


P.S. Ich bin selbst absolut kein Kenner von viel zeitgenössischer Klassik. Deswegen kann es sein, dass meine Urteile und Schlüsse auch etwas platt und vorschnell sind.


[Beitrag von Kings.Singer am 22. Jun 2009, 15:33 bearbeitet]
Martin2
Inventar
#13 erstellt: 22. Jun 2009, 16:58

Tannoymann schrieb:


Du untertstellst pauschal. Es gibt auch schlechte Werke in der Moderne, wirklich Mislungenes. Und das gibt es in jeder Periode.

Niemand greift Dich an, aber du machst da einen ziemlichen Rundumschlag.

Unverständlich!



Wenn meine Argumentation zu pauschal rüber kommt, formuliere ich vielleicht auch nicht genau genug. Insgesamt ist meine Argumentation mehr kulturphilosphisch als musiktheoretisch, nicht weil ich etwas gegen musiktheoretische Argumentationen habe, sondern weil dies ein Feld ist, von dem ich bei weitem nicht genug verstehen.

Allerdings gebe ich zu, daß schon der Begriff Moderne im Grunde mißverständlich ist, weil er viel umfaßt, was auch ich durchaus schätze. Aber ich rede auch von Skepsis gegenüber der Moderne, nicht Ablehnung.


Ja. Aber Geschmack sollte wohl gar kein Kriterium sein. Geschmack ist das große Unrecht.


Ein interessante und pointierte Forumuierung. Die allerdings mir unverständlich bleibt, sofern sie nicht genauer erläutert wird, auch wenn ich ahne worauf Du hinaus willst. Natürlich ist es nicht meine Haltung, weil für mich Geschmack absolut essentiell ist. Die Sache ist die, das der Begriff des "Geschmacks" eher schillernd ist. Im Sinne dieses Schillernden kann ich auch sagen, daß es vielleicht Dinge gibt, die mir durchaus nicht schmecken, die ich aber für gut halte und dessen Güte ich auch erkenne. Im Sinne dieses Schillernden kann ich aber auch sagen, daß alle ästhetischen Urteile Geschmacksurteile sind und das es ziemlich absurd ist, etwas - zumindestens aus eigener Erfahrung - für gut finden zu wollen, was einem nicht gefällt. Also erkläre Dich!

Gruß Martin
Tannoymann
Stammgast
#14 erstellt: 22. Jun 2009, 17:12
Geschmack kann Basis sein für individuelle Selektion. Basis für Ästhetik, Kultur, Wissenschaft, Religion, Soziologie....kann er nicht sein.
Stell Dir vor, der Volksgeschmack, der gesunde Geschmack...bestimmen, was Sache sein soll.

Für meinen Geschmack hat Antimaterie einfach zu wenig Fettgehalt...

Ein Geschmacksurteil ist wahrscheinlich ein Fehlurteil.

Die Labilität der Geschmacksurteile gilt gleichermaßen für die Musik Mozarts, Ockeghems, Crumbs....

Höchst erhellund u n d verwirrend:
Kunsttheorie im 20. Jahrhundert: Künstlerschriften, Kunstkritik, Kunstphilosophie, Manifeste, Statements, Interviews. Band I: 1895 - 1941. Band II: 1940 - 1991 mit Register: 2 Bde.

Letztlich wird die ausschließliche Annäherung auf kulturphilosophischen Weg an die neue Musik nicht gelingen, dieser ist viel zu weit weg von der Materie.



Grüße
Martin2
Inventar
#15 erstellt: 22. Jun 2009, 19:30

Tannoymann schrieb:
Geschmack kann Basis sein für individuelle Selektion. Basis für Ästhetik, Kultur, Wissenschaft, Religion, Soziologie....kann er nicht sein.
Stell Dir vor, der Volksgeschmack, der gesunde Geschmack...bestimmen, was Sache sein soll.



Diese Aussage empfinde ich als polemisch, wenn "Volksgeschmack" und "gesunder Geschmack" ins Spiel gebracht werden. "Ästhetik" war mir letzlich nie wirklich wichtig. Daß der persönliche Geschmack nie ein Beweis ist für den Wert einer Sache, ist allerdings wahr. Streiten wir nicht über den Begriff "Geschmack", genauso gut kann man Begriffe wie "Gefallen" oder gar "Urteil" ins Spiel bringen.

Es kann auch jemand "urteilen", daß Heino besser ist als Beethoven. Daraus könnte man dann auch schließen, daß "ein Urteil" nie eine Grundlage sein könne - ja für was eigentlich? Ja, wenn wir nicht mehr urteilen können, dann brauchen wir eigentlich gar nicht mehr diskutieren.

Natürlich kann es auch sein, daß wir irgendwann einen ganz großen Computer bauen, der uns Urteile ganz abnimmt, weil Urteile ja bedenklich sind. Allerdings dürfte das, was der Computer ausspuckt, auch keine Urteile mehr sein.

Ich denke, daß an der Subjektivität des Urteils gar kein Weg vorbei geht. Und das die Vorstellung, man könne Dinge bewerten, ohne sie beurteilen zu wollen, für mich absurd klingt. Und wenn jemand zu einer Sache mehr sagen kann als "gefällt mir" oder "trifft meinen Geschmack" ist das ja prima. Nur daß das an der Subjektivität des Urteils etwas ändert, glaube ich nicht.

Und was ist das ganze? Doch nichts weiter als die Kaschierung des eigenen subjektiven Urteils hinter angeblich objektiven Kriterien. Für mich auch ein Grund, warum sicher "moderne Musik" sehr skeptisch gesehen wird. Daß jemand einen besseren Geschmack hat als ich - das könnte ich ja vielleicht noch hinnehmen oder zumindestens immer für denkbar halten. Daß er mehr weiß auch. Aber daß er "weiß", wo ich nur urteile, ist schlicht keine Haltung gesunden Selbstbewußtseins, sondern vollkommener Arroganz.

Außerdem wird mit "Volksgeschmack" und "gesundem Geschmack" mal wieder ein Popanz aufgebaut. Die meisten Leute, die vielleicht einen schlechten Geschmack haben, sind durchaus bereit zuzugestehen, daß es Menschen mit einem besseren Geschmack gibt. In einer solchen Hinsicht wird klassische Musik übrigens auch meistens wahr genommen, als etwas durchaus gutes, was aber vielleicht nicht jeder - in Abstufungen verschiedener Werke - versteht. Moderne Musik wird aber nicht so wahr genommen, denn wer moderne Musik hört, hat ja keinen "besseren Geschmack", sondern offensichtlich "objektives Urteilsvermögen". Da das aber die meisten nicht glauben, interessieren sich die meisten auch nicht für moderne Musik, was im übrigen sicher auch sehr oft ungerecht sein mag. Und abgesehen färben solche Vorstellungen dann auch darauf ab, wie klassische Musik überhaupt wahr genommen wird.

Ich halte dies für völlig albern. Wenn jemand Heino unheimlich toll findet und dabei großartige Bücher über Musikästhetik geschrieben hat, was sicherlich selten ist, aber doch vorkommen mag, interessiert mich das Urteil dieses Menschen sicherlich weniger als jemand, der schlicht einen "guten Geschmack" und dessen Urteil ich deshalb mehr oder weniger vertraue.

Gruß Martin
Tannoymann
Stammgast
#16 erstellt: 23. Jun 2009, 09:38
Hallo MArtin!
Ich verstehe überhaupt nicht, was Dein Thread soll?
Eine Abrechnung mit der Modernen Musik? (12 Ton Musik, eine Fehlentwicklung - warum)
Eine kulturphilosophische Annäherung, deren Sinn es letztlich ist, die Moderne sehr fragwürdig erscheinen zu lassen?
Eine Ohrfeige für die bösen Intellektuellen, die moderne Musik toll finden und sich scheinbar mit ihr schmücken?
Ein Hilferuf, wie Du leichter zur modernen Musik finden könntest?
Ein Referat über Geschmack?
???



Nichts geht mir deshalb mehr auf die Nerven als ein Liebhaber der Moderne, der meint einen besseren Geschmack zu haben als jemand, der spätromantische Musik hört,

Nichts geht mir mehr auf die Nerven als solche Unterstellungen.
Noch dazu führt die Spätromantik zur Moderne. Und eine Konsequenz daraus, wieder Ordnung ins "chromatische Chaos" zu bringen, war die 12-Ton-Musik, auf deren Weiterentwicklung "Serielle Musik" John Cage wieder eine plausible Antwort zu geben wusste.
Grüße
Willi
Pilotcutter
Administrator
#17 erstellt: 23. Jun 2009, 12:34
Besser wäre vielleicht gewesen, den Thread über moderne/neue Musik allgemein und – soweit als möglich – unbewertet zu beginnen um später dann seinen Befindlichkeiten freien Lauf zu lassen. Jetzt wird Martin erst einmal wieder in der Luft zerrissen, der Thread ist schon fast kaputt und das Thema kaum noch erkennbar.


Martin2 schrieb:
Ich würde mir es doch sehr wünschen, wenn wir über das Thema "moderne Musik" doch einmal in ein grundsätzliches Gespräch eintreten könnten. Dabei verhehle ich nicht, daß ich eine eher konservative Einstellung habe und viele Dinge, wie etwa die 12 Tonmusik, für eine Fehlentwicklung halte.


Diesen Wunsch wieder aufgreifend, versuche ich mal meinen persönlichen und gesammelten Erklärungsversuch bezüglich der „Skepsis“ - und wie ich sie überwand – nicht zuletzt um mal wieder etwas Nährboden für das eigentliche Thema einzustreuen:

Die „Neue Musik“ bietet ja ein Vielfaches mehr als die komische Zwölftontechnik. Ich persönlich bleibe vorerst bei den Anfängen der Neuen Musik, dem Impressionismus oder zumindest von dem Impressionismus ausgehenden Werken und Komponisten.

Da „moderne“ Musik oder „Neue Musik“ [ich selbst nenne sie weiterhin „Neue Musik“] im allgemeinen mit ihren zahlreichen unterschiedlichen Musik- und Kompositionsrichtungen ja als Gegenbewegung(!) zur romantischen Tradition des 19. Jahrhunderts entstanden ist, ist es selbstredend natürlich, dass sich bei Vertretern der vorhergehenden Epochen (zumindest Barock bis Romantik) ein gerüttelt Maß an Skepsis auftut.

Eine Begegnung (oder Konfrontation) mit einer Gegenbewegung seiner heimeligen Umgebung kann für den einen eine Antwort bedeuten, für den nächsten schon eine Entgegnung, der nächste empfindet es als Widerstand und der letzte als Renitenz – als eine widerspenstige polemische Kampfansage.

Das Unbehagen und die allgemeine Skepsis [nicht unbedingt Deine, Martin] rührt ja eigentlich daher, dass mit Beginn der Musik der Romantik die Musik ja „Transport“ wurde für Stimmungen und szenische Bilder, die eben aus romantischen Motiven, teils Literatur und Seelenlagen hervorgingen. Musik der Romantik war die „Sprache der Töne“. Mit ihr verließ man eben die ausgetretenen Pfade der „Töne der Sprache“ [habe ich mal bei Felix Huch „Beethoven“ gelesen] und bringt das zum Ausdruck, was rational nicht in Worten zu definieren ist. Nicht selten haben die verarbeiteten Themen einen lyrischen, sehr melodischen bis hin zum „volkstümlichen“ Charakter. Das ist wohl das Ansprechende und Heimelige an der Musik der Romantik.

Der große Unterschied zur neuen Musik – erst später entwickelte sich ja der feste Terminus „Neue Musik“ mit großem „N“ – ist wohl die Aufgabe der Tonalität bis hin zur freien Atonalität bis eben zu dieser zweifelhaften Zwölftontechnik – damit habe ich mich bis dato auch noch nicht beschäftigt und habe es auch so schnell noch nicht vor.

Die Musik ist offensichtlich nicht mehr Ausdruck eines außermusikalischen Themas, sondern es wird in Klangbildern gemalt. Töne werden zu Farben (nicht mehr Farben zu Tönen!) wie bei Messiaen und melodische Motive entwickeln sich nicht mehr – wie bei Debussy - und werden nicht mehr verarbeitet und schon gar nicht mehr „durchgeführt“. Motive – wenn welche vorhanden sind – tauchen auf, werden verzerrt und wieder abgelöst.

Wie gesagt, Farben, Natur, Stimmungen und Atmosphäre und der „Rest der Welt“ (besonders die asiatische) fand Eingang in die Neue Musik, wobei die beginnenden Weltausstellungen ein gutes Teil beigetragen haben. Zumindest Debussy hat sich wohl von den asiatischen Instrumenten auf der Weltausstellung 1889 in Paris anstecken lassen.

Ich persönlich bin auch erst seit kurzem in der Neuen Musik unterwegs. Aber auch nicht weiter als der anfängliche Impressionismus unter Debussy und Ravel. Jedoch hat mir als Eingang zur Neuen Musik der Olivier Messiaen sehr gut getan. Mittlerweile bin ich ja ein großer Fan von ihm. Abgesehen von seinen teils mystischen indischen Rhythmen und der Natur nachempfundenen Vogellauten, war es fast hauptsächlich sein christlicher Glaube der mich ansprach und für mich zum Eingangstor seiner Musik wurde. Er vermittelt seinen Glauben nicht missionarisch, ohne tränenden Marienkult allerdings auch ohne protestantische Choralgemeinde.

