Eindrücke Beyerdynamic T1 (1. Gen) und AKG K812

Nachdem ich mich längere Zeit nicht mit dem Thema Kopfhörer beschäftigt habe, musste ich vor einiger Zeit doch mal wieder die Foren durchwühlen was sich so getan hat. Irgendwann bin ich dann beim AKG K812 hängengeblieben und bin nach und nach die Threads und Foren durchgegangen. Interessant war mal wieder, wie emotional das Thema gefahren wird, egal welches Forum. Teilweise hatte ich das Gefühl es geht um eine Mohamed Karikatur und die religösen Hardliner machen sich auf, den Zeichner zu lynchen...hat wahrscheinlich auch noch "Jehova" gesagt.
Naja, irgendwann fiel mir auch Audeze auf aber davon musste ich Abstand nehmen, da derzeit nicht möglich in der Umgebung einen Testhörer zu finden. Später fiel mir auch noch das Gewicht davon auf und das ist für mich und meine Rübe derzeit ein Ausschluss.
Sennheiser HD800s und die zweite T1 Generation haben mich nicht sonderlich interessiert und so hab ich mich wieder um den 812 rumgeschlichen, der teilweise als heiliger Gral bis zum nervigen Etwas beschrieben wird.

Nach einigem Hin und Her wo ich das Dingens denn probehören konnte wurde es dann am Freitag justmusic in Hamburg:



Bin nach dem Aufstehen eigentlich gar nicht mehr so heiß auf das Teil. Hab ja gelesen, dass einige die AKG Wuchtbrumme doch als spitz und nervig oder sogar fast im superlativ als Kreissäge bezeichnen.
Vielleicht doch abwarten und ein andermal die Reise antreten? Ne, nun geht’s hin, egal wie's ausgeht, die Erfahrung hat man dann gemacht. Also Krempel gut einpacken, im Wagen verstauen, ne Herztablette für den Innenstadtverkehr nehmen und ab dafür.

Wer vielleicht schonmal im Rockshop in Karlsruhe war, für den ist justmusic das gleiche in grün.
Für die anderen: Ein "Schuppen" für Musiker, Veranstaltungstechniker, Studioleute und natürlich für Kopfhörerfans. Wobei Schuppen das falsche Wort ist. Es ist eigentlich ein Bunker! Wird konkret als Hamburger Flakturm bezeichnet und justmusic ist eine der Firmen welche hier ihr Zuhause haaben. Und wohin passt PA Equipment o.ä. besser hinein als in einen ausgefrästen Schweizer Käse aus Beton.
Das hat natürlich Charme. Hier hätte ich gerne ne Bude: ganz oben, Penthouse im Flakturm und 12,8cm Flakgeschütz Meinungsverstärker um St. Pauli nebendran zu zeigen, dass es nun besser wäre beim nächsten Spiel zu gewinnen!
Grandiose Aussicht und ordentlich Masse um einen rum. Damit man entweder rauschende laute Parties feiert ohne die Nachbarn zu ärgern oder um seinen ganz privaten Hifi-Sünden zu fröhnen. Manch einer mag bei sowas auch an dran denken, seine ganz persönlichen fifty shades of grey hier drin auszuleben….


Zurück zum eigentlichen Sinn des ganzen: Kopf-Hören.
Ich + Weibchen stehen vor dem Objekt der Begierde. Bepackt mit einer gut gepolsterten Ikea-tasche und einem Macbook stehen wir da wie zwei Mallorca Touris die am Ballermann den goldenen Bierkrug in einer Vitrine beglotzen. Aha, so siehta also aus, das Füllhorn des Hifi-Baccus? Mh...mal sehen, wenn er nix taugt, isses auch gut. Hat man sich schon den Umstand des Bestellung-Zurückschickens-und-auf-Rückgeld-warten umgangen.
Ein Verkäufer ist schnell gefunden und wortkarg überreicht er mit das gute Stück. Ebenso zurückhaltend bekomme ich den Raum gegenüber gezeigt, den wir als Hörraum gebrauchen dürfen. Hat ein tolles Ambiente - auf gefühlten 4m², angefüllt mit zahlreichen Limitern, Kompressoren, PA Verstärkern und und und dürfen wir auf zwei hochwertigen Holzschemeln platznehmen. Wie früher im Jugendheim, blinkt alles nur schöner. Nee, Spaß, da blinkt nix, ist alles ausgeschaltet aber ein wenig mehr...“Esprit“ hätte ich schon erwartet.
Also alles ausgepackt, entpuffert, und laaaangsam angeschlossen um erstmal runterzukommen vom Hamburger Stadtverkehr. Und dann? Zuerst T1 und 812? Ja was denn? Hmmm...nee, zuerst ist die Wiener Schrammel dran!


