Marantz PM7200 - eine Röhrenalternative?

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hifijan
Ist häufiger hier
#1 erstellt: 18. Sep 2012, 16:07
Hallöchen an alle,

da ich hier im Forum schon so viele gute Tipps gefunden habe - nun mal ein zusammengefasster Erfahrungsbericht von meiner eigenen Verstärkersuche.
Seit einigen Jahren bin ich zufriedener Besitzer zweier universell für alle Genres geeigneter Quadral Platinum Ultra 9 Standlautsprecher. Die hervorragendste Eigenschaft dieser etwas klobigen, dafür herrlich relaxt klingenden und verstärkerfreundlichen 3-Wege-Doppelbass-Konstruktion ist ihre faszinierende "Durchlässigkeit". Da ich selbst beruflich diverse Lautsprecher vorführe, hab ich durchaus Erfahrung, welche Boxen sich willig und neutral von der Elektronik an die Hand nehmen lassen. Die nicht mehr gebaute Ultra 9 gehört(e) auf jeden Fall zu dieser begehrenswerten Spezies. Und dies bereits mit mittelkräftigen Röhren-Amps. Und so begann mein "Problem"

Meine altbewährte Kombi aus NAD114-Vorstufe und Rotel-RB981 klang wie gewohnt druckvoll, räumlich tief in der Abbildung und in sich stimmig. Nur der Bass trug einfach zu dick auf für meinen Raum. (35 qm-WoZi, zu zwei Drittel durch Mauer zweigeteilt in 25- und 10 qm-Bereich): Ich bekam die Raummoden, also das leichte Wummern nicht in den Griff. Also sollte ein neuer, seine Energie im Klangspektrum etwas anders verteilender Amp her. Getestet habe ich nach und nach diverse Verstärker wie z.B.

Harman Kardon HK 610
Harman Kardon HK 680
Harman Kardon HK 980
Luxman A-373
Marantz PM 17
Marantz PM 8003
Vincent SA 31 Röhren-Hybrid-Vorstufe
NAD C 315
NAD 114 Vorstufe
NAD 214 Endstufe
Rotel RB-981 Endstufe
Rotel-Schaltverstärker-Endstufe RB...?
Telefunken TR500 Receiver 1982
Selbst-Tuning-Röhre(n)-Amps von einem Elektroniker aus meiner Region
Magnat RV-1 Röhre
Cayin Lyrics A50 Röhre
Große "Destiny"-China-Röhre, umschaltbarer Trioden-/Pentoden-Betrieb
Twinsound CST-100 mit Svetlana-Röhren
u.a.


Als Quellen dienten:
Marantz CD 5003
Sony MDS-JA20 ES
Thorens TD2001


Musik:
Querbeet von Klassik über Jazz, Oldies, Weltmusik, Pop, Rock - div. Test-CDs etc.



Alle diese Verstärker/-Kombis zu beschreiben würde den Rahmen hier sprengen, darum in Kürze:

Neben der irren, fast schon unrealistischen Tiefenstaffelung und traumhaften Verarbeitung eines Magnat RV-1, hatte es mir der rockige Twinsound CST-100 (wird zwischenzeitig auch nicht mehr gebaut - Schade!) am meisten angetan:
Mit rotzfrechem Röhrencharme, großen Stimmen und knorrigen Instrumenten voll im Saft incl. einem für seine Gattung durchaus noch ordentlich kontrollierten Bass war und ist er für mich die Nr. 1 an der Ultra 9 in meinem Raum. Allerdings bin ich halt der "Immer-Wieder-Mal-Zwischendurch"-Einschalter und -Hörer: Eine eher auf Langzeitbetrieb ausgelegte Röhre hätte sehr bald auf Austausch der Glühkolben gepocht - und eine Fernbedienung kam bei diesem Modell auch erst später.

So wurde es nach vielem Suchen und Testen ein wenig gebrauchter PM 7200.
Der Saurier aus der stromfressenden Class-A-Zeit der Japaner wirkt im Vergleich zu vielen modernen Amps tatsächlich wie ein lebendes 90er-Jahre-Fossil:
Kantig (wie die Quadral ), groß und in jeder Hinsicht verdammt "heiß" im Betrieb. Doch der Druck auf den kleinen Wählknopf von Class-AB nach A lohnt sich. Stimmen und Instrumente erhalten so den "Schlagobers" an Schmelz, alles rückt noch etwas näher und plastischer an den geneigten Hörer heran und ja - es stellt sich bereits gewisses Röhren-Feeling ein.
Es klingt so, als würde der alte Marantz die (Ober-)Töne einfach länger halten - in Verbindung mit den typisch schnellen, eher auf den ersten Tonansatz anspringenden modernen Quadrals mit leichten Alu-Chassis eine für realistisch kräftige Klangfarben hervorragende Ergänzung.