Ergo, ist es sehr förderlich sich ein zweites Standbein zum Eingang in die Neue Musik zu suchen. Das Spannungsfeld ist sehr groß und mit eben der Skepsis ist die Neue Musik kaum betretbar. Die Skepsis gegenüber der Neuen Musik besteht ja seit der ersten Stunde. Man liest ja von Tumulten, Handgemenge und Polizeieinsätzen bei Uraufführungen der „neuen“ Werke.

Viele Grüße

Olaf


[Beitrag von Pilotcutter am 23. Jun 2009, 12:46 bearbeitet]
Martin2
Inventar
#18 erstellt: 23. Jun 2009, 13:44
Hallo Olaf,

danke für Deinen sehr sachlichen Beitrag. Was mich im nachhinein doch ärgert, ist, daß ich den vagen Begriff "moderne Musik" verwendet habe. Das umfaßt in Wirklichkeit sehr vieles, auch vieles, was ich durchaus schätze. Zum Beispiel auch den von Dir angesprochenen Messiaen, teilweise Karl Amadeus Hartmann. Von den neueren deutschen Komponisten hat mir Aribert Reimann teilweise gefallen ohne zu einem Urteil gekommen zu sein - die ganze Diskussion wird daher mißverständlich.

Der zweite Vorwurf, den ich mir machen muß, ist in meinen Haltungen vielleicht doch ein wenig zu paranoid angelegt zu sein. Dies hat aber sicher Gründe, die in dem liegen, daß die musikalische Kultur nach dem zweiten Weltkrieg offensichtlich doch in sehr großem Maße von Intoleranz geprägt war. Nur leben wir heute nicht mehr in den 50ern und auch nicht in den linken 68er Zeiten. Traditionslinien sind allerdings erkennbar, auch Traditionslinien der Intoleranz.

Natürlich kann man in Bezug auf die 12 Tonmusik verschiedener Meinung sein. Man kann überhaupt über alles verschiedener Meinung sein. Im übrigen waren diese 12 Töner, Schönberg - Berg - Webern, enorm begabte Leute, von denen ich einiges schätze. Deshalb kann man die 12 Tonmusik trotzdem ablehnen.

Grundsätzlich denke ich pluralistischer. Und ich denke, die meisten Menschen tun es. Für mich gehört Charles Ives genauso zu den geschätzen Komponisten, wie meinetwegen Strauss oder Sibelius. Diese Haltung habe ich auch zur neuen Musik. "Anything goes" halte ich aber dann für eine falsche Einstellung, wenn es eine Einstellung bloßer Indifferenz ist. Indifferent bin ich gerade nicht.

Hallo Willi ( Tannoymann),


Noch dazu führt die Spätromantik zur Moderne. Und eine Konsequenz daraus, wieder Ordnung ins "chromatische Chaos" zu bringen, war die 12-Ton-Musik, auf deren Weiterentwicklung "Serielle Musik" John Cage wieder eine plausible Antwort zu geben wusste.


nimms mir nicht übel, dieses Argument habe ich schon hundertmal gehört, es ändert aber gar nichts daran, daß ich dieses Argument trotzdem nur für bloßes Geschwafel halte. Schon die putzige Formulierung, daß die 12 Tonmusik "eine" Konsequenz war, finde ich belustigend. Entschuldige mal, es gibt immer nur "die" Konsequenz, aber niemals "eine".

Daß die Spätromantik zur Moderne führt, vor allem dann noch in dem Sinne, wenn man den Begriff nicht auf 12 Tonmusik verengt, ist eine vollkommene Binsenweisheit. Nur gerade die Notwendigkeit verschiedener Entwicklungen sehe ich überhaupt nicht.

Gruß Martin
Tannoymann
Stammgast
#19 erstellt: 23. Jun 2009, 13:55
"eine" Konsequenz
Thomas133
Hat sich gelöscht
#20 erstellt: 23. Jun 2009, 13:58

Martin2 schrieb:
Ähnlich belustigend fand ich kürzlich die Aussage, daß jemand "seine eigene Meinung über andere stelle" und daß dies ja ganz fürchterlich sei. Auch sehr putzig - anzuerkennen, daß ein anderer auch Recht haben kann, ist ja in Ordnung, aber eine Meinung zu haben, bedeutet ja wohl, daß man sie für richtig hält - sonst hat man letzlich überhaupt keine Meinungen zu gar nichts mehr.


Sollte ich es vielleicht auch belustigend finden das du nicht ganz den Sinn der Aussage verstanden hast?
Damit war eigentlich ausschließlich damit gemeint das man andere Meinungen und Standpunkte NICHT GELTEN läßt und von sich selber in überheblich,arroganter Weise überzeugt ist, da ich mal voraussetze das jeder es für eine Selbstverständlichkeit hält das es prinzpiell in der Natur eines jeden Menschen liegt mehr oder weniger eigene Überzeugungen und Meinungen zu besitzen. Aber wie man damit umgeht ist wieder eine andere Sache.
Thomas


[Beitrag von Thomas133 am 23. Jun 2009, 14:02 bearbeitet]
Tannoymann
Stammgast
#21 erstellt: 23. Jun 2009, 14:11

"eine" Konsequenz

Auch der Neoklssizismus war eine Konsequenz, die aus der Spätromantik gezogen wurde.


dieser zweifelhaften Zwölftontechnik

Warum geht das nicht mal ohne Wertung?
Ich empfehle dazu das gut verständliche Werk Herbert Eimerts:Lehrbuch der Zwölftontechnik. Sehr erhellend.
Ebenfalls die Bücher Schönbergs, da wird vieles von den Problemen, die die Komponisten damals hatten, klar.


die musikalische Kultur nach dem zweiten Weltkrieg offensichtlich doch in sehr großem Maße von Intoleranz geprägt war.

Falls Du dich auf Darmstadt beziehst, diese Intoleranzphase ist ja zum Glück vorbei.


Man liest ja von Tumulten, Handgemenge und Polizeieinsätzen bei Uraufführungen der „neuen“ Werke
.
Auch die alte Musik war mal neu. Und auch da waren manche Uraufführungen nicht protestfrei.


"Anything goes"
Lassen wir mal Feyerabend weg.
So beliebig ist das alles nicht, was in der neuen Musik passiert.
Liest man Bücher oder Statements der Komponisten, hat das ziemlich Hand und Fuß, die wissen sehr genau, was sie tun.
4 "neuere" Komponisten, die neben etlichen anderen, auch verbal viel Erhellendes geliefert haben: H. W. Henze, B. A. Zimmermann, G. Ligeti, H. Lachenmann, deren Bücher sind sehr empfehlenswert.

Grüße
Willi
Martin2
Inventar
#22 erstellt: 24. Jun 2009, 01:52

Tannoymann schrieb:



Man liest ja von Tumulten, Handgemenge und Polizeieinsätzen bei Uraufführungen der „neuen“ Werke
.
Auch die alte Musik war mal neu. Und auch da waren manche Uraufführungen nicht protestfrei.


Habe ich da irgendwas verpaßt? Dann bin ich wirklich nicht auf dem laufenden. Gibt es das alles heute noch? Mir scheint diese Verwilderung der Sitten eher ein Zeichen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts zu sein. Diese ist denke ich schon vorbei - mir sind solche Dinge aus den letzen Jahrzehnten jedenfalls völlig unbekannt.

Was mir mehr aufgefallen ist, ist der "höfliche Beifall" bei der Aufführung neuerer Musik. Natürlich gibt es das auch bei klassischer Musik überhaupt. Einer der Gründe, warum ich eher leidenschaftslos klatsche, aber kein Problem damit habe "Bravo" zu rufen oder zu buhen. Und das ist ja auch in Ordnung so. Man darf doch wohl nach einem Konzert so laut buhen, wie man will. Während eines Konzerts eher weniger.

Und man darf sich über neuere Musik auch so polemisch unterhalten wie man will - das wird der Sache nicht schaden. Was mich an der teilweise mörderischen Intoleranz von Nationalsozialismus und Stalinismus so wundert - warum interessierten sich diese Banausen überhaupt so sehr für Hochkultur? In Wahrheit war diesen Burschen Kultur doch reichlich egal.

Und die Toleranz in diesen Dingen im heutigen Deutschland hat auch viel damit zu tun, nicht weil die Leute heute so viel kultivierter geworden sind, sondern weil solche Dinge heute doch eher auf dem Fußballplatz und nicht im Konzertsaal ausgetragen werden. Und damit bin ich auch sehr einverstanden.



die musikalische Kultur nach dem zweiten Weltkrieg offensichtlich doch in sehr großem Maße von Intoleranz geprägt war.

Falls Du dich auf Darmstadt beziehst, diese Intoleranzphase ist ja zum Glück vorbei.


Hat es jemals eine wirkliche Aufarbeitung dieser Intoleranz gegeben? Und müßte diese Intoleranz in Frage zu stellen, nicht auch heißen, die Kultur die diese Intoleranz möglich gemacht hat, auch in Frage zu stellen? Dieses "diese Phase ist ja zum Glück vorbei" ( und ob das wirklich nur Darmstadt war) finde ich sehr unreflektiert.

Und schließlich: Wenn ich gelegentlich registriere, daß es kaum möglich ist, sich über moderne Musik, auch moderne Kunst auch heftig zu streiten - privat vielleicht, aber doch kaum medial, kaum öffentlich, ist dies ein Zeichen von "Reife" dieser Kultur, oder nicht vielleicht doch von Unreife? Und es gibt sicherlich eine ganze Menge von Menschen, die 12 Ton Musik etwa auch ablehnen und sicherlich nicht nur irgendwelche Idioten, nur eine öffentliche, etwa journalistische Auseinandersetzung über dieses Thema, ist mir nicht bekannt. Sie müßte ja nicht unbedingt in der Bildzeitung stattfinden.

Und ich bin sicher nicht informiert über alles, was neue Komponisten schreiben. Nur ich vermisse Auseinandersetzungen in dieser Kultur, die bitte nicht Zaungäste, die nur auf Kravall aus sind, anlocken sollen, die aber auch hart geführt werden. Und daß dies nicht statt findet, erzeugt ein Klima der Indifferenz, was letzlich auch zum Abbröckeln des Interesses an neuer Musik führt, die die Leute einfach mit irgend einem Avantgardequatsch identifizieren und damit ist das Thema dann durch. Und sicher hat sich da in den letzten Jahren auch schon einiges geändert, aber dieses Forum ist nicht repräsentativ.

Gruß Martin
Tannoymann
Stammgast
#23 erstellt: 24. Jun 2009, 09:39
Hallo MArtin!
Nochmals: was willst Du mit dem Thread? Freunde finden, die Deine Skepsis teilen? Bestätigung, dass Du die Skepsis behalten darfst? Freunde finden, die Dir helfen, die Skepsis überwinden? Eine "kulturphilosophische" Diskussion über moderne Musik oder moderne Kunst an sich, auf welcher Basis, frag ich mich da allerdings?

Du hast von neuer Musik nicht wirklich so viel Ahnung.
Da hilft das ganze Argumentationsgeplantsche nichts.

Und Du bist der neuen Musik sehr skeptisch gegenüber.
Das stört auch niemanden.
Du stehst einem Gegenstand, den du nicht ausreichend kennst, skeptisch gegenüber - ob Du diesem damit gerecht wirst, musst du selbst entscheiden. Aber Du machst es nicht besser als jene Pseudointellektuellen, die sich das Deckmäntelchen der Avantgarde zur Zierde umhängen, ihrer Eitelkeit willen.

Ciao
Willi
Martin2
Inventar
#24 erstellt: 24. Jun 2009, 14:29

Tannoymann schrieb:


Du hast von neuer Musik nicht wirklich so viel Ahnung.
Da hilft das ganze Argumentationsgeplantsche nichts.


Was meinst Du damit, daß ich von neuer Musik nicht so viel Ahnung habe? Es gibt einiges was ich kenne, vieles aber auch, was ich nicht kenne. In Musiktheorie kenne ich mich allerdings nicht besonders gut aus, da gebe ich Dir recht. Ich verstehe Dein Argument nicht.

Es kann mir eventuell, aber auch nur eventuell zum Verständnis eines Werkes durchaus hilfreich sein, wenn ich eine Sonatensatzform meinetwegen erkenne. Aber an eine Musik, die nun wirklich eine "Gebrauchsanleitung" braucht - also an so etwas glaube ich nun wirklich nicht. Selbst eine Sonatensatzform etwa hat ihre Berechtigung nur daraus, daß die Reprise vielleicht innerhalb des ganzen Konzepts eine "Wirkung" hat, Musik jedoch, die sich nicht aus ihrer Wirkung, sondern aus ihrer Gebrauchsanleitung versteht, ist dann letzlich mehr Literatur, die ich verstehen muß, als Musik, die ich höre.

In diesem "du hast keine Ahnung" drückt sich auch so etwas wie eine Geringschätzung des normalen Klassikliebhabers aus, zu denen ich mich zähle. Diese Haltung ist elitär - was noch nicht so schlimm wäre - aber sie ist es wirklich auf eine ganz alberne Weise. Diese Haltung differenziert auch gar nicht, so als ob die Tatsache, daß moderne Musik ( nicht unbedingt neue) so unbeliebt sei, daran hänge, daß die alten Tanten unbedingt ihren Lehar hören wollten und dann für Stockhausen kein Verständnis hätten.

