Sony TA F800ES - Tipps zur Wartung?

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Utan
Neuling
#1 erstellt: 24. Apr 2016, 21:56
Hallo beisammen,

ich habe bei e**y einen Sony TA F 800 ES erworben, den ich mit meinen Dynaudio Contour 2 Boxen betreibe.

Ich wäre an Tipps interessiert, was ich als "Eingangsinspektion" überprüfen sollte (auch messtechnisch) bzw. evtl. prophylaktisch an Bauteilen austauschen sollte.

Der Verstärker funktioniert soweit prima. Echte Probleme habe ich nicht.
Ich habe minimales (nicht störendes) Kratzen beim Lautstärkeregler.
(Nur) Beim Anfassen des Reglers bekomme ich einen leichten Brumm, stört soweit auch nicht.
Desweiteren wird manchmal (evtl. bei jedem 10. Schaltvorgang) beim Quellenwahlschalter der linke Kanal nicht sauber geschaltet (klingt dann ganz leise). Hin- und herschalten hilft und stört mich an sich auch nicht.

Der Wahlschalter für den Phonoabnehmer schaltet vergleichsweise am schlechtesten, was mich wiederum nicht sehr stört, da ich eh wenig Schallplatte höre und außerdem diesen Schalter eigentlich nie umschalten muss.

Wenn ich mal einige Zeit und Nerven übrig habe, werde ich also mal die Drehschalter revidieren. Soweit ist das klar.

Sollte ich ansonsten, auch ohne konkrete Probleme, irgendwelche Bauteile kontrollieren oder tauschen? Sozusagen als Wartungsmaßnahme?

Vielen Dank für eure Tipps.
Beste Grüße
Poetry2me
Inventar
#2 erstellt: 25. Apr 2016, 08:00
Hallo Utan,

das ist ein schönes und wohl sehr gut klingendes Gerät, das in gepflegtem Zustand IMHO so manchen Verstärker im vierstelligen Euro-Bereich in den Schatten stellen kann.

Ich würde mir auf jeden Fall im Netz das Service Manual besorgen. Dieses enthält unter anderem den Schaltplan.

Typische Verschleißteile sind:
- Sicherungswiderstände, die bei Alterung ihren Wert verändern können (erkennbar am Symbol, z.B. R412 und R422 im linken Endstufenkanal)
- Elektrolytkondensatoren (Elkos)
- Generell die Lötstellen alle sehr heiß werdenden Bauteile (über 55°C im Ruhebetrieb)
- Generell die oben genannten Bauteile im Umfeld von Hitze, speziell wenn aufsteigende heiße Luft daran vorbeistreicht.
- Lötstellen von Bauteilen, welche einer konstanten oder wiederholten mechanischen Belastung ausgesetzt sind,
also bestimmte Schalter, die nur durch Lötstellen fixiert sind etc.

Typische Verbesserungen:
- Entfernung der "FTZ-Bremsen", welche ausschließlich für "Western Germany" eingebaut wurden (diese begrenzen die Breitbandigkeit des Verstärkers).
Man findet diese Schaltungseingriffe überall im Schaltplan. Entsprechend scharfe Bestimmungen gibt es heute nicht mehr für Deutschland. Speziell der Phono-Eingang hat klanglich darunter zu leiden.
- Elkos gegen Folienkondensatoren tauschen, soweit es dafür heute entsprechend kleine Bauformen gibt.


Noch ein Wort zum Thema Risiko:

Jegliche Arbeit an dem Gerät stellt natürlich ein Risiko dar. Man muss also abwägen, ob man das Risiko tragen möchte, dass nach der Wartung bzw. Auffrischung auch noch alles funktioniert. Speziell dann, wenn die Geräte 30 Jahre alt oder älter sind, muss man höhere Risiken ansetzen.
Je mehr Erfahrung man hat mit der Arbeit an HiFi Klassikern, desto geringer sind die Risiken.
Für Profis, die solche Arbeiten an Klassikern gewerblich ausführen, ergibt sich daraus ein unangenehmes Zusatz-Risiko, dass bei den Arbeiten am Gerät an anderer Stelle schwer identifizierbare Fehler auftreten, die sich aus Alterungserscheinungen ergeben.
Eine Komplettrevision wäre also nur etwas für erfahrene Kollegen.
Das ist übrigens auch einer der Gründe, warum die Restauration und Wartung solcher Geräte auch von vielen Forumskollegen so negativ gesehen wird. Dahinterstecken deren Erfahrungen mit Geräten, bei denen Komplikationen aufgetreten sind. Die meisten davon arbeiten - ob gewerblich oder im privaten Umfeld - im Reparaturgeschäft, wo man Gewährleistung geben muss, dass hinterher alles funktioniert.



