Frage zum Klirrfaktor

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ratmal
Ist häufiger hier
#1 erstellt: 09. Jan 2018, 02:25
Hallo,

ich befasse mich zur Zeit mit den Grundlagen von Lautsprechern und habe dazu das Buch 'Das Lautsprecher Handbuch - Theorie und Praxis des Boxenbauens von Berndt Stark' durchgebättert.

Darin werden die folgende Diagramme gezeigt:

Unbenannt

Der Frequenzgang und auch die Klirrverzerrung sollen, so wie ich es verstanden habe, möglichst 'glatt' verlaufen. K3 zeigt im Frequenzbereich 200 - 500 Hz eine deutchlichen Ausschlag.
Die untere Abbildung zeigt das Klirrspektrum bei 380 Hz. Was kann ich hier genau erkennen?
Wie sollte bestmöglich ein Klirrspektrum ausschauen?

LG


[Beitrag von ratmal am 09. Jan 2018, 02:26 bearbeitet]
HeimkinoMaxi
Inventar
#2 erstellt: 11. Jan 2018, 12:09
gute und interessante Frage , ich abonnier mal
wus
Stammgast
#3 erstellt: 18. Jan 2018, 21:25
Der Frequenzgang soll möglichst linear verlaufen, der Klirr soll möglichst niedrig sein. Das heißt, im oberen Diagramm soll der vertikale Abstand zwischen der oberen und den unteren Kurven möglichst groß sein.

Einen verzerrten Ton beliebiger Kurvenform (ich schreibe bewusst nicht von einem x-beliebigen Signal, denn das könnte weit komplexer sein) kann man mathematisch zerlegen in seine Grundfrequenz (in Sinusform), und ganzzahlige Vielfache davon (ebenfalls sinusförmig), genannt Oberwellen oder auch Harmonische (auch wenn die in dem menschlichen Ohr oft gar nicht harmonisch klingen). Wenn also die Grundfrequenz S im unteren Diagramm 380 Hz war, dann haben K2 760 Hz, K3 1140 Hz usw. Der Autor des Buchs hat wohl 380 Hz gewählt weil das die Frequenz ist, bei der K2 im oberen Diagramm den Höchstwert hat.

Da der Klirr wie gesagt möglichst niedrig sein sollte, sollten die Säulen von K2, K3 etc. im unteren Diagramm im Vergleich zu S möglichst kurz / klein sein.

Das menschliche Ohr reagiert unterschiedlich stark auf Oberwellen. Im Prinzip gilt, je höher sie sind, um so störender wirken sie sich aus. Die erste Oberwelle, K2, die die genau doppelte Frequenz hat wie die Grundwelle, wird allerdings als harmonischer wahrgenommen, weil das einem Ton entspricht, der genau eine Oktave höher liegt. K3 dagegen hat keine derartige Entsprechung auf der musikalischen Tonleiter und wirkt daher unharmonisch und auffälliger. Entsprechendes gilt für die höheren Harmonischen.

In aller Regel bzw. erster Näherung nehmen die Pegel der Oberwellen mit zunehmender Ordnungszahl ab, und so soll das auch sein. Aber wie das Beispiel im unteren Diagramm zeigt muss das nicht immer so sein - dieser Lautsprecher hat mehr K3 und wird vermutlich bescheiden klingen.

Wichtig wäre noch dass der Klirr in aller Regel auch mit zunehmender Lautstärke zunimmt. Um Klirrfaktorvergleiche zu machen muss man deshalb alle zu vergleichenden Lautsprecher auf gleiche Lautstärke einpegeln. Da Lautsprecher sehr unterschiedliche Wirkungsgrade haben können, reicht es dazu nicht aus, den Verstärker immer gleich laut einzustellen.

Das ganze Thema ist noch weit vielschichtiger als ich hier angedeutet habe.
Uwe_1965
Inventar
#4 erstellt: 18. Jan 2018, 21:47
Das war doch mal eine Erläuterung, die Man(n) versteht.
Dankeschön, auch wenn ich nicht der Fragesteller war.
Gruß Uwe
leitplatz
Hat sich gelöscht
#5 erstellt: 18. Jan 2018, 21:52
Sehr sauber und klar interpretiert. TOP
Mickey_Mouse
Inventar
#6 erstellt: 19. Jan 2018, 19:38

ratmal (Beitrag #1) schrieb:
K3 zeigt im Frequenzbereich 200 - 500 Hz eine deutchlichen Ausschlag.

offensichtlich ist die Legende falsch, dort ist K2 durchgezogen und K3 gestrichelt, im Diagram ist es anders herum.