Und daß nicht jede Kunst eine Massenwirkung haben kann, ist klar. Nur "anspruchsvoll" bedeutet nicht esoterisch. Deine Argumentationen mit "Ästhetik" und "keine Ahnung haben" zeigen mir aber, daß Du letzlich ein vollkommen esoterisches Kunstverständnis hast. Und mein Gott, ein Anton Bruckner etwa verstand nun wirklich viel von Musik, aber ob er sich zur "Musikästhetik" nun wirklich hätte äußern können? Und sicher nicht nur der. Und Lachenmann, Henze, Ligeti usw. haben "empfehlenswerte Bücher" geschrieben, die "Hand und Fuß" haben. Das ist ja schön, nur haben mich zum Beispiel die Sinfonien von Henze rein gar nicht beeindruckt - und das wiegt letzlich schwerer.

Gruß Martin
Martin2
Inventar
#25 erstellt: 24. Jun 2009, 16:51
Und noch hinzu gefügt: Was mich am modernen Künstler so sehr stört, ist seine enervierende Eloquenz. Und auch wenn Du die "Ästhetik" ansprichst, ist auch dies nur wieder eine Verwechslung. Kunst kommt vom Können ist der letzte Quatsch, die bloße Reduktion des Künstlers auf Inspiriation und Begnadung ist auch Quatsch. Da kommt immer noch etwas drittes dazu, nämlich die Tatsache, daß ein Künstler eben auch "Ästhet" ist. Selbstverständlich war ein Bruckner nicht nur "Könner", nicht nur "begnadet", selbstverständlich war er auch ein großer Ästhet, auch wenn ihn viele nicht mit diesem Begriff in Verbindung bringen würden. Dieses "ästhetisch sein" und tolle Bücher über Ästhetik schreiben, sind allerdings völlig verschiedene Dinge.
op111
Moderator
#26 erstellt: 24. Jun 2009, 17:20
Hallo Martin,
so interessant auch dieses Thema sein mag, ich glaube du hast dich im Moment etwas verrannt.

Nur 2 Beispiele:


Martin2 schrieb:
Was mich am modernen Künstler so sehr stört, ist seine enervierende Eloquenz.


Wer/was bitte ist der moderne Künstler?

Eloquenz setze ich aber auch bei "klassischen" Komponisten voraus: Sprachfertigkeit
Was will ich mit Musik von jemandem, der nicht über sie Sprachfertigkeit verfügt, sich in der Musik auszudrücken, also ganz direkt nichts davon versteht?


[Beitrag von op111 am 25. Jun 2009, 17:36 bearbeitet]
Martin2
Inventar
#27 erstellt: 24. Jun 2009, 18:27

Franz-J. schrieb:


Eloquenz setze ich aber auch bei "klassischen" Komponisten voraus:


Zugegeben, "den" modernen Künstler gibt es nicht. Aber inwiefern setzt Du Eloquenz bei klassischen Komponisten voraus? Wieso sollte ein Komponist überhaupt "eloquent" sein? Er kann es meinetwegen, aber muß er es? Die meisten klassischen Komponisten waren nicht sonderlich "eloquent".

Das ist doch das komische: Mir wird hier eine lange Liste von Büchern empfohlen von modernen Komponisten, die ich alle lesen soll. Aber die allermeisten Komponisten der Vergangenheit haben sich zu ihrer Kunst nicht großartig geäußert und warum sollten sie auch?

"Hier packen die Förster ihre Wurstbrote aus", war glaube ich mal der Kommentar von Bruckner zum Trio eines seiner Scherzi. Ja, der Mann hat von Musikästhetik noch wirklich etwas verstanden.


Was will ich mit Musik von jemandem, der nichts davon versteht?


Und woher bitteschön weißt Du das, daß jemand von Musik nichts versteht? Würde man Bruckners Musik nach seinen naiven Äußerungen beurteilen, wäre man wirklich vollkommen schief gewickelt. Was in der Kunst wirklich nur zählt, ist das Resultat. Auch ob die Ästhetik, der jemand folgt, wirklich klar durchdacht ist, ist da ziemlich unerheblich. Wenn man das Undurchdachte der Musik anhört, dann schon, aber ansonsten ist das doch völlig irrelevant. Allerdings kann es auch umgekehrt sein, daß jemand sehr klar denken kann und trotzdem zu Kompositionen kommt, die sehr undurchdacht erscheinen. Also bitte: Was soll das alles?

Ich denke einfach, daß wir in einer Kultur endloser Geschwätzigkeit leben. Ich halte davon nichts. Ich empfinden den schöpferischen Prozeß letzlich als Privatsache. Künstler haben sicher immer die Werke anderer Komponisten "aufmerksam studiert" und sich ihre "Gedanken gemacht". Nur haben sie dies nie "breit getreten", was ich auch als vollkommen normal empfinde.
AladdinWunderlampe
Stammgast
#28 erstellt: 25. Jun 2009, 02:36
Liebe Mitstreiter,

leider verläuft dieser Thread genau so, wie ich es im Sibelius-Thread augenzwinkernd prophezeiht habe - pauschalisierend, grob vereinfachend und erschreckend gegenstandsfern. Eigentlich habe ich mich deshalb von der Diskussion zurückhalten wollen - zumal sich hier einige Dinge wiederholen, die wir schon mehrfach (unter anderem im Stockhausen-Thread und im - dringend fortzusetzenden - Adorno-Thread durchexerziert haben.

Da ich allerdings die Umgangsweise in diesem Forum bisher als angenehm unkompliziert, freundlich und offen empfunden habe, fände ich es schade, wenn dieser an sich interessante Thread in einem allgemeinen Scherbenhaufen endete. Ich versuche daher, meine bisherigen Beobachtungen und Bedenken in aller Deutlichkeit zu resümieren, um dann ein paar Vorschläge für das weitere Vorgehen zu entwickeln.

Mein Hauptproblem ist bisher, dass mir immer noch nicht klar geworden ist, worum es hier überhaupt gehen soll. Vieles - allzu vieles - wird angerissen und dann wieder fallengelassen. Die Argumentationen wimmeln vor logischen Brüchen und Selbstwidersprüchen, weil immer dann, wenn es mal konkret werden müsste, ein neuer Nebenschauplatz eröffnet wird. Als wirklich erschreckend empfinde das damit verbundene, geradezu inflationäre Verpulvern von begriffsgeschichlich höchst verwickelten Termini wie "Ästhetik", "Geschmack", "Konsequenz", "Fortschritt", "Kultur", von denen mindestens einer immer ganz genau zu wissen scheint, was damit gemeint ist und was nicht.

Aber nun zur Sache selbst: Da wurde also mit einigem rhetorischen Tamtam angekündigt, die "moderne Musik" des 20. Jahrunderts einmal einer "grundsätzlichen" Kritik zu unterziehen und die zahlreichen "Fehlentwicklungen" zu thematisieren, die mit ihrer geschichtlichen Entfaltung verbunden seien. Anscheinend bedurfte es zu diesem Schritt eines besonderen Heldenmutes, denn jedem Moderne-Skeptiker droht offenbar unweigerlich die Walsersche Faschismus-Keule (ein Vorwurf, den ich - mit Verlaub gesagt - nicht nur in Bezug auf dieses Forum für eine ziemlich freche Unterstellung halte).

Wenig später beteuert des Thread-Eröffner freilich, dass er ja auch allerlei Komponisten und Werke des 20. Jahrhunderts zumindest teilweise zu schätzen weiß - so unter anderem Sibelius, Schönberg, Ives, Webern, Berg, Hartmann, Messiaen, Reimann; aus meiner Kenntnis von Postings in anderen Threads glaube ich diese Liste - natürlich ganz unverbindlich - noch um Skrjabin, Hindemith, Schostakowitsch, Arnold und Adams ergänzen zu dürfen. Angesichts der Fülle der hier repräsentierten Kompositionskonzepte und Stilistiken scheint die Kritik an der "modernen Musik" anscheinend doch nicht ganz so grundsätzlich auszufallen wie zuvor vollmundig angekündigt. Aber auf welche Musik zielt sie denn nun eigentlich ab?

Die einzigen konkreteren Anhaltspunkte, die ich bisher finden konnte, sind Martins Ablehnung der Zwölftontechnik sowie seine Enttäuschung über die Sinfonien Henzes (die ich übrigens - soweit ich die Stücke kenne - teile). Als Legitimation für eine weit streuende Schrotsalve gegen "moderne Musik" scheinen mir solche subjektiven Abneigungen gegen einzelne Stücke oder Kompositionskonzepte freilich ein wenig mager zu sein. Vermutlich kennt jeder von aus jeder Epoche Komponisten und Werke, die ihm nicht zusagen. Mir persönlich käme es jedoch einigermaßen grotesk vor, aufgrund der Tatsache, dass ich beispielsweise die Sonaten Corellis (um deren geschichtliche Bedeutung ich durchaus weiß) einigermaßen langweilig finde, gleich die gesamte Musik des Hochbarock "grundsätzlich" in Frage zu stellen.

Aber vielleicht hat Martin ja gar nicht die "moderne Musik", sondern den Diskurs über "moderne Musik" im Visier?
Sollte das der Fall sein, so sollte er sich freilich zur Maxime machen, die Qualität der Musik nicht mit dem Diskurs über sie zu verwechseln. (Genau das nimmt Martin ja beispielsweise für Bruckner in Anspruch. Hier wie dort müsste also gelten, dass die Musik durch das, was über sie geredet wird, weder besser noch schlechter wird - eine These, der man meines Erachtens nur zustimmen kann.) Wenn er diese Maxime beherzigt, so gibt es eigentlich keinen Grund mehr, sich über die von Martin als ennervierend empfundene "Eloquenz" zeitgenössischer Komponisten zu erregend. Niemand hindert Martin nämlich daran, sich den Schönheiten der Neuen Musik unbeeinflusst von irgendwelchen Diskursen hinzugeben...

(Übrigens sollte sich jemand, der Musik dezidiert als "Kulturprozess" begreift, gelegentlich einmal über die kulturellen Veränderungen Rechenschaft geben, die die Komponisten zunehmend zur Ausbildung jener "Eloquenz" nötigten. Dazu müssten freilich zunächst ein paar historische Fakten klargestellt werden: Auch Komponisten der Vergangenheit haben ihre Musik teils wortreich erklären und verteidigen müssen - bevorzugt dann, wenn sie - gemessen an den Standards ihrer Zeit - neuartig und ungewohnt war. Frescobaldis umfangreiche Vorworte zu seinen Cembalo- und Orgelwerken zeugen davon ebenso wie die Verteidigungsschriften, die Monteverdi und Bach infolge von Kritikerangriffen veranlassten. Allerdings fanden musikalische Experimente in der Renaissance und im Barock noch weitgehend in den exklusiven Zirkeln hochgebildeter Adeliger statt: chromatische Experimente wie diejenigen Vicentinos oder Gesualdos gehörten in den Bereich der Musica reservata, sie wurden nur einem engen Kreis adeliger Eingeweihter präsentiert und bei dieser Gelegenheit - im Rahmen sogenannter musikalischer "Akademien" - mündlich diskutiert. Man denke in diesem Zusammenhang etwa auch an die "Erfindung" der Oper durch die Florentiner Camerata.

Schriftliche Äußerungen, Werkkommentare, ästhetische Entwürfe nehmen dagegen in dem Maße zu, wie sich infolge der Aufklärung und der gesellschaftlichen Wandlungen des 18. Jahrhunderts ein bürgerliches Konzertleben etabliert. Je "autonomer" die Komponisten von den Verpflichtungen eines musikalischen Angestellten-Daseins am Fürsten- oder Königshof wurden, desto mehr waren sie darauf angewiesen, ein immer diffuseres Publikum zu bedienen und zu überzeugen, das sich nun aus all denen rekrutierte, die einen Sitzplatz bezahlen konnten.

Daher ist nicht erst das 20. Jahrhundert, sondern schon das 19. Jahrhundert durch einen rasanten Zuwachs an Komponistenkommentaren, ästhetischen Reflexionen und geschichtsphilosophischen Musikkonzepten geprägt - man denke nur an Carl Maria von Weber, Berlioz, Schumann, Liszt und Wagner. Gegen die sechsbändigen Liszt-Schriften und die zehnbändigen Wagner-Schriften nehmen die einzelnen Sammelbände mit Texten Bernd Alois Zimmermanns, Klaus Hubers, Anton Weberns oder Brian Ferneyhoughs sich verhältnismäßig bescheiden aus. Mit der unendlichen Eloquenz Wagners können heutzutage allenfalls noch die ebenfalls zehnbändigen Texte zur Musik Karlheinz Stockhausens mithalten. Und große Schweiger wie Bruckner gab es nicht nur im 19., sondern natürlich auch im 20. Jahrhundert - man denke nur an Giacinto Scelsi oder György Kurtag.

