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Was hört Ihr gerade jetzt? (Klassik !!!)+A -A |
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| Autor |
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klutzkopp
Inventar |
#32375
erstellt: 09. Okt 2025, 12:51
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Die Box? Danke für den Tip, aber ich will ja unserem Philipp hier keine Konkurrenz machen .Nein im Ernst: Die CD mit Elgars Erster habe ich schon, und vom Rest außer den Berlioz-Werken so viele Aufnahmen dass ich darauf mal verzichte. ![]() Es gibt aus Dresden übrigens tatsächlich doch noch einen jüngeren Beethoven-Zyklus als den mit Blomstedt, nämlich einen mit Sir Colin (Aufnahmen 1991-93). Wohl zuletzt bei Newton erschienen. Keine Ahnung was davon zu halten ist.
[Beitrag von klutzkopp am 09. Okt 2025, 13:08 bearbeitet] |
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Hüb'
Moderator |
#32376
erstellt: 09. Okt 2025, 13:16
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Das sind RCA-Aufnahmen. Die sind in meiner großen Box oben enthalten. Dazu kann ich aber nichts sagen. ![]() Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) Symphonie Nr. 5 Staatskapelle Dresden, Colin Davis Profil, Aufnahmejahr ca.: 1997, Erscheinungstermin: 16.1.2006, Edition Staatskapelle Dresden (Profil) Bin schon wieder bei Mendelssohn #5 gelandet... Felix Mendelssohns „Reformations-Symphonie“ Nr. 5 in D-Dur, auch wenn sie chronologisch eigentlich früher als die vierte entstand, gehört zu den geistig und emotional tiefsten Werken des Komponisten. In ihr mischen sich jugendliche Frische, protestantische Strenge und eine fast biblische Feierlichkeit. Unter der Leitung von Sir Colin Davis und mit der traditionsreichen Staatskapelle Dresden bekommt dieses Werk eine ganz besondere Klanggestalt: statt bloßer religiöser Erhabenheit entsteht hier ein warm atmender, nobel strukturierter Mendelssohn – geprägt von der tiefen Musizierkultur dieses Orchesters. Davis lässt die Introduktion mit ihrem schwebenden D-Moll-Thema aus innerer Spannung heraus wachsen, ohne Pathos, aber mit jener ernsten Ruhe, die Mendelssohns Glauben und seine klassizistische Haltung gleichermaßen spürbar macht. Wenn dann im Finale der Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“ aufleuchtet, klingt das bei den Dresdnern nicht triumphal, sondern würdevoll – fast wie eine musikalische Dankrede. Die geschmeidigen Holzbläser, die warmen Dresdner Streicher und der noble, runde Blechklang verbinden sich hier zu einer Klangrede, die die „Reformations-Symphonie“ als sinfonisches Bekenntnis ohne erhobenen Zeigefinger zeigt. Man hört, dass Davis Mendelssohn als klassischen Humanisten versteht: transparent, leuchtend, mit kultivierter Energie statt forciertem Überschwang. Diese Einspielung ist ein still glänzendes Beispiel dafür, wie englische Noblesse und sächsische Tradition zu einer überzeugenden, feinsinnigen Einheit verschmelzen. Viele Grüße Frank [Beitrag von Hüb' am 09. Okt 2025, 13:16 bearbeitet] |
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Mars_22
Inventar |
#32377
erstellt: 09. Okt 2025, 13:28
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![]() Die Bach-Konzerte für 2,3 und 4 Cembali mit Klavieren zu hören stellte ich mir reizvoll vor. Aber es ist ein gemischtes Erlebnis. Es gibt sehr schöne Stellen, es überwiegt aber Unmut über das langsame und undynamischhe Spiel der Klaviere, was zum Teil dem verhallten Klang geschuldet sein dürfte: um die einzelnen Stimmen überhaupt erkennbar zu machen, mussten sie langsam flüstern. |
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klutzkopp
Inventar |
#32378
erstellt: 09. Okt 2025, 13:52
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Die Lupu-Box habe ich seit langer Zeit auch und man darf sie - bei aller Verschiedenheit der Geschmäcker - wohl als unverzichtbar bezeichnen. Für eine ziemlich andere Lesart der späten Schubert-Sonaten kann ich Andsnes empfehlen: |
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Mars_22
Inventar |
#32379
erstellt: 09. Okt 2025, 16:02
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Habe Andsnes über Spotify laufen gehabt. Durchgängig interessant und einleuchtend, auch eine sehr gute Aufnahme, finde ich. Interessant ist dass Andsnes einem zu Beginn der 960 schnörkelloser vorkommt, aber 3-4 Minuten länger braucht als Lupu und Horowitz. Das kommt vermutlich daher, dass er sich je länger es geht um so tiefer hineinfallen lässt, manchmal bis hin zu einem - wirkungsvollen - Beinahestillstand. Müsste aber noch einige Male hören um den Eindruck verifizieren zu können. Horowitz übrigens hat nochmal eine völlig andere Lesart der 960! [Beitrag von Mars_22 am 09. Okt 2025, 16:19 bearbeitet] |
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Hörstoff
Inventar |
#32380
erstellt: 09. Okt 2025, 16:27
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Bei mir liefen vor Kurzem die Sinfonien 1 & 2 vom Schwedischen Kammerorchester mit Thomas Dausgaard. Ganz gut und flüssig, jedoch kein Leidenschafts- und Dynamikvergleich zu Jonathan Nott mit den Bamberger Sinfonikern. Zumindest nicht gemäß meinem Langzeitgedächtnis. ![]() Auch andere Orchesterwerke... Jetzt aber Lieder von Ottorino (Respighi ). Sehr schön ausformulierte Klangperlen mit Klavierbegleitung. Crespuscolo: Songs by Respighi - Fallon, Bushakevitz. Das entschädigt für alle Zweifel einer sinfonischen Woche, ganz in Stereo, wie einige von euch ja immer hören. ![]() Wunderschöne Stereoklangbilder. Die Sinfonien dagegen höre ich nachfolgend nochmal in Surround. |
