Raumakustik Erstausbau

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SC_EVO8
Neuling
#1 erstellt: 02. Jan 2020, 23:00
Moin Hifi Gemeinde,

bisher war ich nur fleißiger Mitleser und jetzt melde ich mich auch mal selbst zu Wort.

Ich habe mich im letzten Jahr versucht mich so gut es irgend geht in das Thema Raumakustik einzulesen. Jetzt habe ich mir einen Plan erstellt, was ich in meinem Musikzimmer verändern will und will mal hier um Rat fragen, was Ihr so davon denkt. Hier erstmal die Ausgangssituation:

Skizze Hörraum leer

Im Zimmer spielt ein Paar IQ Level 5 an einem Marantz SR5011. Das Zimmer hat nicht die größten Dimensionen und bei der Hörposition bin ich leider nicht flexibel. Da kann nichts geändert werden.
Mit REW und einem kalibrierten Messmikrofon habe ich auch schon ein paar Messungen gemacht. Hier einmal ein Wasserfalldiagramm, natürlich am Hörplatz gemessen:

Wasserfall leer

Mir fällt auf: Im Bassbereich der Frequenzgang wie erwartet sehr sehr holprig und die Nachhallzeit könnte besser sein. In einer anderen Spalte von REW bewegt sich der Graph RT30 um die 450ms. Verbesserungswürdig würde ich mit meinem Halbwissen mal behaupten:

Nachhallzeit leer

Was mir besonders zu denken gibt, ist die Impulsantwort:

Impulsantwort leer

So wie ich gelesen habe, sollte nach dem ersten Peak 20dB lang besser gar nichts sein. Der Raum ist voll mit Reflexionen.


Mein Plan ist nun, vor allem die Erstreflexionen loszuwerden, sodass die Impulsantwort besser ist sowie die Nachhallzeit deutlich geringer wird. Im Optimalfall bekommt man auch den Bassbereich glatter hin, aber das ist mit Absorbern ja schwierig zu bewerkstelligen. Meine Lösung: Basotect. Dürfte niemanden überraschen. Hab im Sommer günstig auf einer allseits bekannten Kleinanzeigenseite welches geschossen. Natürlich direkt im Raum an den kritischen Stellen absolut wohnzimmeruntauglich verteilt, mal zum Probehören und Messen. Erster Höreindruck: Ein Wahnsinn! Als ob man von VHS zu 4K wechselt. Hier ein paar Messergebnisse:

Wasserfall voll

Nachhallzeit voll

Nachhallzeit ist natürlich deutlich geringer, so um 300ms. Im Frequenzgang tut sich nicht viel, war aber mit 12cm Basotectplatten im Raum verteilt auch nicht zu erwarten. Auch ein extremer Unterschied bei der Impulsantwort:

Impulsantwort voll

Deutlich besser als vorher. Ein größerer Peak ist noch drin. Das ist dann wohl die Reflexion von der Decke.

Wie das Zimmer aussah kann sich jeder bildlich vorstellen, wenn man ringsum im Raum nackten Schaumstoff hinstellt. Als nächstes muss demnach eine optisch ansehnliche Lösung her. Dabei habe ich zum Glück einigermaßen freie Hand, da der Raum anderweitig nicht genutzt wird. Es ist allerdings kein reines Musikzimmer, sondern gleichzeitig ein Heimkino. Also Leinwand in der Mitte zwischen den Boxen und kleine Lautsprecher als Surround sowie einen Centerlautsprecher. Wirklich kleine Lautsprecher meine ich, so Bose Brüllwürfel (Bis auf den Center, aus der C80 Serie von Jamo). Der Fokus liegt aber ganz klar auf der Stereowiedergabe. Ich will kein Heimkino bauen.

Meine Idee sieht wie folgt aus:

Skizze Hörraum voll

Direkt hinter den Hörplatz kommen 12cm Basotect. Unter die Decke soll ein Deckensegel aus zwei Modulen je 150cm x 110cm x 12cm in nochmals 12cm Abstand von der Decke, auch aus Basotect.