Übrigens ist auch das von Martin befehdete Fortschrittskonzept keine Erfindung der Neuen Musik, sondern eher ein Relikt aus dem 19. Jahrhundert, dass freilich gegen Ende der 1960er Jahre weitgehend ad acta gelegt wurde. Nicht zufällig betitelte Richard Wagner eine seiner Züricher Programmschriften "Das Kunstwerk der Zukunft". Und auch die von Martin belächelte Argumentationsfigur, dass ein Werk der Gegenwart die (einzig) notwendige Konsequenz aus einem Problem der musikalischen Tradition ziehe, reicht mindestens bis Wagner zurück, der bekanntlich sein Musikalisches Drama als einzig legitime Fortführung der Beethovenschen Sinfonik bestimmte, da es die einzig richtige Konsequenz aus der Problematik von Beethovens 9. Sinfonie ziehe.

Derartige Zusammenhänge sollte man bitte mitbedenken, wenn man vollmundig von Musik als Kulturprozess spricht.)

Dummerweise bedeutet die Entkopplung von Musik und Diskurs aber, dass man strenggenommen auch über das spezifisch Musikalische der "modernen Musik" mit Martin nicht mehr sprechen kann, denn auf kompositionstechnische Erörterungen will er sich ja ausdrücklich nicht einlassen. (Dabei wäre es gerade für jemanden, der Musik als "kulturellen Prozess" versteht, durchaus interessant, Einsichten in die kulturelle Rückbindung kompositionstechnischer Prinzipien zu erlangen - so beispielsweise Einsichten in die Bedeutung, die theosophische Konzepte [Swedenborg, vermittelt durch Balzac], wie sie um die Jahrhundertwende auch in Wien en vogue waren, für die Entwicklung von Schönbergs Idee einer Einheit der Horizontale und Vertikale des musikalischen Raums gehabt haben. Die Zwölftontechnik ist nämlich nichts weniger als eine technokratische Musikerzeugungsmaschine - auch wenn Martin sie offenbar aus Unkenntnis so missversteht. Aber wahrscheinlich sind derartige Details irrelevant für jemanden, der nach einmaligem [!] Hören des Gesamtwerks [!] Anton Weberns in der Lage ist, sein Verdikt über diese Musik auszusprechen.)

Wenn wir also über die Musik schweigen müssen, so können wir immerhin über Diskurs der neuen Musik reden. Auch hier weiß Martin Erstaunliches zu berichten - unter anderem von (selbstverständlich anonymen) Moderne-Anhängern, die kein einziges modernes Werk (geschweige denn das Gesamtwerk Anton Weberns!) kennen. Ich muss gestehen, dass mir derartige Menschen bisher noch nicht begegnet sind - weder hier im Forum noch in Universitäten, Musikhochulen, Rundfunkanstalten, Konzertveranstaltungen oder wo sonst über Neue Musik diskutiert wird. Und selbst wenn es sie möglicherweise in irgendeinem Winkel Hamburgs geben sollte - gibt es irgendeinen Grund, solche offensichtlichen Dummschwätzer ernstzunehmen? Und muss man wegen ihnen gleich einen solchen "grundsätzlichen" Thread eröffnen?

Auch die von Martin erwähnten Anhänger der Moderne, die abschätzig auf die Liebhaber der Spätromantik herabschauen - möglicherweise gar, weil sie einen "trivialeren" Geschmack hätten - sind mir bis dato unbekannt. In diesem Forum ist mir noch keiner begegnet. Und in meinem Freundes- und Bekanntenkreis finden sich zahlreiche engagierte Anhänger Neuer Musik, für die es aber - ebenso wie für mich - selbstverständlich ist, die Musik Mahlers, Schuberts, Chopins, Monteverdis und vieler anderer Komponisten quer durch die Jahrhunderte zu hören, zu lieben und zu verehren. Wo finden sich also diese merkwürdigen Gesellen, von denen Martin berichtet? Unter den Komponisten jedenfalls nicht - um sich über die Traditionsbewusstheit der Komponisten zeitgenössischer Musik zu informieren, genügt nämlich ein Blick in die Schriften etwa von Schönberg, Boulez, Ligeti, Pousseur, Zimmermann, Lachenmann oder Rihm. Auch dieser Blick auf die Traditionsbindungen des Neuen könnte dem Interessierten einiges über Musik als "Kulturprozess" lehren - wenn er ihn denn nur täte, statt sich hinter seinen eigenen Vorurteilen zu verschanzen...

Bleibt noch die eigenartige Charakterisierung der Neue-Musik-Szene als einer Art verschworene Gemeinschaft von Hurra-Schreiern, in der keine Kritik am Neuen geäußert wird. Freilich würde auch bei diesem Vorurteil ein wenig Lektüre schnelle Abhilfe schaffen: selbstverständlich sind in Darmstadt, Donauschingen und anderswo teilweise erbitterte Debatten über Kompositionstechniken, Richtungen und einzelne Werke geführt worden. (Ich empfehle zur Einführung die Bände der "Darmstädter Beiträge" sowie die "Darmstadt-Dokumente"). Und selbstverständlich gab und gibt es eine Musikkritik, die von undifferenziertem Bravo-Rufen weit entfernt ist. Der härteste Kritiker der jungen Komponisten nach 1950 war übrigens eben jener Theodor W. Adorno, der in diesem Forum bevorzugt als Gott-sei-bei-uns der Neuen Musik dargestellt wird. Daneben lohnt ein Blick in Texte von Theoretikern wie Herbert Eimert, Heinz-Klaus Metzger und Klaus-Steffen Mahnkopf, von "zünftigen" Musikwissenschaftlern wie Carl Dahlhaus und Rudolph Stephan sowie von Publizisten und Zeitungskritikern wie Heinz Josef Herbort, Hans-Klaus Jungheinrich oder Reinhard Schulz. Auch heute vergehen keine Donauschinger Musiktage, keine Darmstädter Ferienkurse und keine Münchener Biennale, ohne das die präsentierten Werke weit über Fachzeitschriften hinaus im ganz normalen Feuilleton von Tages- und Wochenzeitschriften wie ZEIT, Süddeutsche oder FAZ kritisch und kontrovers diskutiert. Selbst die Uraufführung des Kagels Flötenkonzert wurde im Kölner Stadtanzeiger arg zerzaust, über ein Konzert von Ludger Brümmer las ich in derselben Zeitung (verfasst von einem engagierten Verfechter der Neuen Musik) ein ebenso abschätziges wie albernes "Brumm, Brümmer, am Brümmsten" Das Ammenmärchen von einer Neuen Musik, die sich in gelangweilter Kritikunfähigkeit selbst applaudiert, kann vor diesem Hintergrund nur jemand verfechten, der all diese Organe öffentlicher Meinungsbildung konsequent ignoriert. Wer lesen kann (und es dann auch tut), ist dagegen auch hier meines Erachtens klar im Vorteil.

Wer dagegen sowohl in kompositionstechnischer Hinsicht wie auch in Bezug auf den "Kulturprozess" nicht viel mehr vorzubringen weiss als ein Konglomerat von Vorurteilen, vagen Verdächtigungen und offensichtlich sachlich falschen Darstellungen, muss sich - zumindest, wenn er auf dieser Basis so weitgehende Behauptungen aufstellt wie in diesem Thread - durchaus den Vorwurf gefallen lassen, von Neuer Musik "nicht wirklich so viel Ahnung" zu haben. Ich empfinde Willis entsprechende Formulierung daher nicht als Ausdruck eines albernen Elitarismus, sondern als Aufforderung zu größerer Sachhaltigkeit. Dieser Aufforderung schließe ich mich an.

Womit wir bei meinen Vorschlägen wären:


Wie wär's, wenn wir alle noch mal auf "Los" zurückgehen?

Wie wär's, wenn Martin als Thread-Eröffner seine Fragestellung präzisiert, indem er zu einem der vielen Aspekte, die in diesem Thread andiskutiert wurden (sei es nun "Zwölftontechnik", "Kultur versus Technokratie", "Toleranz und Intoleranz", Neue Musik und Kritik", "Neue Musik und Trivialität" oder was auch immer), ein Statement verfasst, auf das wir dann möglichst sachnah zu reagieren versuchen, ohnedass dabei sogleich auf diverse Nebenschauplätze ausgewichen wird?

Methodisch würde ich in diesem Zusammenhang vorschlagen, mit dem (Ver-)Urteilen einmal solange zu warten, bis man über den betreffenden Sachverhalt informiert ist und ihn verstanden hat.

Und wie wär's, wenn endlich einmal Schluss wäre mit diesen ziemlich unproduktiven Pauschalisierungen, Generalverdächtigungen und Vorverurteilungen, die - nicht zuletzt mich - geradezu zu polemischen Reaktionen verführen?


Niemand verkennt, dass die Auseinandersetzung mit Neuer Musik in vielfältigen Hinsichten Schwierigkeiten bereiten mag. Niemand erwartet auch, das hier jeder alles (oder auch nur etwas) lieben muss. Aber niemand sollte auch denjenigen, die diese Musik wirklich lieben, permanent Unehrlichkeit, Elitarismus und Autosuggestion unterstellen.



Herzliche Grüße,
Aladdin
Klassikkonsument
Inventar
#29 erstellt: 25. Jun 2009, 04:09
Hallo Martin,

zunächst erst mal zu Deiner Befürchtung Dir einen Faschismus-Vorwurf einzuhandeln.


Martin2 schrieb:
An sich ist dies ja auch ein interessantes Thema und über diese Dinge ist ja auch sehr intensiv gestritten worden, vielleicht mehr noch in den Zeiten vor der Naziherrschaft. Heute aber hat man den Eindruck, daß jeder, der sich in irgend einer Weise gegen moderne Musik stellt, sich dem "Faschismusvorwurf" aussetzt. Die Argumentation geht dann so: Wer die 12 Tonmusik für eine Fehlentwicklung hält, der sagt ja im Grund auch nichts anderes, als das er diese in irgend einer Weise für "entartet" hält, im Grunde gibt er also den Nazis recht, also ist er im Grunde ein Faschist.

Diese Argumentation kann ich aber nicht für sehr gesund im Sinne geistiger Freiheit halten, im Grunde ist dies ein Totschlagsargument, was im Grunde jegliche Auseinandersetzung von vorneherein unmöglich macht.


Ich glaube nicht, dass man bereits reaktionär ist, wenn man Zwölfton-Musik nicht mag oder sie für eine Fehlentwicklung ansieht.

Gewisse Schwierigkeiten hätte ich dann, wenn jemand den Begriff "entartet" verwendete. Denn damit wird ein ästhetisches Konzept pathologisiert. Auch eine ästhetische Sackgasse ist keine Krankheit.
Wenn z.B. die Nazis den Begriff "entartet" verwendet haben, kommt als weiteres Problem die Naturalisierung gesellschaftlicher Verhältnisse dazu: etwas ist angeblich nicht bloß krank (dann könnte man ja einfach mal medizinische Hilfe anbieten), sondern gemeingefährlich. Die Gesellschaft wird dann als ein Organismus betrachtet, zu dessen Schutz die "entarteten" Phänomene bekämpft oder gar vernichtet gehören.
Mit dieser Naturalisierung wird darüber hinweggetäuscht, dass sich in einer Gesellschaft immer Individuen gegenüberstehen, deren Interessen in Konflikt geraten können. Stattdessen sind Einzelne in diesem Modell nur funktional dem großen "Ganzen" untergeordnet, Einzelinteressen stehen schnell unter dem Verdacht es zu gefährden ("Du bist nichts, dein Volk ist Alles").

Mit diesem Polit-Exkurs wollte ich nur sagen, welche Argumente ich bei einer ästhetischen Debatte tatsächlich als reaktionär betrachten würde.

Viele Grüße
Tannoymann
Stammgast
#30 erstellt: 25. Jun 2009, 09:36
Guten Morgen!
Aladdin hat die Sache auf den Punkt gebracht und das in einer Fundiertheit und Form, dass ich mich respektvoll verbeuge und danke sage.
Das ist wirkliche Kompetenz!
Liebe Grüße
Willi
op111
Moderator
#31 erstellt: 25. Jun 2009, 09:51

Tannoymann schrieb:
Guten Morgen!
Aladdin hat die Sache auf den Punkt gebracht und das in einer Fundiertheit und Form, dass ich mich respektvoll verbeuge und danke sage.
Das ist wirkliche Kompetenz!

Dem kann ich mich nur anschließen.
Danke Aladdin!
Kings.Singer
Inventar
#32 erstellt: 25. Jun 2009, 11:15
Hi.

Will ja den Lobes-Reigen nicht künstlich in die Länge ziehen, aber auch ich habe mir heute morgen beim Frühstück Zeit genommen um Aladdins Beitrag zu lesen und war sehr begeistert. Der Thread hatte seine Richtung verloren und ich denke, dass wir an Aladdins Beitrag anknüpfend endlich wieder über sachliche und konkrete Punkte sprechen können. Zu 100% bin ich mit Aladdin zwar nicht konform, aber ich würde doch gerne warten in welche Richtung sich der Thread entwickelt, da ich mit meinen Einwänden die Intention des Eröffnungsbeitrags womöglich verfehle und der Thread so wieder ausufern könnte.

Martin, it's your turn!

