Zur Publikumspresse

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AH.
Inventar
#1 erstellt: 13. Jan 2015, 16:36
Hallo,

hier noch ein ca. 15 Jahre alter Artikel von mir, der die Zustände in der damaligen Audiopresse nach meiner Ansicht zutreffend beschrieb. Wie es heute ist, weiß ich nicht, ich bitte mir meinen damals etwas unhöflichen Tonfall nachzusehen, ich war eben 15 Jahre jünger. Vielleicht kann ja jemand darüber berichten, ob es in der Publikumspresse immer noch den "CD-Spieler-Klang", den "Verstärker-Klang", den "Kabelklang", den "Rack-Klang" oder dergleichen Voodoo-Zauber gibt (vorausgesetzt, die Geräte sind sauber ausentwickelt, sind die Unterschiede kaum oder nicht hörbar). Gab es inzwischen Aufklärung über die Hörbarkeit diskreter Reflexionen, den Hallradius, die Betriebsschallpegelkurve - was alles sehr klangentscheident ist?

LACHPRESSE, das zentrale Problem des Marktes (Autor: AH)

Meinen Anmerkungen möchte ich ein Zitat von U. Horbach, Entwickler bei Studer als Vorwort voranstellen:

„Wir besitzen, besonders in Deutschland, eine schlimme Boulevardpresse, die für die Musik- und Geräteindustrie schreibt, nicht jedoch im Sinne des Endkunden. Fehlentwicklungen wie SACD oder Audio DVD werden nicht aufgedeckt. Der Kunde muss lesen wie viel besser es mit 192kHz klingt. Man weckt ein Kaufbedürfnis, verarscht ihn, obwohl man genau weiss, dass man im Blindtest selbst nichts hören würde. Über den Eigenklang von Kabeln wird blühender Unsinn verbreitet.“


da ich die Fachpresse für ein zentrales Problem an vielen Mißständen in diesem Markt halte, scheue ich vor Kritik nicht zurück.
Ich sehe folgende wesentliche Probleme, die die Fachpresse kennzeichnen:

1. "Fachsprache": Das zur Beschreibung in Hörtests gewonnener (?) subjektiver Parameter gewählte Jubelvokabular ist i.d.R. zu
diesem Zwecke völlig unbrauchbar und absolut nichtssagend (luftig, schlüssig, emotional, hochauflösend, kräftig, stämmig,
filigran etc.), es wird zudem eine unselige Vermischung zwischen Wiedergabequalität und musikalischer Emotion suggeriert.
Begriffe wie "Räumlichkeit" unterliegen zusätzlich in ihrer Verwendung einer völligen Beliebigkeit (häufig die immergleiche
Ausrede bei Zubehör-Voodo: "Der Klang wird räumlicher"), man kann dies an vielen umnachteten Hifiisten beobachten, denen
beispielsweise der Unterschied zwischen "Räumlichkeit" und "Ortbarkeit" überhaupt nicht klar zu sein scheint (vgl. auch 4).

2. Darstellung des Testvorganges: Zu einem seriösen Hörtest gehört die exakte Beschreibung des Testvorganges (Akustische
Eigenschaften des Abhörraumes, Anordnung von LS und Bezugsabhörplatz, Zahl der Testhörer, statistische Auswertung etc.).
Dies findet in der Fachpresse nicht statt, man erlangt den (wohl berechtigten) Eindruck, daß der Fachpressehörtest nicht den
Mindestanforderungen an einen (reproduzierbaren) wissenschaftlichen Hörtest genügt. Äußerungen wie: " Man wird Redakteure
finden, mit denen man gut übereinstimmt und solche, wo dies nicht der Fall ist" bestätigen dies eindeutig. Eine Testprozedur, bei
welcher der Redakteur mitgetestet wird, scheint unüblich. Unter dem Deckmäntelchen des Subjektivismus ist dann dem Betrug
am Leser Tür und Tor geöffnet. Sehr teure Produkte mit häufig minderen Eigenschaften landen so auf Spitzenplätzen der
Testliste.

3. Meßwertdarstellung: Bei z.B. LS darf der Leser eigentlich eine genauere Information auch über folgende Daten erwarten:
Phasenfrequenzgang (resp. Gruppenlaufzeit), Klirrfaktor und Bündelungsmaß. Die übliche Darstellung von
Freifeldübertragungskurve, Zerfallspektrum und Sprungantwort (nicht einmal die sind immer vollständig) ist zur
Charakterisierung eines LS unzureichend. Zudem ist die Darstellung häufig unleserlich klein oder die Achsbeschriftung fehlt,
meist fehlt auch die allerwichtigste aller Angaben zu Meßdaten: WIE wurde gemessen?