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Mars_22
Inventar |
#32381
erstellt: 09. Okt 2025, 17:16
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Ich bin bei Ives Sinfonien blank. Das reinhören bei Spotify macht neugierig, aber welche Einspielung? Dudamel hat enthusiastische Kritiken, aber da bin ich skeptisch… Andrew Davis wäre zugänglich, natürlich Tilson Thomas, die aber relativ alt sind… Welche hört ihr? [Beitrag von Mars_22 am 09. Okt 2025, 17:21 bearbeitet] |
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klutzkopp
Inventar |
#32382
erstellt: 09. Okt 2025, 17:26
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klutzkopp
Inventar |
#32383
erstellt: 09. Okt 2025, 17:34
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Ich kann nur was zu ## 2 und 3 sagen, bei 1 und 4 bin ich raus weil mag ich nicht. Die Tilson Thomas - Aufnahmen mit dem CGO habe ich hier ![]() und kann sie trotz ihres „Alters“ empfehlen. Wenn ich nicht irre gibt’s von MTT aber auch noch jüngere Ives-Symphonien mit dem SFSO. Die Zweite mit Lenny sollte „man“ auch mal gehört haben ![]() P.S. Laut einem gewissen Mr. Hurwitz sollen die Andrew Litton/DallasSO-Aufnahmen Referenz sein. [Beitrag von klutzkopp am 09. Okt 2025, 18:17 bearbeitet] |
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Mars_22
Inventar |
#32384
erstellt: 09. Okt 2025, 17:52
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Jupp, MTT mit dem SFSO ist jedenfalls klanglich das Beste was mir untergekommen ist. Und Lennies #2 gibt’s in einem schönen Paket mit Copland und anderen Amerikanern. EDIT Mod.: HF-Code repariert. [Beitrag von Hüb' am 10. Okt 2025, 05:44 bearbeitet] |
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Mars_22
Inventar |
#32385
erstellt: 09. Okt 2025, 18:33
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Lustig, die Tage kaufte ich mir für einen schmalen Taler Monteverdis Madrigale gesamt, ahnend, dass ich die in Jahren nicht durchhöre. Da lese ich heute obiges Zitat |
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klutzkopp
Inventar |
#32386
erstellt: 09. Okt 2025, 18:49
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Sind doch nur 11 CDs. Das schaffst du |
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Mars_22
Inventar |
#32387
erstellt: 09. Okt 2025, 19:07
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Hömma, bei Haydns Sinfonien bin ich bis 99 von 108 gekommen - von hinten angefangen |
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klutzkopp
Inventar |
#32388
erstellt: 09. Okt 2025, 19:25
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FabianJ
Inventar |
#32389
erstellt: 09. Okt 2025, 20:21
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Am Besten keine ganzen CDs oder komplette Madrigalbücher am Stück anhören, sondern immer häppchenweise ein paar Stück und dann später weitermachen. So wunderschön die Musik ist, es wird halt doch schnell zu viel auf einmal. Bachs Musik für Solo-Violine oder das Wohltemperierte Klavier hört man sich ja auch nicht konzentriert am Stück an...Normale Menschen jedenfalls nicht. ![]() Gerade gehört: ![]() Claudio Monteverdi (1567-1643) Pianto della Madonna - Iam moriar, mi fili La Compagnia del Madrigale Aufnahme (Album): Juli - September 2014, Chiesa della BV Maria del Monte Carmelo al Colletto, Roletto (Italien) Das ist Stück ist eine Variante vom „Lamento d'Arianna" (6. Madrigalbuch), nur halt mit einem anderen, religiös inspirierten Text. _ _ _ Von Ives' Sinfonien höre ich am liebsten die Vierte. Besonders gefallen hat mir da die Aufnahme des Seattle Symphony Orchestra mit Ludovic Morlot und einigen Assistenzdirigenten. (Das Werk ist nur recht schwierig mit nur einem Dirigenten aufführbar.) Falls Du die Einspielung bei Spotify o. ä. findest, könntest Du ja mal reinhören. Leopold Stokowski soll eine ziemlich gute Einspielung dieser Sinfonie gemacht haben. Diese kenne ich jedoch noch nicht. Lenny und MTT wurden ja schon genannt. Mit freundlichem Gruß Fabian |
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WolfgangZ
Inventar |
#32390
erstellt: 09. Okt 2025, 20:54
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Schön, wie wir uns hier immer die Bälle zuspielen, auch wenn das System des Ballspiels keines ist. ... Von der Vierten Ives kenne ich eine gute Handvoll Einspielungen - nicht alle stehen als CDs im Schrank. Die folgende ist besonders radikal - im Sinne radikaler Transparenz, nach vorne gerichteter Textverständlichkeit, dem Verzicht auf Klangmassen. Vielleicht sollte es nicht die einzige sein, die man so kennt, vielleicht auch nicht die erste, um das Werk kennenzulernen, aber ich bin begeistert. Die Nummer ist im besten und wohl auch mehrfachen Sinne scharf: ![]() Den Chef des Ensembles kennt man sowieso anderweitig. Genau, und Stokowski kenne ich aus dem Internet, quasi verfilmt. Der war ja ein Pionier. Tilson Thomas ist auf CD und habe ich vermutlich am häufigsten gehört. Morlot dürfte ich nicht kennen, bei Bernstein bin ich mir nicht einmal sicher - also mit anderen bekannten Nummern von Ives schon. Verfilmt, macht er am Ende der Zweiten schon eine verzweifelte Miene. Wolfgang [Beitrag von WolfgangZ am 09. Okt 2025, 21:06 bearbeitet] |