Vielleicht interessiert es Dich, was ich persönlich als Minimum an dem Gerät tun würde, wenn es mein Gerät wäre:
- Tausch der Elkos C408/C458 (22µF 100V) in der Gegenkopplung der linken und rechten Endstufe gegen einen MKP Folienkondensator (1µF 400V). Der geänderte Kapazitätswert ist dabei an dieser Stelle absolut in Ordnung, denn die untere Grenzfrequenz bleibt immer noch extrem niedrig. C408/C458 waren massiv überdimensioniert. Man muss eventuell hinterher den Offset der Endstufe nachjustieren (Potentiometer RT401 u. RT451).
Der Tausch dieses Bauteils wirkt sich sehr positiv auf den Klang aus.


- Johannes


[Beitrag von Poetry2me am 25. Apr 2016, 09:41 bearbeitet]
Poetry2me
Inventar
#3 erstellt: 25. Apr 2016, 13:13
Das ist schon eine sehr brauchbare Endstufenschaltung beim Sony TA-F800ES.

Hier der Schaltplan des linken Kanals des Leistungsverstärkers.
Sony TA-F800ES Schematic Detail Power Amp left channel
Utan
Neuling
#4 erstellt: 26. Apr 2016, 00:05
Hallo Johannes,

ich bedanke mich sehr für Deine schnelle und sehr genaue Antwort.
Genau solche Informationen habe ich gesucht.

Das Servicemanual habe ich als pdf (auf elektrotanya) gefunden. Es sind, glaube ich, nicht alle Seiten, aber das wesentliche ist drin: Schaltplan, Teileliste, Leiterplattenlayout. Habe ich das richtige erwischt?

Ich nehme Deine Mahnungen zur Risikoabschätzung sehr ernst. Ich habe mal auf einem Grundig MXV 100 Vorverstärker (auch ungefähr aus der Zeit) löten müssen, und es war sehr erschreckend, wie schnell sich die Leiterbahnen von der Platine ablösten (das ist aber scheinbar ein besonderes Problem bei den Grundig Geräten). Da habe ich mich dann schnell aufs Nötigste beschränkt.

Ich bin kein ausgewiesener HIFI Elektroniker aber einen Kondensator auszutauschen muss schon drin sein.

Ich glaube, ich mache erstmal das von Dir genannte Minimalprogramm.
Dass ich bei den Folienkondensatoren nicht über 1µF gehen soll, liegt daran, dass es die größeren WIMA Kondensatoren nicht im richtigen Rastermaß gibt, richtig?

Zum Verständnis (auch wenn ich das erstmal nicht angehe): Sind die von Dir genannten FTZ Bremsen die Kondensatoren, die im Schaltplan rot gestrichelt umrandet sind mit der Kennzeichnung "WG" ? Die können ersatzlos ausgelötet werden? Bauteile, die eine "AEP" und eine "WG" Dimensionierung haben, werden durch die "AEP" Variante ersetzt?

Vielen Dank nochmal.
Uwe

PS: Besitzt Du den Verstärker selbst? Du kennst ihn ja scheinbar wie Deine Westentasche!
Poetry2me
Inventar
#5 erstellt: 26. Apr 2016, 18:00


Ich glaube, ich mache erstmal das von Dir genannte Minimalprogramm.
Dass ich bei den Folienkondensatoren nicht über 1µF gehen soll, liegt daran, dass es die größeren WIMA Kondensatoren nicht im richtigen Rastermaß gibt, richtig?

Ja, der 1myF 400V MKP, den ich Dir empfehle ist allerdings sowieso viel zu groß. Du kannst z. B. axiale Typen verwenden, die man in Frequenzweichen nimmt, und diesen aufrecht einbauen. Dabei ist Gold-Öl-Zauber nicht nötig, nur einfach MKP 400V. Die hohe Spannungsfestigkeit sorgt für dicke Dielektrikumfolie, was an der Stelle in der elektronischen Schaltung geringere Verzerrungen bedeutet.