Viele Grüße,
Alex.
Pilotcutter
Administrator
#33 erstellt: 25. Jun 2009, 11:36
Alladin hat mal wieder "reinen Wein" eingeschenkt und ich sage mit Shakespeare it relisheth the heart, it lighteneth the mind and quickenth the spirit.
Martin2
Inventar
#34 erstellt: 25. Jun 2009, 15:34
Hallo Alddin,

ein schöner und fundierter Beitrag, dem ich weitestgehend zustimme. Allerdings sehe ich da auch nicht so große Widersprüche zu meiner Position. Wenn Du etwa schreibst:


Niemand hindert Martin nämlich daran, sich den Schönheiten der Neuen Musik unbeeinflusst von irgendwelchen Diskursen hinzugeben...


so ist das doch ein Diskussionspunkt, in dem wir uns nicht widersprechen und gerade um diesen Diskussionspunkt ging es doch auch. Allerdings beinhaltet dieser Diskussionspunkt wieder Zustimmung, zustimmen kann ich also ohne Diskurs, ablehnen nicht? Sicher, das meinst Du nicht.

Auch sonst, in Bezug auf Bruckner und seine mangelnde Eloquenz, bzw. sein Schweigen, sind wir einer Meinung.

Ansonsten, das schrieb ich aber schon weiter oben, ist meine Wahrnehmung der modernen Musik allerdings etwas vergangenheitsverhaftet. Es ist mir allerdings klar, daß sich vieles über die letzten Jahrzehnte auch geändert hat.

Grundsätzlich denke ich, daß die neue Musik für die Zukunft der Klassik sehr wichtig ist. Die Tatsache, daß es viele Klassikliebhaber gibt, die auf dem Standpunkt stehen: Ich höre Musik nur bis Mahler ( oder ähnliche Standpunkte) und die Tatsache, daß die Klassik überhaupt eingebrochen ist, sind zwei Dinge, die ich in einem ursprünglichen Zusammenhang sehen würde. Gut, damit reiße ich wieder ein anderes Thema an.

Ganz kann ich Aladdins noblem Beitrag allerdings nicht folgen, weil die Vulgärstandpunkte, wie immer sie für oder gegen moderne Musik geäußert werden, möglicherweise weit unter den Kreisen liegen, in denen er sich bewegt, ich sie allerdings deshalb noch für überhaupt nicht unwichtig halte.

Was ich allerdings überhaupt nicht für hilfreich halte, ist, den Begriff der modernen Musik vollkommen auf Avantgarde zu verengen, wie es den umgekehrten Standpunkt gibt, die ganze neue Musik als "modern" zu kennzeichnen. Dann kann man - zuende gedacht - auch Musik im Stile Mozarts schreiben und das ist dann am Ende auch noch modern. Dann sagt der Begriff modern am Ende gar nichts anderes mehr als irgendwie "neu".

Ich empfinde Goreckis 3. Sinfonie etwa, die einen schönen Erfolg landete, als absolut nicht "modern". Ich fand auch Tavener nicht sonderlich modern, ich habe meine Zweifel am Minimalismus usw. Dagegen empfinde ich Malcolm Arnold als letzlich doch modern. Genau darüber sollte man mal reden. Was bitteschön sagt der Begriff der Moderne überhaupt aus, wenn es manche neue Musik gibt, die ich - von ein paar harmonischen Mitteln vielleicht abgesehen - leztlich als unmoderner empfinde als vieles was in der Spätromantik gelaufen ist?

Meine "Skepsis an der Moderne" bezieht sich jedenfalls nicht nur auf den "Ultraavantgardisten". Weit gefehlt. Mein Gefühl ist, daß uns insgesamt die Maßstäbe verrutscht sind, wenn plötzlich etwas modern sein soll, was ich überhaupt nicht als modern empfinde, nur weil es neu ist und vielleicht auch nur neu in einer bestimmten Beziehung und anderseits über Spätromantik geredet wird, als sei sie überhaupt nicht modern gewesen.

Als meine Eltern etwa das erste mal Bruckner hörten, fanden sie den "schrecklich modern". Und Mahler war ja sogar noch moderner. Und liegen sie so falsch?

Und übrigens hat der Begriff des "Modernen" ja auch eine absolute Trivialbedeutung. In diesem Sinne mag es dann auch "modern" sein, Autos mit Schiebedach zu fahren oder was weiß ich. Diese "Trivialbedeutung", die sicher auch wieder weit unter Aladdins Noblesse liegt, schiebt sich aber immer wieder in die Diskussion um Moderne ein. In dieser Hinsicht finde ich übrigens die 12 Tonschule schon fast wieder sympathisch, immerhin hatte Modernität hier einen konkreten Inhalt - die Überwindung der Tonalität - dagegen ein Modernitätsbegriff im Grunde ohne jeden Inhalt finde ich einfach nur albern.

In dieser Hinsicht denke ich, daß ein Modernitätsterror, über den Aladdin auch wieder nobel hinweg geht, der aber in den Anfangsjahren der Bundesrepublik trotz intensiver Diskussionen wohl durchaus geherrscht hat, wo dann alles mögliche reaktionär und rückwärtsgewandt war, dann umgeschlagen ist in das absolute Gegenteil.

Gruß Martin
WolfgangZ
Inventar
#35 erstellt: 25. Jun 2009, 20:25
Hallo, miteinander, hallo, Martin!

Ein wenig mutet mir die Diskussion hier an wie ein Boxkampf gegen Wäsche an der Leine. Ein wenig bewundere ich Aladdin, ein wenig tut er mir Leid. Denn auch so ein Artikel kostet Lebenszeit. (Mein folgender sicher weniger.)



Allerdings beinhaltet dieser Diskussionspunkt wieder Zustimmung, zustimmen kann ich also ohne Diskurs, ablehnen nicht? Sicher, das meinst Du nicht.


Diese Wortfolge verstehe ich nicht.



Ansonsten, das schrieb ich aber schon weiter oben, ist meine Wahrnehmung der modernen Musik allerdings etwas vergangenheitsverhaftet. Es ist mir allerdings klar, daß sich vieles über die letzten Jahrzehnte auch geändert hat.


Was hat sich geändert? Wohin? Worin besteht der Zusammenhang zwischen Martins Wahrnehmung und der Tatsache, "daß sich vieles über die letzten Jahrzehnte auch geändert hat"?


Grundsätzlich denke ich, daß die neue Musik für die Zukunft der Klassik sehr wichtig ist. Die Tatsache, daß es viele Klassikliebhaber gibt, die auf dem Standpunkt stehen: Ich höre Musik nur bis Mahler ( oder ähnliche Standpunkte) und die Tatsache, daß die Klassik überhaupt eingebrochen ist, sind zwei Dinge, die ich in einem ursprünglichen Zusammenhang sehen würde.


Falls ich Martin hier richtig verstehe, liefert er ein Argument gegen seine eigene Ausgangsposition. Das scheint mir in diesem Thread dort, wo Martin nachvollziehbar argumentiert, offen gestanden meist so.



Ganz kann ich Aladdins noblem Beitrag allerdings nicht folgen, weil die Vulgärstandpunkte, wie immer sie für oder gegen moderne Musik geäußert werden, möglicherweise weit unter den Kreisen liegen, in denen er sich bewegt, ich sie allerdings deshalb noch für überhaupt nicht unwichtig halte.


Was soll das sein außer einer seltsam ironischen, völlig vagen Unterstellung?


Was ich allerdings überhaupt nicht für hilfreich halte, ist, den Begriff der modernen Musik vollkommen auf Avantgarde zu verengen, wie es den umgekehrten Standpunkt gibt, die ganze neue Musik als "modern" zu kennzeichnen. Dann kann man - zuende gedacht - auch Musik im Stile Mozarts schreiben und das ist dann am Ende auch noch modern. Dann sagt der Begriff modern am Ende gar nichts anderes mehr als irgendwie "neu".


Wer tut Ersteres? Wer tut Letzteres? Wie versteht Martin seine eigene Position, auf der sich seine Skepsis gründet? Solange diese Fragen vom Threadersteller nicht versuchsweise beantwortet werden, lässt sich über nichts diskutieren.


Was bitteschön sagt der Begriff der Moderne überhaupt aus, wenn es manche neue Musik gibt, die ich - von ein paar harmonischen Mitteln vielleicht abgesehen - leztlich als unmoderner empfinde als vieles was in der Spätromantik gelaufen ist?


Kurze, diesmal sachliche Stellungnahme: Warum nicht zwischen "Moderne" im Sinne einer bloßen chronologischen Zuordnung und "Moderne" im Sinne struktureller und melodisch-harmonischer Auflösung unterscheiden. Zu Letzterem gehören Taverner und Gorecki nicht. Dann hätten wir zumindest einen Minimalkonsens, eine Wäscheklammer mehr für den Boxkampf.


Meine "Skepsis an der Moderne" bezieht sich jedenfalls nicht nur auf den "Ultraavantgardisten". Weit gefehlt. Mein Gefühl ist, daß uns insgesamt die Maßstäbe verrutscht sind, wenn plötzlich etwas modern sein soll, was ich überhaupt nicht als modern empfinde, nur weil es neu ist und vielleicht auch nur neu in einer bestimmten Beziehung und anderseits über Spätromantik geredet wird, als sei sie überhaupt nicht modern gewesen.


Siehe oben: Wer tut das? Außerdem sollte im Rahmen einer Argumentation nicht willkürlich zwischen "ich" und "man" gewechselt werden.


Als meine Eltern etwa das erste mal Bruckner hörten, fanden sie den "schrecklich modern". Und Mahler war ja sogar noch moderner. Und liegen sie so falsch?


Worin besteht die Rhetorik in dieser rhetorischen Frage?


Und übrigens hat der Begriff des "Modernen" ja auch eine absolute Trivialbedeutung. In diesem Sinne mag es dann auch "modern" sein, Autos mit Schiebedach zu fahren oder was weiß ich. Diese "Trivialbedeutung", die sicher auch wieder weit unter Aladdins Noblesse liegt, schiebt sich aber immer wieder in die Diskussion um Moderne ein. In dieser Hinsicht finde ich übrigens die 12 Tonschule schon fast wieder sympathisch, immerhin hatte Modernität hier einen konkreten Inhalt - die Überwindung der Tonalität - dagegen ein Modernitätsbegriff im Grunde ohne jeden Inhalt finde ich einfach nur albern.


Sorry, aber "albern" ist der fehlende Kontext, der gänzlich luftleere Raum, in dem sich diese Sätze bewegen. "Albern" ist auch wiederum die sonderbare Ironie dem User Aladdin gegenüber.


In dieser Hinsicht denke ich, daß ein Modernitätsterror, über den Aladdin auch wieder nobel hinweg geht, der aber in den Anfangsjahren der Bundesrepublik trotz intensiver Diskussionen wohl durchaus geherrscht hat, wo dann alles mögliche reaktionär und rückwärtsgewandt war, dann umgeschlagen ist in das absolute Gegenteil.


In welches Gegenteil ist der "Modernitätsterror" umgeschlagen? Worin besteht der Zusammenhang mit dem ersten Threadbeitrag?



Beste Grüße, Wolfgang
Martin2
Inventar
#36 erstellt: 25. Jun 2009, 21:08
Hallo Wolfgang,

ich empfinde Argumente derart, daß ich Aladdin seine Lebenszeit stehle, als unfair. Es ist Aladdins Sache, ob er hier schreibt oder ob er hier liest, so wie es meine oder Deine ist.




Allerdings beinhaltet dieser Diskussionspunkt wieder Zustimmung, zustimmen kann ich also ohne Diskurs, ablehnen nicht? Sicher, das meinst Du nicht.


Diese Wortfolge verstehe ich nicht.


Was ist daran so schwer zu verstehen? Ich hatte mich, übrigens nicht so sehr in Bezug auf Aladdin, sondern vielleicht eher in Bezug auf Argumente wie denen von Willi, gegen Argumente derart gewandt: Du verstehst Webern nicht, also mußt Du dieses oder jenes Buch lesen. Dazu habe ich nicht mehr als das festgestellt als das, daß die Zustimmung zu etwas genauso "hinterfragbar" ist wie die Ablehnung.

Ansonsten bewundere ich Aladdins Kenntnisse. Allerdings beseitigen sie mein Mißtrauen nicht. Er argumentiert etwa derart: Selbstverständlich sind "erbitterte Debatten" über moderne Musik geführt worden. Dies mag ja sein, es stellt sich aber immer noch die Frage, auf welcher Grundlage und mit welchem kulturellen Hintergrund. Und zwischen welchen Leuten. Genau auf dieses Argument geht Aladdin gar nicht ein. Und weil ich mich - zugegebenermaßen - nicht im entferntesten so gut auskenne wie Aladdin, sind das also alles bloß "Vorurteile". Und wiegesagt: "Erbitterte Debatten" als solche interessieren mich herzlich wenig, es gab auch erbitterte Debatten unter Marxisten, müssen sie mich interessieren? Meine Ironie in diesem Punkt wird man mir mir natürlich übelnehmen.

Gruß Martin
WolfgangZ
Inventar
#37 erstellt: 25. Jun 2009, 22:20
Hallo, Martin!

Das mit der Lebenszeit war nicht bös gemeint. Ich bewundere Aladdin aber tatsächlich, denn dieser Artikel ist mit Riesenabstand das nicht nur Interessanteste, sondern auch Handfesteste in diesem Thread.

Ich würde schon mit Dir diskutieren wollen, kann Dir aber in Deinen vagen, ständig fluktuierenden Gedanken meist wirklich nicht folgen.