4. Unzureichende Aufklärung über die Bedeutung der akustischen Eigenschaften des Wiedergaberaumes und der
Wechselwirkung Abhöreinrichtung-Raum auf die Qualität der Wiedergabe. Diese Parameter sind bekanntermaßen zentral in
Bezug auf Klangfarbenneutralität, Ortbarkeit und Raumdarstellung. Fachpresseleser jedoch kennen gewöhnlich nichtmal den
Unterschied zwischen direktem und diffusem Schallfeld (und die von ihnen im Heim realisierte Betriebsschallpegelkurve kennen
sie wohl auch nicht, aber was der Hifideliker nicht weiß........)


5. Bereitwilliges Aufgreifen und Hochjubeln von Zubehör-Voodoo und "Tuning-Tips" jeglicher Art unter Verwendung der unter
1. beschriebenen "Fachsprache" ohne Vorlage verifizierbarer Beweise. Neben den lachhaften subjektivistischen
Kombinatorikempfehlungen (Der CD-Spieler BLAH spielt so schlüssig mit mit Verstärker BLUB zusammen, so musikalisch....)
eine echte Bereicherung für die "Kompetenz" der Fachpresse (.....aber erst mit dem SCHWAFEL-Kabel in perfekter Harmonie
und wenn man es dann noch auf das BLÖD-Rack stellt, beobachten wir eine nicht gekannte Ruhe im Klangbild, die höchste
Emotionen weckt......). Daher rührt vermutlich auch die bei Haiendern häufig anzutreffende maßlose Überschätzung des eigenen
Gehörs bei der Beurteilung von Gerätschaften. Diese Fixierung der Leser auf den „winzigen, aber absolut klangentscheidenden“ Unterschied zahlt sich an der Kasse des „Premium-Partners“ in barer Münze aus: Nicht vorhandene oder extrem geringe Klangunterschiede werden in einer demonstrativen Weise in Hörtestbeschreibungen als bedeutend herausgestellt. Dies führt beim Leser zu einer übersteigerten Erwartungshaltung, welche dann wiederum zur Folge hat, daß dieser wirklich Unterschiede zwischen diversen Produkten, die keine oder nur vernachlässigbar geringe Auswirkungen auf den „Klang“ haben, wahrnimmt.

Bleibt also als Fazit: Völlig wertlose und irreführende Hörtests, unzureichende Meßwertdarstellung, unzureichende Aufklärung
über die klangrelevanten Parameter, stattdessen Verbreitung von Voodoo-Wundergläubigkeit und Desinformation. Meiner
Meinung nach muß man jeden unbefangenen Hifi-Einsteiger nur DRINGEND vor der Lachpresse WARNEN.


Liebe Grüße

Andreas
thewas
Hat sich gelöscht
#2 erstellt: 13. Jan 2015, 19:34

AH. (Beitrag #1) schrieb:
Vielleicht kann ja jemand darüber berichten, ob es in der Publikumspresse immer noch den "CD-Spieler-Klang", den "Verstärker-Klang", den "Kabelklang", den "Rack-Klang" oder dergleichen Voodoo-Zauber gibt (vorausgesetzt, die Geräte sind sauber ausentwickelt, sind die Unterschiede kaum oder nicht hörbar). Gab es inzwischen Aufklärung über die Hörbarkeit diskreter Reflexionen, den Hallradius, die Betriebsschallpegelkurve - was alles sehr klangentscheident ist?


Hallo Andreas,

drei Mal darfst du raten


Geschützter Hinweis (zum Lesen markieren):

Natürlich hat sich nichts geändert, der klassische Hifi/"Haient" Markt wird immer kleiner und skurriler und somit auch die parallel sterbende Flachpresse die immer mehr Unsinn über ihre Werbekunden schwurbeln muss, ein Teufelskreis...


Hier gibt es mehr aktuelle Kommentare dazu http://www.hifi-foru...6146&back=&sort=&z=1

Schöne Grüße,
Theo


[Beitrag von thewas am 13. Jan 2015, 19:34 bearbeitet]
Dadof3
Moderator
#3 erstellt: 14. Jan 2015, 01:43
Wieso unhöflich? Das ist eine objektive Tatsachendarstellung.

Soulbasta
Hat sich gelöscht
#4 erstellt: 14. Jan 2015, 03:28
dieser text ist aktueller den je.
immerhin macht die STEREOPLAY jetzt eine reihe zur raumakustik und aufstellung. in dem ersten teil stand sogar, dass es viel mehr bringt als teure kabeln.
Pigpreast
Inventar
#5 erstellt: 14. Jan 2015, 12:46
Verirrt sich eigentlich ab und zu einmal ein HiFi-Postillen-Schreiberling ins HiFi-Forum? Die Kritik an den Zeitschriften ist ja bekannt und taucht auch immer wieder in Beiträgen auf. Ich habe aber noch nie Worte der Verteidigung gelesen.