Diesen Sony kenne ich leider nur aus dem Service Manual. Aber die Serie war schon gut und das SM zeigt die hohe Einstufung.

- Johannes
Poetry2me
Inventar
#6 erstellt: 26. Apr 2016, 19:01
Hier ein Beispiel für einen sehr ähnlichen Fall aus einem Denon PMA-860

Dort habe ich den Elko an ähnlicher Stelle in der Gegenkopplung getauscht gegen einen MKP Folienkondensator 400V 1µF (schwarz)

Denon PMA-860 Mod feedback MKP film capacitor

Das geht aber nur bei bestimmten Varianten der Gegenkopplung.
Die Schaltungsvariante, in der das so machbar ist, heißt bei Luxman "Duo-Beta"-Schaltung. Die Gegenkopplung wird in zwei Pfaden an den invertierenden Eingang zurückgeführt: Einen Gleichspannungspfad und einen Wechselspannungspfad. Der Wechselspannungspfad stellt die Verstärkung für die Audio-Frequenzen ein. Dort sitzt der sensible Kondensator.

Die Kapazitätsdimensionierung des Kondensators bestimmt die untere Grenzfrequenz fG des Verstärkers.
Für die Berechnung wird die Kapazität mit R415||R419 herangezogen.

bei 1µF: fG = 0,62 Hertz;

das sollte tief genug sein

- Johannes
Poetry2me
Inventar
#7 erstellt: 26. Apr 2016, 23:49
FTZ-Bremsen:


Zum Verständnis (auch wenn ich das erstmal nicht angehe): Sind die von Dir genannten FTZ Bremsen die Kondensatoren, die im Schaltplan rot gestrichelt umrandet sind mit der Kennzeichnung "WG" ? Die können ersatzlos ausgelötet werden? Bauteile, die eine "AEP" und eine "WG" Dimensionierung haben, werden durch die "AEP" Variante ersetzt?


Ja, das sind die rot gestrichelt umrandeten Bauteile.
Besonders deutlich am Eingang der Phono-Stufe und auch sonst überall eingetreut in den Schaltungen.
leider sind es dann meistens Kondensatoren, welche als Lag-Kompensation die Vorwärtsverstärkung verlangsamen. Dadurch reduziert sich zwar die "Fähigkeit" des Verstärkers zu schwingen, aber auch die Geschwindigkeit bei der Korrektur von Verzerrungen. Daher ist es heutzutage durchaus sinnvoll, speziell diese extra eingefügten Kondensatoren herauszunehmen bzw. die Werte in manchen Fällen zu verringern, wie es für die Märkte "AEP" vorgesehen war (vielleicht nicht bei den ganz niedrigen Werten im zweistelligen Picofarad-Bereich). Die Schaltung sollte aber immer noch stabil funktionieren, denn dafür ist sie entwickelt.

In der Endstufe kommen die beiden extra Kondensatoren C421 (100pF) und C420 (18pF) in Frage.
Wenn man will, kann man noch kleine 33pF Styroflex Kondensatoren kaufen und bei C414 und C415 statt der 100pF einsetzen.

Beim Phono-Eingang lohnt es sich besonders, die fünf Filter-Bauteile (2xL,2xR,C) herauszunehmen und insgesamt zu überbrücken. Das macht erfahrungsgemäß sehr viel aus.

Ebenso auffällig ist, dass am Adaptor Pre-out / Pre-in ein 100pF Dämpfer nur in "Western Germany" eingebaut wurde.

Verwunderlicherweise werden die MC-Systeme für den Markt "WG" deutlich stärker mit Widerständen belastet (33 oder 100 Ohm) als für die "Märkte" AEP (100 oder 1000 Ohm). Das kann man im Umfeld des MM-MC-Umschalters S201 erkennen. Die Logik dahinter erschließt sich mir nicht. Ich weiß nur, dass das beliebte japanische Rundfunk-MC-System Denon DL103 am liebsten einen Eingangswiderstand von 330 Ohm hat. Zur Not kann man den hier einfach statt eines der vorhandenen Widerstände einbauen.