Und auch in Deinem letzten Artikel drückst Du Dich wieder um alles, was konkret werden könnte, und eröffnest stattdessen einen neuen Schauplatz. Du tendierst dazu zu sagen "Da kenne ich mich nicht aus" und "Das interessiert mich nicht", wirfst ein paar Schlagwörter in den Raum und erwartest, dass Deine Gesprächspartner für Dich die Fäden spinnen, die Lücken füllen, das Material liefern. Das kann nicht funktionieren!

Sorry!

Besten Gruß, Wolfgang


[Beitrag von WolfgangZ am 25. Jun 2009, 22:41 bearbeitet]
Joachim49
Inventar
#38 erstellt: 26. Jun 2009, 00:11
Ich versuche mal in die Diskussion einzusteigen, obwohl ich das Gefühl habe, wenig beitragen zu können. Wenn ich es trotzdem tue, dann tue ich es , weil ich mir erhoffe, dass so ein thread bei manchen Verständnisschwierigkeiten, die ich mit der neuen/modernen Musik habe, helfen kann. Oft habe ich ein grosses Verständnis für Martins Beiträge, selbst eine gewisse Sympathie, aber wundere mich mit welcher Bereitwilligkeit er sich mitunter recht scharfen Reaktionen ausliefert, da er am liebsten recht spontan und provokativ formuliert.

Ich habe eine relativ grosse Anzahl CD's mit 'PostMahler' Musik, aber höre sie recht wenig. Mit wenigen Ausnahmen hört bei mir der Genuss so ungefähr bei Mahler auf, mit einigen, aber nicht zahlreichen Ausnahmen, z.B. Janacek. Und natürlich frage ich mich auch, warum ich nicht über diese Schwelle komme.

Gut, ich habe ein Wort gebraucht, das gefährlich ist: Genuss, Freude, Vergnügen .... Das ist missverständlich. Erstens weil Freude auch intellektuell sein kann und nicht nur emotional ist. Missverständlich auch, weil so Worte wie Vergnügen, Genuss etc. vielleicht oberflächlich klingen. Aber ich verbinde mit den Worten durchaus so etwas wie 'Tiefe' , so wie man halt auch an einem ernsten Buch Freude haben kann, ja auch Trauriges oder Tragisches 'geniessen' kann.

Ohne diese Freude am Hörerlebnis würde ich nicht Musik hören, und ich nehme an, dass es allen hier so geht, auch den Freunden 'neuer, moderner, avantgardistischer' Musik. Aber daneben gibt es noch einen Faktor: nennen wir ihn einmal altmodisch 'Wissbegierde'. Ich kenne z.B. kaum Buxtehude oder Frescobaldi, und ich möchte gerne wissen, wie und was die beiden Herren so komponiert haben. Und ich habe mir auch oft Sachen angehört, die mir wenig Freude machen. Neulich z.B. Verdis Ernani. Na gut, nun hab ich die Oper halt mal gehört, und das war's. Man muss sich an die Sachen, die man nicht kennt, halt mal heranmachen, denn es ist ja nicht auszuschliessen, dass man so Entdeckungen macht. So ist für mich zB Schütz eine Entdeckung gewesen. Nur spielen bei diesen Entdeckungstouren in unbekanntes Terrain Vorurteile mit: Auch wenn man Buxtehude oder Frescobaldi nicht kennt, so hat man doch eine ungefähre Idee, was einen erwartet, und deshalb finden wir ja auch oft neue Sachen, die uns gefallen.
Merkwürdigerweise jedoch habe ich weniger Gelüste, Neuentdeckungen zu machen im 20. Jahrhundert, als zB in der VorBach'schen Zeit oder bei unbekannten Komponisten des 18/19 Jahrhunderts. Und das hat glaube ich etwas mit 'Verständnis' zu tun, obwohl mir sehr unklar ist, was es heisst, Musik zu verstehen. Es hat glaube ich sehr viel mit 'Vertrautheit' zu tun. Und da liegt ein grosses Problem, bei mir doch. Da ich viel neue Musik nicht verstehe, höre ich sie wenig, aber um sie zu verstehen, müsste ich sie viel hören. ähnlich ist's ja auch mit Büchern. Ich verstehe Hegel nicht, aber um ihn zu verstehen, müsste ich mich mit ihm vertraut machen, aber das gelingt nicht, weil ich ihn nicht verstehe. Hier fängt halt die harte Arbeit an, auch in der Musik.
Auch hier spielen Vorurteile eine Rolle. Ich habe mir Bergs Wozzeck im Laufe einiger Jahre inzwischen ein paar mal angehört und siehe da, das Verständnis wächst. Früher habe ich Wagner keine 15 Minuten ausgehalten,heute kann ich den ganzen Ring mit Vergnügen an einem Wochenende hören, .... wenn meine Frau mich lässt. Womit hat dieses Verstehen zu tun. Mit Erfahrung. Wir erkennen Formen wieder, Themas wieder, Verwandschaften, Variationen, wir sind überrascht, wenn was anderes passiert als erwartet, uns wird deutlich wie radikal etwas ist, etwa die "grosse Fuge", etc. Und durch diese 'verstehende Vertrautheit' entsteht zum Teil die Freude am Musikhören.
Diese verstehende Vertrautheit habe ich für viele Bereiche der 'neuen' Musik nie erreicht. Man wird sagen, du hast es nicht genug probiert. Und ich habe auch keinen Zweifeln, dass wir moderne Musik viel öfter hören müssen, um uns in ihr zurechtzufinden.
Wenn ich den dodekaphonischen Schönberg höre, dann bin ich völlig hilflos. Vieles in der neuen Musik langweilt mich auch, nicht weil die Musik langweilig ist, sondern weil ich keinen Zugang bekomme so wie halt auch ein Buch, das wir nicht verstehen, langweilig ist.

Nur warum sollten wir das Bedürfnis haben, uns mit der modernen Musik vertraut zu machen, wenn sie uns nicht spontan gefällt? Mit uns meine ich hier die 'Skeptiker' im Sinne Martins.

3 Gründe: Jeder, der Musik ein wenig kennt, hat die Erfahrung gemacht, das einem Sachen, die einem ursprünglich nicht gefielen, zu lieben beginnt. Vielleicht berauben wir uns eines Vergnügens.

Die Neugierde: was passiert da eigentlich.

Auch: intellektuelle Koketterie, der Wunsch mitreden zu können.

So richtig überzeugen tun mich die Gründe nicht. Beim ersten spielen die Vorurteile eine Rolle. Ich halte es für verdammt unwahrscheinlich, dass ich irgendwann Kurtag, Nono oder Ligeti wirklich so gerne hören werde, wie zB Bach oder Mahler.

Die Neugierde: kein Leben reicht aus um de Neugierde zu befriedigen. Es geht gar nicht anders, als dass man sich mit sehr vielem nicht beschäftigt. Wenn das die Neue Musik ist, so ist dass nicht besonders beklagenswert. Ich habe übrigens auch nicht den Eindruck, dass wir, die 'Skeptiker', Vorwürfe gemacht bekommen, dass wir keine neue Musik hören. Was die Liebhaber der modernen Musik vor allem stört, sind negative Werturteile bei gleichzeitigem Eingeständnis der Inkompetenz.

Die intellektuelle koketterie: sie ist wahrscheinlich die am wenigsten motivierende Kraft, spielt aber schon ein bisschen eine Rolle. Manchmal hÖre ich Sachen aus Eitelkeit, um sagen zu können, ich habe sie gehört.

Es gibt ein paar Sachen in der 'Neuen' Musik, die mir durchaus gefallen. Nur sind das manchmal Sachen, die ich mich nicht zu erwähnen traue, da ich das Gefühl habe 'das ist easy listening Avantgarde und wird von den Kennern mit Hohngelächter quittiert. ZB Goljovs Ayre, oder sein Klarinettenquintett, sein Umgang mit Klezmermotiven in Quartetten, etc. das gefällt mir schon, und manch anderes von ihm viel weniger. Aber ist das Neue Musik? Habe gerade Book of Longing von Glass gehört? Mit Vergnügen. Aber ist es Neue Musik?
In der Hoffnung, dass das Niveau dieses threads nicht wieder zu sehr gesunken ist
mit nächtlichem Gruss
Joachim


[Beitrag von Joachim49 am 26. Jun 2009, 00:17 bearbeitet]
WolfgangZ
Inventar
#39 erstellt: 26. Jun 2009, 01:07
Dann will ich auch nicht nur nörgeln.

Was mich prinzipiell an Neuer(er) Musik reizt, ist die riesige stilistische Vielfalt, die Unverwechselbarkeit vieler einzelner Komponistenpersönlichkeiten. Ich behaupte, dass diese Vielfalt kontinuierlich seit der Zeit des Barock angestiegen ist und auf die wachsende Zulässigkeit neuer melodischer, harmonischer, rhythmischer und vor allem struktureller Prinzipien zurückzuführen ist.

Mit der klassischen Moderne in ihren neoklassizistischen, expressionistischen oder dodekaphonischen Ausprägungen ist hierbei - das will ich gar nicht bestreiten - für mich allerdings eine Obergrenze der Vielfalt erreicht, die in Teilen der Nachkriegsavantgarde aufgrund aleatorischer Prinzipien nicht mehr steigerbar ist. Verantwortlich dafür scheint mir das experimentelle Prinzip bewusster Beliebigkeit zu sein. Insofern habe ich durchaus Probleme mit manchen Komponisten der sechziger oder siebziger Jahre wie Nono oder Boulez, während ich Bernd Alois Zimmermann oder György Ligeti sehr zu schätzen weiß. Ich bin mir im Klaren, dass ein möglichst vorurteilsfreies Hören hier weitere Stilerkenntnisse schaffen kann. Dazu ist zweifellos aber mehr Energie oder Zeitaufwand erforderlich als beim Kennenlernen neuer Komponisten des 18., 19. oder frühen 20. Jahrhunderts; es kann aber lohnender sein aufgrund der ausgeprägteren Eigenständigkeit des Kennengelernten.

Die sogenannte Postmoderne seit gut dreißig Jahren, das Prizip des freien Spiels mit dem Althergebrachten, hat das Moment der rasch erkennbaren Eigenständigkeit bis zu einem gewissen Grad wieder erhöht. Die Musik ist aber bequemer hörbar geworden, freilich auch oft beliebiger, besänftigend statt aufrüttelnd, esoterisch behaftet, geschmäcklerisch, rückschrittlich. So mag ich Steve Reich oder John Adams, aber nicht den sich trivialer vermarktenden Phil Glass, ich schätze die französische Schule der Spektralisten mit einem Komponisten wie Dalbavie, etwas weniger aber den im Alter sich immer romantischer und repetitiver gebärdenden Rautavaara. Ich könnte jetzt noch Dutzende von Namen anführen, aber das muss wohl nicht sein.

OK, zum eigentlichen Thema des Threads habe ich jetzt wahrscheinlich auch nicht viel beigetragen.

Vielleicht noch ein kurzes Wort bezüglich dessen, was ich glaube, bei Martins Äußerungen am ehesten verstanden zu haben und nachvollziehen zu können. Wahrscheinlich sollte Musik tatsächlich für sich selbst sprechen können und den Kommentar des Schaffenden oder ausgebildeter Theoretiker auf einer spontan-naiven Ebene bei ausreichender Vorbildung nicht nötig haben. Wenn mir aber dieser Kommentar zum Erkenntnisgewinn verhilft und mich die betreffende Musik auf einer zweiten Ebene besser oder doch noch verstehen lässt, würde ich ihn positiv bewerten.

Besten Gruß, Wolfgang
Martin2
Inventar
#40 erstellt: 26. Jun 2009, 01:48
Hallo Joachim,

ich habe großes Verständnis für Deine Position, da wir hier ja nicht so weit auseinander sind. Eines aber verstehe ich doch nicht so ganz. Du fragst: Warum soll ich moderne Musik hören und zählst einige Gründe auf, die Dich dann alle nicht überzeugen. Ein für mich ganz entscheidender Grund, warum ich dann doch einige Musik aus der Zeit nach dem 2. Weltkrieg gehört habe, ist dieses vielleicht nicht vernünftige, aber elementare Bedürfnis, sich mit der Kunst der Gegenwart auch auseinanderzusetzen.

Ich bin 47 und angefangen in der klassischen Musik habe ich natürlich mit Beethoven, Brahms, Bruckner usw.usw. Nur war ich gerade in jungen Jahren sehr offen für moderne Musik. Und irgendwie finde ich das auch normal. Auch der junge Mensch, der Popmusik hört, steht nicht auf dem Standpunkt, warum soll ich neue Musik hören, die Beatles und die Rolling Stones waren ja viel besser, sondern die setzen sich immer mit dem auseinander, was gerade so läuft. Ob das letzlich so vernünftig ist, steht auf einem anderen Blatt. Hier kommen letzlich auch außermusikalische Gründe dazu: Man "spiegelt" sich in der Musik der Gegenwart oder meint es zu tun.