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Mars_22
Inventar |
#32391
erstellt: 10. Okt 2025, 05:34
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Lenny wird Ives, im Gegensatz zu Copland, nicht besonders gemocht haben, sonst hätte er nicht nur die Zweite aufgenommen, oder? Danke auch für den Adams, höre ich mir an! [Beitrag von Mars_22 am 10. Okt 2025, 06:06 bearbeitet] |
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arnaoutchot
Moderator |
#32392
erstellt: 10. Okt 2025, 05:46
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Doch, Lenny war durchaus ein Befürworter von Ives-Musik und brachte in seinen Young Peoples's Concerts dessen Musik dem amerikanischen Publikum nahe. Warum es so relativ wenig auf Platte gibt, weiss ich nicht. Und ja, die Symphonien mit Andrew Litton/Dallas SO auf Hyperion sind masstäblich in Performance und Klang. |
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Hüb'
Moderator |
#32394
erstellt: 10. Okt 2025, 07:00
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Ives' Sinfonien stellen eine ziemliche Entwicklung dar und nicht jeder Hörer kann/ will bis zur 4. mitgehen. ![]() Charles Ives (1874-1954) Symphonien Nr. 4 Dallas Symphony Orchestra, Andrew Litton Hyperion, Aufnahmejahr ca.: 2006, Erscheinungstermin: 17.11.2006 Charles Ives’ Vierte Symphonie ist eines jener Werke, bei denen man schon beim ersten Hören spürt: Hier denkt jemand in völlig anderen Dimensionen. Sie ist kein lineares, erzählerisches Werk – sie ist ein Universum aus Klang, Erinnerung, Chaos und Transzendenz. Ives hatte sie zwischen etwa 1910 und 1924 komponiert, in einer Zeit, als die meisten seiner Zeitgenossen noch mit der Spätromantik beschäftigt waren. Und doch klingt diese Musik, als käme sie aus der Zukunft: mit überlagerten Tonarten, gleichzeitig laufenden Tempi, hymnischen Anrufungen und krachend wilden Collagen amerikanischer Volksmelodien. Das Werk spannt einen gewaltigen Bogen – von der feierlich-visionären Einleitung mit Chor und Orgel über den geradezu anarchisch turbulenten zweiten Satz („Comedy“) bis hin zu einem Finale, das sich langsam in eine andere Dimension auflöst. Ives fragt hier im Grunde nach dem Sinn des Lebens, nach der Suche des Menschen zwischen Glauben, Zweifel und dem ganz normalen Lärm der Welt. Das Ergebnis ist eine Musik, die sich jedem einfachen Zugriff entzieht – spirituell, dissonant, überfordernd und erhaben zugleich. Andrew Litton und das Dallas Symphony Orchestra begegnen diesem Mammutwerk mit beeindruckender Klarheit und struktureller Übersicht. Litton verzichtet auf Effekthascherei und versucht stattdessen, die innere Logik hinter der scheinbaren Kakophonie freizulegen. Das Orchester spielt hochpräzise, mit fein geschichteten Dynamikabstufungen und einer großen emotionalen Bandbreite – vom rauen Marschchaos bis zu den zarten, entrückten Orgelklängen des Schlusses. Auch klangtechnisch überzeugt Hyperion: Der Sound ist transparent genug, um Ives’ polyphone Klangschichten wirklich hörbar zu machen. Das Ergebnis ist eine der zugänglichsten modernen Aufnahmen dieses Kolosses – weniger wuchtig als Stokowski, weniger esoterisch als Tilson Thomas, dafür klar strukturiert, warm und überraschend menschlich. Litton macht hör- und fühlbar: Auch in Ives’ wildester Musik steckt tiefe Ordnung – und eine berührende Sehnsucht nach Harmonie jenseits des Irdischen. Bei der Kopplung der gezeigten CD ist der Kontrast zur spätromantischen Ersten schon recht krass. Aber irgendwie muss man die Sinfonien ja auf die Silberlinge verteilen. #1 + #2 gibt es übrigens in audiophiler Qualität zurzeit günstig (9,99 €): ![]() Viele Grüße Frank [Beitrag von Hüb' am 10. Okt 2025, 07:12 bearbeitet] |
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Hüb'
Moderator |
#32395
erstellt: 10. Okt 2025, 07:09
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11 CDs - und dann so ein Mimimimi... ? |
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arnaoutchot
Moderator |
#32396
erstellt: 10. Okt 2025, 07:40
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11 CDs mit Monteverdi Madrigalen am Stück halte ich aber für herausfordernd. Unnötig zu sagen, dass auch eine kleine Schachtel damit komplett hier steht (La Venexiana, Glossa, 11CD) |
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WolfgangZ
Inventar |
#32397
erstellt: 10. Okt 2025, 08:06
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Irgendwo habe ich irgendwann mal gelesen, dass Bernstein Ives als Art Eigen-Entdeckung verbucht habe und dass das in Richtung Bluff tendiere. Nur nebenbei und bitte nicht als Diskussionsgrundlage unter Nennung meines Namens ... Zum anderen besitze ich die Sinfonien in den von Michael genannten sehr schönen Einspielungen auch. Wolfgang |
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Hüb'
Moderator |
#32398
erstellt: 10. Okt 2025, 09:27