Bypass Kondensatoren:

Im Grunde gäbe es noch viele Stellen, an denen man etwas durch Erneuerung oder Ersatz mit Folienkondensatoren machen könnte.
Beispielsweise sind die beiden 1000µF 63V Siebungen für die Spannungsversorgung der sensiblen Eingangsstufen ein lohnendes Tauschobjekt. Dazu parallel ein paar Mikrofarad Folie kann ich nur empfehlen.
Beliebte Folienkondensatoren für solche Bypass Anwendungen sind die recht kleinen WIMA MKS2 Typen, die es bis 10µF gibt. Ab ca. 4,7 wird es aber teuer. Beim großen C sind es über 4 EUR für einen 10µF 50V MKS Kondensator. 1µF oder 2,2µF sind aber ebenfalls schon recht effektiv für Bypass.

Wenn Phono wichtig ist, dann lohnt es sich, die Kondensatoren im +/- 18V Spannungsregler auf dem EQ BOARD zu tauschen bzw. durch Bypass zu optimiern. C214/C264 (2,2µF) durch Folie ersetzen. C211 (100µF 25V) erneuern und mit Folien bypassen.
Ein zusätzlicher Mod, der in zahlreichen Versionen dieser Grundschaltung in anderen Geräten verwendet wird ist ein zusätzlicher 1µ Folienkondensator über den Anschlüssen des Widerstandes R220/R270 (10k). Dies verbessert den Innenwiderstand des Reglers ("härtet ihn") bei hohen Frequenzen.


- Johannes


[Beitrag von Poetry2me am 26. Apr 2016, 23:55 bearbeitet]
Utan
Neuling
#8 erstellt: 01. Mai 2016, 14:16

Poetry2me (Beitrag #6) schrieb:
Hier ein Beispiel [...]Das geht aber nur bei bestimmten Varianten der Gegenkopplung.
Die Schaltungsvariante, in der das so machbar ist, heißt bei Luxman "Duo-Beta"-Schaltung. Die Gegenkopplung wird in zwei Pfaden an den invertierenden Eingang zurückgeführt: Einen Gleichspannungspfad und einen Wechselspannungspfad. Der Wechselspannungspfad stellt die Verstärkung für die Audio-Frequenzen ein. Dort sitzt der sensible Kondensator.

Die Kapazitätsdimensionierung des Kondensators bestimmt die untere Grenzfrequenz fG des Verstärkers.
Für die Berechnung wird die Kapazität mit R415||R419 herangezogen.

bei 1µF: fG = 0,62 Hertz;


Hallo Johannes,

vielen Dank für Deine Mühe und für Deine weiteren Erklärungen. Die Modifikation auf dem Bild schaut ja besser aus, wie ab Werk (sogar mit Schrumpfschlauch).

Aus Zeitgründen muss ich die Änderungen bei mir erstmal zurückstellen. Ich werde sie aber auf jeden Fall noch machen.

Deine Ausführungen zur Duo-Beta Schaltung sind sehr interessant. Ganz verstehe ich sie leider noch nicht. Ich hab zwar einige Grundlagen, bin aber unerfahren mit echten Schaltungen. Wenn Du Lust hast, wäre es schön, wenn Du meine Überlegungen durchsiehst. Ich würde gerne die Schaltung besser verstehen (natürlich nicht, weil ich Deine Ausführungen anzweifle, sondern aus Interesse). Irgendwo müssen Denkfehler auf meiner Seite sein!

Soweit ich es verstehe werden die Halbwellen der Gegentaktstufe Q416-Q419 bei R434-R437 zusammengeführt.
Dort geht es nach rechts zum Ausgang und nach links zur negativen Rückkopplung in den negativen Eingang des Differenzverstärkers Q401.

Schwierigkeiten habe ich mit den Bauteilen im Rückkopplungspfad.

Du schreibst, dass aus C408 und R419||R415 eine untere Grenzfrequenz resultiert. Dann wäre die RC Kombination ein Hochpass. Soweit ich das verstanden habe, muss dazu die Eingangsspannung an C und R in Reihe abfallen und die Ausgangsspannung (die in den Diff-verstärker geht) zwischen C und R abgegriffen werden.
Ich verstehe nicht, wieso R419 und R415 sich in einer Parallelschaltung befinden. Ich verstehe dann auch nicht, wie dann R und C in Reihe sein können (C zuerst!).

Ich dachte, ich sollte erstmal die Schaltung aufs Wesentliche vereinfachen, aber bestimmt denke ich da auch falsch:
C410(7p) kann entfallen. C409 ist dann parallel zu C408, zusammen sind das dann 22,068µ, C409 kann also auch entfallen. R417 und R418 ergeben gemeinsam 22kOhm. R416 hat nur 120Ohm, ist also wie eine Drahtbrücke.