Malcolm Arnold etwa finde ich sehr gut, vor ein paar Jahren ist er gestorben und Du magst es albern finden, aber diese Vorstellung allein, daß da irgendwo in England dieser Malcolm Arnold lebt, dessen Sinfonien ich so sehr bewundere, hat mir immer etwas bedeutet. Auch mein Erregungszustand beim Hören von John Adams ist da irgendwie höher und irgendwie bilde ich mir trotz allem ein, daß neuere Musik auch einfach mehr von meinem "Lebensgefühl" spiegelt.

Meine Entfremdung von der zeitgenössischen Musik allerdings fand in frühen Jahren statt. Es gab allerdings selbst da Dinge, die ich irgendwie gut fand, Karl Amadeus Hartmanns 6. Sinfonie etwa oder Fortners Bluthochzeit. Aber immer öfter habe ich dann auch Musik gehört, die mich völlig kalt gelassen hat. Nicht mal, das ich sie "schlecht" fand. Auch wenn eine Musik schlecht ist, ist das noch irgendwie interessant, man hört, der Komponist will eine nette Melodie komponieren, aber es gelingt ihm nicht und dieses Scheitern kann immer noch interessant sein, aber wenn man mit einer Musik einfach rein gar nichts anfangen kann? Dann ist es verschenkte Zeit.

Leider muß ich allerdings auch sagen, daß ich nicht allzuviel Geld habe und auch das Radio schlecht ist und auch die Hamburger Bücherhalle ist in Punkto moderner Musik nicht gut aufgestellt, so daß eine weitere Beschäftigung mit neuer Musik möglicherweise auch aus diesen Gründen scheitern wird.

Gruß Martin
Tannoymann
Stammgast
#41 erstellt: 26. Jun 2009, 10:04
Guten Morgen! Hallo MArtin!
Ich wollte mich eigentlich raushalten, da der Thread, wie er hier verläuft, für mich sinnlos ist. Folgendes Zitat nur als Beispiel für Dein bewusstes oder nicht bewusstes Missverstehen:

Du verstehst Webern nicht, also mußt Du dieses oder jenes Buch lesen

Ich habe nicht behauptet, dass du dieses oder jenes Buch lesen sollst, weil du Webern nicht verstehst. Und ich habe auch nicht behauptet, dass Du Webern verstehen musst.
Meine Kritik an Dir Martin ist, dass du die Materie argumentativ abzuurteilen versuchst, obwohl Du in Unkenntnis dieser Materie gar keine vernünftigen Argumente haben kannst.
Wenn man von gewissen Bereichen keine oder zu wenig Ahnung hat, ist es wohl besser, sich zu bilden um der Sache gerecht zu werden. Bücher können da auch schon ein bisschen helfen.
Es fällt ja auch anderen auf, dass Du dich in Widersprüchen verlierst.
Ich hab auch ein bisschen in deinen anderen Beiträgen gelesen. Da kommt bisweilen das Wort "wütend" vor. Vielleicht beginnt da schon dein Problem.
Grüße Willi
Kreisler_jun.
Inventar
#42 erstellt: 26. Jun 2009, 13:44

3 Gründe: Jeder, der Musik ein wenig kennt, hat die Erfahrung gemacht, das einem Sachen, die einem ursprünglich nicht gefielen, zu lieben beginnt. Vielleicht berauben wir uns eines Vergnügens.

Die Neugierde: was passiert da eigentlich.

Auch: intellektuelle Koketterie, der Wunsch mitreden zu können.


Finde ich alles durchaus plausible Gründe, wenn man den letzten nicht nur als Koketterie auffaßt, sondern vielleicht eher so, daß man von einem Selbstverständnis als Musikkenner ausgehend eben meint, sich beinahe überall wenigstens ein bißchen auskennen zu müssen.



So richtig überzeugen tun mich die Gründe nicht. Beim ersten spielen die Vorurteile eine Rolle. Ich halte es für verdammt unwahrscheinlich, dass ich irgendwann Kurtag, Nono oder Ligeti wirklich so gerne hören werde, wie zB Bach oder Mahler.


Den ersten Grund finde ich mit Abstand den überzeugendsten. Deine Entkräftung halte ich aus zwei Gründen für nicht so stichhaltig. Zum einen hast Du ja oben selbst geschrieben, daß man schon vielfach erlebt hat, wie einem beim Ersteindruck langweilig oder abweisend erscheinende Musik später sehr gefallen hat. Zum andern kann es sehr lohnend sein, selbst wenn Du Komponist X (ich will das nicht an konkreten Namen aufhängen, weil es zu persönlich ist) nicht so gerne hören wirst, wie Deine Lieblingskomponisten. Ich höre Bruckner auch nicht so gerne wie Beethoven. Dennoch habe ich Freude daran, ab und zu Bruckner zu hören. Es gibt hier etwas schwer zu Beschreibendes, scheinbar Paradoxes. Wir meinen, daß den unterschiedlichen Musikstücken, die uns begeistern, irgendwas gemeinsam ist. Aber andererseits schätzen wir sie natürlich auch wegen ihrer spezifischen Unterschiede. Weil in gewissem Sinne Bach eben auch wesentlich anders als Beethoven ist, Bruckner anders als Debussy usw. un
U.a. deswegen bin ich skeptisch (ein Begriff, der im thread m.E. etwas mißbraucht wird), wenn zum Einstieg in "moderne Musik" z.B. Carmina Burana empfohlen werden. Oder Strawinskys Pulcinella (selbst wenn hier Züge des Neoklassizismus beispielhaft deutlich werden). Das erinnert mich ein wenig an die Leute, die beim Griechen bitte ohne Knoblauch und Zwiebeln bestellen.

Worin ich Vorrednern zustimme, was aber noch deutlicher gemacht werden könnte, ist die relative Fruchtlosigkeit einer solchen viel zu allgemein und abstrakt gehaltenen Diskussionen. Ästhetisches Erleben vollzieht sich im Einzelfall am konkreten Objekt. Man kommt einfach nicht um die Auseinandersetzung mit konkreten Musikstücken herum, wenn man sie evaluieren, anderen nahebringen, oder sich ihnen nähern will. Eine bestimmte Voreinstellung, auf eine gewisse Weise "verstehen" zu wollen, kann vermutlich sogar hinderlich sein, wird meistens aber nicht schaden, solange man sich nicht auf verkehrte Art unter Druck setzt.

Daß es viel leichter ist, mit einem Stück in einem vertrauten Stil vertraut zu werden als mit anderen, ist klar und beinahe trivial. Dennoch erinnere ich mich aus meiner Hörgeschichte, wie schwer das fallen kann, bei Stücken, wo ich es heute kaum mehr nachvollziehen kann. Und es fällt mir noch heute, bei Alter Musik, teils schon bei Monteverdi, aber jedenfalls bei solcher des 13.-16. Jhds. eher schwerer als in der "klassischen Moderne" bis ca. 1945 oder so. Das kann man wohl nicht ändern, es wird dann davon abhängen, ob und was einen bei der Erstbegegnung fasziniert.

Ich fand Bartoks Divertimento z.B. sofort packend, als ich es mit 14 oder jünger im Musikunterricht hörte, den Kopfsatz von Mahlers 9. aber noch völlig unverständlich und auch zu lang, um unmittelbar zu fesseln, als ich mit 18 oder 19 schon mehrere Jahre Klassik und auch schon seine 2. u. 4. Sinfonie gehört hatte.

Auch wenn ich Mahler inzwischen viel besser kenne, finde ich nach wie vor einen großen Teil der "Moderne" leichter zugänglich als z.B. dessen 6. und 9. Sinfonie. Z.B. Schostakowitsch, vieles von Hindemith, etliches von Bartok, Strawinsky, Prokofieff, Milhaud, Poulenc oder Ravel sowieso.

viele Grüße

JK jr.
Martin2
Inventar
#43 erstellt: 26. Jun 2009, 17:40

Tannoymann schrieb:
Guten Morgen! Hallo MArtin!
Ich wollte mich eigentlich raushalten, da der Thread, wie er hier verläuft, für mich sinnlos ist. Folgendes Zitat nur als Beispiel für Dein bewusstes oder nicht bewusstes Missverstehen:

Du verstehst Webern nicht, also mußt Du dieses oder jenes Buch lesen

Ich habe nicht behauptet, dass du dieses oder jenes Buch lesen sollst, weil du Webern nicht verstehst. Und ich habe auch nicht behauptet, dass Du Webern verstehen musst.
Meine Kritik an Dir Martin ist, dass du die Materie argumentativ abzuurteilen versuchst, obwohl Du in Unkenntnis dieser Materie gar keine vernünftigen Argumente haben kannst.
Wenn man von gewissen Bereichen keine oder zu wenig Ahnung hat, ist es wohl besser, sich zu bilden um der Sache gerecht zu werden. Bücher können da auch schon ein bisschen helfen.
Es fällt ja auch anderen auf, dass Du dich in Widersprüchen verlierst.
Ich hab auch ein bisschen in deinen anderen Beiträgen gelesen. Da kommt bisweilen das Wort "wütend" vor. Vielleicht beginnt da schon dein Problem.
Grüße Willi


Hallo Willi,

wer hier eine "widersprüchliche Haltung" hat, bist Du nicht ich. Ich soll mich also "bilden" und Bücher sind dafür "hilfreich" aber dann doch nicht unbedingt notwendig. Was bitteschön meinst Du da eigentlich mit "Bildung"? Ist mir rätselhaft.

Ich habe schon ein paar Bücher über Musik in meinem Leben gelesen, aber einem solchen Bildungsbegriff, wie Du ihn hast, werde ich mich immer verweigern. Man darf über Musik auch urteilen, wenn man sie schlicht gehört hat. Man kann auch die "Reihentechnik" ablehnen, ohne sich tiefergehender mit der Materie auseinandergesetzt zu haben.

Gruß Martin
WolfgangZ
Inventar
#44 erstellt: 27. Jun 2009, 00:41
Hallo, Martin!

Wäre es nicht sinnvoll, wenn Du beispielsweise einige der Nachfragen an Dich, die ich weiter oben formuliert habe, zu beantworten versuchst?

Zu dem, was man "Moderne" nennen könnte, habe ich eine ganz simple Unterscheidung in eben diesem Beitrag mit den Nachfragen formuliert. Könnte man mit dieser Unterscheidung eventuell diskutieren?

Jetzt wärst Du wieder dran.

Andernfalls würde ich den Thread hier auch als gescheitert ansehen.


Man kann auch die "Reihentechnik" ablehnen, ohne sich tiefergehender mit der Materie auseinandergesetzt zu haben.


Was aber soll dann der Sinn einer Diskussion darüber sein??


Besten Gruß, Wolfgang


[Beitrag von WolfgangZ am 27. Jun 2009, 00:44 bearbeitet]
Martin2
Inventar
#45 erstellt: 27. Jun 2009, 08:30
Hallo Wolfgang,

solche Threads scheitern meist. Daß jemand den anderen von seinem Standpunkt überzeugen kann, passiert selten - deshalb sind sie doch nicht sinnlos.

Noch einmal gesagt zu dem was ich mit "Moderne" meine. Der Begriff ist wenig griffig, wenn man ihn als bloßen Epochenbegriff versteht. Ich finde ihn letzlich griffiger, wenn man ihn als Kulturbegriff versteht.

Ich hätte statt Moderne auch Avantgarde schreiben können, aber das ist auch problematisch. War nicht Charles Ives letztenendes eine Art Avantgardist und lehne ich deshalb seine Musik ab?

Moderne meint dieses eigentümliche Phänomen, daß es Musik und auch Kunst gibt, die von weiten Kreisen nicht als "anspruchsvoll" oder "progressiv" empfunden werden, sondern einfach als vollkommen sinnlos. Dieses Gefühl von Sinnlosigkeit habe ich bei der Zwölftonschule, deren Musik ich als genauso sinnlos empfinde wie das dahinterstehende Konzept, das betrifft aber auch viele Dinge mehr. Auch der Minimalismus ist zum Beispiel ein interessantes musikalisches Konzept, sofern er darauf abzielt, durch leichte Abweichungen repitativer Muster Wirkungen zu erzielen, aber der Extremismus einer solchen Methode kann auch höchst langweilig sein und im Hörer ein Gefühl des Sinnlosen hervorrufen. Ein Cluster mag ein musikalisches Mittel sein, aber exzessiv angewendet, ist dieses Mittel viel zu undifferenziert. Zufallselemente in der Musik sind meinetwegen diskutabel, obwohl ich letzlich nicht viel von ihnen halte, auch sie zielen aber wieder auf das, was ich "Sinnlosigkeit" nenne.

Und jemand wie Joachim, der wenn ich das richtig verstehe, gar keine neuere Musik hört, aber irgendwie "Sympathie" für meinen Standpunkt bekundet, ist doch genau das, was auch typisch ist für die ganze Diskussion, wie sie geführt wird.

In der bildenden Kunst ist es ganz genauso, da kann man auch einen Fleck auf die Leindwand malen und wer dann fragt: Was soll das? wird als Depp dargestellt. All das finde ich höchst unerfreulich.

Und damit verbunden ist ein inflationärer Gebrauch des Begriffes "Zugang". Ach ja, immer ist es der Zugang. Und wenn jemand die Musik eines Werkes aus den Lottozahlen entwickelt und dabei der größte Unsinn heraus kommt, werden am Ende alle höflich klatschen, aber irgendwie feststellen, daß ihnen zu dieser Musik der Zugang fehlt.