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![]() Johannes Brahms (1833-1897) Symphonien Nr. 3 New York Philharmonic Orchestra, Leonard Bernstein Sony, Aufnahmejahr 17. April 1964 (Manhattan Center, New York City), Erscheinungstermin: 30.6.1990 Leonard Bernstein und Johannes Brahms – das ist eine Kombination, die Temperament und Tiefe auf ungewöhnliche Weise verbindet. In seiner Aufnahme der Dritten Symphonie mit dem New York Philharmonic Orchestra, entstanden Anfang der 1960er-Jahre, zeigt Bernstein einmal mehr, dass er kein Dirigent der Halbtöne war. Er formt Brahms’ Musik mit einer emotionalen Direktheit, die sich deutlich von der eher nordisch-kühlen Tradition etwa eines Klemperer oder Szell abhebt. Schon der berühmte Beginn des ersten Satzes – das aufstrebende F–A♭–F-Motiv („Frei aber froh“) – besitzt hier eine fast heroische Spannkraft. Bernstein lässt das Orchester atmen und phrasiert mit großem Atembogen, aber auch mit jener leichten Unruhe, die seine Brahms-Deutungen so lebendig macht. Die New Yorker Philharmoniker spielen dabei mit sattem, dunklem Klang, der typisch amerikanischen Wärme in den Streichern und glänzenden, aber nie grellen Bläserfarben. Im Andante entfaltet Bernstein eine wunderbar kantable Ruhe, ohne in Behäbigkeit zu verfallen – fast so, als würde er die Melodie singen lassen, statt sie bloß zu dirigieren. Der dritte Satz, mit seinem melancholisch schönen Thema, bekommt bei ihm etwas Wehmütig-Romantisches, fast liedhaft Intimes. Und das Finale schließlich – kraftvoll, drängend, aber nie brutal – zeigt Bernsteins Fähigkeit, Energie und Struktur zu vereinen. Der leise, versöhnliche Ausklang wirkt bei ihm wie ein Abschied mit tiefem Verständnis für Brahms’ inneren Zwiespalt zwischen Leidenschaft und Selbstbeherrschung. Diese Aufnahme ist ein typisches Bernstein-Dokument: intensiv, menschlich, manchmal an der Grenze zum Überschwang – aber immer beseelt und zutiefst musikalisch. Wer Brahms nicht primär als "Architektur", sondern als emotionales Erlebnis begreifen will, findet hier ein faszinierendes Beispiel. Die Klangqualität ist wirklich sehr gut. Eher direkt und kompakt, als weiträumig-ätherisch und angenehm kraftvoll. Viele Grüße Frank |
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Hüb'
Moderator |
#32399
erstellt: 10. Okt 2025, 10:19
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![]() Heitor Villa-Lobos (1887-1959) Streichquartette Nr. 6 Cuarteto Latinoamericano Dorian, Aufnahme April 1994 in der Troy Savings Bank Music Hall, Troy, NY, Erscheinungstermin: 27.5.2016 Ab in die Nische und dort nach Seitengekratze gewühlt... ![]() Heitor Villa-Lobos’ sechstes Streichquartett gehört zu jenen Werken, in denen sich seine "Doppelidentität" als klassisch geschulter Komponist und leidenschaftlicher Sammler brasilianischer Klangfarben besonders deutlich zeigt. Geschrieben in den 1930er Jahren, ist es weniger folkloristisch als manche seiner „Bachianas Brasileiras“, aber dennoch tief in der rhythmischen und melodischen Welt seiner Heimat verwurzelt. Man spürt in fast jedem Satz den Pulsschlag von Rio – tänzerisch, unregelmäßig, manchmal rau, manchmal voller bittersüßer Melancholie. Das Cuarteto Latinoamericano, das über viele Jahre hinweg den gesamten Zyklus der 17 Villa-Lobos-Quartette aufgenommen hat, spielt mit einer Mischung aus technischer Präzision und südamerikanischem Feuer, die den Charakter dieser Musik perfekt trifft. Ihre Lesart ist lebendig, klar artikuliert und rhythmisch ungemein federnd – nie museal, sondern von innen heraus atmend. Besonders eindrucksvoll ist, wie sie die oft abrupten Stimmungswechsel zwischen träumerischer Kantabilität und eruptiver Energie ausbalancieren. Der warme, leicht körnige Ensembleklang unterstreicht zudem die erdige, unmittelbare Klangsprache des Komponisten. Diese Aufnahme ist ein guter Einstieg in Villa-Lobos’ Quartettkosmos – sie zeigt, dass seine Musik weit mehr ist als exotisches Kolorit: Sie ist eine originäre Stimme zwischen Europa und Südamerika, zwischen klassischer Form und wilder Freiheit. Viele Grüße Frank |
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EKBT
Stammgast |
#32400
erstellt: 10. Okt 2025, 13:39
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Bei Sony (ex-CBS-Aufnahmen aus den 1960ern) gibt es mit Bernstein und dem NYP, neben einer älteren Aufnahme von Ives' 2., die 3. Symphonie und die "New England Holidays Symphony", sowie die kurzen Werke Central Park in the Dark und The Unanswered Question. [Beitrag von EKBT am 10. Okt 2025, 13:41 bearbeitet] |
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Mars_22
Inventar |
#32401
erstellt: 10. Okt 2025, 17:38
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Ich finde, man muss sich damit einfach auseinandersetzen. Leichter fällt mir das zugegeben mit modernen Interpretationen wie Kronthaler sie z.B. auf dieser CD bieten, Monteverdi nebst Purcell. Allerdings driften die dann auch schnell wieder ins Gefällige ab. ![]() Mit deutschen Zeitgenossen von Monteverdi, wie Johann Hermann Schein und Samuel Scheidt, tue ich mich ebenfalls leichter. Schein, der Thomaskantor vor Bach, war beeinflusst von italienischen Madrigalen, machte aber was eigenes draus. Die Doppel-CD ist im Angebot. ![]()