Dann wären R415 und C408 parallel.

Wenn ich das so rechne, bekomme ich ein Schaltungsdreieck aus R419, R417+R418 und C408+C409, das ich in eine Sternschaltung umrechnen kann. Aus diesem Stern wieder ein Dreieck mit R415.
Letztlich bekomme ich dann zwar schon einen Spannungsteiler, dessen Teilungsverhältnis schon bei geringen Frequenzen steil auf 0 abfällt.

Aber das ist doch unlogisch, oder? Ohne Signal am negativen Eingang des Differenzverstärkers wird der Verstärker doch theoretisch unendlich stark (so stark er halt kann) verstärken und deshalb verzerren(?).

Ich dachte, das Teilungsverhältnis in der Rückkopplung legt die Verstärkung fest und sollte nicht 0 sein.

Ich bin mir sicher , ich denke viel zu kompliziert. Vielleicht magst Du etwas Licht ins Dunkel bringen ;-)

Beste Grüße
Uwe


[Beitrag von Utan am 01. Mai 2016, 14:40 bearbeitet]
Utan
Neuling
#9 erstellt: 01. Mai 2016, 14:17
PS: Zu Duo-Beta: Welches ist der AC-Pfad und welches ist der DC-Pfad. Ich sehe irgendwie nur einen Pfad.
eckibear
Hat sich gelöscht
#10 erstellt: 01. Mai 2016, 22:42
Kann jemand die Werte von R416=120R, R417=12k und R418=10k bestätigen?
Das Teilungsverhältnis erscheint ungewöhnlich hoch, 184:1, das wäre auch die AC Spannungs-Verstärkung der Endstufe. Für 40Vpk Ausgang (100W an 8R) wären nur 216mV am Eingang fällig...
Für die DC-Verstärkung kommt mit R419=4M7 und R415=270k nur 18.4 heraus, komischerweise fast genau 1/10 des AC Wertes. Ist irgendwo evtl. ein Druckfehler?
Poetry2me
Inventar
#11 erstellt: 01. Mai 2016, 23:14
Hallo Utan,

freut mich, wenn es Dich so gepackt hat, diese Dinge verstehen zu wollen. Glaube mir, an den selben Stellen hatte auch ich immer die selben Fragen und ich bin immer noch nicht fertig damit, das alles zu verstehen.

Hier kommt das, was ich schon mal beleuchten kann, um das Prinzip "Duo Beta" besser verständlich zu machen, incl. der beiden "Pfade":

"Beta" steht für eine Gegenkopplungsschleife, weil in der Formel für die Verstärkung der Dämpfungsgrad des Spannungsteilers als Faktor "Beta" bezeichnet wird, also eigentlich etwas Banales. "Duo Beta" meint also, dass es zwei Gegenkopplungs-Spannungsteiler gibt. In vielen Fällen (nicht hier beim Sony Amp) wird einer der Spannungsteiler nu einen einzigen Widerstand haben, wenn keine

Sony TA-F800ES Duo Beta feedback circuit in power amp explained

A: So sieht die klassische Gegenkopplung ("negative Rückkopplung") aus. Der Verstärker wird immer versuchen, den Ausgang so einzustellen, dass die beiden Eingänge gegenseitig keine Spannungsdifferenz haben. Die beiden Widerstände der Gegenkopplung bilden einen Spannungsteiler der bewirkt, dass nur ein Bruchteil ("Beta") der Ausgangsspannung am invertierenden Eingang des Verstärklers ankommt. Durch den Spannungsteiler wird also die Spannungsverstärkung des Verstärkers eingestellt. Da die real existierenden Verstärker aber meistens einen kleinen Gleichspannungsfehler zwischen den beiden Eingängen haben, der mitverstärkt wird und dann mehrere Volt betragen würde, muss man verhindern, dass Gleichspannung im selben Verhältnis verstärkt wird. Dazu fügt man am Fußpunkt des Spannungsteilers einen Kondensator ein, der Gleichspannung blockiert. Diese wird dann am invertierenden Eingang in gleicher Höhe wie am Ausgang anliegen, wird also nicht heruntergeteilt. Gleichspannungsfehler werden dann so mit dem Faktor 1 verstärkt. Der Kondensator bildet zusammen mit R410 (120 Ohm die untere Grenzfrequenz fG = 1 / (2 * Pi * R * C)
Bei C = 1000µF kommt man auf eine vernünftige Grenzfrequenz fG = 1,3 Hz

