In 15 Jahren .

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Martin2
Inventar
#1 erstellt: 26. Sep 2010, 01:27
Mich würde mal interessieren, wo ihr glaubt, daß sich Euer Klassikgeschmack langfristig hin entwickeln wird. Kurzfristige Planungen gibt es viele, so werde ich mich mit ziemlicher Sicherheit in den nächsten Monaten mit den Streichquartetten Haydns doch noch einmal näher auseinandersetzen. Aber wie sieht es mit Euren Vorstellungen langfristig aus?

15 Jahre sind eine lange Zeit. Und natürlich ist es letztenendes gar nicht prognostizierbar, wie man sich als Klassikhörer entwickelt. So gesehen bleibt das alles höchst spekulativ.

Werde ich mich weiter entwickeln? Mit Sicherheit, aber ich weiß natürlich auch nicht, wohin, aber Spekulationen kann man natürlich trotzdem anstellen und sie machen ja auch Spaß.

Nun, relativ voraussehbar ist für mich, daß ich in 15 Jahren mit Sicherheit ein viel tieferes Verständnis der Wiener Klassik haben werde als heute. Insgesamt ist die Wiener Klassik ein Bereich, der in meiner jugendlichen Liebe für die Spätromantik viel zu sehr an den Rand gedrängt wurde - es ist offensichtlich, daß sich dies schon ändert und in Zukunft noch mehr ändern wird. Vielleicht finde ich in 15 Jahren sogar mal Zeit für Pleyel und solche Leute.

Natürlich werde ich in 15 Jahren auch Brahms Kammermusik viel besser kennen. Trotzdem glaube ich, daß ich mich im Bereich der Romantik in 15 Jahren am wenigsten weiter entwickelt haben werde.

Dagegen in der gesamten moderneren Musik werde ich in 15 Jahren bestimmt viel mehr kennen als bisher, zum Beispiel mit dem Messiaen werde ich mich bis dahin sicher viel gründlicher auseinandergesetzt haben, aber überhaupt mir der gesamten Moderne, zum Beispiel auch den Hindemith.

In 15 Jahren werde ich auch über alte Musik viel mehr wissen als heute. Man ist halt geprägt durch Sozialisation - meine musikalische Sozialisation war der Konzertführer von Westermann, der einem vermittelte, daß die Geschichte der Musik mit Bach und Händel begann, aber diesem Vorurteil bin ich schon durch Purcell untreu geworden und ich denke bis dahin werde ich mich mit mancher alten Musik noch näher auseinander gesetzt haben.

Nun vielleicht komme ich in diesem Thread noch zu dem einen oder anderen. Vorläufig interessiert es mich nur, wo ihr Euch innerhalb einer sehr langen Zeitstrecke in 15 Jahren seht.

Gruß Martin


[Beitrag von Martin2 am 26. Sep 2010, 01:28 bearbeitet]
Kreisler_jun.
Inventar
#2 erstellt: 26. Sep 2010, 11:08
Solche Spekulationen nehme ich nicht vor. Ich kann aber mal überlegen, was in den letzten 15 Jahren sich beim Musikhören getan hat.

1995 hörte ich seit ca. 8 Jahren Klassik und hatte einen sehr starken Schwerpunkt bei Mozart, Beethoven, Schubert, Brahms, dann Bruckner, Mahler, Bach, ein wenig Wagner. Ich hatte keine Gesamtaufnahme der Beethovenschen Klaviersonaten (aber fast alle wohl schonmal gehört und die bekanntesten auf CD). Was habe ich seitdem alles "entdeckt"?
(Es ist nicht gemeint, dass alles vorher total unbekannt war, teils aber nur Einzelwerke, oder nur sehr flüchtig)

Bachs Klaviermusik und Kammermusik
Haydns Sinfonien, später die Streichquartette, Sonaten und Trios
Händel
Chopin
Schumann
Debussy
Vieles in der barocken und alten Musik, in den letzten Jahren zunehmend.
Vieles in der Musik des 20. Jhds., wovon ich vorher nur wenige der bekannten Stücke von Bartok, Strawinsky, Schostakowitsch kannte.

Ich kann das alles nicht auflisten, vieles weiß man ja auch nicht mehr so genau. Aber es sind ja 2/3 meines "Klassikhörer-Lebens". Es wird ganz sicher nicht so weitergehen in den nächsten Jahren, allein weil das Standardrepertoire außer Oper (wovon ich aber die bekanntesten Werke auch einigermaßen kenne) ziemlich abgegrast ist, und auch schon ziemlich viel von dem mich interessierenden Nischenrepertoire. Ich werde sehr wahrscheinlich nicht beginnen, hyperions Romantische Klavierkonzerte jenseits der Handvoll in meinem Besitz zu sammeln und auch nicht Donizetti-Opern oer Flötenkonzerte des Rokoko.
Aber es gibt immer noch sehr viel Musik, die mir nur ziemlich oberflächlich bekannt ist (oder nur einzelne Werke): Verdi, Strauss, Mussorgsky, Schönberg, Prokofieff u.v.a. Weil, anders als als Teenager, man Musik schneller auf CD kaufen kann als man sie gründlich kennenlernen kann.
Ich glaube nicht, dass ich Schostakowitschs Quartette (obwohl ich alle schonmal gehört habe) jemals so gut kennen werde wie Beethovens. Aber ein wenig besser kennenlernen sollte ich sie schon.