Hätte mich auch gewundert. Bei DG gibts auch noch einige kleine Werke. [Beitrag von Mars_22 am 10. Okt 2025, 17:53 bearbeitet] |
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Hörstoff
Inventar |
#32402
erstellt: 10. Okt 2025, 17:46
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Nach einem Stereoanlauf jetzt in Surround: und der Sibeliusfunke mag einfach nicht richtig zünden. Für ein Weltklasseorchester wie das LSO mit Sir Colin Davis eine Enttäuschung. ![]() Mediocre. Bei hraudio gibt's dafür ein paar Sterne, imo einer zu viel: Link. |
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klutzkopp
Inventar |
#32403
erstellt: 10. Okt 2025, 19:13
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Hüb'
Moderator |
#32404
erstellt: 10. Okt 2025, 19:34
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Davis hat mindestens 3 GA eingespielt. Die 1. mit dem BSO und dann 2x LSO. Nur Berglund hat S. häufiger aufgenommen. Die 1. Philips-GA gilt vielen Kritikern in Summe vielleicht als der beste Zyklus unter Davis. |
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klutzkopp
Inventar |
#32405
erstellt: 10. Okt 2025, 19:39
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Manche halten ihn sogar immer noch für einen der besten Sibelius-Zyklen überhaupt. Ich masse mir da kein Urteil an. |
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Hüb'
Moderator |
#32406
erstellt: 10. Okt 2025, 20:20
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Für mein empfinden gibt es sehr viele, sehr gute Zyklen. |
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klutzkopp
Inventar |
#32407
erstellt: 10. Okt 2025, 20:32
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Das stimmt. Und ich habe erst fünf . |
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WolfgangZ
Inventar |
#32408
erstellt: 10. Okt 2025, 21:30
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Sechs müssten es sein. Aber Karajan hat ja unverständlicherweise eine Sinfonie weggelassen. Noch eine habe ich keineswegs vor, mir zu kaufen. Es finden sich: Ashkenazy (Philharmonia), Berglund (Bournemouth), Blomstedt (San Francisco), Leaper und Segerstam (Danish). Ich bin also sicher nicht auf einem aktuellen Stand und besitze umgekehrt auch nichts wirklich Historisches. Doch es reicht allenthalben, um immer mal wieder gepflegt zu vergleichen. Wolfgang |
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klutzkopp
Inventar |
#32409
erstellt: 11. Okt 2025, 12:36
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EKBT
Stammgast |
#32410
erstellt: 11. Okt 2025, 12:57
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Bei mir stehen sogar nur drei Sibelius-Symphonienzyklen: Blomstedt/SFSO (vielleicht mein Favorit), Maazel/Wien und Barbirolli/Hallé. Und noch einige Einzelscheiben mit Karajan, Jansons, Davis, Ansermet, Szell, Ormandy. Sibelius ist bei mir in letzter Zeit etwas in den Hintergrund geraten, aber ich glaube, ich lege mir jetzt mal auch die 3. auf und zwar mit Barbirolli: ![]() ![]() Ersteres "meine" Ausgabe. Ich habe gar nicht mitbekommen, daß es eine (schon wieder vergriffene) remasterte Neuausgabe gab... Auf dem Youtube-Kanal des Turku Philharmonic Orchestra gibt es übrigens einen Konzertvideo-Zyklus mit Segerstam aus dem Jubiläumsjahr 2015. |
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Mars_22
Inventar |
#32411
erstellt: 11. Okt 2025, 14:02
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Probiere gerade Sibelius #3 mit der empfohlenen Davis/Boston Aufnahme. Klingt jedenfalls tadellos und ist interessant. Vielleicht probiere ich gleich auch noch Segerstam. Edit: Zur Segerstam #4 gibts ja eine geradezu euphorische Besprechung. Und, wow, die ist wirklich was Besonderes. Segerstam gewinnt ihr Klänge und Motive ab, die ich in meiner Vänska-Aufnahme nicht wahrnehme. Und das erklärt noch nicht das Gefühl von Düsterkeit und Dringlichkeit, das die Aufnahme ausstrahlt. Ist sie besonders nah mikrofoniert? Ich weiß es nicht. [Beitrag von Mars_22 am 11. Okt 2025, 14:39 bearbeitet] |
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Hörstoff
Inventar |
#32412
erstellt: 11. Okt 2025, 14:24
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klutzkopp
Inventar |
#32413
erstellt: 11. Okt 2025, 17:23
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Ich sibelie auch noch ein bisschen weiter mit der Vierten von Colin Davis/Boston. Das klingt auf seine sauber gespielte, Übertreibungen (Bernstein) vermeidende Art schon sehr überzeugend und „richtig“. Und ich verstehe nicht warum da verschiedentlich an der Aufnahmequalität herumgemäkelt wird. Die erscheint mir sehr gut (ich rede von den normalen Philips-CDs), wenngleich es natürlich auch noch besser geht. Habe aber in dieser Hinsicht auch schon deutlich schlechteres gehört. [Beitrag von klutzkopp am 11. Okt 2025, 17:32 bearbeitet] |
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FabianJ
Inventar |
#32414
erstellt: 11. Okt 2025, 20:17