Absorber 2 hinter den Boxen ist wie ich es mir ausgedacht habe ein wenig komplizierter. 37cm tief, da bekommt man auch gut was an Bass absorbiert. Ich habe ein wenig mit der Seite Acoustic Modeling rumgespielt. Wer diese Seite nicht kennt: Dort kann man die Wirksamkeit von Absorbern simulieren. Dabei können auch mehrschichtige Absorber aus vielen verschiedenen Materialien mit frei wählbaren physikalischen Eigenschaften, wie zum Beispiel dem längenbezogenen Strömungswiderstand, simuliert werden. Nach ausprobieren kam ich auf folgende Konstruktion:

Absorber 2

Er besteht aus vier Schichten. An der Wand ist erstmal eine Schicht Luft. Dort lohnt es sich nicht Absorbermaterial einzubringen. Danach kommen 295mm leichte Steinwolle mit einem Strömungswiderstand von 5000 Pas/m^2. Um den Wirkungsbereich bei sehr tiefen Frequenzen ein wenig zu verbessern, sind 15mm Basotect davor. Hinter der akustisch transparenten Leinwand befindet sich eine gelochte Platte, um die Absorbtion hoher Frequenzen zu verhindern. Ich will den Raum nicht überdämpfen. An den Seiten der gesamten Konstruktion fehlt die gelochte Platte, da dort die ersten Reflexionen der Lautsprecher liegen und ich diese komplett absorbieren will. Hier nochmal meine genauen Einstellungen der Simulation sowie die Auswertung:

Absorber 2 Daten

Absorber 2 Grafik

Die blaue Linie ist der Absorber ohne die 15mm Basotect, die grüne Linie mit dem Basotect. Wie man sehen kann, ist der Wirkungsbereich bis 55Hz auf Kosten der Absorption zwischen 55Hz und 800Hz minimal besser. Am problematischsten sind meistens sowieso die tiefsten Frequenzen, weswegen ich diesen Kompromiss gerne eingehe.

So, damit enden für's erste meine Überlegungen. Wie bereits beschrieben habe ich mich im Laufe des letzten Jahres mit der Einstellung "Ganz oder gar nicht" in dieses Thema eingelesen und würde gerne wissen, ob sich der Aufwand gelohnt hat und ich ein passables Konzept auf die Beine gestellt habe, oder ob ich mich richtig bös' vertue und ich das so auf keinen Fall machen kann. Was sind so eure Meinungen? Kann das funktionieren? Was kann ich verbessern?
Ich bin für Ideen und jede konstruktive Kritik dankbar. Falls Fragen aufkommen, probiere ich natürlich alles mit bestem Wissen und Gewissen zu beantworten
Sathim
Inventar
#2 erstellt: 03. Jan 2020, 11:59
Lesen und Verstehen - Note 1.

Was du tust und dir überlegt hast, hat Hand und Fuß.

Was noch fehlt, ist eine ordentliche Darstellung des Wasserfall Bereichs im relevanten Bereich.
Also bis maximal 300 oder 500 Herz, im folgenden Link ist gut beschrieben wie das einzustellen ist.

https://recording.de/threads/rew-workshop.147164/

Der große Bass Absorber hinter den Lautsprechern kann ja Stück für Stück aufgebaut werden.
Also erstmal Steinwolle, dann Basotect drauf, zwischendurch natürlich immer messen.
Statt der Lochplatte kannst du auch einfach ein Grundgerüst bauen und da Latten aufschrauben.
Die Breite der verbleibenden Schlitze orientiert sich an der Wellenlänge des zu reflektierenden oder absorbierenden Schalls. dazu kannst du auch mal im recording Forum schauen, da treiben sich etliche Profis rum.
SC_EVO8
Neuling
#3 erstellt: 03. Jan 2020, 15:27
Hallo Sathim,

vielen Dank für die nette Antwort
Es freut einen immer zu hören, dass die Arbeit, die man sich gemacht hat, es wohl wert war. Hier nochmal die beiden Wasserfalldiagramme bis je 500Hz:

ohne Basotect
Wasserfall relevant leer

mit Basotect
Wasserfall relevant voll

Schrecklich gravierend ist erstmal finde ich nichts. Also einen Helmholtzresonator werde ich mir wohl sparen können. Aber mehr Aussagen lassen sich sowieso erst treffen, wenn mein Bauvorhaben umgesetzt ist und neue Messungen vorliegen. Ich plane sowieso den Einsatz eines DSPs mit Dirac. Der wird weitere kleinere Ungereimtheiten auch noch ausbügeln.

Der Tipp mit den Latten in bestimmten Abständen ist super! Das ist baulich natürlich leichter umzusetzen. Auch diese Bauweise kann man simulieren lassen. Ich werde auf jeden Fall mal im Recording Unterforum vorbeischauen.

Wann ich mit dem ganzen anfangen kann wird sich zeigen. Die Klausurenphase kommt und da ist Zeit für sonstiges nur spärlich gesät. Aber ich freue mich schon drauf und werde natürlich hier ausführlich berichten; mit Messungen sowie Fotos und Dokumentation vom Heimwerken


[Beitrag von SC_EVO8 am 03. Jan 2020, 21:34 bearbeitet]
BassTrap
Inventar
#4 erstellt: 03. Jan 2020, 17:13

SC_EVO8 (Beitrag #3) schrieb:
Hier nochmal die beiden Wasserfalldiagramme bis je 500Hz:

Das ist beidemale derselbe.
Sathim
Inventar
#5 erstellt: 03. Jan 2020, 17:24
Die Wasserfälle sehen fast schon zu gut aus um wahr zu sein

Skalier mal so, dass vom Peak um 85Hz nach unten 60dB sind.
Dann ist es aussagekräftiger, als wenn man die tiefste Raummode
als Referenzpegel annimmt.