Erste Feststellung mit dem Maintheme der Serie Firefly (übrigens überraschend gut aufgenommen ohne Loudnesskollaps!), der ist ja lauter als der T1...hm ok. Und dann? Mh, brummelt untenrum bissel mehr und hat mehr Bühne. Joa, merkt man aber die Differenz für mich net wert...weiter im Text.
Def Leppard muss mit Pour some sugar on me ran. Ist ein Rip der alten Westdeuschen Pressung und entsprechend nicht mit kaputt gemastert, sondern eher as Gegenteil. So zumindest laut meiner Ohren und http://dr.loudness-war.info/ .
Ohooo….welch Geilheit röhret da durch mein Trommelfell. Verdammt, hört sich das knackig an...mal lauter stellen, hieß es doch, der Hörer könne ggf. nerven bei solche Musikrichtungen. Neee, da nervt nix. Das kickt aber gut und was für eine qualitative Basssteigerung im Vergleich zum T1 uuuh und räumlicher und ahhh mehr Mitten. Boah geht’s mir gut, boah hört sich das echt an…..der Schemel wird feucht….schimmelt hoffentlich nicht.
Hm...Einbildung wegen vorauseilendem Brandnewtoytralala? Aufhören zu spinnen und den T1 aufsetzen. Mh, ne, keine Einbildung: enger, beschnittener, irgendwie mit Vorhang, reisst nicht mit.
Ich gebe die zwei Kopfhörer weiter an meine Freundin und möchte ihre Meinung hören. GottseiDank ist unser Musikgeschmack oft ähnlich und so wird auch ihr abwechselnd von dem einen und dann dem anderen KH etwas Zucker aufs Haupt bzw. Sie geträufelt.
Gefällt ihr - ist meiner Meinung, nachdem ich im Detail Nachfrage und mit meinem ersten Eindruck vergleiche.


Fairerweise muss ich nochmal sagen, dass wir natürlich nur einen ungefähren Lautstärkeabgleich zwischen den beiden Hörern hinbekommen haben!


Und nun muss von Queen Bohemian Rhapsody und '39 ran.
Zuerst darf sich Brian May mit '39 beweisen. Und gerade hier fällt mir das, so empfinde ich es zumindest, Mittenloch vom T1 auf. Diese Miniovertüre, der ersten 30 Sekunden zeigt das sehr gut während die Gitarre spielt. Als wäre was rausgeschnitten. Auch wenn der Bass einsetzt, gefühlt gibt es da sogar zwei Lücken der Mitten, nach oben wie unten.
Ok, der Anspieler reicht erstmal, direkt zum K812. Aha, es gibt also Mitten bei der Gitarre, es klingt also nicht so kühl. Oh, der Bass setzt ein, oh, kein Loch und wo, welch geiler Bass. Befehl: weiterlaufen lassen, Ende, T1 auf, selbes Lied noch einmal. Mh...schade, keine Musik mehr. Hört sich so „leer“ an, keine Emotionen. Und eng isses geworden, zu intim für mich dann im Vergleich zum 812.