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![]() Charles Ives (1874-1954) Sinfonie Nr. 4 Seattle Symphony Chorale, Seattle Symphony Orchestra (Klavier: Cristina Valdés, Orgel: Joseph Adam) - Hauptdirigent: Ludovic Morlot - Assistenz-Dirigenten: Stilian Kirov, David Alexander Rahbee, Julia Tai Live-Aufnahme: 29. und 31. Januar 2015, S. Mark Taper Foundation Auditorium, Benaroya Hall, Downtown, Seattle (USA) Hier wurden zwar Aufführungen an mehreren Abenden zusammengeschnitten, aber dennoch stelle ich es mir sehr herausfordernd vor, diese Musik überzeugend live aufzuführen. Und überzeugend ist diese Aufnahme für meine Begriffe auf jeden Fall. Ich liebe diese geordnete Chaos was dieser Musik stellenweise, insbesondere im zweiten Satz (Comedy) innewohnt. Das kann ich mir nicht jeden Tag anhören, aber das kann ich das ist bei anderen Werken (z. B. Tschaikowskis Pathétique) ja auch so. ![]() Die beiden Tondichtungen sind hier auch sehr gelungen, mit Ives' Sinfonie Nr. 3 kann ich hingegen nicht so viel anfangen. Das liegt aber eher an der Musik, da ist bei mir der Funke einfach noch nicht übergesprungen. Mit freundlichem Gruß Fabian |
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FabianJ
Inventar |
#32415
erstellt: 11. Okt 2025, 21:01
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![]() Alfredo Casella (1883-1947) Paganiniana op. 65 Philadelphia Orchestra - Dirigent: Eugene Ormandy Aufnahme: 4. April 1960, Broadwood Hotel, Philadelphia Das ist eines der wenigen Werke Casellas, die ich mehr als einmal in der Sammlung habe, die andere ist mit Riccardo Muti mit dem Orchestra Filarmonica della Scala. Beide Aufnahmen sind hörenswert, mir persönlich gefällt die Ormandy's Einspielung aber besser, auch weil er das besser zur Verfügung hat. Aber wie gesagt, ich finde, dass beide Einspielungen gelungen sind. Mit freundlichem Gruß Fabian |
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WolfgangZ
Inventar |
#32416
erstellt: 11. Okt 2025, 21:08
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Die dritte Sinfonie geht für mich auch gegenüber der zweiten einen Schritt zurück - da kann ich Fabian nur zustimmen. Überspitzt formuliert, zeigt sie den Tonfall der amerikanischen Sonntagsschule - wobei ja Ives sich immer wieder in dieser Sphäre bewegt, doch nicht derart großräumig und praktisch ungebrochen. In der Tat: Es fehlt mir jegliche Gebrochenheit, und umgekehrt wird der reiche spätromantische Tonfall der zweiten und selbst der ersten Sinfonie nicht erreicht. Freilich könnte ich sie mir auch mal wieder anhören, vielleicht bin ich nicht fair genug. Wolfgang |
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Hörstoff
Inventar |
#32417
erstellt: 12. Okt 2025, 09:15
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Bei mir läuft kleines Besteck, dass ich in beiden Fällen - der Chor läuft noch - überzeugend gut finde. Wunderbare "Ohrenöffner" nach Sinfonien. Die "Laternenvorträge" von Torstensson, neue Musik, sind abwechslungsreiche nordisch-naturbezogene Kompositionen. Die Chorwerke aus "War No More" umfassen zahlreiche unterschiedliche Komponisten, die nur gelegentlich mehrmals aufwarten. Die Bezeichnung benennt das Hauptthema: Friedenslieder. Der Klang ist herausragend gut, d. h. nach meiner Wahrnehmung Referenz. ![]() Beides aktuell zum Schnäppchenpreis erhältlich. |
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Mars_22
Inventar |
#32418
erstellt: 12. Okt 2025, 11:18
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Die LANTERN LECTURES werden M.A.N. auch Referenz bleiben, denn das krautige Zeug wird nie wieder jemand einspielen |
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WolfgangZ
Inventar |
#32419
erstellt: 12. Okt 2025, 12:44
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Sehr schön, Meister Hörstoff und Meister Mars! - Denn da könnte - irgendwie und sowieso - dazu passen, was ich am Freitagabend auf HR 2 nach der regulären Sendung als rund einstündige Zugabe ohne Hinweis in der Radiozeitung gehört habe: ![]() Mehr sehr gerne später! Aber hört erst mal in die Klangproben hinein. Wolfgang |
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G.S.Torrente
Ist häufiger hier |
#32420
erstellt: 12. Okt 2025, 14:51
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Leute, mit eurem Wahnsinnstempo kann ich nicht Schritt halten. Fraglos interessant eure Eindrücke zu lesen, aber von der Vielzahl spannender Höranregungen schaffe ich leider nur einen Bruchteil hörend nachzuvollziehen. Und auch wenn ihr bereits zwei Ecken weiter gezogen seid, muss ich euch mit folgenden Nachträgen noch bemühen: ![]() Gestern mehrere Sibelius-Sinfonien nachgehört, darunter mehrfach die #4 aus der Segerstam-GA. Sibelius höre ich selten, seine Sinfonien bleiben mir weitgehend ein Rätsel. Gewiss, ich vernehme stimmungsvolle nordische Landschaftsbilder, bisweilen auch Kämpfe mit Naturgewalten (oder mit der inneren, eigenen Natur), aber Sinfonien, auch spätestromantische, sind nun mal keine Tondichtungen, und der Anteil absoluter Musik in ihnen, das strukturelle etwa spricht nicht zu mir so wie in Sinfonien von Brahms, Mahler, DSCH. In gewissen Zeitabständen versuche ich mich halt immer mal wieder daran. Ist nicht tragisch, damit kann ich gut leben. Übrigens gefällt mir neben Segerstam, Ashkenazy und Bernstein durchaus auch die -- nicht unumstrittene -- Live-GA von Paavo Järvi mit dem Orchestre de Paris (RCA/BMG 2019) recht gut. Deutlich besser jedenfalls als die schlafmützige GA seines Vaters Neeme mit den Göteborgern aus den 1980ern. Details