zu der bisherigen Erklärung muss man noch hinzu ziehen, ob sich das auf ein einzelnes Chassis (mit oder ohne Weiche) oder auf eine komplette Box bezieht, dementsprechend muss man die Daten auch anders "lesen".

wenn der Tieftöner bei >>1kHz einen enormen Klirr produziert, dann ist das nicht unbedingt "schön" aber er muss deshalb nicht schlechter sein als ein anderer, der dort noch sauber spielt. Genauso nutzt es dir andersherum nicht, wenn ein TT der bei 200Hz getrennt wird bei 2kHz quasi gar keinen Klirr produziert, das macht ihn nicht automatisch "gut".

prinzipiell ist es aber schon so, dass man mit den Ohren schlackern muss, wenn Leute sündhaft viel Geld für ein elektronisches Gerät mit einem Klirr von 0,001% ausgeben statt das "eine Nummer kleiner" mit 0,01% zu nehmen, wenn man das mal mit den Klirr-Werten üblicher LS vergleicht.

B&W gibt z.B. für seine 30.000€ 800D3 an:
Harmonische Verzerrungen: 2. und 3. harmonische (die nicht harmonischen lassen sie lieber gleich weg ) <1% 50Hz-20kHz, 90dB
was nichts anderes heißt, als dass sie bei <50Hz die 1% nicht schaffen.
bei 70Hz - 20kHz sind es nur noch 0,3%, aber auch hier: bei "nur" 90dB in 1m Entfernung (was schon ziemlich laut ist, aber laut "Daten" 1W entspricht.
wus
Stammgast
#7 erstellt: 19. Jan 2018, 22:42
Es ist ja schon super dass sie überhaupt eine Angabe zu Verzerrungen machen - welcher Hersteller von HiFi-Lautsprechern macht das schon? Selbst im Profi-Bereich ist das keineswegs selbstverständlich, obwohl ja zu einer - weit gängigeren - max-SPL-Angabe eigentlich ja angegeben werden sollte, wieviel Verzerrungen der LS dabei produziert.
Big_Määääc
Inventar
#8 erstellt: 20. Jan 2018, 10:43
nur ein MessSchrieb über den Frequenzgang,
gern auch mehrstufig bis zum Grenzpegel,
zeigt dir wie es mit den Verzerrungen,
und dessen klanglichen Einflüssen um den Lautsprecher aufgestellt ist.

Klirrangaben nackt und gern noch als THD sind nur schöngeschriebene Worte.

denn wie hier schon geschrieben wurde,
machen grad- und ungradzahliger Klirr einen Unterschied,
der je nach Art, Bandbreite, Frequenzbereich, Stärke ... mehr oder weniger stört,
oder sogar gefällt.
Rufus49
Stammgast
#9 erstellt: 20. Jan 2018, 11:49
@Mickey Mouse

offensichtlich ist die Legende falsch, dort ist K2 durchgezogen und K3 gestrichelt, im Diagram ist es anders herum.


Eigentlich ist K2 immer deutlich höher als K3 wie auch im oberen Diagramm ersichtlich, insofern ist das untere Diagramm missverständlich, da hier seltsamerweise K3 über K2 liegt.

Allerdings wurde im oberen Diagramm der Klirr bei 90 dB Schalldruck gemessen, im unteren Diagramm 1 Watt an der Chassis.
Da der Klirr extrem von der Lautstärke (Belastung der Chassis) abhängt, könnte aber dennoch das untere Diagramm richtig sein, d.h. bei kleineren Lautstärken ist K3 höher als K2, zumal es sich offensichtlich um ein defektes Chassis handelt.
Wie schon richtig festgestellt wurde, ist die erste harmonische Oberwelle (K2) klanglich eigentlich problemlos, sofern K2 im Rahmen bleibt, die ungeraden Unharmonischen (K3/K5/K7, etc.) beeinflussen das Klangbild deutlich negativer.

Wenn man die Messdiagramm von diversen Hochtönern anschaut, dann steigt hier häufig K2 bei voller Leistung (hoher Lautstärke) bis 3 % an - das scheint aber typisch für Kalottenhochtöner zu sein.

Rufus


[Beitrag von Rufus49 am 20. Jan 2018, 11:52 bearbeitet]
bugatti66
Stammgast
#10 erstellt: 20. Jan 2018, 11:50
Hier mal ein Subwoofer B&W PV1D: http://www.hometheat...ed/5749-b-w-pv1.html
Fast 100% Klirr bei H3 bei 22Hz bei 95 dB
Ich hör das nicht!

P.S.
alles über ca. 30% heißt, dass die Obertöne lauter als die Grundtöne sind. Also hört man die Grundtöne gar nicht?
Und deswegen kann man diesen Klirr auch nicht hören?
Mickey_Mouse
Inventar
#11 erstellt: 20. Jan 2018, 12:34

Rufus49 (Beitrag #9) schrieb:

offensichtlich ist die Legende falsch, dort ist K2 durchgezogen und K3 gestrichelt, im Diagram ist es anders herum.