Also weiter im Text mit den Shakespears Sister - Hello (Turn Your Radio on).
Eigentlich eine gute Aufnahme bis auf diese nervige Sibilatenbetonung, das britzelt ziemlich beim Hören, auch mit zurückhaltender Lautstärke. So ist meine Erfahrung am T1 und ich bildete mir ein, dass ist das berühmte Höhenproblem von dem in Foren beim T1 gesprochen wird.
Aber scheinbar nicht, der 812 zeigt es genauso, einen kleinen Touch zurückhaltender aber dem Tonmensch wars wohl zu dumpf ohne diesen kleinen Peak. Mir ist aber auch mit dem 812 zuviel und...moment, warum britzelt das so komisch? So kenne ich das nicht, spinnt der 812 jetzt? T1 auf und testen. Hm britzelt weniger. Stirbt gerade eine Komponente? Ne jetzt nicht, NICHT verf**** nochmal jetzt nicht!
Frustriert Kopfhörer ab und schauen ob alle Kabel richtig angeschlossen sind. Meine Freundin fragt beiläufig, ob ich den Bohrer aus dem Nachbarraum gehört habe? Neee, keine Zeit, hier stimmt was nicht. „Da“, sage ich, „hör du mal“...lauscht, guckt mich an und sagt „alles ok“. Hä?
Nochmal aufgezogen...doch, das britzelt und zischt, insbesondere wenn das Stück lauter wird.
Moment...haben die gerade wieder gebohrt? Weibchen, nickt. Also jedesmal wenn ich den KH aufhatte? ….Nickt wieder. Aha, jetzt wird wieder gebohrt...nicht laut aber hörbar, uns wohl nur eine Rigipswand (und das soll ein Testraum sein wo auch Mikrofone von den Leuten gecheckt werden...sauber!) Man hört, wie die Bohrmaschine ausgesteckt wird und die Leute sich entfernen. KH auf, Test, uff, alles ok. Muss ja ne tolle Stromverkabelung und Absicherung hier sein, wahrscheinlich noch dieselbe wie anno '42.
Solche Erfahrungen sind unnötig und nicht schön, sparen aber den Kaffee.


Weiter...los...will weiterhören, denke ich, will aber sanft wie ein Lamm den 812 nehmen. „Ne, lass mich mal“, spricht die Gattin und ich grinse.
Sie zaubert aus ihrem Musikordner eine Datei vom Harry Potter OST raus, hieß glaube ich, Hedwigs Theme, wenn ich mich nicht täusche. Madame genießt und fragt zwischendurch ob es sein kann, dass man gerade bei Klassik oder Sountracks am meisten raushört. Gutes Mädchen .
Ich höre mir das Stück auch an und zumindest subjektiv hat man es nicht zerkomprimiert oder loudness geschunden. Das hört sich echt schön an. Alles sehr räumlich und gut aufgeteilt und so sanft,unaufgeregt und doch geheimnisvoll gespielt, wie es sein soll. Hach Schaatzi (der 812!) ich liebe dir. Nochmal den T1 zur Rate gezogen und vergleichen. Mh ne...sowohl mir als auch meiner Freundin fehlt Gefühl und dieser komisch Mantel ist auch wieder über dem Gehörten. Hat aber aus meiner laienhaften Sicht nichts mit den Höhen an sich zu tun. Könnte eine bessere Auflösung sein. Es schafft auf jeden Fall Befriedigung! Der Schemel ist immernoch nicht getrocknet...


Jetzt wird’s Zeit für Klassik: Die Zauberflöte beweisst sich mit dem Vogelfänger und gerade hier zeigt sich nochmal insbesondere die bessere Räumlichkeit vom K812. Sehr schön.
Nach ausgiebige weiterem Hören und hin und her tauschen zwischen T1 und 812 bestätigt sich alles geschriebene/gehörte wieder und wieder.


Weder mir noch meiner Freundin kam der K812 spitz oder zischend vor und wenn, zeigt es auch leicht stärker der T1 ebenso. Liegt also demnach dann an der Abmischung. Ansonsten, Achtung, ich muss schwurbeln , passt da für mich alles. Jetzt verstehe ich auch wenn die Leute hier schreiben, das Klangbild rastet ein. Eine tolle Auflösung ohne nervig zu wirken. Ein super Tief-/Kickbass und wunderbar eingepasste Mitten, gepaart mit einer echt guten gestaffelten Räumlichkeit. Diese kommt aber nicht an den HD800 herankommt aber das wusste ich von den Beiträge hier und anderen Foren schon. Aus meiner Erinnerung war der HD800 deutlich braver auch in Bezug auf den Bass. Für weitere Vergleiche ist die Erinnerung zu schwach.
Und im Vergleich zum T1...sorry, der 812 macht alles besser und zwar deutlich. Plus meine herbeigesehntes mehr an Räumlichkeit ist das i-Tüpfelchen.