B: Leider ist bei Schaltung (A.) eine recht große Kapazität erforderlich und man muss bei Kondensatoren auf die Elektrolyt-Typen zurückgreifen, auf jeden Fall aber solche mit geringer Spannungsfestigkeit. Diese haben aber deutlich höhere Verzerrungen als kleine und höherwertige Kondensatoren. Eine Möglichkeit, die großen Fußpunkt-Kapazitäten loszuwerden, sind aktive Schaltungen, sogenannte DC Servos. Eine weitere Alternative dazu stellt die Schaltung in (B.) dar. Man lässt den Spannungsteiler in der Gegenkopplung bestehen, koppelt aber am Knotenpunkt nur die Wechselspannungssignale aus. Hinter dem Kondensator liegt dann nur der üblicherweise sehr hochohmige invertierende Eingang des Verstärker, so dass sich schon mit kleinsten Kapazitäten, die man dann sehr hochwertig mit Folienkondensatoren realisieren kann, eine Grenzfrequenz weit unterhalb des hörbaren Bereiches ergibt.
Leider hat die Schaltung (B.) einen Haken: Sie ist nicht stabil, denn für die Gleichspannung hat die Gegenkopplung keine Wirkung. Schon nach wenigen Sekunden hat sich der Verstärker auf eine der Versorgungsspannungen "gehängt" und bleibt dort.

C: Die Schwäche der Schaltung (B.) kann beseitigt werden, indem man einen zweiten Gegekopplungspfad hinzufügt, der eine Verstärkung 1 (üblich bei Luxman) oder eine niedrige Verstärkung (dieser Sony Amp) hat. Der zweite Gegenkopplungspfad ist deutlich hochohmiger gestaltet als der erste, so dass er im Audio Frequenzbereich kaum ins Gewicht fällt. Erst dort, wo die Wirkung des ersten Gegenkopplungspfades nachlässt, greift dann der zweite und stellt sicher, dass der Verstärker eine definierte Verstärkung für die Gleichspannung hat.

Sony TA-F800ES Duo Beta feedback showing two paths

Hier das gleiche im Original Schaltplan:

Sony TA-F800ES schematic detail showing two Duo Beta paths


Ich hoffe, so wird es verständlicher.

- Johannes
Poetry2me
Inventar
#12 erstellt: 01. Mai 2016, 23:37

Utan schrieb:
Soweit ich es verstehe werden die Halbwellen der Gegentaktstufe Q416-Q419 bei R434-R437 zusammengeführt.
Dort geht es nach rechts zum Ausgang und nach links zur negativen Rückkopplung in den negativen Eingang des Differenzverstärkers Q401.


Stimmt.


Utan schrieb:
Du schreibst, dass aus C408 und R419||R415 eine untere Grenzfrequenz resultiert. Dann wäre die RC Kombination ein Hochpass. Soweit ich das verstanden habe, muss dazu die Eingangsspannung an C und R in Reihe abfallen und die Ausgangsspannung (die in den Diff-verstärker geht) zwischen C und R abgegriffen werden.
Ich verstehe nicht, wieso R419 und R415 sich in einer Parallelschaltung befinden. Ich verstehe dann auch nicht, wie dann R und C in Reihe sein können (C zuerst!).

Ich dachte, ich sollte erstmal die Schaltung aufs Wesentliche vereinfachen, aber bestimmt denke ich da auch falsch:
C410(7p) kann entfallen. C409 ist dann parallel zu C408, zusammen sind das dann 22,068µ, C409 kann also auch entfallen. R417 und R418 ergeben gemeinsam 22kOhm. R416 hat nur 120Ohm, ist also wie eine Drahtbrücke.

Dann wären R415 und C408 parallel.

Wenn ich das so rechne, bekomme ich ein Schaltungsdreieck aus R419, R417+R418 und C408+C409, das ich in eine Sternschaltung umrechnen kann. Aus diesem Stern wieder ein Dreieck mit R415.
Letztlich bekomme ich dann zwar schon einen Spannungsteiler, dessen Teilungsverhältnis schon bei geringen Frequenzen steil auf 0 abfällt.