kann ich aus der Erinnerung gerade nicht nennen. ============ Charles Ives' Sinfonien stehen schon länger auf meiner To-Review-List. Eure spannend zu lesenden Eindrücke gaben mir heute endlich den nötigen Kick: ![]() Gehört habe ich Michael Tilson Thomas mit dem CSO aus 1989 in der Kopplung #1 + #4. Es wurde bereits erwähnt, dass Ives' kompositorische Weiterentwicklung von der 1. zur 4. Sinfonie innerhalb kürzester Zeit wohl einmalig ist. Zwar bleibt es bis heute schwierig, aufgrund der unüberschaubaren Menge undatierten Manuskriptmaterials die Entstehungsphasen eindeutig zu entschlüsseln, aber die Forschung ist sich einig, dass die #4 im Wesenlichen bereits 1916 fertiggestellt war. Auf der anderen Seite revidierte Ives seinen sinfonischen Erstling noch bis 1908! Die 1. Sinfonie (1897/98) ist eine Studienarbeit des 23-jährigen. Sie entstand noch unter deutlicher Einflussnahme durch seinen konservativen Kompositionslehrer; vor allem frühe polytonale Abschnitte und vermeintlich allzu kühne tonartliche Experimente ließ der ihn streichen bzw. abmildern. Zahlreiche melodische Einfälle stechen besonders heraus und zeigen Ives bereits früh als kreativen Melodiker. Vieles erinnert an typisch nordamerikanische, oft patriotische Folklore und Kirchenlieder. Andererseits wechselt sich dezidiert eigenständiges ab mit mehr oder weniger Assoziationen an große Meister vergangener Epochen weckenden Teilen. Keineswegs plump aufdringlich oder ideenlos, sondern durchaus gekonnt und mit einem Augenzwinkern. Mir gefällt's. Beide Ecksätze sind als Sonatenhauptsatz konzipiert, überhaupt ist das Werk formal (studientypisch und vermutlich ganz im Sinne des Lehrers) klassisch angelegt. Auffallend finde ich die einfallsreiche, oft virtuose kontrapunktische Durchdringung, die den Ecksätzen einen quasi neobarocken Touch mit den Mitteln der Spätromantik verleiht und an jene Romantiker erinnert, die sich ebenfalls gern und ungeniert am Barock haben inspirieren lassen: Mendelssohn, Brahms und Reger. Teil 1 des eröffnenden Themas im Kopfsatz mit seiner modulierend instabilen, quasi mehrdeutigen Tonalität hätte auch von Schostakowitsch stammen können - wäre der nicht erst wenige Jahre später geboren... Wie oben beschrieben erinnert die Themendurchführung u.a. stark an Brahms, die Reprise und Coda ihrerseits an Dvorák. Im langsamen Satz stellt das eröffnende Thema, vorgestellt duch das Englischhorn, eine unverblümte Reminiszenz an Dvoráks Largo aus der #9 dar, während der Mittelteil mit seinen choralartigen Blechbläserpassagen mehrfach Bruckner und Tschaikowsky durchschimmern lässt. Satz 3 folgt dem klassischen dreiteiligen Aufbau Scherzo - Trio - Scherzo da capo. Das Scherzo-Thema und und seine Entwicklung in fugierten Abschnitten ist wiederum neobarock gehalten, während es im Trio vernehmlich brahmst und bisweilen Tschaikowskys Ballerinas zum Tanz bitten. Das Finale ist mit der eröffnenden Tempoangabe Allegro molto überschrieben, mir kommt es bei MTT fast wie ein Presto vor. Die Hauptthemen aus dem 1. und 2. Satz werden hier wieder aufgenommen und miteinander verwoben. Man entdeckt, es ist von langer Hand so vorbereitet. Alles ganz klassisch also, und in der Wahl der Mittel, Klänge und rhythmischen Muster wiederum Brahmsisch. Der rastlose, marschartige Schlussteil ist deutlich inspiriert von Tschaikowsky: einerseits schimmert dessen furioses "Allegro con fuoco" (Wechselspiel der Streicher und Holzbläser!) aus der #4 durch, andererseits unüberhörbar die punktierten Figuren und die chromatischen Fortschreitungen in den Posaunen aus dem 3. Satz der Pathétique, inkl. Accelerando mit Augmentation in der Coda. MTT gestaltet die #1 durchweg unnachgibig straff und vorwärts drängend. Das erhöht die Spannung ungemein. Allenfalls an wenigen Passagen hätte ein leichtes Innehalten sicher nicht geschadet. An Vergleichen mangelt es mir. Die 4. Sinfonie (1910-25) wirft uns unmittelbar hinein in Ives' polytonale und polyrhythmische Welt. Müsste ich ihre vier Sätze mit je einem Wort überschreiben, würden sie wohl lauten: Sinnfrage - Komödie - Retrospektive - Erlösung. Mehrere, ja bis zu vier chorartig einander gegenüber gestellte Klanggruppen musizieren parallel in einander ausschließenden, aber in sich schlüssigen Tonarten, bisweilen um Vierteltonschritte versetzt (!). Dazu, und das dürfte auch dem ungeübteren Hörer kaum entgehen, werden kontrastierende Rhythmen, Taktarten, Tempi und Dynamikstufen scharf abgegrenzend entgegengesetzt. Diese übereinander gelegten Klangschichten nähern sich fortwährend an (rhythmisch, dynamisch und agogisch) und entfernen sich wieder. Das Ergebnis ist eben nicht blinde Kakophonie, sondern es entstehen durchaus ästhetisch angelegte, bis ins kleinste Detail geplante und fein austarierte Schichten, die zwar "Chaos" abbilden sollen, allerdings genauer betrachtet ein kalkuliertes und wohldosiertes Chaos. ![]() Die Aufführung erfordert nicht nur einen riesigen Orchesterapparat von über hundert Instrumentalisten plus Chor und Orgel in einem adäquaten Raum sowie selbstredend sorfältiges Einstudieren bei ausreichender Probenzeit, sondern zur sauberen Darstellung unbedingt mindestens einen Assistenzdirigenten, einfacher noch deren zwei oder drei. Kein Wunder, dass die