Ist das viel Trockenbau im Raum?
SC_EVO8
Neuling
#6 erstellt: 03. Jan 2020, 22:59

BassTrap (Beitrag #4) schrieb:

SC_EVO8 (Beitrag #3) schrieb:
Hier nochmal die beiden Wasserfalldiagramme bis je 500Hz:

Das ist beidemale derselbe.


Recht hast du. Hab's korrigiert.


Sathim (Beitrag #5) schrieb:
Die Wasserfälle sehen fast schon zu gut aus um wahr zu sein

Skalier mal so, dass vom Peak um 85Hz nach unten 60dB sind.
Dann ist es aussagekräftiger, als wenn man die tiefste Raummode
als Referenzpegel annimmt.



Wie gewünscht neu skaliert wieder ohne Basotect
Wasserfall relevant leer neu

und mit Basotect:
Wasserfall relevant voll neu

Kann man da irgendwelche neuen Erkenntnisse draus ziehen? Man sieht nochmal, dass die Nachhallzeit unter 100Hz deutlich länger ist als bei höheren Frequenzen. Ist wahrscheinlich normal in den meisten Räumen. Könnte das auch an langem Ausschwingen der Basschassis liegen? Wäre denke ich eine Möglichkeit, nur kommt mir da über 500ms doch zu lange vor.


Sathim (Beitrag #5) schrieb:

Ist das viel Trockenbau im Raum?


Das Haus ist ein massiv gemauerter Altbau mit 280cm Deckenhöhe. Die Decke ist sogar noch ein gutes Stück abgehängt und wird sicher mitschwingen; die Wände aber nicht. Falls du das meintest
Sathim
Inventar
#7 erstellt: 04. Jan 2020, 21:34

. Könnte das auch an langem Ausschwingen der Basschassis liegen? Wäre denke ich eine Möglichkeit, nur kommt mir da über 500ms doch zu lange vor.


Das Ausschwingen der Chassis wird im μ-Sekunden Bereich gemessen, was du hier siehst sind nur Raum-Einflüsse.
Das Wasserfall-Diagramm sieht für einen im Bassbereich nicht weiter behandelten Raum sogar ziemlich gut aus.
Das wird an der abgehenden Decke liegen, Gipskarton frisst ganz gut um 100 herz und etwas darüber.

Ansonsten sieht man schön, dass das Basotect tatsächlich bis etwa 300 Herz runter wirkt
flexiJazzfan
Inventar
#8 erstellt: 04. Jan 2020, 22:06
Ganz verstehen kann ich die Priorität der Anstrengungen nicht. Normal sind Reflexionen in einiger Entfernung hinter den Lautsprechern nicht unangenehm, sondern erzeugen einen Eindruck von Räumlichkeit und Hall. Unangenehm sind allerdings die Bassreflexionen an der Wand hinter der Hörposition und die hohen Basspegel im Wandbereich, die bei jeder Bewegung nach vorne schon eine stark hörbare Änderung der Musikcharakteristik erzeugen. Die Wand hinter der Hörposition "bassweich" zu machen ist da sicher eine Herausforderung.

Für die Höhen reichen am Hörplatz wahrscheinlich reine Diffusoren. Die "Beruhigung" des ansonsten "harten" Raums mit Basotec scheint ja erfolgreich zu sein- das schärft den Mittenbereich. Hervorragend sind auch Bücher- und Schallplattenregale - falls man so was besitzt, wäre der Einbau in den Musikraum sehr wirksam.

Gruß Rainer
Sathim
Inventar
#9 erstellt: 07. Jan 2020, 13:07

Hervorragend sind auch Bücher- und Schallplattenregale - falls man so was besitzt, wäre der Einbau in den Musikraum sehr wirksam.

Gruß Rainer


Nicht falsch, aber deren Wirkung sollte man nicht überbewerten.
Der Effekt ist nicht mit dem eines richtigen Diffusors vergleichbar.

Mit Absorption / Diffusion kann man experimentieren.


Das ETC-Diagramm solltest doch nochmal bis -30 skalieren, da die Reflexionen
schon unter 20dB kommen sollten, das sieht aktuell etwas "beschönigt" aus.

Vielleicht findest du auch hier ein paar Anregungen:
(mein aktuelles Musikzimmer...)
http://www.hifi-foru...5389&back=&sort=&z=1
Suche:
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