Wie gesagt, das ist meine Meinung und die meiner Freundin. Jeder hat andere Ohren und wer weiss wie viel besser/schlechter sich ein KH anhört, wenn der Gehörgang nur leicht anders geformt ist etc. Es gibt keine generelle Empfehlung für alle. Man kann sich aus den Foren eine grobe Richtung mitnehmen und hört sich dann selbst in aller Ruhe durch. Ich hatte durchaus in Betracht gezogen, dass meine Freundin vielleicht sagt, lass mal, hört sich nicht gut an oder der Klassiker: ich hör keinen Unterschied. Und ich hab kein Hifi-Weibchen, deshalb wollte ich sie auch mit dabei haben, um eine Meinung zu bekommen, die etwas weniger Endorphin in der Stimme hat als die meinige :D.
Schlusszitat von ihr:“ Ich könnt's verstehen, wenn du ihn nimmst“!


Ich glaube aber auch gerne, dass sich der AKG ziemlich schräg anhören kann wenn der KHV auf hellen Seite ist, Musik läuft, die einfach nur auf laut getrimmt wurde oder die alten 128kbit mp3s rauskramt werden. Was der DAC tun kann, da haben andere Leute mehr Ahnung aber ich denke auch da lässt sich noch was drehen, sowohl in die eine als auch in die andere Richtung.
Und ja, ich hatte sowohl flac Dateien als auch 320kbit mp3s dabei. Und ich habe selbst schon getestet ob ich Unterschiede höre - Selbstgerippt und komprimiert mit EAC. Es war Nahe an der Einbildung, in einem Blindtest würde ich verlieren. Das gilt für meine Löffel, mag bei anderen wieder komplett anders ausfallen.
Aber wenn ich die Möglichkeit habe, wähle ich flac und sei es nur fürs gute Gefühl.

Edit:
Noch etwas zum Tragekomfort.
Da ich das Glück habe, genau an der Stelle am Kopf ein Muttermal zu haben wo das Kopfband der Hörer aufliegt hab ich immer wieder Probleme mit dem T1.
Auch der Anpressdruck um die Ohren ist stärker und führt bei mir nach ca. 20-30 Minuten dazu, dass ich den KH ein paar Minuten abnehmen muss.
Wer immer mal wieder von Nasennebenhöhlenproblemen und/oder Kopfschmerzen geplagt ist, weiss wie sehr das nervt, vor allem wenn dann noch Druck auf die Nuss ausgeübt wird.
Beim Querlesen scheint es aber nicht viele zu geben, die damit Problem haben. Ist auch gut so.
Ich hab diese Einschränkung für die tolle Wiedergabe hingenommen aber in den letzten zwei Jahren deswegen immer seltener Musik gehört.
Beim HD800 war das bei weitem nicht so, dafür rutschte der gerne mal auf oder vom Kopf. Nervte aber auch leicht an der Stelle vom Muttermal.
Überrascht hat mich da der 812. Der saß gut ohne großartig zu rutschen, war aber für mich auch nicht zu fest und nervte auch nicht mit dem Kopfband. Und er war angenehm leichter !
Wie hoch dieser Tragekomfort auf Dauer wäre, steht auf einem anderen Blatt. Gerade die (Kunst-)Leder Ohrpads müssten sich dann bei wärmeren Temperaturen beweisen. Bei Temperaturen über 25° in der Bude hab ich aber so oder so keine Böcke darauf, dass irgendwas meinen Kopf bedeckt.

Wenn ich das jetzt nochmal durchlese, war es schonmal gut, die Finger vom Audeze gelassen zu haben. Der wiegt ja nochmal ein paar Gramm mehr.
Möchte ihn aber trotzdem irgendwann mal hören um mitreden zu können


Das schlimme ist, dass ich danach denken werde, hmmm, AMB hat gerade den DAC Nachfolger vom y2 entwickelt. Oder doch einen fertig konfektionierten antesten und wie war das mit dem neuen Violectric v220, um nur einen der vielen KHVs zu nennen.
Ach du lieber Gott und mein armes Sparschwein. Was sind wir Opfer unsere Emotionen...