[Beitrag von Pigpreast am 14. Jan 2015, 12:48 bearbeitet]
Dadof3
Moderator
#6 erstellt: 14. Jan 2015, 18:09
Die sind schlau genug, das nicht zu tun, weil sie genau wissen, dass sie diese Auseinandersetzung nur verlieren können.

High-End-Verstärkerhersteller Gerd Sauermann hat diesen Fehler hier im Forum vor ein paar Monaten begangen. Das liegt daran, dass er von dem, was er tut, völlig überzeugt ist und niemanden übers Ohr ziehen möchte. Davon bin ich nach einer ausführlichen Begegnung mit ihm fest überzeugt. Er hat nicht erwartet, was ihm die geballte Forengemeinde um die Ohren gehauen hat - nicht immer fair, muss ich dazu sagen, und häufig wurde er einfach missverstanden.

Ich kann mir schwerlich vorstellen, dass irgendeiner der Schreiberlinge von STEREO & Co. mit Überzeugung hinter dem steht, was er da tut, die wissen im Gegensatz zu Gerd Sauermann seinerzeit, dass ihre Haltung extrem angreifbar ist. Niemand dort will noch mehr öffentliche Diskussion hierzu im Netz, womöglich noch irgendwo auf der ersten Seite bei Google..., wo es auch die finden, die sich normalerweise nicht in Foren informieren.
Ralf_Hoffmann
Inventar
#7 erstellt: 14. Jan 2015, 20:14

Pigpreast (Beitrag #5) schrieb:
Verirrt sich eigentlich ab und zu einmal ein HiFi-Postillen-Schreiberling ins HiFi-Forum? Die Kritik an den Zeitschriften ist ja bekannt und taucht auch immer wieder in Beiträgen auf. Ich habe aber noch nie Worte der Verteidigung gelesen.


Moinsen,
ich hatte letztes Jahr mal das Vergnügen mit einem "Tester" , der mittlerweile über Jahrzehnte? als Schreiberling aktiv ist, zu sprechen. Ich hatte einen Luxman Verstärker angeboten und er hatte sich darauf gemeldet.

Wenn man schon jemanden an der Strippe hat, den man sonst nur aus Zeitschriften kennt (Ja - ich lese div. HIFI-Magazine, und schäme mich nicht dafür ), kamen natürlich auch Fragen auf den Tisch zum Thema Werbung und Testergebnisse, Voodoo etc.
Der Gute kennt solche Gespräche natürlich bis zum abwinken, gab sich aber völlig entspannt . Sehr angenehm.

Den Zusammenhang zwischen Werbung des Herstellers/Vertrieb und der Häufigkeit von entsprechenden Vorstellungen div Geräte eben aus diesen Ställen, sieht er natürlich auch. Warum auch nicht? Es wollen ja alle leben.

Der Gute ist auch hier im Forum (wenn auch selten) aktiv, hält sich aber aus den meisten Diskussionen raus.

Warum? Er besitzt gegenüber den meisten Mitdiskutanten schlicht einen Erfahrungs- und (in vielen Fällen) Wissensvorsprung. Er steht nach all den Jahren, im Gegensatz zum normalen Foren-User mehr als knietief in der Materie.
Seiner Erfahrung nach, ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine sachlich beginnende Diskussion irgendwann mal ausartet, da sich auch User beteiligen, die entsprechende Geräte weder gesehen, gehört, gemessen noch besessen haben, sondern letztlich nur die üblichen Vorurteile (gerade gegenüber teurem HIFI) wiederkäuen (Meine Formulierung) zu groß.

Oder kurz: Ein derart breit aufgestelltes Forum wie dieses, taugt in vielen Fällen nicht für sachliche Diskussionen in der Tiefe.
Da hat er weder Zeit noch Lust zu.

Btw: Selber hört er sehr gerne über seinen alten Lux-Plattenspieler und Diy Boxen, und steht vielen neueren Geräten und Schwurbeleien seitens der Hersteller/Vertrieben kritisch gegenüber, ist aber natürlich (Wessen Brot ich ess......) gezwungen, die Kritik in seinen Vorstellungen zumeist zwischen die Zeilen zu packen.

Gruß
Ralf
Pigpreast
Inventar
#8 erstellt: 14. Jan 2015, 20:38
Interessant. Es ist ja oft so, dass man einen Standpunkt von Angesicht zu Angesicht besser nachvollziehen kann als in einem Internetforum. Da kann ich mir schon vorstellen, dass sich das manche Leute einfach nicht antun wollen. Nicht weil sie etwas zu verbergen hätten, sondern weil es einfach nur fruchtlos wäre.
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