Hier hoffe ich, dass die Zeichnung mit den beiden Pfaden für Audio und DC geholfen hat, die Wirkung der Bauteile etwas klarer zu machen.
Ich habe mir ebenfalls erlaubt, mache Bauteile, die kaum ins Gewicht fallen wegzulassen.
Nun erkennt man aber, dass "vor" dem Kondensator, also quasi als "Signalquelle" vor dem Kondensator C408, der vergleichsweise niederohmige Spannungsteiler des Audio Pfades liegt. Dahinter sind die Widerstände R415 zur Masse und R419 zu einer virtuellen Masse, nämlich zum Ausgang. Sie liegen im Sinne einer R-C-Berechnung also Parallel.

- Johannes
Utan
Neuling
#13 erstellt: 02. Mai 2016, 16:19
VIELEN DANK!

Du hast mir ja einen richtigen Kurs gegeben!
Ich habe alles geschriebene einwandfrei verstanden. Es war ja auch super erklärt.

Jetzt bekomme ich auch rechnerisch aus dem RC-Netzwerk den von Dir beschriebenen Frequenzgang des Teilungsverhältnisses.

Für die Rechnungen entscheidend war die Erkenntnis, dass R416 (120Ohm) nicht als "Drahtbrücke" gesehen werden darf. Er ist ja Bestandteil des AC Spannungsteilers. Aus Deinen Skizzen sofort zu entnehmen.

Hier ein Plot des umgekehrten Teilungsverhältnisses (also Verstärkungsfaktor) mit den ursprünglichen C=22µ:
Frequenzgang Verstärkung Sony TA-F800ES (Duo Beta) mit C=22µ

Man sieht bei f=0Hz die DC Verstärkung von 18.
Dann geht es sehr schnell auf die AC Verstärkung von ca. 180.

Und hier ein Plot mit der von Dir vorgeschlagenen Modifikation C=1µ Folie:
Frequenzgang Verstärkung Sony TA-F800ES (Duo Beta) mit C=1µ

Wie von Dir berechnet setzt auch hier die AC-Verstärkung zwar etwas später aber immer noch im unhörbaren Bereich ein. Schon bei 10Hz beträgt die Verstärkung 160.

Also Danke nochmal.
Das war wirklich sehr aufschlussreich!.


[Beitrag von Utan am 02. Mai 2016, 19:45 bearbeitet]
Poetry2me
Inventar
#14 erstellt: 03. Mai 2016, 00:19
Wow, toll dass Du das direkt plotten kannst

Jetzt könnte man beide Achsen noch logarithmieren, dann hätte man die übliche Darstellung in dB über der Frequenz.

- Johannes
Utan
Neuling
#15 erstellt: 03. Mai 2016, 14:04
Da sieht man, wie wenig ich in der Materie stecke.
Natürlich ist eine logarithmische Antragung sinnvoller.
Hier der Frequenzgang der Verstärkung in dB bei C=1µF.
(da steckt natürlich nur das Verhalten des duo-beta Netzwerks drin, nicht das des Verstärkers selbst).

Frequenzgang Verstärkung Sony TA-F800ES (Duo Beta) mit C=1µ in dB

Beste Grüße

PS: Das geht auf mich. (übers Netz ja leider nicht wirklich möglich )


[Beitrag von Utan am 03. Mai 2016, 14:08 bearbeitet]
wh11
Ist häufiger hier
#16 erstellt: 01. Nov 2016, 21:11
Hallo Utan,
hab ich ja richtig was verpasst, aber dein Beitrag ist ja noch in diesem Jahr gewesen. Ja, Johannes hatte mich auch schon aufgeschlaut zum Duo beta

Allerdings frag ich mich heute, woher die Behauptung kommt, dass man diesen dicken Fußpunkt-Elko braucht. Wenn man sich die Esprit-Boliden von Sony ansieht, dann brauchen diese weder Duo-Beta, noch Fußpunkt-Elko, noch NFB über ein aktives Werk. Ein ganz einfacher RC NFB (wenn überhaupt) und ein Widerstand gegen Masse und das wars.

Ich glaube Luxmann hatte auch mal was geschrieben zum Phasengang und Reproduktion von Transienten. Wäre mal interessant zu finden, wo die einzelnen NFB Konzepte ihre Stärken und Schwächen haben und was davon in den Bereich Marketing gehört.

LG Bernhard
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