Ich kenne bis dato keinen Verstärker im bezahlbaren Transistor-Bereich (Vincent z.B. war mir klanglich zu "fett" in Relation zur Gesamtemotion der Darstellung), welcher auch nur annähernd Rock-, Klassik- oder Jazz-Stimmen eine derartige "Im-Hörraum"-Präsenz ohne Kratzbürstigkeit gewährt. Es gibt viele Verstärker, die eine rythmischere, pointiertere, vielleicht noch tiefere Basswiedergabe beherrschen - der 7200 wirkt im Tiefton-Keller durchaus machtvoll und differenziert, aber eher warm-voluminös anbrandend statt mit aller Kraft auf einen schmalen Punkt konzentriert - also offensichtlich optimal für meinen eh schon dröhngefährdeten Raum: Bass macht wieder Spaß - die 2 x 25 Sinus-an-8-Ohm-Watt reichen an der Ultra 9 locker für fetzige, aber nie nervende Lautstärken - eine tägliche Versuchung gegenüber meinem Nachbarn... !

Die virtuelle Bühne wird gerade bei leisen Lautstärken von anderen Verstärkern zuweilen noch tiefer in den Raum hinein geöffnet (Magnat RV-1!) bzw. die Interpreten auf ihr noch besser voneinander isoliert (z.B. NAD 114/214-Kombi), also präziser ortbar dargestellt, was ein anerkennendes "Nicht-Schlecht!" beim Hörer bewirkt. Doch spätestens nach dem Umstöpseln macht sich bei mir wieder ein seeliges Grinsen breit ob der im Wohnzimmer quasi spürbaren Präsenz von großen Sängern und Instrumenten. Selbst ausserhalb der Hörachse und im akustisch benachteiligten 10 qm-Essbereich kommt ein kraftvolles Live-Feeling zum tragen, was ich sonst nur von Röhren/Hornlautsprecher-Anlagen kenne.
Dazu trägt auch die "Schwärze" der Informationen zwischen den Interpreten bei: Nie hat man den Eindruck, dass die Musik im "luftleeren", virtuellen Raum stattfindet. Die Beschaffenheit der Aufnahmesituation wird stets mitgeliefert, sie füllt den Hörraum dort, wo eine Vielzahl von Amps den Hörer in einer Art Vakuum zurück lassen, das Geschehen zwar oft ausladender in die Raumtiefe verteilend, aber doch irgendwie unverbindlich und lose. Der Marantz spielt die genau entgegengesetzte Rolle: "Hier bin ich und rücke die Band in vollem Saft vor Deine Couch: Wenn Du von der Bühne weg willst, geh bitte nach hinten."

Allerdings gilt zu beachten:
Das funktioniert beileibe nicht mit jedem Lautsprecher und in jedem Raum!
Meine hervorragend dreidimensionalen Canton Chrono SL 530 Kompaktboxen (hierin noch besser als die große Quadral!) waren genausowenig wie meine alten IQs dazu zu bringen in einem kleinen Zimmer ähnlich Überzeugendes auf die Bühne zu stellen. Da taten sich mein alter Telefunken TR500 und noch viel mehr der jetzt regierende Marantz SR5005 AV-Receiver wesentlich leichter in meinem Büro.

Die Platinum Ultra 9 ist halt eine elektrisch anspruchslose, auch mit Röhren wunderbar harmonierende Gesellin, die selbst mit kleinen Amps (z.B. alter Harman HK 610, jüngerer NAD C315) schon groß aufspielt.
Doch sie kann auch richtig laut und deftig, wenn sie der Verstärker entsprechend führt und füttert.
Wie immer kommt es auf eine ausgewogene Mischung an, selbst wenn man manchmal viele Monate nach ihr suchen muß...


Fazit:

Der "alte" PM-7200 ist wahrlich kein Alleskönner, aber manches - für mich zum musikalischen Genuss Wesentliches - macht er emotional einfach "richtiger", livehaftiger als viele, viele andere z.T. deutlich teurere Amps.
Zur reinen TV-Stereo-Verstärkung wäre eine moderner Marantz-Nachfolger aber beispielsweise besser geeignet: Diese klingen auch bei leisen Lautstärken schön räumlich.
Tja, ein bezahlbarer Verstärker bedingt nun mal Kompromisse - wer solche ungern bei Klangwärme und -fülle machen möchte und seine Anlage auch mal richtig ausfahren darf, liegt mit diesem Oldie goldrichtig.


Soweit meine Erfahrung für die akustischen "Warmduscher" unter uns - solchen also wie ich, die auch bar jeder analytischen Kühle Gänsehaut beim Musikhören bekommen...

Ciao,
Alex


P.S.: Hat jemand unter Euch Erfahrungen, wie sich die KI-Version klanglich vom normalen PM-7200 unterscheidet? (PM8003 z.B. hatte durchaus noch etwas mehr an filigraner Höhenauflösung und Glanz als der ungetunte PM7003)
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