viele Grüße

JK jr.
Schneewitchen
Inventar
#3 erstellt: 26. Sep 2010, 18:16
Ich hoffe,daß ich in 15 Jahren noch lebe (dann wäre ich 76 Jahre alt) und mein Gehör noch intakt ist.
Mein Klassikgeschmack läßt sich nicht voraussagen,weil ich nicht weiß,welche musikalischen Anregungen auf mich zukommen werden,die meinen Klassikgeschmack ändern könnten.
Zurückblickend meine ich sagen zu können,daß sich mein Klassikgeschmack kaum verändert hat.Was ich vor Jahrzehnten gerne gehört habe,höre ich immer noch gern.Jedes Jahr kommt was dazu,mein Horizont erweitert sich.Es tritt auch immer etwas in den Hintergrund,aber nicht für immer.
Das Gebiet der klassischen Musik ist so vielseitig,daß man es sich nicht einigen Monaten oder einigen Jahren aneignen kann.Es braucht seine Zeit und so gibt es in jedem neuen Jahrzehnt neue Gebiete,die einen interessieren.
Zum Beispiel hat mich in jungen Jahren Bachs Matthäuspassion nicht interessiert,eher gelangweilt.Heute ist das anders.
Die klassische Musik von heute interessiert mich zunehmend,denn ich muß sie jetzt hören.Wenn sie in 50 Jahren einen größeren Bekanntheitsgrad erlangt hat,dürfte es für mich zu spät sein.(Mahlers Sinfonien brauchten auch 50 Jahre,ehe sie einem größeren Publikum bekannt wurden.)
Martin2
Inventar
#4 erstellt: 26. Sep 2010, 22:32
Ich kann mir auch vorstellen, daß sich meine Hörgewohnheiten in Zukunft auch noch mal verändern werden. Meine Lesegewohnheiten ändern sich auch. Etwa bei Gedichten glaube ich nicht, daß es etwas bringt, sich durch einen dicken Wälzer nach dem anderen durchzulesen. Gerade bei Walt Whitman mache ich die Erfahrung, daß es sich lohnt, gewisse Dinge wieder und immer wieder zu lesen. Im moment stecke ich noch tief in den Widmungen fest und lese gewisse Sachen immer wieder. Auch Rilkes Dueniser Elegien möchte ich mir noch mal vorknöpfen.

Ich könnte mir vorstellen, daß nach einer nun jahrelangen Phase der "Bewußtseinserweiterung" - und die dauert bei mir nun schon sehr lange - in Zukunft mal eine wirklich längere Phase der Vertiefung kommen wird. Ich könnte mir vorstellen - nur planen kann man das eben nicht - daß ich mich eigentlich über Jahre Dingen widmen könnte, die ich einfach noch tiefer kennen lernen möchte. Und da gibt es so einiges, wie meinetwegen die Streichquartette Beethovens.

In dieser Hinsicht könnte auch das Hififorum für mich an Interesse verlieren. Es war mir sehr wertvoll bei der Erweiterung meiner Sammlung in den letzten Jahren.

Ich denke, Menschen, die in ihrem Leben nichts verpassen wollen, verpassen dann in Wahrheit doch sehr viel. Die Konzentration auf das Wesentliche ist es, was mich in letzter Zeit ein bißchen umtreibt. Ich denke man muß damit leben, daß es im Leben auch manches gibt, was man verpassen wird.

Was ich anderseits auch schön finde, ist das Gefühl, für jeden Unsinn Zeit zu haben. Ich denke wenn man sich von diesem Gefühl vollständig verabschiedet und sich wirklich nur noch auf das Wesentliche konzentrieren will, auch wenn es vielleicht das ist, was man im Verlaufe einer langen Sozialisation als das "wirklich wesentliche" erkannt hat - dann ist man denke ich wirklich alt. Und so alt möchte ich gar nicht werden.

Insofern möchte ich mir die Sponanität erhalten, aber die Kozentration auf das wesentliche wird in den nächsten Jahren zunehmen. Sofern man dann überhaupt so alt wird, aber das weiß man nie.

Ich glaube allerdings wirklich, daß der Drive der letzten Jahre, neue Werke kennen zu lernen und sich zu erschließen, in den nächsten Jahren sicher abnehmen wird und ich bin gar nicht sicher, daß ich in 15 Jahren wirklich soviel mehr kennen werde. Aber dafür manches sicher gründlicher.

Gruß Martin
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