Nr. 4 selten gespielt wird. Multichannel-Aufnahmen können gewiss helfen, das beabsichtigte Chaos zumindest hinsichtlich der Richtungsortung zu lichten. Im Konzertsaal unterstützt zusätzlich das Auge, das Geschehen in eine strukturierte Gliederung zu bringen. Dabei stellt sich die Frage: Sollen Ohren und Hirn das Chaos überhaupt ordnen, oder beabsichtigte Ives, dass man es über sich ergehen, auf sich wirken lässt? Zumal vornehmlich im mit "Comedy" betitelten 2. Satz verhaltene Streicher-Choräle durch tobende Blaskappellen und markerschütterndes Schlagwerk vollständig zugedeckt werden. Und wenn Andrew Litton und die Tontechniker von Hyperion tatsächlich versucht haben, die Klangschichten freizulegen (ich beziehe mich auf Franks Beitrag #32394), fällt das Ergebnis für den Hörer dann befriedigend aus, bzw. noch wichtiger: erfüllt dies die Intention des Komponisten? Oder anders formuliert: Müssen dann nicht die Mischpultregler permanent in Extrempositionen gefahren werden? Klingt ein solcher Eingriff dann noch so wie bei den Musikern im Saal? Interessant auch Wolfgangs Hinweis auf die "radikale" Aufnahme mit John Adams und dem Ensemble Modern. Gewiss begünstigt der Verzicht auf Klangmassen Transparenz und Textverständlichkeit. Aber gelingt bei einer derart spartanischen Besetzung die nötige Balance auch nur annähernd? Das kann ich mir wirklich schwer vorstellen. Und ist das noch Interpretation oder angesichts der Reduktion schon Neubearbeitung, Arrangement? Wie viel Adams steckt in Ives? ![]() Mir liegt nur diese eine Einspielung des CSO unter MTT vor, mit der ich mich bestens bedient fühle. Im Gegensatz zu oben geäußerten Befürchtungen empfinde ich die Aufnahmen von CBS/Sony nicht als veraltet; für meine Ohren sind sie frisch und klanglich ohne Tadel. Und musikalisch kann ich mir schwerlich einen besseren Sachwalter vorstellen als den mit amerikanischer Musik jeglicher Couleur bestens vertrauten MTT. Das wie in weitester Ferne verklingende Ende ist schlicht ergreifend musiziert. Sollte ich jemals Verlangen nach einer weiteren Aufnahme bekommen, müsste das wohl eine mehrkanalige werden. ![]() Torrente |
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Mars_22
Inventar |
#32421
erstellt: 12. Okt 2025, 15:57
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Ich habe mir meine Meinung gebildet, lasse aber gerne anderen noch Zeit und dir das erste Wort! Wobei ich ausgiebig über Spotify gehört habe und nicht weiß, ob die Schnipsel ausreichen, sich ein Urteil zu bilden. [Beitrag von Mars_22 am 12. Okt 2025, 16:05 bearbeitet] |
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Mars_22
Inventar |
#32422
erstellt: 12. Okt 2025, 16:03
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Bei diesem Werk sicherlich ein wichtiger Gedanke! Ich werde niemals 8-12 Lautsprecher samt Kabeln in unserem Wohnzimmer verwursten dürfen und wollen, sonst würde mich Surround + AppleMusic schon reizen. [Beitrag von Mars_22 am 12. Okt 2025, 16:20 bearbeitet] |
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atoenne
Stammgast |
#32423
erstellt: 12. Okt 2025, 16:12
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Mal ein altes Vinyl Schätzchen ausgekramt. Brahms Klavierkonzert No 2 Berliner Philharmoniker Eugen Jochum. Am Gebiss Emil Gilels 1972 [Beitrag von atoenne am 12. Okt 2025, 16:14 bearbeitet] |
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Hörstoff
Inventar |
#32424
erstellt: 12. Okt 2025, 16:35
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Referenz ist imo nur die War No More. Die LL hat aber durchaus mehr Potenzial als du vermutlich annimmst. Hier jetzt aber ein klarer Fall von Die Hifianlage hat Einfluss auf die Musikwahrnehmung:
Jetzt meine ich ein gebirgliches Ambiente mit klaren Gebirgsbächen, Gämsen und durchlichteten Berghängen wahrzunehmen. Anders betrachtet: Dausgaard extrahiert aus dem romantischen Sturm und Drang der Kompositionen das Gegenbild einer feinsinnigen wienerischen Klassik, die ihresgleichen sucht. Meine Stereohörnchen waren wohl etwas überfordert . Das Surroundsetting platziert den Hörenden dagegen mitten hinein in die fließende Landschaft. Eine Transformation und ein Beleg dafür, dass manche Einspielungen nicht weggelegt werden müssen. Stattdessen können sich Neuanläufe lohnen. [Beitrag von Hörstoff am 12. Okt 2025, 16:36 bearbeitet] |
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Mars_22
Inventar |
#32425
erstellt: 12. Okt 2025, 16:47
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Ich hab das Werk nun zum ersten Mal ganz in dieser Aufnahme gehört, und kriege beim 2. und dritten Satz mehrere Schichten Pickel. Puh! Das Ding bürstet mein Fell in die falsche Richtung. [Beitrag von Mars_22 am 12. Okt 2025, 16:47 bearbeitet] |
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WolfgangZ
Inventar |
#32426
erstellt: 12. Okt 2025, 17:01
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Ich sehe das zwar etwas anders, aber wie schon gesagt: Es sollte vielleicht nicht die einzige Aufnahme sein, die man kennt. Ich darf schon davon ausgehen, dass Du die vierte Ives gerne hörst? Denn sonst wären die nötigen Voraussetzungen ohnehin nicht gegeben. Wolfgang |
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