Eigentlich ist K2 immer deutlich höher als K3 wie auch im oberen Diagramm ersichtlich, insofern ist das untere Diagramm missverständlich, da hier seltsamerweise K3 über K2 liegt.

deswegen wird hier ja auch von einem defekten Chassis/LS gesprochen!
die haben sich bei der Legende einfach vertan, ansonsten passen die Bilder nicht zum Text.
Mickey_Mouse
Inventar
#12 erstellt: 20. Jan 2018, 12:42

bugatti66 (Beitrag #10) schrieb:
Fast 100% Klirr bei H3 bei 22Hz bei 95 dB
Ich hör das nicht!
...
Und deswegen kann man diesen Klirr auch nicht hören?

du hörst ihn, aber da sind wir wieder bei dem "angenehmen" Klirr!

22Hz kannst du eh nicht hören, maximal "spüren". Wenn der Subwoofer aber 100% K2 (44Hz) "oben drauf gibt", dann ist das im sehr gut hörbaren Bereich und dickt dir den Bass "schön" auf.

gerade beim Bass lässt sich das Gehör/Gehirn leicht täuschen. Bei Audyssey gibt es eine LFC (Low Frequency Containmant) Funktion um die Nachbarn weniger (edit: eingefügt) zu stören.
da wird der Tiefbass (der durch die Mauern "dringt") raus gefiltert aber nicht einfach weggeworfen, sondern analysiert und Oberwellen (Klirr) davon wieder beigemischt. Die Oberwellen stören die Nachbarn weniger und das Gehirn denkt sich die Grundwelle dazu.


[Beitrag von Mickey_Mouse am 20. Jan 2018, 14:12 bearbeitet]
Big_Määääc
Inventar
#13 erstellt: 20. Jan 2018, 13:54
Residuum Hören

einfach 2 harmonierende Töne spielen lassen,
und das Gehirn denkt sich seinen Teil,
der garnicht da ist.

naja, Canabis und ähnliche Gifte machen ab bestimmten Dosen das gleiche im Kopf
ZeeeM
Inventar
#15 erstellt: 20. Jan 2018, 14:35
Stichwort Residualton
ehemals_Mwf
Inventar
#17 erstellt: 20. Jan 2018, 16:55
Hi,

nachdem nun schon viele Aspekte des Themas angesprochen wurden,
und auch klar wurde,
dass das Eingangsbeispiel in Berndt Starks Buch durch widersprüchliche /fehlerhafte Beschriftung und den Hinweis auf mechanische Defekte des Lautsprechers leider ungeeignet ist ... (*)

möchte ich zu den Basics noch ergänzen:

K2 - K4 - K6 - .... = die "Guten"
Ursache der Obertöne liegt in einem nicht-symmetrischen Verhalten / Kennlinie.
Positive und negative Halbwellen des Grundtons erfahren (leicht) unterschiedliche Verzerrungen.
Solche Unsymmetrien sind meist auch schon bei kleinen Auslenkungen /Pegeln gegeben (**).

K3 - K5 - K7 - .... = die angeblich "Bösen" ?
sie entstehen wenn positive und negative Halbwellen gleiche Verhältnisse vorfinden, sind also symmetrisch,
effektiv vor allem bei großer Aussteuerung, wenn positive und negative Halbwellen des Grundtons gleichermaßen ans Limit stossen.
Bei Lautsprechern sind das die Streckgrenzen von Zentrierung und Sicke, sowie Abnahme der Antriebskraft wenn die Schwingspule den Luftspalt verlässt,
bei symmetrisch aufgebauten Verstärkern das Erreichen der Versorgungspannungen (Clipping).

Gruss,
Michael


----------------------------
(*) = besser geeignet sind z.B. die Darstellungen des LS-Klirrs zeitweilig und gelegentlich in früheren Lautsprechertests von "stereoplay" (finde grad kein Beispiel)

(**) = können bei Lautsprechern aber auch bei größerer Auslenkung
in eng begrenzten Frequenzbereichen (etwas oberhalb fc)
durch Austreiben in eine instabile Offset-Position massiv werden
(klingt bei Sinus-Tests wie ein Zweitakt-Motor ) .


[Beitrag von ehemals_Mwf am 20. Jan 2018, 17:07 bearbeitet]
bugatti66
Stammgast
#18 erstellt: 20. Jan 2018, 21:00
Und dann kann man hier noch selber testen, wie gut man Klirr hören kann: http://www.klippel.de/listeningtest/lt/
Suche:
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