Gut, aber wie Willi dann ja schon festgestellt hat, bin ich einfach ein ungebildeter Mensch - das wirds dann wohl sein.

Gruß Martin
Martin2
Inventar
#46 erstellt: 27. Jun 2009, 10:03
Zusatz:

Man sollte auch mal den Begriff der "Avantgarde" diskutieren. Auch dieser Begriff hat in modernen Zeiten eine merkwürdige Karriere gemacht. Charles Ives war ein Avantgardist. Arnold Schönberg, obwohl ich seiner Zwölftonmethode herzlich wenig abgewinnen kann, war auch ein Avantgardist. Skrjabin in seinen späten Klaviersonaten empfinde ich auch als Avantgardist.

Avantgarde bedeutet übersetzt nämlich so etwas wie "Vorhut". Der Avantgardist ist seiner Zeit voraus. Dagegen, was nach dem zweiten Weltkrieg als Avantgarde bezeichnet wurde, hat doch damit wenig zu tun. Also spätestens dann, wenn alle möglichen Komponisten anfangen Zwölftonmusik zu schreiben, hat der Begriff Avantgarde jeden Sinn verloren, sondern setzt so etwas wie einen neuen Standard. Mit den meisten Dingen, die die angeblichen Avantgardisten dann benutzt haben, haben die echten Avantgardisten schon längst vorher experimentiert. Vierteltonstücke, Cluster, Überlagerung verschiedener musikalischer Prozesse, Polytonalität, all das hat es schon bei Ives gegeben. Oder das Element der Improvisation in Nielsens 4. Sinfonie.

Und auch die Radikalisierung avantgardistischer Konzepte ist noch nicht unbedingt Avantgarde. Also nicht nur in der Sinnlosigkeit ihrer Konzepte, sondern auch in der Lächerlichkeit des verspäteten "auf den avantgardistischen Zug aufspringen" und damit natürlich genau das Gegenteil von Avantgarde zu sein, liegt die ganze Absurdität der Kultur nach dem zweiten Weltkrieg.

Und wenn jemand seiner Zeit voraus ist oder auch nur in einer Weise experimentiert, die seiner Zeit voraus sein könnte, ist er ein Avantgardist. Wenn dagegen alle Avantgardisten werden und Du plötzlich das Gefühl hast, das irgendwie alle ihrer Zeit voraus sind, spätestens dann stimmt doch etwas nicht. Ihrer Zeit voraus sein können immer nur wenige. Wenn aber die meisten ihrer Zeit voraus zu sein meinen, dann ist das pure Illusion und gerade das "Progressive" der Kultur nach dem zweiten Weltkrieg ist kein "Seiner Zeit voraus sein", sondern ein ausgesprochenes Zeitphänomen.

Gruß Martin


[Beitrag von Martin2 am 27. Jun 2009, 11:05 bearbeitet]
WolfgangZ
Inventar
#47 erstellt: 27. Jun 2009, 12:18
Hallo, Martin!

Danke für Deine rasche und (für mich) weitgehend nachvollziehbare Reaktion! Ich rühr mich später, weil ich jetzt keine Zeit mehr habe. Im Übrigen gibt es bisher viel engagiertere Diskutanten als mich.

Eines nur:


Moderne meint dieses eigentümliche Phänomen, daß es Musik und auch Kunst gibt, die von weiten Kreisen nicht als "anspruchsvoll" oder "progressiv" empfunden werden, sondern einfach als vollkommen sinnlos.


Das ist aber nun wirklich Deine Privatdefinition, Du magst den Begriff drehen und wenden.

Als er vor gut hundert Jahren - durch Nietzsche, durch den Naturalismus, durch den beginnenden Expressionismus - sich ausprägte, dieser Begriff, da mochte er viele Nuancen abdecken, das Verschwinden des Individuums hinter der Masse oder gerade das radikale Individuum, die Determiniertheit des Menschen oder eine neue Gottähnlichkeit, die neue Rolle der Naturwissenschaften ... aber doch nicht "Sinnlosigkeit". Wann immer Strömungen im 20. Jahrhundert sich mit einem Moment der Sinnlosigkeit schmückten, so der Existenzialismus, wollten sie doch gerade nicht modern sein.

Auf Musik bezogen, möchte ich wirklich auf meiner banalen Unterscheidung von weiter oben beharren.

Besten Gruß, Wolfgang


[Beitrag von WolfgangZ am 27. Jun 2009, 12:18 bearbeitet]
WolfgangZ
Inventar
#48 erstellt: 27. Jun 2009, 12:49
(Ich glaube, da fällt wegen der Wetterlage einer meiner Termine aus ... )

nächstes Stichwort: Zwölftonmusik

- die konsequente Weiterentwicklung aufgelöster Tonalität
- ... hin zu strengem Konstruktivismus
- ... im Gewand eines funkelnden Minimalismus (Webern)
- ... mit neuem Emotionspathos (Berg)
- ... in mancherlei Hinsicht variiert und vielfältigst subjektiviert (z.B. Frank Martin, Rolf Liebermann, Leonard Bernstein usw. usf.)
- ... programmatisch feinststrukturiert (Schönberg: Violinkonzert)

ein (eines! ein ganz wichtiges zweifellos!) Modell für die "moderne" Musik, anstrengend, anspruchsvoll und schwierig, höchst ergiebig im Sinne eines gleichermaßen emotionalen und intellektuellen Genusses ...

usw.

... aber "sinnlos" ... ???

Gruß, Wolfgang
Martin2
Inventar
#49 erstellt: 27. Jun 2009, 13:07

WolfgangZ schrieb:



Moderne meint dieses eigentümliche Phänomen, daß es Musik und auch Kunst gibt, die von weiten Kreisen nicht als "anspruchsvoll" oder "progressiv" empfunden werden, sondern einfach als vollkommen sinnlos.


Das ist aber nun wirklich Deine Privatdefinition, Du magst den Begriff drehen und wenden.


Hallo Wolfgang,

mit "Privatdefinitionen" ist das so eine Sache. Wir hatten ähnliche Diskussionen, wenn Du Dich erinnerst, um den Begriff "Elite". Auch im Begriff der Elite gibt es für mich "Doppelbedeutungen", die einfach ärgerlich sind, weshalb ich den Begriff, so wie er lexikalisch benutzt wird, schlicht für unbrauchbar halte. Bezeichne ich den verzogenen und möglicherweise etwas dämlichen Sohn reicher Eltern oder den blaublütigsten aller Adligen und den Atomphysiker mit dem gleichen Begriff Elite, wird die Sache schlicht absurd. Insofern sind "Privatdefinitionen" dann auch sinnvoll, wenn sie der Klarheit der Sache dienen.

Ich gebe aber zu, mich etwas unbedarft in die ganze Angelegenheit gestürzt zu haben, ich hätte meine Begrifflichkeiten noch mal überdenken sollen. Vielleicht sollte ich statt Moderne auch Modernismus sagen.

Wichtig ist auch nicht, welche Begriffe wir wie benutzen, wichtig ist nur, sich sinnvoll auszudrücken - selbst wenn man dabei Privatdefinitionen benutzt. Moderne im Sinne reiner Epochenzugehörigkeit sagt für mich rein gar nichts aus, außer das eine Musik nach 1945 erschienen ist. Begeben wir uns allerdings auf eine inhaltliche Klärung des Begriffs, können wir uns nicht auf bloße lexikalische Definitionen stützen, sondern müssen uns fragen - ähnlich wie bei "Elite", welche Definitionen überhaupt sinnvoll sind und nicht, welche uns die Lexika vorlegen. Aber ich gebe zu, ich habe mich einfach zu unbedarft in die ganze Diskussion gestürzt. Aber wiegesagt: Mit einem an sich sinnlosen Begriff der Moderne kann ich genausowenig operieren, wie mit einem sinnlosen Begriff der Elite.

Ich halte mich dann dabei eher an den allgemeinen Sprachgebrauch, der etwas als modern, weniger modern oder auch unmodern bezeichnet. In dieser Hinsicht erscheint nun alles, was mit Avantgarde zu tun hat, als besonders "modern". Neoklassizismus ist dann schon "weniger modern" usw. Spätromantik dagegen galt als "völlig unmodern", überholt usw. Diesen allgemeinen Sprachgebrauch halte ich für wichtiger, als mir darüber den Kopf zu zerbrechen, was nun zur Moderne gehört und was nicht und wie dies die Lexika definieren.

Das vollkommen ärgerliche an Lexikadefinitionen ist doch, daß sie nicht bloß "definieren", sondern auch Wertungen enthalten. Die Doppeldeutigkeit des Begriffs Elite etwa signalisiert letzlich, daß ein Adliger letzlich doch "etwas besseres" ist als ein Bürgerlicher - wer dies aber nicht glaubt, sollte sich von solchen Lexikadefinitionen trennen. Der Begriff Moderne ist genauso "wertend". Einerseits bezeichnet er Musik nach 1945, anderseits umfaßt er bestimmte "musikalische Stilrichtungen". Dann gehört eben "Neoklassizismus" zur Moderne, "Spätromantik" dann wieder nicht. Für mich hat dies den Geschmack von: Dieses oder jenes ist in der Moderne "zugelassen", anderes ist eben "unmodern" und kann nicht mehr dazu gerechnet werden. Das hat einen wertenden Charakter ähnlich wie der Begriff Elite, den ich eben gerade raus haben möchte aus der Definition. Aber ich gebe zu: Ich schwimme im moment ein bißchen und habe mich mit dem Modernitätsbegriff nicht wirklich gründlich beschäftigt.

Eindeutig ist aber, daß ein Begriff wie "unmodern" im allgemeinen Sprachgebrauch eine Wertung enthält. Zähle ich dann Spätromantik nicht zur Moderne, so signalisiert das: Diese Musik ist überholt, antiquiert, unmodern. Mir ist es aber wichtig, solche definitorischen Wertungen ähnlich wie bei dem Begriff "Elite" als solche zu erkennen und sich auf solche Sprachspiele nicht einzulassen.

Gruß Martin
Martin2
Inventar
#50 erstellt: 27. Jun 2009, 13:21

WolfgangZ schrieb:
(Ich glaube, da fällt wegen der Wetterlage einer meiner Termine aus ... )

nächstes Stichwort: Zwölftonmusik

- die konsequente Weiterentwicklung aufgelöster Tonalität
- ... hin zu strengem Konstruktivismus
- ... im Gewand eines funkelnden Minimalismus (Webern)
- ... mit neuem Emotionspathos (Berg)
- ... in mancherlei Hinsicht variiert und vielfältigst subjektiviert (z.B. Frank Martin, Rolf Liebermann, Leonard Bernstein usw. usf.)
- ... programmatisch feinststrukturiert (Schönberg: Violinkonzert)

ein (eines! ein ganz wichtiges zweifellos!) Modell für die "moderne" Musik, anstrengend, anspruchsvoll und schwierig, höchst ergiebig im Sinne eines gleichermaßen emotionalen und intellektuellen Genusses ...

usw.

... aber "sinnlos" ... ???

Gruß, Wolfgang


Hallo Wolfgang,

ich gebe ja zu, ich kenne zumindestens die Lulusuite von Berg und die hat schon was, was vermutlich auch an der reichen Orchestration und Harmonisierung liegt, die denke ich mit Zwölftonmusik herzlich wenig zu tun hat.

Nur mit Webern konnte ich halt herzlich wenig anfangen, außer mit "Im Sommerwind" - reichlich spätromantisch - und "Entflieht auf leichten Kähnen".

Ich will letzlich nicht ausschließen, daß man selbst mit der Zwölftontechnik zu irgendwelchen Resultaten kommt, Bergs Lulusuite gibt mir da zu denken, nur die Sache mit den Reihen - alle 12 Töne der chromatischen Tonleiter, von denen sich keiner wiederholen darf - hat mich nun wirklich nie überzeugt. Mir ist klar, daß dieses ganze System "ausdifferenziert" wurde, nur die Grundidee konnte ich nie nachvollziehen. Mir kommt dies vor, als ob man die Musik in eine furchtbare Zwangsjacke zwängte. Darauf bezieht sich mein Verdikt des Sinnlosen. Aber wenn Dir diese Musik gefällt, will ich sie Dir nicht madig machen.

Gruß Martin
WolfgangZ
Inventar
#51 erstellt: 27. Jun 2009, 13:24
Hallo, Martin!

Deine letzten beiden Beiträge, denen ich gerne weitgehend zustimme, zeigen aber doch vor allem zweierlei, und jemand wie Du, der so vielfältig auch an Musik im 20. Jahrhundert interessiert ist, beweist es am eigenen Sachverstand:

1. Ich kann in der Kunst nur ganz konkret anhand von Einzelpersönlichkeiten sagen, was mir an ihnen gefällt oder nicht und warum.

2. Wenn ich die Frage nach dem "Warum" nicht für mich - und für andere verständlich! - beantworten kann, um dann die Antwort zur Diskussion freizugeben, ist dieser Thread nicht sinnvoll.

Ich habe oben versucht, kurz zu begründen, warum mich auch Zwölftonmusik reizt - neben Klassik und Romantik, (anderer) klassischer Moderne und (an vierter Stelle) Barock.

Gruß, Wolfgang


[Beitrag von WolfgangZ am 27. Jun 2009, 13:25 bearbeitet]
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